Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juni 2014 - X ZR 6/11

bei uns veröffentlicht am26.06.2014
vorgehend
Bundespatentgericht, 5 Ni 137/09, 17.11.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X Z R 6 / 1 1 Verkündet am:
26. Juni 2014
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 20. Mai 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski und Hoffmann und die Richterinnen
Schuster und Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Auf die Berufungen der Klägerinnen wird das am 17. November 2010 verkündete Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Das europäische Patent 522 772 wird unter Abweisung der Klage im Übrigen mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass in den Patentansprüchen 1 und 14 die Worte "wireless-call services" durch "wireless-voice-call services", die Worte "wireless -call traffic" durch "wireless-voice-call traffic", die Worte "call traffic" durch "voice call traffic" und die Worte "individual calls" durch "individual voice calls" ersetzt werden, wobei jedoch die Worte "A Method of transporting wireless-call traffic" zu Beginn von Patentanspruch 14 unverändert bleiben.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Von den Gerichtskosten tragen die Kläger jeweils ein Sechstel und die Beklagte die Hälfte.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 30. Juni 1992 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 9. Juli 1991 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 522 772 (Streitpatents). Das während des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf erloschene Streitpatent umfasst 26 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 in der Verfahrenssprache lautet: "A wireless-access communications system (FIG. 2) comprising : a plurality of service nodes (202) each providing wireless-call services to user terminals located in a vicinity of the service node; a plurality of communications links (207, 210) connected to the plurality of service nodes, at least one link connected to each service node; at least one switching system (201:220) connected to the plurality of links for conveying wireless-call traffic to and from the service nodes over the links; each service node including first means (242-245) responsive to wireless reception of deterministic incoming call traffic from user terminals, for transmitting packets carrying the incoming traffic of individual calls on the connected at least one link in non-deterministic, statistically-multiplexed form, and further for receiving packets carrying outgoing traffic of the individual calls on the connected at least one link in nondeterministic , statistically-multiplexed form for deterministic wireless transmission of the outgoing traffic to the user terminals and each switching system including second means (264) responsive to receipt of deterministic outgoing call traffic destined for user terminals served by a service node, for transmitting packets carrying the outgoing traffic of the individual calls in non-deterministic, statistically-multiplexed form on the at least one link connected to the service node, and further for receiving packets carrying incoming traffic of the individual calls in non-deterministic, statistically-multiplexed form on the at least one link connected to the service node for deterministic transmission of the incoming traffic to destinations of the incoming traffic, characterised in that the second means include means (622, 611, 602:970) for controlling time instants of transmission from the switching system of the packets carrying the outgoing traffic to ensure receipt of the transmitted packets, at a service node serving a user terminal for which the transmitted packets are destined , within predetermined windows of time, and means (621, 611, 602:912) for controlling time instants of transmission from the switching system of the incoming traffic to ensure receipt at the switching system of the packets carrying the incoming traffic within predetermined windows of time prior to the time instants of transmission of the received incoming traffic."
2
Das Patentgericht hat das mit der Klage der Klägerin zu 1 vom 28. August 2009 eingeleitete Patentnichtigkeitsverfahren mit den beiden weiteren, von den Klägerinnen zu 2 und 3 angestrengten Verfahren verbunden , wobei die Klägerin zu 3 die Klage am 1. Oktober 2009 erhoben hat.
3
Die Klägerinnen zu 1 und 3 haben beantragt, das Streitpatent insgesamt mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären , und hierfür eine unzulässige Erweiterung sowie mangelnde Patentfähigkeit geltend gemacht.
4
Die Klägerin zu 2 hat beantragt, das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1, 6, 11, 14, 19 und 24 für nichtig zu erklären, und sich hierfür auf eine unzulässige Erweiterung, mangelnde Ausführbarkeit sowie mangelnde Patentfähigkeit berufen.
5
Das Patentgericht hat die Klagen abgewiesen. Hiergegen richten sich die Berufungen der Klägerinnen, mit denen sie jeweils ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgen. Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und hilfsweise das Streitpatent in vier geänderten Fassungen.
6
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. J. ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


7
I. Das Streitpatent betrifft Verbindungen in einem Kommunikationssystem mit drahtlosem Zugang, insbesondere einem Mobilfunknetz.
8
1. Im vom Streitpatent zugrunde gelegten Stand der Technik sind Mobilfunknetze als zelluläres Funkfernsprechsystem bereits etabliert. Die Netze sind in eine Mehrzahl von Funkzellen (Dienstknoten, sonst häufig auch als Basisstationen bezeichnet) unterteilt, von denen jeweils die in ihrem Bereich befindlichen Benutzerendgeräte versorgt werden. Die Dienstknoten sind dabei jeweils über ein Vermittlungssystem sowohl untereinander als auch mit dem öffentlichen Fernsprechnetz verbunden. In dieser Netzstruktur erfolgt der Signalfluss aufgrund von verschiedenen Standards wie einem Frequenzaufteilungssystem (Frequency-Division Multiple Access - FDMA) oder einem Zeitaufteilungssystem (Time-Division Multiple Access - TDMA). Für die Funkschnittstelle zu den Benutzerendgeräten kommt ein Codemultiplexverfahren (Code-Division Multiple Ac- cess - CDMA) hinzu, bei dem jedes Nutzsignal teilnehmerspezifisch ko- diert wird und eine erhebliche Kapazitätserweiterung erlaubt. Zudem erlaubt das CDMA-Verfahren eine Weiterschaltung von einer Funkzelle zur nächsten, bei der während des Übergangs für eine gewisse Zeit beide Funkzellen eine Verbindung zum Benutzerendgerät herstellen ("soft handoff" oder auch "soft hand-over"). Die Kapazitätserweiterung und die besonderen Anforderungen einer "weichen" Übergabe führen zu stärkeren Anforderungen an die Verkehrsleistung hinsichtlich der Architektur des Mobilfunknetzes, die mit den bestehenden Leitungen zwischen den Dienstknoten und den Vermittlungssystemen nicht leicht zu bewerkstelligen waren.
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2. Das Streitpatent betrifft das technische Problem, die Verkehrsleistung in der Netzstruktur eines Kommunikationssystems mit drahtlosem Zugang zu steigern und zu verbessern.
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Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 ein Kommunikationssystem mit drahtlosem Zugang vor, dessen Merkmale sich (im Wesentlichen mit dem Patentgericht) wie folgt gliedern lassen: A eine Mehrzahl von Dienstknoten (202), die jeweils drahtlose Verbindungsdienste für in der Nähe des Dienstknotens befindliche Benutzerendgeräte bereitstellen; B eine Mehrzahl von mit der Mehrzahl von Dienstknoten verbundenen Kommunikationsstrecken (207, 210), wobei mit jedem Dienstknoten mindestens eine Strecke verbunden ist (at least one link connected to each service node); C mindestens ein mit der Mehrzahl von Strecken verbundenes Vermittlungssystem (201, 220) zur Übermittlung von drahtlosem Rufverkehr zu und von den Dienstknoten über die Strecken; D jeder Dienstknoten enthält erste Mittel (242-245), D1 die auf drahtlosen Empfang von deterministischem ankommenden Rufverkehr von Benutzerendgeräten reagieren zur Übertragung von Paketen, die den ankommenden Verkehr von Einzelanrufen auf der angeschlossenen (mindestens einen) Strecke in nicht-deterministischer, statistisch gemultiplexter Form enthalten, D2 und weiterhin zum Empfang von Paketen, die den abgehenden Verkehr der Einzelanrufe auf der angeschlossenen (mindestens einen) Strecke in nichtdeterministischer , statistisch gemultiplexter Form enthalten, zur deterministischen drahtlosen Übertragung des abgehenden Verkehrs zu den Benutzerendgeräten ; E jedes Vermittlungssystem enthält zweite Mittel, E1 die auf den Empfang von deterministischem, für von einem Dienstknoten bediente Benutzerendgeräte bestimmten abgehenden Rufverkehr reagieren, zum Übertragen von Paketen, die den abgehenden Verkehr der Einzelanrufe in nicht-deterministischer, statistisch gemultiplexter Form auf der (mindestens einen) an den Dienstknoten angeschlossenen Strecke enthalten, E2 und weiterhin zum Empfang von Paketen, die ankommenden Verkehr der Einzelanrufe in nichtdeterministischer , statistisch gemultiplexter Form auf der mindestens einen an den Dienstknoten angeschlossenen Strecke zur deterministischen Übertragung des ankommenden Verkehrs zu Zielen des ankommenden Verkehrs enthalten, E3 sowie Folgendes umfassen: F Mittel zur Steuerung von Zeitmomenten der Übertragung der den abgehenden Verkehr enthaltenden Pakete vom Vermittlungssystem (ti- me instants of transmission from the switching system) zur Sicherstellung des Empfangs der übertragenen Pakete innerhalb vorbestimmter Zeitfenster an einem Dienstknoten, der das Benutzerendgerät bedient, für das die übertragenen Pakete bestimmt sind; G Mittel zur Steuerung von Zeitmomenten der Übertragung des ankommenden Verkehrs vom Vermittlungssystem (time instants of transmis- sion from the switching system) zur Sicherstellung des Empfangs der den ankommenden Verkehr enthaltenden Pakete am Vermittlungssystem innerhalb vorbestimmter Zeitfenster vor den Zeitmomenten der Übertragung des empfangenen ankommenden Verkehrs.
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3. Zur näheren Erläuterung ist Folgendes auszuführen:
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a) Der Gegenstand des Streitpatents betrifft ein zur Nutzung von drahtlosen Zugängen eingerichtetes Kommunikationssystem, insbesondere ein System zur Kommunikation mit Mobilfunktelefonen, und weist dafür Dienstknoten (Basisstationen) und von diesen Knoten abgehende Kommunikationsstrecken zu einem Vermittlungssystem auf. Vom Vermittlungssystem wird die Kommunikation in andere Strukturen, insbesondere das öffentliche Festnetz, weitergeleitet (Merkmale A bis C).
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Die Kommunikation ist teils deterministisch und teils nicht-deterministisch. Unter deterministischer Übertragung ist ein Signalfluss zu verstehen , bei dem Kommunikationsinhalte über ein Medium oder eine Frequenz zusammen mit Kommunikationsinhalten anderer Sender oder Empfänger übertragen werden können und dabei anhand eines Algorithmus wie des FDMA-, TDMA- oder CDMA-Verfahrens mit Hilfe der zeitlichen Lage, Frequenz oder Codierung die Zuordnung zu der jeweiligen Sendeund Empfangsbeziehung bestimmt wird. Es handelt sich um ein Multiple- xen mit synchroner Signalübertragung, bei dem jeder Sende- und Empfangsbeziehung eine bestimmte Bandbreite für den jeweiligen Signalfluss garantiert ist, die auch beim Fehlen von zu übertragenden Kommunikationsinhalten (z.B. Sprechpausen) ausgeschöpft wird. Exemplarisch ist hierfür ein Zeitmultiplexsystem, bei dem einem Signalfluss zwischen einem bestimmten Sender und einem bestimmten Empfänger jeweils ein bestimmtes Zeitfenster in der Reihenfolge der weiteren Zeitfenster für andere Signalflüsse zugewiesen wird.
14
Bei der nicht-deterministischen Übertragung fehlt es an einem solchen Algorithmus. Die von mehreren Sendern stammenden und/oder an mehrere Empfänger gerichteten, über ein Medium oder eine Frequenz zu übertragenden Signale werden jeweils in Paketen von gegebenenfalls unterschiedlicher Größe zusammengefasst. Die Pakete enthalten Informationen über den Ursprung und/oder das Ziel des jeweiligen Signalflusses.
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Dem Gegenstand des Streitpatents liegt insoweit eine Konstellation zugrunde, bei der - der Signalfluss zwischen den Benutzerendgeräten, insbesondere den Mobilfunktelefonen, und den Dienstknoten drahtlos und deterministisch übertragen wird, - der Verkehr zwischen den Dienstknoten und dem Vermittlungssystem in nicht-deterministischer, mithin statistisch gemultiplexter Form stattfindet sowie - der weitere Verkehr vom Vermittlungssystem zu den weiteren Zielen der Kommunikation (zumindest zunächst) deterministisch übertragen wird; das Streitpatent nennt als weitere Ziele exemplarisch das öffentliche Festnetz, ist aber auf solche Ziele nicht beschränkt.
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b) Die Verwendung der Begriffe "ankommender" bzw. "abgehender Rufverkehr" bezieht das Streitpatent auf die Vermittlungsstelle. Ankommender Rufverkehr wird in mehreren Stellen der Beschreibung als Verkehr beschrieben, in dessen Richtung unter anderem die Signale vom Dienstknoten an die Vermittlungsstelle gesendet werden, während im abgehenden Rufverkehr der Signalfluss von der Vermittlungsstelle in Richtung des Dienstknotens weitergeleitet wird (Streitpatent Sp. 14 Z. 17 bis 23; Sp. 34 Z. 19 bis 22, 32 bis 34, 50 bis 53). Beide Begriffe beziehen sich jeweils auf den gesamten Verkehr von einem Kommunikationspartner als Ausgangspunkt einer Kommunikation zum anderen Kommunikationspartner als dessen Endziel. Abgehender Rufverkehr beginnt deshalb nicht erst im Vermittlungssystem, sondern bei einem weiter entfernten Kommunikationspartner. Ankommender Rufverkehr endet nicht im Vermittlungssystem , sondern wird darüber hinaus an weitere Ziele weitergeleitet.
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c) Der Wechsel zwischen einem deterministischem und einem nicht-deterministischem Signalfluss auf den jeweiligen Kommunikationsstrecken zwischen dem Benutzerendgerät, dem Dienstknoten, dem Vermittlungssystem und schließlich dem weiteren Ziel bedingt Mittel im Dienstknoten (Merkmalsgruppe D) und im Vermittlungssystem (Merkmalsgruppe E), die die jeweils hierfür erforderliche Anpassung vornehmen.
18
Dabei bezieht sich Merkmal D1 auf die Mittel, die die vom Benutzerendgerät ausgehende Kommunikation vom Dienstknoten für eine nichtdeterministische Übertragung zum Vermittlungssystem anpassen. Merkmal D2 betrifft die Mittel für die Anpassung der vom Vermittlungssystem ausgehenden, beim Dienstknoten eintreffenden, nicht-deterministischen Kommunikationspakete zur deterministischen Weiterleitung an die Benutzerendgeräte.
19
Merkmal E1 betrifft die Mittel für einen Signalfluss, der von den weiteren Kommunikationspartnern wie beispielsweise dem öffentlichen Fest- netz stammt, beim Vermittlungssystem im Wege einer deterministischen Übertragung empfangen und von diesem System an den jeweiligen Dienstknoten nicht-deterministisch übertragen wird. Merkmal E2 betrifft die Mittel für die Gegenrichtung, mit der vom jeweiligen Dienstknoten gesendete Pakete beim Vermittlungssystem nicht-deterministisch eintreffen und die deterministisch an die weiteren Ziele wie das öffentliche Festnetz übertragen werden.
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d) Merkmal F dient für den abgehenden Verkehr der Synchronisation zwischen regelmäßigen Abläufen im Vermittlungssystem, die der nicht-deterministischen Übertragung unmittelbar vorangehen, mit Abläufen im Dienstknoten, die ebenfalls einem bestimmten Takt unterliegen. Die Takte haben die gleiche Frequenz, aber, jedenfalls nicht notwendigerweise , die gleiche Zeitlage zueinander. Insbesondere kann ein solcher Versatz vorliegen, dass der Empfang der Signale im Dienstknoten im Hinblick auf eine Verringerung von Leerlaufzeiten sowie auf eine wegen der nicht-deterministischen Versendung zu erwartenden Verzögerungsfluktuation noch optimiert werden kann.
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Die Synchronisation wird mit Mitteln im Vermittlungssystem bewirkt, die sich an den vom Dienstknoten für den Empfang der Pakete vorgegebenen Zeitfenstern orientieren. Dies bedingt Signale vom Dienstknoten an das Vermittlungssystem, um den Synchronisationsprozess an den zum Merkmal F gehörenden, vorbestimmten Zeitfenstern (predetermined windows of time) auszurichten. Die Zeitfenster fungieren als Toleranz- spannen, so dass auf innerhalb dieser Fenster liegende Empfangszeitpunkte keine erneuten Synchronisierungsschritte folgen und damit ein kontinuierlicher Signalfluss entstehen kann. Die Steuerung der Synchronisation erfolgt ganz wesentlich auch durch das Vermittlungssystem, indem es den Sendezeitpunkt so bestimmt, dass der Empfang in das Zeitfenster fällt, der sich aus dem Takt ergibt, dem der Dienstknoten folgt. Steuerung im Sinne von Merkmal F (und G) versteht der Fachmann dabei nicht als einen willensgesteuerten, den gesamten Prozess beherrschenden oder überwachenden Ablauf, denn die hierbei zur Verwendung kommenden Mittel agieren willenlos. Sie folgen gemäß ihrer Programmierung und Verschaltung sämtlich den technischen Gegebenheiten, die sich aufgrund der menschlichen Handlungen an den Endgeräten für die jeweilige Verbindung unter Einschluss der weiteren Umweltfaktoren ergeben. In diesem Kontext gibt es weder beherrschende noch Mittel, die sich solchen Mitteln unterordnen.
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Auch wenn sich das Bedürfnis für eine dem Merkmal F entsprechende Synchronisation insbesondere bei Sprachverkehr ergibt, wird in Merkmal F ein solcher Bezug nicht erwähnt. Vielmehr zeigt die in Merkmal F damit zum Ausdruck gebrachte Abstraktionsstufe, in dem diese sich von dem in der Beschreibung dargestellten Anwendungsbeispiel löst und keine Beschränkung auf Sprachverkehr vornimmt, dass Merkmal F nicht auf Sprachverkehr beschränkt ist.
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e) Der Wortlaut des Merkmals G vermittelt dem Fachmann zunächst ein widersprüchliches Verständnis. Die Wendung "transmission from the switching system" wird in den Merkmalen F und G gleichlautend verwendet und bezieht sich in beiden Fällen auf die aus dem Vermittlungssystem übertragenen Verkehrsdaten. Da Merkmal G sich auf den ankommenden Verkehr bezieht, wären damit die Signale vom Vermittlungssystem zu den weiteren Zielen wie dem öffentlichen Festnetz gemeint. Übereinstimmend sagen aber auch die Merkmale F und G, dass die jeweils angesprochenen Steuerungsmittel ("means for controlling time instants of transmission") den zeitfenstergerechten Empfang der übertrage- nen Verkehrsdaten sicherstellen sollen ("to ensure receipt"). Im Falle des Merkmals G ist der Empfang "at the switching system", also am Vermittlungssystem , sicherzustellen und zwar innerhalb vorbestimmter Zeitfenster vor dem Zeitpunkt der weiteren Übertragung aus dem Vermittlungssys- tem zu den weiteren Zielen ("within predetermined windows of time prior to the time instants of transmission of the received incoming traffic").
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Hierin liegt ein für den Fachmann klar erkennbarer Widerspruch, denn mit der Steuerung der Signale vom Vermittlungssystem zu den weiteren Zielen wie dem öffentlichen Festnetz kann nicht der Empfang der Signale am Vermittlungssystem sichergestellt werden; Ersterer folgt Letzterem , so dass die Steuerung auf den Empfang keinen Einfluss mehr nehmen kann.
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Die Auflösung dieses Widerspruchs ergibt sich aus der stets bei der Auslegung eines Patentanspruchs mit heranzuziehenden Beschreibung und den Zeichnungen des Streitpatents. Für eine vom Vermittlungssystem gesteuerte Synchronisierung des ankommenden Verkehrs erläutert die Beschreibung anhand der nachfolgenden Figur 20 - quasi als Spiegelbild zur Synchronisierung des abgehenden Verkehrs gemäß Merkmal F - eine Synchronisation des Prozessors (602) und des Vocoders (604) mit den Empfangszeitpunkten (1404) des ankommenden Verkehrs im Vermitt- lungssystem. Dabei wird anhand der vom Dienstknoten empfangenen Signalpakete aus deren Empfangszeitpunkten ein wiederkehrendes Zeitfenster (1402) bestimmt, in dem die noch folgenden Signalpakete zu erwarten sind. Mit einem gewissen, als Puffer wirkenden Abstand zu diesem Zeitfenster werden sodann die als Verkehrsrahmenzeiten geltenden Zeitpunkte (1406) verschoben (1410), zu denen der Prozessor (602) das Signalpaket an den Vocoder (604) weiterleitet und dieser im Takt der aus den Verkehrsrahmenzeiten (1406) folgenden Verkehrsrahmen (1408) eine Umformatierung der Sprachsignale vornimmt, bevor die Signale vom Vermittlungssystem an weitere Ziele wie dem öffentlichen Festnetz weiter übertragen werden (Streitpatent, Sp. 30 Z. 8 bis Sp. 31 Z. 34). Sowohl der Ausgang des Vocoders als auch die Übertragung an die weiteren Ziele unterliegen einem anderen Taktsignal, das nicht anhand der Empfangszeitpunkte der vom Dienstknoten empfangenen Signale verschoben werden kann (Streitpatent, Sp. 20 Z. 29 bis 35, Sp. 21 Z. 46 bis 48, Sp. 21 Z. 57 bis Sp. 22 Z. 2).
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Mit der Synchronisation gemäß Merkmal G soll folglich nicht der Sendetakt gesteuert werden, mit dem die Signale des ankommenden Verkehrs vom Vermittlungssystem an weitere Ziele übertragen werden. Die Synchronisation steuert allein den Takt im Vermittlungssystem, mit dem empfangene Signale vom Prozessor an die nächste Verarbeitungsstufe in diesem System weitergegeben werden, so dass sich aus dem Empfangsfenster eine Toleranzspanne ergibt, innerhalb deren die Signale kontinuierlich für die nächste Operation weitergegeben werden können. Der Signalfluss an die nächste Verarbeitungsstufe ist damit frei von Lücken und sich daraus ergebenden Verzerrungen.
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Das zu Figur 20 in der Beschreibung des Streitpatents erläuterte Beispiel zeigt demnach deutlich, dass mit Merkmal G der kontinuierliche Empfang für die nächste Operation im Vermittlungssystem sichergestellt werden soll, hierfür die Signale anhand eines zu bestimmenden Zeitfens- ters kurz gepuffert und sodann mit einem gesteuerten Takt zur nächsten Operation weitergeleitet werden, deren Operationstakt ebenfalls nach diesem Takt ausgerichtet ist.
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Soweit die Rechtbank's-Gravenhage angenommen hat, Merkmal G sei wegen seines klaren Wortlauts einer Auslegung unter Heranziehung der Beschreibung nicht zugänglich, kann der Senat dem aus den vorstehend dargelegten Gründen mit dem Patentgericht nicht beitreten.
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Ebenso wie in Merkmal F, zu dem sich Merkmal G spiegelbildlich verhält, ist dieses Merkmal nicht auf Sprachverkehr beschränkt. Auch wenn die Wortwahl in Merkmal G mit Unklarheiten und Widersprüchen behaftet ist, sind beide Merkmale ähnlich formuliert und zeigen damit eine für beide Merkmale gleiche Abstraktionsstufe, die durch das Fehlen jeglichen Bezugs auf den Sprachverkehr deutlich zu erkennen gibt, dasssie - wie auch der Gegenstand des Streitpatents insgesamt - nicht auf Sprachverkehr beschränkt sein sollen.
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II. Das Patentgericht hat die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung und der mangelnden Patentfähigkeit verneint und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
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1. Zu Merkmal F zeige Figur 19 der ursprünglichen Anmeldeunterlagen (übereinstimmend mit dem Streitpatent) dem Fachmann, bei dem es sich um einen Diplomingenieur der elektrischen Kommunikationstechnik mit Hochschulausbildung und besonderen Kenntnissen in der Signalübertragung und Systemstrukturierung von Kommunikationssystemen mit drahtlosem Zugang handele, ein Zeitdiagramm für die Synchronisation der vom Prozessor (602) des Vermittlungssystems bestimmten Paketsendezeitpunkte (1304 und 1305) mit den Eingangsfenstern (1302) des Kanalsegments im Dienstknoten. Wenn die empfangenen Signalpakete (1303) nicht in die vom Zellentakt vorgegebenen Zeitfenster (1302) fielen, werde das Sendeunterbrechungssignal Tx_INT_X verschoben, damit die Signalpakete (1306) fortan innerhalb des Empfangszeitfensters (1302) einträfen. Der Fachmann erkenne anhand dieser funktionalen Zusammenhänge , dass das für die korrekte Einstellung der Paketempfangszeitpunkte maßgebliche Steuermittel in Form des Prozessors im Vermittlungssystem angesiedelt sei. Dem stehe nicht entgegen, dass diese Steuerung eine Interaktion mit dem Kanalelement im Dienstknoten erfordere, weil der Prozessor im Vermittlungssystem gemäß dem in den Figuren gezeigten Ausführungsbeispiel nur auf Anforderung durch den Dienstknoten handele und somit dieser die eigentliche Kontrolle über die Verschiebung der Übertragungszeitpunkte ausübe. Auch wenn eine Meldung vom Dienstknoten an das Vermittlungssystem zwingend erforderlich sei, stehe gleichwohl fest, dass die Anpassung der Paketübertragungszeitpunkte durch den im Vermittlungssystem lokalisierten Mikroprozessor vorgenommen werde. Dem Fachmann springe dabei unmittelbar ins Auge, dass der Steuerungsprozess nur funktioniere, wenn der Prozessor im Vermittlungssystem vom Dienstknoten eine Führungsgröße erhalte. Dieser funktionsnotwendige Zusammenhang sei bei fachmännischer Auslegung des Merkmals F implizit umfasst.
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Zu Merkmal G zeige Figur 20 einen - der Figur 19 ähnlichen - Ablauf mit dem Unterschied, dass die Paketsendezeiten nicht verändert werden könnten und damit auch deren Empfangszeiten vorgegeben seien. Diese könnten außerhalb eines Zeitfensters (1402) liegen, innerhalb dessen der Prozessor (602) eine Verarbeitung rechtzeitig vor der Weitergabe zum Vocoder (604) vornehmen könne. In diesem Falle bestimme der Prozessor eine Zeitdauer, um die er seine Rahmenübertragungszeit zum Vocoder verstellen müsse, damit die Empfangszeiten sicher in dem Zeitfenster liegen. Aus diesen Zusammenhängen entnehme der Fachmann eindeutig, dass die Synchronisation des zeitlichen Eintreffens der vom Dienstknoten ausgesendeten Pakete innerhalb eines Empfangsfensters durch den im Vermittlungssystem lokalisierten Prozessor (602) gesteuert werde.
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Nach den ursprünglichen Anmeldeunterlagen gäben diese Mechanismen der Zeitanpassung einen Signalfluss über den Vocoder (604), mithin einen Sprachkodierer, wieder. Dies widerspreche jedoch nicht der dem Fachmann bekannten Nutzung des Sprachkanals auch zur reinen Datenübertragung.
34
2. Weiterhin sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu und beruhe auf erfinderischer Tätigkeit. Keine der vorgelegten Druckschriften offenbare ein Kommunikationssystem mit einem Vermittlungssystem, das ein Steuerungsmittel mit den Merkmalen F und G aufweise.
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Ausgehend von der europäischen Patentschrift 426 269 (D1) sei dem Fachmann ein Kommunikationssystem mit einer Vielzahl von Dienstknoten bekannt, die entsprechend den Merkmalen A, B und C sowohl mit mehreren mobilen Benutzerendgeräten drahtlos kommunizieren als auch mit einem Vermittlungssystem über Kommunikationsstrecken in Verbindung stehen. In diesem System werde der Ruf- und Steuerverkehr über die Kommunikationsstrecken zwischen den Dienstknoten und dem Vermittlungssystem in Paketen in beiden Richtungen übermittelt (Merkmale D und D2), womit die Sprach- und Steuerinformationen mehrerer Dienstknoten konzentriert und über die Vermittlungsstellen an das Festnetz weitergeleitet werden könnten. Dabei erzeugten die Steuereinheiten der Dienstknoten aus den von den mobilen Benutzerendgeräten in einem synchronen Signalfluss eingehenden Steuer- und Sprachinformationen paketierte Informationen (Merkmal D1). Der Fachmann entnehme der weiteren Beschreibung der D1, dass die Informationen von den Vermittlungssystemen weitergegeben werden, wobei nicht nur der Signalaustausch zwischen Dienstknoten und Vermittlungssystem im asynchronen Transfermodus (ATM) und somit in nicht-deterministischer Weise erfolge, sondern auch der weitere Signalaustausch mit den Schaltknoten des öffentlichen Netzes. Die in den Merkmalen E bis G angesprochenen Synchronisierungsprobleme seien daher in der D1 nicht erwähnt.
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Die Standardisierungsempfehlung GSM Recommendation 08.60 "Inbound Control of Remote Transcoders and Rate Adaptors" des GSMMobilfunkstandards , Version 2.2.0 vom 22. November 1988 (D2) und Version 3.1.0 vom 6. Juni 1989 (D2') offenbarten die Steuerung von Bausteinen zur Nutzung einer Schnittstelle (ABis-Interface) zwischen einer Base Transceiver Station (BTS) und einem Base Station Controller (BSC), die beide innerhalb einer Basisstation (eines Dienstknotens) angeordnet seien. Hierfür würden 64-kBit/s-Kanäle in mehrere Subkanäle aufgeteilt. Für den Fall, dass der BSC von der BTS entfernt angeordnet sei und somit der BSC über keine Informationen zur Funktaktung der Basissendeempfangsstation BTS verfüge, seien die Übertragungszeiten der Sprachrahmen zeitlich anzupassen. Hierfür erfolge eine Taktanpassung, indem die in der BTS enthaltene Kanalkodiereinheit (Chanel Codec Unit - CCU) die erforderliche Taktanpassung berechne und der BSC einen Rahmen mit der Anzahl von Zeitschritten zur Verzögerung der Rahmen des Codeumsetzers im BSC (Transcoder/Rate Adapter Unit - TRAU) zurückschicke. Der Fachmann folgere daraus, dass der Austausch der in einem Rahmen zusammengefassten Daten in einem vorgegebenen regelmäßigen Zeitfenster erfolge, sodass gemäß der Entgegenhaltung D2 nur deterministische Übertragungsmechanismen zur Anwendung kämen. Zudem werde das in der D2 offenbarte Synchronisationsverfahren nicht zwischen Dienstknoten und einem Vermittlungssystem, sondern zwischen zwei Subsystemen angewendet , die beide funktional unter dem Begriff "Dienstknoten" zusammenzufassen seien. Die Merkmale D bis G könnten daher der D2 nicht entnommen werden.
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Der Fachartikel "Communication Service and Media Control Using ATM" in IEICE Transactions (Vol. E 74, Nr. 3, April 1991) von Murakami (D3) beschreibe ein Steuerungssystem zur Übertragung unter anderem von Mediendateien mit konstanter Bitrate (CBR) sowie einer Sprachkommunikation mit variabler Bitrate (VBR) unter Anwendung eines ATMÜbertragungsnetzwerks. Zur Übertragung über das ATM-Netzwerk würden die Bitströme zunächst in Paketen gesammelt. Die Pakete würden, wie bei einer ATM-Übertragung üblich, statistisch gemultiplext und erreichten den Empfänger deshalb aperiodisch. Es müsse deshalb im Empfänger ein Betriebstakt erzeugt werden, dessen Frequenz mit derjenigen des Taktes im Sender übereinstimme. Wegen der unterschiedlichen Kodierungsgeschwindigkeiten bei der Sprachkommunikation träfen die Pakete aperiodisch ein. Die Taktwiederherstellung beim Empfänger werde dadurch ermöglicht, dass den Paketen eine Paket-Generierungszeit oder Paket-Generierungspausenzeit in Form einer Zeitmarke hinzugefügt werde , die der Empfänger zur Abstimmung des Taktgebers auswerte. Der Fachmann entnehme dem lediglich, bei statistisch gemultiplexter Paketübertragung eine Taktwiederherstellung durch Auswertung einer mitübertragenen Zeitmarke vorzunehmen. Auf ein Vermittlungssystem werde nicht eingegangen.
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Aufgrund der in diesen Entgegenhaltungen offenbarten Lehren würde der Fachmann nicht im Rahmen seines fachmännischen Handelns die in der D2 offenbarten Maßnahmen zur Rahmensynchronisation auf den Signalfluss zwischen einem Dienstknoten und einer Vermittlungsstation im Sinne des Streitpatents übertragen und hierfür die Synchronisation statistisch gemultiplexter Pakete in der Vermittlungsstation entsprechend anpassen. Der Entgegenhaltung D2 möge zwar ein Hinweis zu entnehmen sein, bei einer Zeiteinstellung der Sprachrahmen im Abwärtsverkehr die Rahmensynchronisationsfenster entsprechend umzustellen. Es habe aber nicht nahegelegen, diesen Vorgang auf ein Vermittlungssystem im Sinne des Streitpatents zu übertragen, denn die Art und Weise der Umstellung des Rahmensynchronisationsfensters sei in der D2 nicht weiter konkretisiert und die Umstellung werde nur in einem deterministischen Übertragungsprozess angewendet.
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Ein Hinweis oder eine Anregung, in einem den Dienstknoten nachgeordneten Vermittlungssystem eine Steuerung der Empfangs- bzw. Absendezeitpunkte von Paketen innerhalb vorbestimmter Zeitfenster zu implementieren (Merkmale F und G), sei auch weder den übrigen vorgelegten Druckschriften zu entnehmen noch dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens nahegelegt gewesen.
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III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren hinsichtlich der erteilten Fassung des Streitpatents in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
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1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 geht über den Inhalt der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ).
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a) Zur angemeldeten Erfindung gehört nach ständiger Rechtsprechung alles, was der mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik der ursprünglichen Anmeldung unmittelbar und eindeutig als zur angemeldeten Erfindung gehörend oder als mögliche Ausführungsform dieser Erfindung entnehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 52 mwN - Polymerschaum). Patentansprüche, Beschreibung und Zeichnungen der Anmeldeunterlagen sind dabei grundsätzlich gleichwertige Offenbarungsmittel (BGH, Urteile vom 30. Januar 2007 - X ZR 156/02, GRUR 2007, 578, 580 - rückspülbare Filterkerze; vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 52/08, GRUR 2010, 599 Rn. 22 - Formteil).
43

b) Merkmal F ist auf das in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen (in Übereinstimmung mit dem Streitpatent) beschriebene Ausführungsbeispiel und hierbei insbesondere die Ausführungen zu Figur 19 gestützt (Anmeldung, S. 30 Z. 33 bis S. 33 Z. 29). Danach senden die Dienstknoten aufgrund des ihnen vorgegebenen Zellentaktes und den damit vorgegebenen Übertragungszeitpunkten für den abgehenden Verkehr an die Benutzerendgeräte dem Vermittlungssystem ein Signalpaket ("signalling packet", Streitpatent, Sp. 28 Z. 14 bis 21) mit Werten zur Verschiebung des Sendezeitpunkts zur Übertragung vom Vermittlungssystem , falls dies für eine optimale Übertragung der Signale und deren Verarbeitung angezeigt ist. Aufgrund dieses Signalpakets verschiebt der Prozessor (602) sodann im Vermittlungssystem den Zeitpunkt für die Umformatierung der Sprachsignale im Vocoder (604) und sendet die Signale zu einem Zeitpunkt, der unter Berücksichtigung der Übertragungsdauer zum Dienstknoten in ein Empfangszeitfenster fällt, an das sich die weitere Verarbeitung im Dienstknoten und die Übertragung der Signale an die Benutzerendgeräte unmittelbar anschließt. Dies hat das Patentgericht zutreffend näher ausgeführt.
44
c) Damit konnte der Fachmann, den das Patentgericht unangefochten und rechtsfehlerfrei definiert hat, ein durch Merkmal F näher charakterisiertes Kommunikationssystem den ursprünglichen Anmeldeunterlagen soweit als zur Erfindung gehörig entnehmen, wie dieses sich hinsichtlich der Merkmale F und G auf den Sprachverkehr bezieht.
45
In der Anmeldung war Anspruch 1 ganz allgemein auf ein Kommunikationssystem gerichtet, das lediglich durch die Merkmale A bis E2 definiert war. Hierdurch wurde dem Fachmann in der Anmeldung verdeutlicht, dass es für die zur Erfindung angemeldete technische Lehre in ihrer allgemeinsten Form nicht darauf ankommen sollte, ob Mittel vorhanden sind, die die Zeitmomente der Übertragung des Verkehrs aus dem Vermittlungssystem steuern, indem sie die anhand des Ausführungsbeispiels be- schriebene Anpassung des Sendezeitpunkts des abgehenden Verkehrs an die Empfangszeitfenster des Dienstknotens vornehmen und die Verarbeitung der Pakete des ankommenden Verkehrs so verändern, dass sie ein taktgerechtes internes Empfangszeitfenster erhalten. Soweit von den in der Beschreibung für das Ausführungsbeispiel angegebenen Details für das Merkmal F im Wege der Abstraktion verallgemeinert wurde, geht dies hinsichtlich der Methode der Synchronisation daher nicht über dasjenige hinaus, was nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen für den Fachmann auf der durch Anspruch 1 der Anmeldung vorgegebenen Abstraktionsstufe im Sinne einer allgemeinen technischen Lehre als zur angemeldeten Erfindung gehörend zu entnehmen war. Die Formulierung des Patentanspruchs in Merkmal F beachtet, dass das Erfordernis der unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung nichts daran ändert, dass wertend entschieden werden muss, was dem Fachmann als Erfindung und was ihm als bloßes Ausführungsbeispiel der Erfindung offenbart ist (BGH, Urteil 11. Februar 2014 - X ZR 107/12, GRUR 2014, 542 Rn. 22 f. - Kommunikationskanal ). Auch bei einer Beschränkung ist der Anmelder deshalb nicht gehindert, die anhand eines Ausführungsbeispiels beschriebene Erfindung in ihrer allgemeinsten, für den Fachmann erkennbaren Form zu beanspruchen.
46
Solche Verallgemeinerungen sind nach ständiger Rechtsprechung vornehmlich dann zulässig, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels , die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder einzelne in den Patentanspruch aufgenommen werden. Die hierbei zu beachtende Grenze, dass mit der Abstraktion nicht auf eine solche nicht genannte Eigenschaft abgehoben werden darf, die auch für den Fachmann nicht ohne weiteres erkennbar war, wird mit Merkmal F in Bezug auf die Darstellung der Synchronisationsmethode nicht überschritten (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 52 - Polymerschaum; vom 14. August 2012 - X ZR 3/10, GRUR 2012, 1133 Rn. 32 - UVempfindliche Druckplatte).
47
Ursprungsoffenbart ist daher ein nach Merkmal F ausgestaltetes Telekommunikationssystem auch im Hinblick auf den von den Berufungen angeführten und schon vom Patentgericht zutreffend für nicht durchgreifend erachteten Gesichtspunkt, dass das im Ausführungsbeispiel erwähnte Kanalelement nicht in den Patentanspruch aufgenommen worden ist. Dass im Ausführungsbeispiel das Kanalelement des Dienstknotens dem Vermittlungssystem signalisiert, ob und in welchem Maße eine Verschiebung der Zeitmomente für das Senden des abgehenden Verkehrs erforderlich ist, ändert, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, nichts daran, dass der Übertragungszeitpunkt vom Vermittlungssystem gesteuert wird und zwingt daher nicht zur Erwähnung im Patentanspruch. Zudem erwähnt Merkmal F ausdrücklich als Ziel der Synchronisation die Zeitfenster im Dienstknoten und gibt auch damit zu erkennen, dass an dem Steuerungsprozess vom Dienstknoten kommende Informationen beteiligt sind.
48
d) Merkmal G, dessen Bedeutung sich im Wesentlichen aus der Auslegung aufgrund der Beschreibung des Streitpatents erhellt und diese Beschreibung wortgleich bereits in der Anmeldung enthalten war (S. 33 Z. 30 bis S. 39 Z. 17), fand sich deshalb hinsichtlich der Synchronisationsmethode ebenso in der Anmeldung als zur Erfindung gehörig wieder.
49
Auch insoweit war es nicht erforderlich, jedes Detail des Synchronisationsablaufs aus der Beschreibung in den Patentanspruch aufzunehmen. Der Fachmann erkennt unmittelbar, dass die in der Beschreibung beschriebenen Abläufe verallgemeinert der technischen Funktion des Abpuffern der vom Dienstknoten gesendeten und am Vermittlungssystem empfangenen Signale in ein Empfangszeitfenster dienen, um sodann dem Vocoder einen kontinuierlichen Signalfluss bereitstellen zu können, der aufgrund der sich aus dem Empfangszeitfenster ergebenden Toleranz- spanne im weiteren Verlauf der Verbindung möglichst wenig weiterer Anpassung bedarf.
50
e) Indessen fehlt in der ursprünglichen Anmeldung zumindest in Bezug auf Merkmal G eine Offenbarung, die auch eine Synchronisation von anderen als Sprachsignalen im ankommenden Verkehr als zur Erfindung gehörig zeigen würde.
51
Die Beschreibung des Streitpatents beschreibt eine Synchronisation für den ankommenden Verkehr anhand der Figur 20 allein zu dem Zweck, die Taktsignale des Prozessors so zu verschieben, dass die Operationen des Vocoders genau zu den Zeitpunkten stattfinden, aus denen sich ein davor liegendes Empfangszeitfenster errechnet, in dem die Signale vom Dienstknoten optimal empfangen werden. Dies ermöglicht es dem Vocoder, die Sprachsignale weitestgehend kontinuierlich, mithin ohne Lücken und mit möglichst wenigen weiteren Synchronisationsschritten, zu übertragen, damit dieser die Sprachsignale auf die für das öffentliche Festnetz erforderliche Bitrate kontinuierlich dekomprimieren kann und ein an diese Bitrate angepasstes durchgehendes Audiosignal erzeugt wird.
52
Komprimierungs- oder Dekomprimierungsvorgänge mit anderen Signalen als Sprachsignalen werden im Streitpatent nicht angesprochen. Wie der gerichtliche Sachverständige in der Verhandlung überzeugend dargestellt hat, ergab es für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt in Bezug auf Kommunikationssysteme mit drahtlosem Zugang und speziell für den Mobilfunk allein beim Sprachverkehr einen Sinn, solche Komprimierungs - und Dekomprimierungsschritte vorzunehmen. Im Zusammenhang mit der Beschreibung der Synchronisation des ankommenden Verkehrs in den Anmeldeunterlagen des Streitpatents kamen ihm allein Sprachsignale in den Blick.
53
Es gab somit für den Fachmann keine Anhaltspunkte, die in den Anmeldeunterlagen allein für den Vocoder beschriebene Synchronisation im ankommenden Verkehr im Wege der Abstraktion in einer auch andere Signaltypen umfassenden Weise zu verallgemeinern und deshalb als zur Erfindung gehörig zu erkennen. Diese mit Merkmal G auch für andere Signale als Sprachsignale vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 umfasste Synchronisation des ankommenden Verkehrs geht folglich über den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus.
54
2. Für eine andere Sichtweise auf Patentanspruch 14, der als Verfahrensanspruch inhaltlich dem Gegenstand des Patentanspruch 1 entspricht , sowie auf die sich auf Patentanspruch 1 bzw. Patentanspruch 14 beziehenden Unteransprüche ist weder etwas geltend gemacht noch ersichtlich.
55
IV. Indessen erweist sich der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung des Hilfsantrags III als rechtsbeständig, der im Hinblick auf die zu III erläuterte unzulässige Erweiterung entsprechend den ausdrücklichen Maßgaben der Beklagten zur Antragstellung in der mündlichen Verhandlung nach dem Hauptantrag zuerst zu prüfen ist.
56
1. Hilfsantrag III modifiziert die Patentansprüche 1 und 14 in der Sache wie in der Urteilsformel angegeben und beschränkt damit das Streitpatent auf den Sprachrufverkehr.
57
Diese Fassung geht damit nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus, die insbesondere mit Bezug auf die Merkmale F und G anhand der Figuren 19 und 20 Synchronisationsabläufe unter Einbeziehung des Vocoders und somit für den ankommenden und den abgehenden Sprachverkehr zeigen.
58
2. Der Gegenstand des Streitpatents ist in der Fassung des Hilfsantrags III neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.
59
a) Die Merkmale A, B und C beschreiben die im Stand der Technik bekannte Netzstruktur eines Mobilfunknetzes mit Dienstknoten und einem Vermittlungssystem sowie Kommunikationsstrecken dazwischen und darüber hinausgehend. Dies war dem Fachmann unstreitig bekannt und geläufig.
60
b) Die Schrift D1 beschreibt ein Telekommunikationssystem, in dem die Basisstationen (Dienstknoten) eines Mobilfunknetzes über Ortsvermittlungsstellen mit Vermittlungsstellen verbunden sind, die den Anschluss zum öffentlichen Telefonnetz herstellen (Sp. 1 Z. 4 bis 14).
61
Sie schlägt hierfür vor, die Basisstationen unter Verwendung einer Baum- und Verzweigungsstruktur mit einem ATM-Vermittlungsknoten zu verbinden, wobei die Daten in Paketform übermittelt werden (Sp. 3 Z. 2 bis 13). Dazu sind mit den Basisstationen Mittel verbunden, die dem Paketieren von Steuerungs- und Datensignalen dienen (Sp. 1 Z. 50 bis Sp. 2 Z. 7 = Übers. S. 3 Z. 16 bis 24); entsprechend Figur 4 leiten Paketierer/Depaketierer die Sprachinformationen in Form von Paketen an die Router weiter (Sp. 5 Z. 26 bis 31). Mit den Routern sind unter anderem die Vermittlungsstellen verbunden, die die Pakete von den Basisstationen in Empfang nehmen (Sp. 6 Z. 48 bis 57). Auf diese Weise wird eine ATMKreuzverbindungs - und ATM-Ortsvermittlungsstelle konfiguriert, die die Adressierungsmechanismen der Basisstationen handhaben kann und mit einem Zonenbetrieb kompatibel ist (Sp. 7 Z. 24 bis 27).
62
Für sich genommen offenbart der Wortlaut der D1 mit den Begrifflichkeiten des Streitpatents zunächst keines der weiteren Merkmale des Gegenstands des Streitpatents. Es ist jedoch der Einschätzung des Patentgerichts zu folgen, dass der ATM-Verkehr zwischen den Basisstationen und den Vermittlungsstellen vom Fachmann als eine nicht-deterministische Übertragung und folglich die in der D1 genannten Paketierer und Depaketierer von ihm als Mittel entsprechend der Merkmale D1 und D2 verstanden werden, die den deterministischen Verkehr zwischen Benutzerendgeräten und den Basisstationen in nicht-deterministischen Verkehr für den Signalfluss zwischen den Basisstationen und einem Vermittlungssystem umformen.
63
c) Die Entgegenhaltung D2 enthält eine Empfehlung für die Übertragung des Signalflusses für den Fall, dass eine Basis-(Sende-Empfangs -)Station (Base Transceiver Station - BTS), die die Funkschnittstelle zu den Mobilfunktelefonen darstellt, entfernt vom Basisstationssteuergerät (Base Station Controller - BSC) steht, das den Codeumsetzer/Bitratenadapter (Transcoder/Rate Adaptor Unit - TRAU) enthält und mit diesem über eine ABis-Schnittstelle verbunden ist. Über diese Schnittstelle wird der Signalfluss in festen Rahmen übertragen; gegebenenfalls werden leere Rahmen übertragen (S. 16 unter 4.5). Es handelt sich daher um eine deterministische Übertragung, deren Zeitmomente jedoch nicht anhand eines gleichen Taktes mit der Empfangsstation synchronisiert sind (S. 16 unter 4.6.1).
64
Der Codeumsetzer (TRAU) entspricht funktionell dem Vocoder nach dem Streitpatent, indem er die Sprachsignale im abgehenden Verkehr von einer 64-Kbit/s-Rate verlustbehaftet in eine 16-Kbit/s-Rate umwandelt und im ankommenden Verkehr umgekehrt (Sachverständigengutachten S. 34 Fn. 1).
65
Die D2 beschreibt ein Verfahren, mit dem der Zeitpunkt verschoben werden soll, zu dem das Steuergerät in "Downlink-Richtung" (d.h. für den abgehenden Verkehr im Sinne des Streitpatents) Rahmen erzeugt und an die Basisstation sendet. Mit diesem Verfahren soll der Zeittakt der Basisstation angeglichen werden. Hierfür sendet die Kanalcodierungseinheit (Chanel Codec Unit - CCU), die dem im Streitpatent beschriebenen Kanalelement (245) entspricht, der Basisstation ein Steuerungssignal, dem- zufolge das Steuergerät die TRAU-Rahmen um definierte Schritte verschiebt (D2, S. 17 f. unter 4.6.1.1, S. 18 unter 4.6.1.2).
66
Als Synchronisationsmethode entspricht dies funktionell dem Merkmal F. Merkmal F bezieht sich indessen im Zusammenhang mit den Merkmalen D2 und E1 auf die Synchronisation von nicht-deterministisch übertragenen Paketen. Da die D2 keinen nicht-deterministischen Signalfluss zeigt, erfüllt sie das Merkmal F nicht vollständig.
67
d) Die Schrift D3 beschreibt die Lösung von Problemen im Signalfluss bei der Verwendung von ATM-Paketen in einem Netzwerk mit Audiound Videosignalen und bezieht sich dabei insbesondere auch auf interaktive Dienste wie Telefonverbindungen (D3, S. 772 r. Sp. bis S. 773 l. Sp. unter 2.). Die D3 zeigt auf, dass bei solchen Diensten mit einer konstanten Bitrate die ATM-Vermittlung mit statistischem Multiplexen zu aperiodisch eintreffenden Empfangssignalpaketen führt. Diese Verzögerungsfluktuation bei den ankommenden Zellen muss beim Empfänger eliminiert werden, um den ursprünglichen Bitstrom wieder zusammensetzen zu können. Dabei muss auch der Takt basierend auf der Taktgeschwindigkeit der Quelle wieder hergestellt werden (D3, S. 773 l. Sp. unter 2.1) Vor dieser Taktrückgewinnung gilt es, die Verzögerungsfluktuation zu eliminieren (S. 773 l. Sp. unter 2.2 (i)). Hierfür werden die Pakete für eine maximale Verzögerung in einem Netzwerk gepuffert, nachdem das erste Paket eintrifft. Die erforderliche Pufferkapazität hängt von der maximalen Verzögerung und einer Dienstrate ab (S. 774 l. Sp. unter 2.3 (iii)).
68
Die Entgegenhaltung D3 betrifft damit wie das Merkmal G die Aufgabe , Verzögerungsfluktuationen durch einen Puffer zu eliminieren und so einen jitterfreien, mithin kontinuierlichen Signalfluss zu erzielen. Die D3 lehrt jedoch, diese Eliminierung beim Empfänger vorzunehmen, während Merkmal G bereits im Vermittlungssystem vor dem Vocoder einen kontinuierlichen Signalfluss zu erzeugen sucht. Vor allem aber zeigt die D3 kein Empfangsfenster als Toleranzbereich, anhand dessen bestimmt wird, ob die zuletzt vorgenommene Synchronisation beibehalten wird oder erneut vorzunehmen ist. Merkmal G wird von der D3 deshalb nicht vollständig gelehrt.
69
e) Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit der Fachmann Veranlassung hatte, die Lehren aus den Entgegenhaltungen D1, D2 und D3 miteinander zu kombinieren, hätte ihn dies auch unter Anwendung seines Fachwissens nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Streitpatents mit seinen Merkmalen F und G geführt.
70
Eine Übertragung der Lehre aus der D2 zur Synchronisation des abgehenden Verkehrs auf eine nicht-deterministische Verbindung zwischen dem Vermittlungssystem und einem Dienstknoten hätte den Fachmann vor die Schwierigkeit gestellt, dass bei einer solchen Verbindung - anders als bei der deterministischen ABis-Verbindung zwischen einem BSC und einer BTS gemäß der D2 - durch das statistische Multiplexen eine erheblich größere Fluktuation in der Verzögerung des Empfangszeitpunkts beim Dienstknoten auftritt. Wie derSachverständige überzeugend ausgeführt hat, hatte der Fachmann wegen dieser Fluktuation keinen Anlass , die in der D2 beschriebene Synchronisation auf eine nichtdeterministische Verbindung entsprechend dem Merkmal F zu übertragen, weil ihm der Stand der Technik keine Methode an die Hand gab, mit der er wegen dieser Variationen nicht stets eine erneute Synchronisation hätte durchführen müssen und die während der Verbindungen gleichwohl erforderlich werdenden Synchronisationen möglichst unauffällig hätte vornehmen können. Das Streitpatent löst dieses Problem durch die sich aus dem Empfangszeitfenster ergebenden Toleranzspannen (Streitpatent, Sp. 32 Z. 43 bis 57) und mit kurzen Ticks, die das vom Vocoder erzeugte Sprachsignal kurzzeitig unterbrechen oder verlängern (Streitpatent, Sp. 33 Z. 8 bis Sp. 35 Z. 1). Ein Vorbild für diese Methode fand sich weder im druckschriftlichen Stand der Technik noch gehörte sie zum allgemeinen Fachwissen, um so den sich aus der fortwährenden Fluktuation der bei nicht-deterministischen Verbindungen auftretenden Verzögerungen angemessen begegnen zu können.
71
Insoweit enthielt auch der in der D3 vorgesehene Verzögerungspuffer keine Anregung, um zusammen mit dem allgemeinen Fachwissen zum Merkmal G oder F zu gelangen. Dieser Verzögerungspuffer soll gemäß der D3 schlicht zu Beginn einer Verbindung auf einen maximalen Wert eingestellt werden (D3, S. 774 l. Sp. unter 2.3 (iii)), womit sich eine weitere Anpassung der Synchronisation für den weiteren Verlauf der Verbindung erübrigen soll. Diese maximale Verzögerung führt indessen zu hohen Latenzzeiten in einer Mobilfunksprechverbindung, die die Teilnehmer an den jeweiligen Endgeräten entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen mitunter nicht bereit sind zu akzeptieren. Ein Modus, der eine fortwährende Anpassung der Synchronisation auch während eines Gesprächs ermöglicht, wird von der D3 indessen nicht gezeigt.
72
f) Die weiteren Entgegenhaltungen liegen vom Gegenstand des Streitpatents noch weiter weg oder kommen bestenfalls gleich nah an diesen heran wie die Schriften D1, D2 und D3.
73
Dies gilt insbesondere auch für die als Anlage A25 vorgelegte Diplomarbeit von H.J. Steneker mit dem Thema "X.25 data services in GSM: GSM-PSPDN interworking". Für diese Entgegenhaltung fehlt es zudem an einem hinreichenden Beweisantritt für die von der Beklagten bestrittene öffentliche Zugänglichkeit der Arbeit vor dem Prioritätszeitpunkt. Der unter Beweis gestellte Umstand, dass Diplomarbeiten an der Technischen Universität Eindhoven in der Regel vor der Erteilung des Abschlusszeugnisses , welches dem Verfasser in diesem Fall am 30. Mai 1991 erteilt worden sein soll, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, lässt nicht auf die für eine Überzeugungsbildung erforderliche Gewissheit schließen, dass dies auch im Falle der Diplomarbeit von Steneker der Fall war. Wie den vorgelegten Erklärungen zu entnehmen ist, konnte von dem Erfordernis, die Arbeit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, insbesondere dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn mit der vorzeitigen Veröffentlichung der patentrechtliche Schutz eines Unternehmens hätte gefährdet werden können. Der Umstand allein, dass die angebotenen Zeugen sich heute an die Gewährung einer solchen Ausnahme oder andere Gründe für ein abweichendes Procedere nicht zu erinnern vermögen, lässt nach mehr als 20 Jahren nicht mit Gewissheit auf das Gegenteil schließen.
74
3. Der Senat hat ohne sachliche Abweichung von Hilfsantrag III die Teilnichtigerklärung durch Einfügungen in der Verfahrenssprache vollzogen.
75
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 92 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann
Schuster Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 17.11.2010 - 5 Ni 137/09 (EU) -

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR109/12 vom 28. April 2015 in dem Rechtsstreit Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Hoffmann, Dr. Deichfuß und di

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(1) Hat der Anmelder zu einer internationalen Anmeldung, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, beantragt, daß eine internationale vorläufige Prüfung der Anmeldung nach Kapitel II des Patentzusammenarbeitsvertrags durchgeführt wird, und hat er die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat angegeben, in dem er die Ergebnisse der internationalen vorläufigen Prüfung verwenden will ("ausgewählter Staat"), so ist das Deutsche Patent- und Markenamt ausgewähltes Amt.

(2) Ist die Auswahl der Bundesrepublik Deutschland vor Ablauf des 19. Monats seit dem Prioritätsdatum erfolgt, so ist § 4 Absatz 2 und 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Artikels 23 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages Artikel 40 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages tritt.

52
bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist für die Ursprungsoffenbarung des Gegenstands eines Patentanspruchs erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen - "unmittelbar und eindeutig" (BGH, Urteil vom 11. September 2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 25 - Olanzapin; Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910, Rn. 62 - Fälschungssicheres Dokument) - als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (Urteil vom 21. September 1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn 03; Beschluss vom 11. September 2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung ; Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 52/08, GRUR 2010, 599 = BlPMZ 2010, 269, Rn. 22, 24 - Formteil). Dabei hat der Senat zur Vermeidung einer unbilligen Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen. Er hat einen "breit" formulierten Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann für unbedenklich erachtet, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung ). Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenom- men worden sind (ständige Rechtsprechung seit BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; zuletzt Urteil vom 24. Januar 2012 - X ZR 88/09, GRUR 2012, 475 Rn. 34 - Elektronenstrahltherapiesystem ). Als zulässig ist jedoch auch die Verallgemeinerung einer chemischen Verbindung angesehen worden (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1975 - X ZR 51/72, BGHZ 66, 17, 30 - Alkylendiamine I).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 156/02 Verkündet am:
30. Januar 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
rückspülbareFilterkerze
IntPatÜG Art. II § 6, EPÜ Art. 138, PatG §§ 22, 117

a) Eine neue eingeschränkte Verteidigung wird von der Bestimmung des § 117
Abs. 1 PatG, die die Geltendmachung neuer Tatsachen und Beweismittel im
Nichtigkeitsberufungsverfahren einschränkt, nicht erfasst (Bestätigung des
Senatsurteils vom 21.03.1995 - X ZR 111/92 - Ballenformvorrichtung, bei
Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, BGH 1994 - 1998,
250).

b) Dass ein Rechtsschutzbedürfnis für einen bestimmten Patentanspruch des
Streitpatents nicht besteht, ist als Nichtigkeitsgrund gesetzlich nicht vorgesehen.
BGH, Urt. v. 30. Januar 2007 - X ZR 156/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 27. Februar 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war Inhaberin des am 2. Mai 1985 angemeldeten, auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten, inzwischen infolge Ablaufs der Höchstschutzdauer erloschenen europäischen Patents 0 203 206 (Streitpatents), das eine rückspülbare Filterkerze für Anschwemm -Kerzenfilter betrifft und 10 Patentansprüche umfasst. Die Beklagte hat beide Klägerinnen aus dem Streitpatent gerichtlich in Anspruch genommen; das Verfahren gegen die Klägerin K. AG ist vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 2 U 119/00 anhängig , das gegen die Klägerin P. GmbH ebenfalls vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 2 U 95/01. Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 10 des erteilten Patents lauten in der Verfahrenssprache Deutsch: "1. Rückspülbare Filterkerze für Anschwemmkerzenfilter mit hängend eingebauten Filterkerzen, bei dem ein Filterkessel durch eine horizontale Trennwand in einen oberen Filtratraum und einen unteren Unfiltratraum unterteilt ist und die Filterkerzen an der Trennwand aufgehängt und befestigt sind und in den unter der Trennwand befindlichen Unfiltratraum hineinragen, mit einem oberen Anschlussstück zur Aufhängung und Befestigung der Filterkerze an der Trennwand, das mit einem durch dasselbe hindurchlaufenden Abflusskanal zur Abführung von Filtrat aus dem Filterkerzeninnenraum in den Filtratraum versehen ist, einer im Bereich ihres oberen Endes mit dem Anschlussstück verbundenen, im wesentlichen rohrartigen und zumindest an ihrer Außenseite im wesentlichen zylinderförmigen , selbsttragenden Kerzenwand, deren Außenseite als Tragorgan für eine mindestens zum Teil von Filterhilfsmittel gebildete, die Filtrierung übernehmende Anschwemmschicht vorgesehen ist, und einem im Bereich des unteren Endes der Kerzenwand an derselben angebrachten Verschlussstück zur Abtrennung des Filterkerzeninnenraumes vom Unfiltratraum, dadurch gekennzeichnet, dass die Kerzenwand (8) von einem Traggerüst (12) aus einer Vielzahl von in Kerzenlängsrichtung verlaufenden , im gleichen Abstand von der Kerzenachse (13) und im gleichen Winkelabstand voneinander angeordneten Tragstäben (14) und ei- nem im wesentlichen schraubenlinienförmig auf das Traggerüst aufgebrachten und an jeder Berührungsstelle (15) mit einem Tragstab (14) mit demselben verschweißten Draht (16) gebildet ist, dessen Querschnitt an der Außenseite (7) der Kerzenwand (8) eine mindestens annähernd in Kerzenlängsrichtung verlaufende, im wesentlichen geradlinige Begrenzung aufweist und sich nach dem Kerzeninnern (4) zu verjüngt und zwischen dessen jeweils benachbarten Windungen (17) ein sich nach dem Kerzeninnern (4) zu erweiternder Spalt (18) mit einer Spaltbreite von weniger als 250 µm an der Außenseite (7) der Kerzenwand (8) vorgesehen ist, und dass die Kerzenwand (8) dadurch mit dem oberen Anschlussstück (1) verbunden ist, dass das obere Anschlussstück (1) mit den Tragstäben (14) des Traggerüstes (12) der Kerzenwand (8) verschweißt ist. 10. Verwendung eines Spaltrohres mit einem Traggerüst (12) aus einer Vielzahl von in Rohrlängsrichtung verlaufenden, im gleichen Abstand von der Rohrachse (13) und im gleichen Winkelabstand voneinander angeordneten Tragstäben (14) und einem im wesentlichen schraubenlinienförmig auf das Traggerüst (12) aufgebrachten und an jeder Berührungsstelle (15) mit einem Tragstab (14) mit demselben verschweißten Draht (16), dessen Querschnitt an der Rohraußenseite (7) eine mindestens annähernd in Rohrlängsrichtung verlaufende, im wesentlichen geradlinige Begrenzung aufweist und sich nach dem Rohrinnern (4) zu verjüngt und zwischen dessen jeweils benachbarten Windungen (17) ein sich nach dem Rohrinnern (4) zu erweiternder Spalt (18) vorgesehen ist, als selbsttragende Kerzenwand (8) für eine für Anschwemm-Kerzenfilter mit hängend eingebauten Filterkerzen vorgesehene Filterkerze."
2
Wegen der Patentanspruch 1 nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 9 wird auf die Patentschrift verwiesen.
3
Die Klägerinnen haben mit ihren vom Bundespatentgericht zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Klagen unter Nennung zahlreicher Entgegenhaltungen , darunter der US-Patentschriften 2 046 458 (Johnson, NK4; 1936) und 3 253 714 (Quinlan, NK5; 1966), der deutschen Offenlegungsschrift 33 15 217 (NK14), des Prospekts "Johnson Screens for Water and Waste Treatment" (NK15; 1975) und eines Katalogs "TRISLOT® Spaltrohre der BEKAERT Deutschland GmbH" (NK19; 1980), geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei; weiterhin sind Vorbenutungen durch die N. Deutschland GmbH auf der Ausstellung ACHEMA 1976 und durch ein Angebot an die E. AG geltend gemacht worden. Die Beklagte ist dem entgegengetreten ; sie hat das Streitpatent hilfsweise mit zwei eingeschränkten Anspruchssätzen verteidigt. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig erklärt.
4
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihr Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt. Hilfsweise verteidigt sie nunmehr das Streitpatent in mit folgender Fassung des Patentanspruchs 1, die aus den Patentansprüchen 1 und 2 des erteilten Patents unter Hinzufügung eines weiteren Merkmals (Änderungen nachfolgend kursiv) gebildet ist (Hilfsantrag 1), wobei sich Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 nur durch das fett gesetzte zusätzliche Wort unterscheidet, an den sich nach den Hilfsanträgen 1 und 2 unter Streichung des Patentanspruchs 10 die Patentansprüche 3 bis 9 des erteilten Patents unter entsprechend geänderter Rückbeziehung anschließen sollen: "1. Rückspülbare Filterkerze für Anschwemmkerzenfilter mit hängend eingebauten Filterkerzen, bei dem ein Filterkessel durch eine horizontale Trennwand (2) in einen oberen Filtratraum (5) und einen unteren Unfiltratraum (11) unterteilt ist, und die Filterkerzen an der Trennwand (2) aufgehängt und befestigt sind und in den unter der Trennwand (2) befindlichen Unfiltratraum (11) hineinragen, mit einem oberen Anschlussstück (1) zur Aufhängung und Befestigung der Filterkerze an der Trennwand, das mit einem durch dasselbe hindurchlaufenden Abflusskanal (3) zur Abführung von Filtrat aus dem Filterkerzeninnenraum (4) in den Filtratraum (5) versehen ist, einer im Bereich ihres oberen Endes mit dem Anschlussstück (1) verbundenen, im wesentlichen rohrartigen und zumindest an ihrer Außenseite im wesentlichen zylinderförmigen, selbsttragenden Kerzenwand (8), deren Außenseite als Tragorgan für eine mindestens zum Teil von Filterhilfsmittel gebildete, die Filtrierung übernehmende Anschwemmschicht vorgesehen ist, und einem im Bereich des unteren Endes (9) der Kerzenwand (8) an derselben angebrachten Verschluss- stück zur Abtrennung des Filterkerzeninnenraums (4) vom Unfiltratraum (11), dadurch gekennzeichnet, dass die Kerzenwand (8) von einem Traggerüst (12) aus einer Vielzahl von in Kerzenlängsrichtung verlaufenden , im gleichen Abstand von der Kerzenachse (13) und im gleichen Winkelabstand von einander angeordneten Tragstäben (14) und einem im wesentlichen schraubenlinienförmig auf das Traggerüst aufgebrachten und an jeder Berührungsstelle (15) mit einem Tragstab (14) mit demselben verschweißten Draht (16) gebildet ist, dessen Querschnitt an der Außenseite (7) der Kerzenwand (8) eine mindestens annähernd in Kerzenlängsrichtung verlaufende, im wesentlichen geradlinige Begrenzung aufweist und sich nach dem Kerzeninnern (4) zu verjüngt und zwischen dessen jeweils benachbarten Windungen (17) ein sich nach dem Kerzeninnern (4) zu erweiternder Spalt (18) mit einer Spaltbreite von weniger als 250 µm an der Außenseite (7) der Kerzenwand (8) vorgesehen ist, dass die Kerzenwand (8) dadurch mit dem oberen Anschlussstück (1) verbunden ist, dass das obere Anschlussstück mit den Tragstäben (14) des Traggerüstes (12) der Kerzenwand (8) verschweißt ist, dass das untere Ende (21) des oberen Anschlussstückes (1) mit den oberen Enden (20) der Tragstäbe (14) des Traggerüstes (12) der Kerzenwand verschweißt ist, und dass eine Rohrmuffe (26) vorgesehen ist, die mit dem oberen Anschlussstück (1) verbunden ist und die einen abgedrehten oberen Bereich (25) der Kerzenwand (8) abdeckt."
5
Mit ihrem Hilfsantrag 3 verteidigt die Beklagte Patentanspruch 1 im Oberbegriff wie nach Hilfsantrag 1 und im Kennzeichen mit folgender Fassung (wobei die sachlichen Abweichungen von Patentanspruch 1 in der Fassung des erteilten Patents kursiv gesetzt sind), an den sich die Patentansprüche 4 bis 9 des erteilten Patents unter entsprechend geänderter Rückbeziehung anschließen sollen: "dadurch gekennzeichnet, dass die Kerzenwand (8) von einem Traggerüst (12) aus einer Vielzahl von in Kerzenlängsrichtung verlaufenden, im gleichen Abstand von der Kerzenachse (13) und im gleichen Winkelabstand von einander angeordneten Tragstäben (14) und einem im wesentlichen schraubenlinienförmig auf das Traggerüst aufgebrachten und an jeder Berührungsstelle (15) mit einem Tragstab (14) mit demselben verschweißten Draht (16) gebildet ist, dessen Querschnitt an der Außenseite (7) der Kerzenwand (8) eine mindestens annähernd in Kerzenlängsrichtung verlaufende, im wesentlichen geradlinige Begrenzung aufweist und sich nach dem Kerzeninnern (4) zu verjüngt und zwischen dessen jeweils benachbarten Windungen (17) ein sich nach dem Kerzeninnern (4) zu erweiternder Spalt (18) mit einer Spaltbreite von weniger als 250 µm an der Außenseite (7) der Kerzenwand (8) vorgesehen ist, und dass die Kerzenwand (8) dadurch mit dem oberen Anschlussstück (1) verbunden ist, dass das obere Anschlussstück mit den Tragstäben (14) des Traggerüstes (12) der Kerzenwand (8) verschweißt ist, und dass eine Rohrmuffe (26) vorgesehen ist, die mit dem oberen Anschlussstück (1) verbunden ist und die einen abgedrehten oberen Bereich (25) der Kerzenwand (8) abdeckt, und dass die Rohrmuffe (26) durch eine Klebstoffschicht (27) mit einer zum oberen Abschlussstück (1) gehörenden Mutter (28) verbunden ist."
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Mit Hilfsantrag 4 verteidigt die Beklagte Patentanspruch 1 im Oberbegriff wie nach Hilfsantrag 1 und im Kennzeichen mit folgender Fassung (wobei die sachlichen Abweichungen von Patentanspruch 1 in der Fassung des erteilten Patents kursiv gesetzt sind), an den sich die Patentansprüche 4 und 6 bis 9 des erteilten Patents unter entsprechend geänderter Rückbeziehung anschließen sollen: "dadurch gekennzeichnet, dass die Kerzenwand (8) von einem Traggerüst (12) aus einer Vielzahl von in Kerzenlängsrichtung verlaufenden, im gleichen Abstand von der Kerzenachse (13) und im gleichen Winkelabstand von einander angeordneten Tragstäben (14) und einem im wesentlichen schraubenlinienförmig auf das Traggerüst aufgebrachten und an jeder Berührungsstelle (15) mit einem Tragstab (14) mit demselben verschweißten Draht (16) gebildet ist, dessen Querschnitt an der Außenseite (7) der Kerzenwand (8) eine mindestens annähernd in Kerzenlängsrichtung verlaufende, im wesentlichen geradlinige Begrenzung aufweist und sich nach dem Kerzeninnern (4) zu verjüngt und zwischen dessen jeweils benachbarten Windungen (17) ein sich nach dem Kerzeninnern (4) zu erweiternder Spalt (18) mit einer Spaltbreite von weniger als 250 µm an der Außenseite (7) der Kerzenwand (8) vorgesehen ist, und dass die Kerzenwand (8) dadurch mit dem oberen Anschlussstück (1) verbunden ist, dass das obere Anschlussstück mit den Tragstäben (14) des Traggerüstes (12) der Kerzenwand (8) verschweißt ist, dass das untere Ende (21) des oberen Anschlussstückes (1) von einem ersten Ringbuckel (22) gebildet ist, dessen Durchmesser dem Doppelten des Abstandes der Tragstäbe (14) von der Kerzenachse (13) entspricht, wobei die oberen Enden der Tragstäbe (14) mit dem ersten Ringbuckel (22) verschweißt sind; dass eine Rohrmuffe vorgesehen ist, die mit dem oberen Anschlussstück (1) verbunden ist und die einen oberen abgedrehten Bereich (25) der Kerzenwand (8) abdeckt, dass das untere Verschlussstück (10) mit einem zweiten Ringbuckel (32) mit einem dem Doppelten des Abstandes der Tragstäbe (14) von der Kerzenachse (13) entsprechenden Durchmesser versehen ist, wobei die unteren Enden der Tragstäbe (14) mit dem zweiten Ringbuckel (12) des unteren Verschlussstücks (10) verschweißt sind, und dass das untere Verschlussstück (10) einen Vorsprung (30) aufweist, der einen unteren abgedrehten Bereich (29) der Kerzenwand (8) abdeckt."
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Mit Hilfsantrag 5 verteidigt die Beklagte Patentanspruch 1 im Oberbegriff wie nach Hilfsantrag 1 und im Kennzeichen mit folgender Fassung (wobei die sachlichen Abweichungen von Patentanspruch 1 in der Fassung des erteilten Patents kursiv gesetzt sind), an den sich die Patentansprüche 4 und 6 bis 9 des erteilten Patents unter entsprechend geänderter Rückbeziehung anschließen sollen: "dadurch gekennzeichnet, dass die Kerzenwand (8) von einem Traggerüst (12) aus einer Vielzahl von in Kerzenlängsrichtung verlaufenden, im gleichen Abstand von der Kerzenachse (13) und im gleichen Winkelabstand von einander angeordneten Tragstäben (14) und einem im wesentlichen schraubenlinienförmig auf das Traggerüst aufgebrachten und an jeder Berührungsstelle (15) mit einem Tragstab (14) mit demselben verschweißten Draht (16) gebildet ist, dessen Querschnitt an der Außenseite (7) der Kerzenwand (8) eine mindestens annähernd in Kerzenlängsrichtung verlaufende, im wesentlichen geradlinige Begrenzung aufweist und sich nach dem Kerzeninnern (4) zu verjüngt und zwischen dessen jeweils benachbarten Windungen (17) ein sich nach dem Kerzeninnern (4) zu erweiternder Spalt (18) mit einer Spaltbreite von weniger als 250 µm an der Außenseite (7) der Kerzenwand (8) vorgesehen ist, und dass die Kerzenwand (8) dadurch mit dem oberen Anschlussstück (1) verbunden ist, dass das obere Anschlussstück mit den Tragstäben (14) des Traggerüstes (12) der Kerzenwand (8) verschweißt ist, dass das untere Ende (21) des oberen Anschlussstückes (1) von einem ersten Ringbuckel (22) gebildet ist, dessen Durchmesser dem Doppelten des Abstandes der Tragstäbe (14) von der Kerzenachse (13) entspricht, wobei die oberen Enden der Tragstäbe (14) mit dem ersten Ringbuckel (22) verschweißt sind; dass eine Rohrmuffe vorgesehen ist, die mit dem oberen Anschlussstück (1) verbunden ist und die einen oberen abgedrehten Bereich (25) der Kerzenwand (8) abdeckt, dass das untere Verschlussstück (10) mit einem zweiten Ringbuckel (32) mit einem dem Doppelten des Abstandes der Tragstäbe (14) von der Kerzenachse (13) entsprechenden Durchmesser versehen ist, wobei die unteren Enden der Tragstäbe (14) mit dem zweiten Ringbuckel (12) des unteren Verschlussstücks (10) verschweißt sind, dass das untere Verschlussstück (10) einen Vorsprung (30) aufweist, der einen unteren abgedrehten Bereich (29) der Kerzenwand (8) abdeckt, und dass das obere Anschlussstück (1) ein Tragrohr (33) umfasst, in welches ein Spritzrohr (37) eingesetzt ist, dessen unteres Ende vom unteren Verschlussstück (10) beabstandet ist, mit dem während des Rückspülvorgangs Rückspülflüssigkeit an die Innenseite der Kerzenwand (8) spritzbar ist, und das während des Filtriervorganges als Abflusskanal (3) dient."
8
Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen; sie halten auch die hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents nicht für schutzfähig.
9
Im Auftrag des Senats hat Professor Dipl.-Ing. G. V.
ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Berufungsklägerin hat ein Parteigutachten von Prof. Dr. R. , die Berufungsbeklagten haben ein Parteigutachten von Prof. Dr.-Ing. M. eingereicht.

Entscheidungsgründe:


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Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
11
I. Die Nichtigkeitsklagen sind auch nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents weiterhin zulässig, weil die von der Beklagten als Patentverletzerinnen in Anspruch genommenen Klägerinnen ein Rechtsschutzbedürfnis an der Nichtigerklärung des Streitpatents im angegriffenen Umfang haben (st. Rspr.; vgl. Sen.Urt. v. 19.05.2005 - X ZR 188/01, GRUR 2005, 749 - Aufzeichnungsträger ; v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316 - Koksofentür; zuletzt Sen.Urt. v. 12.12.2006 - X ZR 131/02 - Schussfädentransport, zur Veröffentlichung vorgesehen).
12
II. Die Beklagte kann das Streitpatent auch mit den eingeschränkten Anspruchsfassungen der Hilfsanträge verteidigen.
13
1. Dass diese Hilfsanträge erst nach Erlass des Beweisbeschlusses durch den Senat und in ihrer geltenden Fassung erst wenige Tage vor dem Verhandlungstermin eingereicht worden sind, steht dem nicht entgegen, denn der Patentinhaber kann nach geltender Rechtslage eine beschränkte Verteidigung des Streitpatents im Nichtigkeitsverfahren grundsätzlich jederzeit erklären und auch jederzeit wieder ändern. Auf § 117 PatG kann eine Zurückweisung entgegen der Ansicht der Klägerin K. schon AG deshalb nicht gestützt werden, weil eine neue eingeschränkte Verteidigung von dieser Bestimmung, die die Geltendmachung neuer Tatsachen und Beweismittel im Nichtigkeitsberufungsverfahren einschränkt, nicht erfasst wird (vgl. Sen.Urt. v. 21.03.1995 - X ZR 111/92, bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, BGH 1994-1998, 250 - Ballenformvorrichtung; Rogge in Benkard, PatG GebrMG, 10. Aufl. 2006, Rdn. 1 zu § 117 PatG).
14
2. a) Die Zweifel, die die Nichtigkeitsklägerinnen an der Offenbarung einer beliebigen Verbindung der Rohrmuffe mit dem Anschlussstück nach Hilfsantrag 2 äußern, sind nicht gerechtfertigt. Wie auch die Nichtigkeitsklägerinnen einräumen, ist eine Klebeverbindung ursprünglich offenbart (ursprüngliche Unterlagen S. 34). Damit war aber auch das Prinzip einer Verbindung offenbart. Die Berufungsklägerin war nicht gehalten, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in ihre beschränkte Verteidigung aufzunehmen (st. Rspr.; zuletzt Sen.Urt. v. 12.07.2006 - X ZR 160/02). Ein Verstoß gegen das Erweiterungsverbot des Art. 123 Abs. 2 EPÜ liegt schon deshalb nicht vor, weil der eingeschränkte Patentanspruch nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, die eine Einschränkung im Sinn einer näheren Umschreibung der Verbindung nicht vorsah.
15
b) Entsprechendes gilt für die Bedenken der Nichtigkeitsklägerinnen gegen Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5. Dass das Tragrohr 33 in die Trennwand eingesetzt ist, ist in den ursprünglichen Unterlagen in Fig. 1 der Zeichnungen offenbart (Bezugszeichen 33). Die Zeichnungen sind ein der Beschreibung gleichwertiges Offenbarungsmittel (vgl. nur Schäfers in Benkard, EPÜ, 2002, Art. 83 Rdn. 22; Keukenschrijver in Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, § 3 PatG Rdn. 119 f.; EPA T 169/83, ABl. EPA 1985, 193 - Wandelement; Teschemacher in Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ, Art. 83 Rdn. 28, 31 f.) und können deshalb auch Grundlage für die Aufnahme einschränkender Merkmale sein. Auch die Beabstandung des unteren Endes des Spitzrohrs vom Verschlussstück ergibt sich deutlich aus Fig. 1.
16
III. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist in seiner erteilten Fassung nicht patentfähig (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 52 ff. EPÜ).
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1. Das Streitpatent betrifft nach diesem Patentanspruch eine rückspülbare Filterkerze für Anschwemm-Kerzenfilter mit hängend eingebauten Filterkerzen. Derartige Filterkerzen dienen zum Herausfiltrieren von Feststoffbeimen- gungen aus Flüssigkeiten, z.B. von Trübstoffen bei der Getränkeherstellung, insbesondere bei der Bierfiltration im Anschluss an das Bierbrauen. Nach den Angaben der Berufungsklägerin wurden in der Zeit vor Anmeldung des Streitpatents in erster Linie Horizontalfilter eingesetzt; der Anteil von Kerzenfiltern sei marginal gewesen, was sich nach der Anmeldung des Streitpatents aber sprunghaft verändert habe. Bei Anschwemm-Kerzenfiltern der vom Streitpatent erfassten Art sind Filterkerzen meist vertikal in die Trennwand des Filterapparats eingebaut; die Trennwand trennt dabei den Unfiltratraum (Trübflüssigkeitsraum ) vom Filtratraum (Klarflüssigkeitsraum). Die zu filtrierende Flüssigkeit strömt vom Einlassstutzen im Unfiltratraum zum Auslassstutzen im Filtratraum und passiert dabei die Filterkerzen. Dabei bildet sich im Betrieb jedenfalls im Allgemeinen eine Anschwemmschicht aus gezielt zudosiertem Filterhilfsmittel (z.B. Kieselgur/Diatomeenerde, d.h. amorphes Siliciumdioxid, SiO2) und aufgelagerten Trübepartikeln, deren Gesamtporosität den Filtrationseffekt bestimmt. Durch Beaufschlagung mit einem Reinigungsfluid (insbesondere Wasser) in umgekehrter Richtung sind die Anschwemm-Kerzenfilter rückspülbar. Die Anschwemmschicht wird durch das Rückspülen abgelöst und kann durch Stutzen abgeschlämmt werden (vgl. Gutachten Prof. Dipl.-Ing. G. V. S. 1/2 mit Bild

1).


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Die Beschreibung des Streitpatents bezeichnet Filterkerzen für Anschwemm -Kerzenfilter z.B. aus der deutschen Patentschrift 19 64 313, der USPatentschrift 4 288 330 und der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 032 228 als bekannt, wobei sich die Filterkerze nach der deutschen Patentschrift 19 64 313 habe durchsetzen können, obwohl deren Herstellung einen relativ hohen Aufwand erfordere und sie auch stoßempfindlich sei (Beschr. Sp. 1 Z. 26-45). Bei dieser Filterkerze bestehe die Kerzenwand aus einem zu einem Rohr gebogenen und mit einer Längsnaht verschweißten Lochblech mit verhältnismäßig großen Löchern als tragendem Teil und einer Lage verhältnismäßig dünnen Drahts, der auf das Lochblech aufgewickelt und mit diesem durch Lötung oder Schweißung verbunden sei, wobei die Drahtlage das eigentliche Tragorgan für die Anschwemmschicht bilde. Die durchlässigen Stellen würden dabei von den Spalten zwischen den einzelnen Windungen der Drahtlage gebildet. Verlötung oder Verschweißung des Drahts auf das Lochblech seien aufwendig, weil bestimmte Vorgaben bezüglich des Drahts, seines Verlötens oder Verschweißens und der Spaltbreite beachtet werden müssten, was zu hohen Herstellungskosten führe. Die Stoßempfindlichkeit rühre von der geringen Drahtstärke her (Beschr. Sp. 1 Z. 46 - Sp. 3 Z. 31). Auch seien in der deutschen Patentschrift 19 64 313 schon Kerzenkonstruktionen mit einer Kerzenwand aus einer Schraubenfeder mit einem verhältnismäßig starken Federdraht in Erwägung gezogen worden, bei der die Federwindungen im ungespannten Zustand der Feder aneinanderlägen und die in etwas gespanntem Zustand in die Filterkerze eingebaut würden, wodurch sich enge Spalten und damit durchlässige Stellen der Kerzenwand bildeten. Dies erfordere zwar nur geringen Herstellungsaufwand, beeinträchtige aber infolge großer Oberflächenwelligkeit die Funktion (Beschr. Sp. 3 Z. 41 - Sp. 4 Z. 57).
19
Die Beschreibung des Streitpatents verweist weiter darauf, dass bei Versuchen , die Filterkerzen zu verbessern, lediglich Kerzenkonstruktionen mit einer rohrförmigen selbsttragenden, mit Flüssigkeitsdurchtritten versehenen Kerzenwand als geeignet angesehen worden seien, was zur Lösung nach der deutschen Patentschrift 19 64 313 geführt habe. Produktionsverfahren zur Herstellung dieser Kerze mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand seien aber nicht gefunden worden. Bei geringeren Wandstärken seien zudem Probleme mit dem Stumpfverschweißen aufgetreten. Zwar habe sich mit Laserstrahlbohrung eine Filterkerze, die ausgezeichnete Ergebnisse gebracht habe, herstellen lassen (US-Patentschrift 4 288 330), der erforderliche Aufwand habe angesichts einer erforderlichen Zahl von rund einer Million Öffnungen aber auch damit nicht in vertretbarem Rahmen gehalten werden können (Beschr. Sp. 4-7).
20
Weitere Versuche seien mit dem Ziel unternommen worden, durch Verwendung von porösen Materialien für die Kerzenwand auf die Einbringung von Öffnungen in Vollmaterial ganz zu verzichten. Trotz bestehender Vorbehalte, dass solche Materialien im Filterbetrieb zu Verstopfungen neigten, habe sich überraschenderweise ergeben, dass bestimmte Rohre aus aneinander gesinterten Partikeln aus Polyäthylen hervorragend als selbsttragende Filterwand geeignet seien. Im praktischen Betrieb habe sich aber herausgestellt, dass bei einigen Filterkerzen die Kerzenwand aus dem Endstück herausgebrochen oder unter diesem abgebrochen sei, weil Wechselbelastungen zu Ermüdungserscheinungen geführt hätten (Beschr. Sp. 7 Z. 10 - Sp. 8 Z. 32).
21
2. Durch das Streitpatent soll eine Filterkerze zur Verfügung gestellt werden , die den bekannten filtrationstechnisch zumindest ebenbürtig, praktisch nicht stoßempfindlich ist und sich mit geringem technischem Aufwand und geringen Produktionskosten herstellen lässt (vgl. die Angabe der Aufgabe Beschr. Sp. 9 Z. 33-56).
22
3. Hierzu lehrt Patentanspruch 1 des Streitpatents eine rückspülbare Filterkerze für Anschwemmkerzenfilter mit hängend eingebauten Filterkerzen, bei dem ein Filterkessel durch eine horizontale Trennwand in einen oberen Filtratraum und einen unteren Unfiltratraum unterteilt ist und die Filterkerzen an der Trennwand aufgehängt und befestigt sind und in den unter der Trennwand befindlichen Unfiltratraum hineinragen, mit (1) einem oberen Anschlussstück zur Aufhängung und Befestigung der Filterkerze an der Trennwand, (2) einem Abflusskanal zur Abführung von Filtrat aus dem Filterkerzeninnenraum in den Filtratraum, (2.1) der durch das Anschlussstück hindurchläuft, (3) einer Kerzenwand, die (3.1) im Bereich ihres oberen Endes mit dem (oberen) Anschlussstück verbunden ist, (3.1.1) dadurch, dass das obere Anschlussstück mit den Tragstäben des Traggerüsts der Kerzenwand (Merkmalsgruppe 3.6.1) verschweißt ist, (3.2) im Wesentlichen rohrartig ist, (3.3) zumindest an ihrer Außenseite im Wesentlichen zylinderförmig (3.4) und selbsttragend ist, (3.5) deren Außenseite als Tragorgan für eine mindestens zum Teil von Filterhilfsmittel gebildete, die Filtrierung übernehmende Anschwemmschicht vorgesehen ist, (3.6) und die von einem Traggerüst, (3.6.1) das aus einer Vielzahl von Tragstäben besteht, (3.6.1.1) die in Kerzenlängsrichtung verlaufen, (3.6.1.2) im gleichen Abstand von der Kerzenachse (3.6.1.3) und im gleichen Winkelabstand voneinander angeordnet sind, (3.7) und einem Draht gebildet wird, (3.7.1) der auf das Traggerüst aufgebracht ist (3.7.1.1) im Wesentlichen schraubenlinienförmig (3.7.2) und an jeder Berührungsstelle mit einem Tragstab mit diesem verschweißt ist, (3.7.3) dessen Querschnitt (3.7.3.1) an der Außenseite der Kerzenwand eine mindestens annähernd in Kerzenlängsrichtung verlaufende, im Wesentlichen geradlinige Begrenzung aufweist (3.7.3.2) und sich nach dem Kerzeninnern zu verjüngt, und (3.7.4) zwischen dessen jeweils benachbarten Windungen ein Spalt vorgesehen ist, (3.7.4.1) mit einer Spaltbreite von weniger als 250 µm an der Außenseite der Kerzenwand, (3.7.4.2) der sich nach dem Kerzeninnern zu erweitert, (4) einem Verschlussstück, (4.1) das im Bereich des unteren Endes der Kerzenwand an dieser angebracht ist (4.2) und zur Abtrennung des Filterkerzeninnenraums vom Unfiltratraum dient.
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Patentanspruch 1 nach Hilfsanträgen 1 und 2 fügt folgende Merkmale hinzu: (3.1.1.1) und zwar mit deren oberen Enden, (3.1.2) wobei eine Rohrmuffe (26) vorgesehen ist, (3.1.2.1) die mit dem oberen Anschlussstück verbunden ist und (3.1.2.2) die einen (nur Hilfsantrag 2 und Hilfsantrag 3: abgedrehten) oberen Bereich der Kerzenwand abdeckt.
24
Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 fügt neben der Merkmalsgruppe (3.1.2) wie nach Hilfsantrag 2 noch folgendes Merkmal hinzu: (3.1.2.1.1) die Verbindung erfolgt durch eine Klebstoffschicht mit einer zum oberen Anschlussstück gehörenden Mutter.
25
Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 fügt neben den Merkmalen (3.1.2), (3.1.2.1) und (3.1.2.2) nach Hilfsantrag 2 noch folgende Merkmale an: (1.1) dessen unteres Ende von einem ersten Ringbuckel gebildet ist, (1.1.1) dessen Durchmesser dem Doppelten des Abstands der Tragstäbe von der Kerzenachse entspricht, (3.1.3) wobei die oberen Enden der Tragstäbe mit dem ersten Ringbuckel verschweißt und (3.1.3’) die unteren Enden der Tragstäbe mit dem zweiten Ringbuckel (Merkmal 4.3) des unteren Verschlussstücks (Merkmal 4) verschweißt sind, (4.3) das untere Verschlussstück mit einem zweiten Ringbuckel versehen ist und (4.4) einen Vorsprung aufweist, der einen unteren abgedrehten Bereich der Kerzenwand abdeckt.
26
Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5 fügt zu den Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 die weiteren Merkmale an: (1.1) das obere Anschlussstück umfasst ein Tragrohr, (1.1.1) in das ein Spritzrohr eingesetzt ist, (1.1.1.1) mit dem während des Rückspülvorgangs Rückspülflüssigkeit an die Innenseite der Kerzenwand gespritzt werden kann und (1.1.1.2) dessen unteres Ende vom Verschlussstück beabstandet ist, und (1.1.1.3) das während des Filtervorgangs als Abflusskanal dient.
27
Ein Ausführungsbeispiel einer erfindungsgemäßen Filterkerze, teilweise im Längsschnitt, zeigt Fig. 1 des Streitpatents, während Fig. 2 einen Querschnitt hiervon in der Schnittebene I - I zeigt; die Fig. 3 und 4 zeigen Ausschnittsvergrößerungen der Teilbereiche A und B in Fig. 1:
28
Die Bedeutung der Bezugszeichen erschließt sich dabei aus Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2.
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4. Es kann dahinstehen, ob Patentanspruch 1 des Streitpatents im Sinn von Art. 54 EPÜ neu ist. Die durch ihn geschützte Lehre beruht jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit, denn sie war für den Fachmann, einen Diplomingenieur mit Fachhochschulausbildung insbesondere des Maschinen- und Apparatebaus und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Filtration, der sich bei schweißtechnischen Problemen an einen Fachmann auf dem Gebiet des Schweißens wendet, durch den Stand der Technik nahegelegt (Art. 56 EPÜ).
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a) Die bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigte US-Patentschrift 3 253 714 (NK5) zielt an sich zwar darauf ab, Verbesserungen beim Strömungsgang und damit bei der Filtration zu schaffen, und geht an sich von aus schon in früheren Veröffentlichungen beschriebenen Filtern aus (vgl. Beschr. Sp. 1 Z. 42-49, wo u.a. die US-Patentschrift 2 046 458 (NK4) genannt wird). Sie zeigt aber selbst, was auch die Berufungsführerin nicht in Abrede stellt, eine rückspülbare Filterkerze für Anschwemmfilter mit hängend eingebauten Filterkerzen, wobei entsprechend dem Gattungsbegriff des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ein Filterkessel durch eine horizontale Trennwand in einen oberen Filtratraum und einen unteren Unfiltratraum unterteilt ist und die Filterkerzen an der Trennwand aufgehängt und befestigt sind und in den Unfiltratraum hineinragen (vgl. Fig. 1 sowie insbes. Sp. 1 Z. 15/16 und Z. 26).
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Die Figuren der US-Patentschrift 3 253 714 stellen die Filterkerze wie folgt dar:
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Diese Filterkerze weist ein oberes Anschlussstück zu ihrer Aufhängung und Befestigung an der Trennwand auf (Fig. 2, Bezugszeichen 21; Merkmal 1). Das Anschlussstück ist mit einem durch dieses hindurch laufenden Abflusskanal zur Abführung von Filtrat aus dem Filterkerzeninnenraum in den Filtratraum versehen (insbes. Fig. 2; Merkmalsgruppe 2). Die Filterkerze weist weiter eine im Wesentlichen rohrartige zylinderförmige Kerzenwand (Merkmale 3, 3.2, 3.3) auf, die im Bereich ihres oberen Endes (über die Verbindungsteile 19 und 21) mit dem Anschlussstück verbunden ist (Merkmal 3.1). Die Außenseite der Kerzenwand ist wie nach Patentanspruch 1 des Streitpatents als Tragorgan (support retainer 16) für die die Filtrierung übernehmende Anschwemmschicht bestimmt (pre-coat of filter-aid 28 in Fig. 4; Merkmal 3.5). Die Kerzenwand wird auch von einem Traggerüst aus einer Vielzahl von Tragstäben gebildet (support rods 27 in Fig. 3; Merkmale 3.6, 3.6.1). Diese verlaufen in Kerzenlängsrichtung (longitudinally extending, Sp. 5 Z. 20; Merkmal 3.6.1.1). Sie liegen konzentrisch und damit in gleichem Abstand von der Kerzenachse (Fig. 3; Merkmal 3.6.1.2), und zwar nach Fig. 3 jeweils im Winkelabstand von 30° (Merkmal 3.6.1.3). Ein Draht (wire 26) ist im Wesentlichen schraubenlinienförmig (spirally wound) auf das Traggerüst aufgebracht (Fig. 4; Merkmale 3.7, 3.7.1, 3.7.2) und an seinen Berührungsstellen mit einem Tragstab mit diesem verschweißt (welded to the support rods, Beschr. Sp. 5 Z. 20; Merkmal 3.7.2). Der Querschnitt des Drahts weist an der Kerzenaußenseite eine annähernd in Kerzenlängsrichtung verlaufende , im Wesentlichen geradlinige Begrenzung auf und verjüngt sich nach dem Kerzeninnern (wedge-shaped, Beschr. Sp. 5 Z. 19, Fig. 4; Merkmale 3.7.3.1, 3.7.3.2). Zwischen benachbarten Windungen des Drahts ist ein sich zum Kerzeninnern hin erweiternder Spalt vorgesehen (Fig. 4; Merkmale 3.7.4, 3.7.4.2), wobei die Spaltbreite mit 0,003 inch (Beschr. Sp. 5 Z. 41) angegeben ist, was 74 µm entspricht und damit unterhalb des in Merkmal 3.7.4.1 genannten Höchstwerts von 250 µm liegt. Das Verschlussstück nach der Merkmalsgruppe 4 wird schließlich in Fig. 2 gezeigt (Bezugszeichen 22, 23).

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b) Darüber hinaus verwirklicht die US-Patentschrift 3 253 714 auch Merkmal 3.4, wonach die Kerzenwand selbsttragend sein soll. Hierfür spricht zunächst , dass das vielfältig einsetzbare Filtersieb ("screen") nach der USPatentschrift 2 046 458, das die US-Patentschrift 3 253 714 verbessern will, dann selbsttragend sein muss, wenn es kein Innenrohr aufweist, denn wenn zum Tragen der Filterwand keine zusätzlichen Bauteile vorgesehen sind, muss ein funktionierendes Filter notwendigerweise selbsttragend sein, wie dies auch schon das Bundespatentgericht zutreffend erkannt hat. Daraus, dass bei der US-Patentschrift 3 253 714 zusätzlich ein Innenrohr verwendet wird, ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass dieses Filterrohr nicht selbsttragend wäre. Das mittige Rohr 17 der US-Patentschrift 3 253 714 (vgl. Beschr. Sp. 4 Z. 66 ff. und Z. 72 bis Sp. 5 Z. 2 sowie Sp. 2 Z. 53-60), trägt nämlich entgegen der Auffassung der Beklagten allenfalls marginal zur Stabilität bei und ändert nichts daran, dass die Stabilität des Filters bereits durch die mit den beiden Anschlussstücken verbundene Konstruktion aus Tragstäben und Drahtwicklung bewirkt wird. Wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, wirken auf die Kerzenwand Druckkräfte in radialer Richtung nach innen und außen, durch die die Wand Beulkräfte und die Filterkerze insgesamt Biegekräfte erfährt. Die Selbsttragefähigkeit wird der Kerzenwand durch ihre axiale Befestigung als auch durch das vielfach verschweißte Traggitter aus den Tragstäben und dem schraubenförmig aufgebrachten Filterdraht verliehen. Das innere Rohr der US-Patentschrift dient jedenfalls im Wesentlichen zur strömungstechnischen Verbesserung des Filtrationsvorgangs und eine Berührung mit der äußeren Kerzenwand findet nicht statt.
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Zudem soll auch Patentanspruch 1 des Streitpatents, wie sich im Übrigen auch aus dessen Verteidigung in Hilfsantrag 5 ergibt, ersichtlich Lösungen mit einem innenliegenden Rohr mitumfassen, die nach der Argumentation der Be- klagten nur schwer als selbsttragend angesehen werden könnten; dies entspricht zudem der Beschreibung des Streitpatents (Sp. 19 Z. 4 ff.). Auch an ihrem dementsprechend breiten Verständnis des Begriffs "selbsttragend" muss sich die Beklagte festhalten lassen.
35
Dass die Kerzenwand selbsttragend ist, wird zudem auch in dem Prospekt "Johnson Screens for Water and Waste Treatment" (NK15), das eine rückspülbare Filterkerze betrifft, offenbart, wenn dort (Seite 7) Seitenwände ("laterals") mit innenliegendem Rohr und ohne dieses gezeigt werden; jedenfalls die Seitenwände ohne innenliegendes Rohr sind schwerlich anders als selbsttragend im Sinn des Streitpatents denkbar.
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c) Merkmal 3.1.1 des Patentanspruchs 1 in seiner erteilten Fassung, nach dem die Verbindung der Kerzenwand mit dem Anschlussstück dadurch erfolgt, dass das obere Anschlussstück mit den Tragstäben des Traggerüsts der Kerzenwand verschweißt ist, wird dem Fachmann durch den Stand der Technik zumindest nahegelegt (Art. 56 EPÜ), wobei mit dem Bundespatentgericht offen bleiben kann, ob auch dieses Merkmal neuheitsschädlich getroffen wird.
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aa) Die Beschreibung der US-Patentschrift 3 253 714 spricht davon, dass die getrennte Filtereinheit 15 von einem Nippel 14 mittels flüssigkeitsfester Zusammenfügung schwebend gehalten wird und dass das obere Ende der ringförmigen Zone 18 durch die Kopplungsteile 19 und 21 mit einer wirksamen Abdichtung zwischen beiden sowie einer geeigneten Verschweißung dieser Teile jeweils mit dem Aufnehmer und dem Nippel mittels flüssigkeitsfester Zusammenfügung geschlossen wird (insbes. Beschr. Sp. 4 Z. 72 - Sp. 5 Z. 2: "The upper end of the annular zone 18 … is closed in liquid tight engagement by the coupling parts 19 and 21 with an effective gasket between them and suitable welding of those parts to the retainer and the nipples respectively”). Weiter heißt es, dass das untere Ende der Ringzone 18 unter Eingriff eines geeigneten O-Rings oder einer anderen wirksamen Abdichtung mittels flüssigkeitsfester Verschraubung einer Verschlussabdeckung 22 in den Bodenring 23 verschlossen ist, der mit dem unteren Ende der Filterhilfe-Trägermembran oder des Aufnehmers 16 verschweißt ist (Beschr. Sp. 5 Z. 3-7: "Similarly, the lower end of the annular zone 18 is closed by liquid tight threading of closure cap 22 into bottom ring 23 welded to the lower end of the filter aid support membrane or retainer 16, with the intervention of a suitable O-ring or other effective gasket"). Das kann in Verbindung mit der Darstellung von Schweißperlen in Fig. 2 zunächst dafür sprechen, dass die Behälterwand 16 und nicht die Tragstäbe mit den Verbindungsteilen 19, 21 verschweißt wird. Nach Fig. 3 der US-Patentschrift entspricht jedoch die Ringzone dem Kreisbogen, der durch die Tragstäbe 27 definiert wird. Daraus könnte andererseits schon abgeleitet werden, dass diese Tragstäbe mit den Verbindungsteilen 19, 21 verschweißt werden sollen, was von der Lehre des Merkmals erfasst wird. Jedenfalls ist der Offenbarungsgehalt der USPatentschrift 3 253 714 insoweit nicht eindeutig. Dass das Merkmal 3.3.1 nahegelegen hat, kann mit ihr allein allerdings nicht begründet werden.
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bb) Die bereits angesprochene US-Patentschrift 2 046 458 (NK4) kann den Patentanspruch 1 des Streitpatents schon deshalb nicht vorwegnehmen, weil sie ein Filtersieb ("screen") und nicht wie das Streitpatent eine Filterkerze betrifft. Sie nennt aber Stäbe (rods 10), deren Verlängerungen (projections) in Löcher (holes 17) in den Endanschlussstücken (end fittings 18, 19) eingesetzt sind, wobei die Endanschlussstücke weitere Löcher (holes 20) im rechten Winkel zu den Löchern (holes 17) aufweisen und die Stäbe (rods 10) an den Endanschlussstücken (18, 19) verschweißt werden (Beschr. S. 2 li. Sp., Z. 2-12; Fig. 7). Der Fachmann hatte schon aus ihr Anlass, die Verschweißung der Tragstäbe mit den Verbindungsteilen in Betracht zu ziehen. Das genügt, um das Merkmal 3.3.1 als durch den Stand der Technik nahegelegt anzusehen.

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5. a) Patentanspruch 10 des Streitpatents verfällt entgegen der Ansicht der Klägerin K. AG nicht schon deshalb der Nichtigerklärung, weil - nach Auffassung dieser Klägerin - kein Rechtsschutzbedürfnis für Patentanspruch 10 neben Patentanspruch 1 besteht, denn dies ist als Nichtigkeitsgrund gesetzlich nicht vorgesehen (Sen.Urt. v. 18.06.1991 - X ZR 120/88 - Flaschenförderung, bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, BGH 1986-1993, 368).
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b) Dieser Patentanspruch stellt die Verwendung eines Spaltrohrs mit einem Traggerüst entsprechend der Merkmalsgruppe 3.6 des Patentanspruchs 1 und einem Draht entsprechend Merkmalsgruppe 3.7 als selbsttragende Kerzenwand (Merkmal 3.4) für eine für Anschwemm-Kerzenfilter mit hängend eingebauten Filterkerzen vorgesehene Filterkerze unter Schutz. Spaltrohre bezeichnet die Beschreibung des Streitpatents (Sp. 16 Z. 9 ff.) zutreffend als aus der USPatentschrift 2 046 458 bekannt; sie werden demnach hauptsächlich bei der Erdölförderung zur Auskleidung und Armierung von Bohrlöchern, daneben auch bei der Wasseraufbereitung eingesetzt. Die Verwendung eines Spaltrohrs ist auch aus dem Katalog "TRISLOT® Spaltrohre" der BEKAERT Deutschland GmbH (NK19) aus dem Jahr 1980 bekannt, wobei auf die Verwendung bei der Anschwemmfiltration auf der Ausstellung ACHEMA 1976 hingewiesen wurde (Anlagen NK17a, NK17b). Daher bereitete dem Fachmann die Verwendung eines Spaltrohrs bei Kerzenfiltern an sich keine Schwierigkeiten. Die Merkmale des Spaltrohrs entsprechen insgesamt bestimmten Merkmalen in Patentanspruch 1; die Schutzfähigkeit von Patentanspruch 10 ist daher mit Patentanspruch 1 zu verneinen.
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6. Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der auf Patentanspruch 1 - auch in seinen hilfsweise verteidigten Fassungen - rückbezogenen Patentan- sprüche 2 bis 9 ist weder geltend gemacht noch sonst zu erkennen. Soweit diese nachgeordneten Patentansprüche in den hilfsweise verteidigten Fassungen des Patentanspruchs 1 aufgegangen sind, wird nachfolgend zu ihnen Stellung genommen.
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IV. Die Berufungsklägerin kann das Streitpatent auch nicht mit Erfolg in der Fassung ihrer Hilfsanträge verteidigen.
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1. Das zusätzliche Merkmal 3.1.1.1 in Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2, wonach die Tragstäbe mit ihren oberen Enden veschweißt sind, stellt eine einfache Modifikation der Lehre der US-Patentschrift 2 046 458 (NK4) dar. Es lag im Rahmen des Fachkönnens des Fachmanns, in die Verschweißung den Bereich der oberen Enden der Tragstäbe einzubeziehen, wie dies etwa die deutsche Offenlegungsschrift 33 15 217 (NK14) auf einem benachbarten Fachgebiet bei einem Schacht- oder Brunnensieb zeigt (Beschr. S. 9 Z. 8-11).
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Das Vorsehen einer Rohrmuffe, die mit dem oberen Anschlussstück verbunden ist und einen oberen Bereich der Kerzenwand umgreift (Merkmalsgruppe 3.1.2) ist eine im Maschinenbau geläufige Maßnahme (vgl. auch den Katalog "TRISLOT® Spaltrohre" der BEKAERT Deutschland GmbH, NK19, S. 6: "Spaltrohre mit Flansche und Fittings"; "Flansch mit Bohrungen"; "Glatte Bunde"). Zudem ergab sich dann, wenn das Kerzenfilter, etwa im Anschlussbereich des Filterdrahts an die Anschlussstücke, zu große Lücken aufwies, die nicht anderweitig verschlossen werden konnten, schon konstruktiv die Notwendigkeit der Abdeckung durch eine Rohrmuffe oder eine Rohrschelle, um nicht die Filterwirkung des Filters insgesamt zu beeinträchtigen. Rohrmuffen waren zudem auch im Anmeldezeitpunkt im Maschinenbau bereits geläufige Elemente. Diese Maßnahme stellt zwar eine vorteilhafte und konstruktiv geschickte Lösung dar, sie kann aber auch in Verbindung mit den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach den Hilfsanträgen 1 und 2 eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen, und zwar auch dann nicht, wenn der obere Bereich zusätzlich als abgedrehter Bereich definiert wird, denn das Abdrehen (im Sinn eines Abrundens des Bereichs, auf den die Muffe aufgesetzt werden soll) ergab sich zwingend aus der Verwendung einer Rohrmuffe, die nur auf einen kreisrunden Querschnitt aufgesetzt werden kann.
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2. Das zusätzliche Merkmal nach Hilfsantrag 3, dass die Verbindung durch eine Klebstoffschicht mit einer zum oberen Anschlussstück gehörenden Mutter erfolgt, stellt, nachdem eine Befestigung der Rohrmuffe an dem oberen Abschlussstück notwendig war, eine im Belieben und im Fachkönnen des Konstrukteurs liegende Art der Verbindung dar, der auch nicht etwaige Vorbehalte gegen die Verwendung von Klebemitteln in Flüssigkeitsfiltern entgegenstanden. In dieser Verbindung liegt daher weder allein noch in Verbindung mit den übrigen Merkmalen ein erfinderischer Gehalt.
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3. Nach Hilfsantrag 4 soll das untere Ende des oberen Anschlussstücks von einem ersten Ringbuckel gebildet sein, dessen Durchmesser dem Doppelten des Abstands der Tragstäbe von der Kerzenachse entspricht (Merkmalsgruppe 1.1). Dies besagt zunächst nicht mehr - wenn auch nicht auf den ersten Blick einleuchtend formuliert -, als dass der Ringbuckel dem Kreisumfang entsprechen soll, auf dem die Tragstäbe um die Kerzenachse liegen und ist damit, wenn die Tragstäbe mit dem Ringbuckel verschweißt werden sollen, nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit. Das weitere Merkmal, dass die oberen Enden der Tragstäbe mit dem ersten Ringbuckel verschweißt sind (Merkmal 3.1.3), stellt klar, dass nicht - wie etwa bei der deutschen Offenlegungsschrift 33 15 217 (NK14) - mit Zusatzwerkstoff Schweißperlen gebildet werden, sondern dass der Buckel bereits konstruktiv vorgesehen ist (vgl. Gutachten Prof. Dipl.-Ing. G. V. S. 21). Die Geometrie des Ringbuckels war zudem aus der US-Patentschrift 3 253 714 zu entnehmen, denn es bestanden nur die Möglichkeiten, die Tragstäbe stumpf, hinter dem Wulst oder auf dem Wulst zu verschweißen, wie dies der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend angegeben hat. Damit war aber die Geometrie des Wulsts (Ringbuckels) durch den geometrischen Ort des Auftreffens der Tragstäbe auf das Anschlussstück festgelegt. Am anderen Ende der Tragstäbe eine entsprechende Geometrie vorzusehen , lag auf der Hand. Damit lagen auch die Merkmale (3.1.3’) und (4.3) nahe. Die Abdeckung des unteren Bereichs der Kerzenwand durch einen Vorsprung (Merkmal 4.4) lag schon deshalb nahe, weil sich auch hier das Lückenproblem wie bei Patentanspruch 1 nach Hilfsanträgen 1 und 2 stellen kann. Die Gesamtheit der zusätzlichen Merkmale ergibt hier keinen weitergehenden Gehalt als die Summe der Einzelmerkmale.
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4. Die zusätzlichen nach Hilfsantrag 5 vorgesehenen Maßnahmen (Merkmalsgruppe 1.1), das obere Anschlussstück ein Tragrohr umfassen zu lassen, in das ein Spritzrohr eingesetzt ist, dessen unteres Ende vom Verschlussstück beabstandet ist, und die Möglichkeit vorzusehen, dieses Spritzrohr sowohl für den Rückspülvorgang als auch als Abflusskanal während des Filtervorgangs zu nutzen, vermögen ebenfalls eine erfinderische Tätigkeit nicht zu begründen. Die Lösung mit einem Tragrohr wird bereits in der US-Patentschrift 3 253 714 (NK5) gezeigt. Das Spritzrohr innerhalb des Tragrohrs ergibt sich in naheliegender Weise aus dem Rückspülvorgang, für den eine getrennte Flüssigkeitsführung jedenfalls zweckmäßig ist. Es liegt auch auf der Hand, dass das Spritzrohr dann, wenn es nicht für den Rückspülvorgang benötigt wird, zweckmäßigerweise für den Filtervorgang genutzt werden sollte, um die Abführung des gefilterten Fluids zu erleichtern.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG 1981, § 97 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.02.2002 - 2 Ni 42/00 (EU) -
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Neuheitsprüfung (BGH, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist danach erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen "unmittelbar und eindeutig" (BGH, Urteil vom 11. September 2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910, Rn. 62 - Fälschungssicheres Dokument; Urteil vom 14. August 2012 - X ZR 3/10, GRUR 2012, 1133 Rn. 31 - UV-unempfindliche Druckplatte) als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (BGH, Beschluss vom 11. September 2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung ; Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 52/08, GRUR 2010, 599 Rn. 22, 24 - Formteil). Zu ermitteln ist mithin, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen allgemeinen Lehre entnimmt (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 25 - Olanzapin). Maßgeblich ist dabei das Verständnis des Fachmanns zum Zeitpunkt der Einreichung der prioritätsbeanspruchenden Patentanmeldung (BGH, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit).
c) Das Erfordernis einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung muss
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bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist für die Ursprungsoffenbarung des Gegenstands eines Patentanspruchs erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen - "unmittelbar und eindeutig" (BGH, Urteil vom 11. September 2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 25 - Olanzapin; Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910, Rn. 62 - Fälschungssicheres Dokument) - als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (Urteil vom 21. September 1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn 03; Beschluss vom 11. September 2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung ; Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 52/08, GRUR 2010, 599 = BlPMZ 2010, 269, Rn. 22, 24 - Formteil). Dabei hat der Senat zur Vermeidung einer unbilligen Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen. Er hat einen "breit" formulierten Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann für unbedenklich erachtet, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung ). Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenom- men worden sind (ständige Rechtsprechung seit BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; zuletzt Urteil vom 24. Januar 2012 - X ZR 88/09, GRUR 2012, 475 Rn. 34 - Elektronenstrahltherapiesystem ). Als zulässig ist jedoch auch die Verallgemeinerung einer chemischen Verbindung angesehen worden (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1975 - X ZR 51/72, BGHZ 66, 17, 30 - Alkylendiamine I).

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.