vorgehend
Landgericht Hamburg, 327 O 306/10, 24.01.2011
Hanseatisches Oberlandesgericht, 3 U 20/11, 20.12.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X Z R 5 / 1 3 Verkündet am:
29. Juli 2014
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Juli 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter
Dr. Bacher, Hoffmann und Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 20. Dezember 2012 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Inhaberin des am 20. Juli 2000 angemeldeten, mit Wirkung für
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die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 198 293 (Klagepatents ). Es betrifft eine Mikrotiterplatte und umfasst 22 Ansprüche. Anspruch 14 ist auf den nebengeordneten Anspruch 13, alle weiteren Ansprüche sind unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogen.
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Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet in der Verfahrenssprache: "A thin-well microplate comprising: a skirt and frame portion (11), constructed of a first material, having a top planar surface (15) and a bottom (16), having a plurality of holes (13) arranged in a first array pattern extending through the top planar surface, and skirt walls (17a-d) of equal depth extending from the top planar surface to the bottom; a well and deck portion (12), constructed of a second material, joined with the top planar surface (15) of the skirt and frame portion to form a unitary plate; a plurality of sample wells (14) integral with the well and deck portion (12) arranged in the first array pattern such that the plurality of sample wells extended downwardly through the plurality of holes (13) in the top planar surface of the skirt and frame portion." Die Beklagte stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Mikro3 titerplatten unter der Bezeichnung " ". Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung des Klagepatents und nimmt die Be4 klagte auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Entfernung aus den Vertriebswegen und Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch. Sie hat ihre Klage anfänglich auf Patentansprüche 1 und 13 gestützt. Noch während des ersten Rechtszugs hat sie die Klage zurückgenommen, soweit sie auf Patentanspruch 13 gestützt war. Die Beklagte hat Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent erhoben. Soweit die
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Beklagte das Klagepatent im Umfang von Patentanspruch 1 und der auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2, 3, 7, 8, 11, 12, 15 und 19 bis 22 angegriffen hat, hat das Patentgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel eingelegt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung ist ohne Erfolg ge6 blieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den Antrag auf Klagabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


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Die zulässige Revision ist unbegründet.
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I. Das Klagepatent betrifft eine Mikrotiterplatte mit dünnwandigen Näpfen (a thin-well microplate). Für biologische, chemische oder medizinische Forschungen, bei denen eine
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Vielzahl von meist wässrigen Proben verwendet wird, kommen Platten zum Einsatz, die eine Vielzahl von Näpfen (wells) aufweisen, die die Proben aufnehmen. Dienen die Näpfe, die verschieden geformt sein können, der Aufnahme kleiner Volumina, spricht man von Mikrotiterplatten (microplates, Abs. 2). Eine der Forschungstechniken , für die Mikrotiterplatten zum Einsatz kommen, ist die Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction = PCR). Dabei handelt es sich um eine Methode zur Vervielfältigung von DNA, bei der die Proben mehrfach bis auf nahezu 100°C erhitzt und abgekühlt werden müssen. Dieses mehrfache Erhitzen und Abkühlen wird in der Klagepatentschrift als thermozyklisch bzw. thermozyklische Prozedur (thermal cyc- ling procedure) bezeichnet (Abs. 4 und 18). Die Verwendung dünnwandiger Näpfe gewährleistet eine gute thermische Leitung. Eine Mikrotiterplatte mit dünnwandigen Näpfen wird in der Klagepatentschrift als thin-well microplate bezeichnet (Abs. 7, Abs. 12). Die Klagepatentschrift erläutert, dass im Hinblick auf die Automatisierung solcher Methoden durch den Einsatz von Robotern das Bedürfnis besteht, geeignete Mikrotiterplatten bereitzustellen (Abs. 5). Soll sich eine Mikrotiterplatte für den Einsatz von Robotern und zugleich für die PCR eignen, muss sie danach einerseits die Eigenschaften aufweisen, die den Einsatz eines Roboters erleichtern, insbesondere hinreichend fest und stabil sein, andererseits müssen die Näpfe so gestaltet sein, dass sie eine gute thermische Leitung, aber auch Stabilität hinsichtlich ihrer Form und Größe bieten (Abs. 8 f.). Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind - so die Klagepatentschrift - tendenziell widersprüchlich und werden von den bekannten Mikrotiterplatten mit dünnwandigen Näpfen nicht sämtlich erfüllt (Abs. 9). Die Klagepatentschrift beschreibt verschiedene, bereits bekannte Versuche, Mikrotiterplatten bereitzustellen, die gute thermische Eigenschaften der Näpfe aufweisen und zugleich für den Einsatz von Robotern geeignet sind. Eine im Stand der Technik bekannte Möglichkeit bestehe darin, einen Einsatz (tray) aus einem ersten Material zu verwenden , der eine Vielzahl von Öffnungen aufweise, in die gesondert gefertigte Anordnungen von dünnwandigen Näpfen aus einem zweiten Material lose eingesetzt werden (Abs. 16). Als nachteilig sieht die Klagepatentschrift hierbei zum einen an, dass die Teile zusammengefügt werden müssen, was angesichts der Automatisierung der Arbeitsschritte und des hohen Durchsatzes unerwünscht sei. Zum anderen kritisiert sie, dass eine nur lose Verbindung der Komponenten den Einsatz hochpräziser Roboter und automatischer Dispenser erschwere (Abs. 16). Das technische Problem besteht darin, eine Mikrotiterplatte mit dünnwandigen
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Näpfen bereitzustellen, die auch bei thermozyklischen Abläufen für eine Handhabung durch hochpräzise Roboter in automatisierten Abläufen geeignet ist. Erfindungsgemäß soll das durch eine Mikrotiterplatte mit den Merkmalen des
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Patentanspruchs 1 erreicht werden, die sich wie folgt gliedern lassen (abweichende Gliederung des Berufungsgerichts in eckigen Klammern): Eine Mikrotiterplatte mit dünnwandigen Näpfen, umfassend [1] 1. einen Rand- und Rahmenteil (11) aus einem ersten Material [2, 2a] 1.1 mit einer ebenen Oberseite (15), [2b] 1.2 wobei die ebene Oberseite eine Vielzahl von Löchern (13) aufweist, [2d] die 1.2.1 in einem ersten Muster angeordnet sind und [2e] 1.2.2 sich durch die ebene Oberseite erstrecken; [2f] 1.3 mit einem Boden (16); [2c] 1.4 mit Wänden des Rands, [2g teilweise] die 1.4.1 eine gleiche Tiefe aufweisen [2g teilweise] und 1.4.2 sich von der ebenen Oberseite zum Boden erstrecken; [2h] 2. einen Mulden- und Abdeckteil (12) aus einem zweiten Material, [3, 3a] 2.1 der mit der ebenen Oberseite (15) des Rand- und Rahmenteils verbunden ist, um eine einheitliche Platte zu bilden; [3b, 3c] 3. eine Vielzahl von Proben-Näpfen (14); [4] 3.1 die Näpfe sind einstückig mit dem Mulden- und Abdeckteil (12) verbunden; [4a] 3.2 die Näpfe sind in dem ersten Muster angeordnet, [4b teilweise] 3.3 so dass sie sich nach unten durch die Vielzahl der Löcher in der ebenen Oberseite des Rand- und Rahmenteils erstrecken. [4b teilweise]. II. Die Auslegung des Patentanspruchs durch das Berufungsgericht hält
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der rechtlichen Nachprüfung stand. 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Durchschnittsfachmann ver13 stehe den Terminus "verbunden" (joined) in Merkmal 2.1 im geläufigen Sinne der Verbindungstechnik, also dahin, dass er die form-, stoff- oder kraftschlüssige Zusammensetzung von Gebilden umfasse. Aus der patentgemäßen Aufgabe, eine für den Einsatz in automatisierten thermozyklischen Prozessen geeignete Muldenplatte bereitzustellen, folge, dass deren Bestandteile zwar aus zwei unterschiedlichen Materialien bestünden, aber gleichwohl als einheitliche Platte (unitary plate) gestaltet seien. Das Klagepatent grenze sich damit von im Stand der Technik bekannten Ausführungsformen ab, bei denen die Probenmulden lediglich lose eingelegt würden. Die Patentschrift befasse sich an keiner Stelle explizit mit der Frage, von welcher Art die in Patentanspruch 1 geforderte Verbindung zwischen Mulden- und Abdeckteil und der ebenen Oberfläche des Rand- und Rahmenteils sein müsse. Aus der Fassung von Unteranspruch 5, der davon spreche, dass Rand- und Rahmenteil und Muldenund Abdeckteil dauerhaft zu einer einheitlichen Platte verbunden seien (permanently joined to form the unitary plate), und Unteranspruch 6, wonach die Platte einstückig gebildet sei (is integrally formed), ergebe sich nicht, dass Patentanspruch 1 einschränkend dahin ausgelegt werden müsse, er erfasse nur eine dauerhafte Verbindung oder einstückige Beschaffenheit. Die von der Beklagten angeführten Passagen der Beschreibung, die sich mit der Schaffung einer permanenten oder einstückigen Verbindung befassten, ließen einen solchen Schluss gleichfalls nicht zu. Merkmal 2 enthalte zudem keine Aussage über den genauen Ort, an dem die Verbindungsmittel einzusetzen seien. Dem Anspruch könne auch unter Berücksichtigung der Beschreibung und der Figuren nicht entnommen werden, dass es sich um eine dauerhafte Verbindung des Mulden- und Abdeckteils mit der ebenen Oberfläche des Rand- und Rahmenteils handeln müsse. Damit sei der gesamte, mit Löchern durchbrochene ebene Deckenbereich gemeint. Zwar habe das Bundespatentgericht ausgeführt, mit einer einheitlichen (unitary) Mikrotiterplatte sei eine Platte bezeichnet, bei der Randund Rahmenteil und Mulden- und Abdeckteil dauerhaft verbunden seien, worunter ein nachträgliches Zusammenfügen beispielsweise durch Ultraschall oder thermisches Verschweißen zu verstehen sei. Diesem Verständnis von Patentanspruch 1 durch das Bundespatentgericht könne jedoch nicht beigetreten werden. Der vom Bundespatentgericht hierfür herangezogene Absatz 21 der Patentschrift diene der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels. Entnehme man dieser Passage eine Festlegung des Schutzumfangs auf eine permanente Verbindung, stellte dies eine unzulässige Einschränkung des Patentanspruchs 1 nach Maßgabe der Beschreibung dar, der eine solche Begrenzung nicht enthalte. Gegen die von der Beklagten vertretene Auslegung von Patentanspruch 1 sprächen auch systematische Gründe, denn danach wären Patentansprüche 5 und 6 überflüssig. Schließlich erkenne der Fachmann , dass es im Hinblick auf eine Verwendung der Mikrotiterplatte im Rahmen automatisierter Verfahren unter Einschluss thermischer Durchlaufverfahren genüge, wenn die genannten Teile lösbar miteinander verbunden seien, solange diese Verbindung hinreichend stabil sei. 2. Die Revision meint demgegenüber, das Berufungsgericht habe die Be14 schreibung des Klagepatents und die Bedeutung der abhängigen Patentansprüche bei der Auslegung von Merkmal 2 nicht hinreichend berücksichtigt. Schon das natürliche Verständnis des Begriffs "einheitliche Platte" lege nahe, dass die diese Platte bildenden Elemente untrennbar miteinander verbunden seien. Dieses Verständnis werde durch die Beschreibung bestätigt, da die dort genannten Beispiele allesamt eine dauerhafte Verbindung der Bestandteile aufwiesen, bei der die beiden Kompo- nenten entweder von vornherein einstückig ausgebildet oder aber zur Herstellung einer einheitlichen Platte untrennbar miteinander verbunden seien. Zudem würden bei der Darstellung des Standes der Technik Platten, bei denen die Probemulden nur lose in den Rahmen eingesetzt werden, als nachteilig beschrieben. Wollte man der Auslegung des Berufungsgerichts folgen, die mit derjenigen des Patentgerichts nicht in Einklang stehe, und eine lösbare Verbindung ebenfalls als patentgemäß ansehen, wäre der Gegenstand des Klagepatents durch die aus dem Katalog "Nunc™ Products" (Anlage B4) ersichtliche, im Stand der Technik bereits bekannte Mikrotiterplatte neuheitsschädlich vorweggenommen. Das Berufungsgericht habe ferner nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Verbindung gerade über die obere plane Oberfläche des Rand- und Rahmenteils erfolgen müsse, es sich also um eine flächige Verbindung handeln müsse. Eine stabile flächige Verbindung erfordere aber, dass diese untrennbar sei. Die Beschränkung auf eine flächige und untrennbare Verbindung von Rand- und Rahmenteil und Mulden- und Abdeckteil sei danach bereits integraler Bestandteil von Patentanspruch 1; in den Patentansprüchen 5 und 6 werde sie lediglich aufgegriffen.
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3. Damit kann die Revision nicht durchdringen. Das Berufungsgericht hat zutreffend zugrunde gelegt, dass Patentanspruch 1
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keine ausdrückliche Angabe dazu enthält, auf welche Weise Rand- und Rahmenteil und Mulden- und Abdeckteil zu einer einheitlichen Platte verbunden werden ("joined … to form a unitary plate").Dies legt es für den angesprochenen Fachmann, einen mit der Entwicklung von Mikrotiterplatten betrauten Diplomingenieur der Fachrichtung Verfahrenstechnik, der bei Bedarf auf das Fachwissen eines Chemikers oder Biologen zurückgreifen kann, nahe, dass auch eine formschlüssige Verbindung genügen kann. Aus der zur Auslegung heranzuziehenden Beschreibung und aus den Figuren ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein engeres Verständnis. Der technische Sinn der von Merkmal 2 geforderten Verbindung der genann17 ten Teile zu einer einheitlichen Platte liegt aus fachlicher Sicht darin, eine sichere Handhabung auch dann zu gewährleisten, wenn eine solche Platte in automatischen Prozessen mit hochpräzisen Robotern verwendet werden soll. So kritisiert die Be- schreibung bei der Darstellung des Standes der Technik Platten, bei denen in Streifen angeordnete Probennäpfe nur lose in einen Träger eingesetzt werden, weil die lose Verbindung einem Einsatz von hochpräzisen Robotern und automatisch arbeitenden Dispensern entgegenstehe (Abs. 16). Dies legt für den Fachmann ein Verständnis der geforderten Verbindung nahe, wonach es genügt, wenn die Probennäpfe nicht lose, sondern hinreichend fest, wenn auch lösbar in den Rand- und Rahmenteil eingesetzt sind, also in einer Weise, dass jede praktisch bedeutsame relative Bewegung der beiden Komponenten zueinander ausgeschlossen ist. Für diese Auslegung spricht auch der Zusammenhang von Patentanspruch 1
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als Hauptanspruch mit den Unteransprüchen 5 und 6. Dabei ist zugrunde zu legen, dass der Hauptanspruch regelmäßig so gefasst ist, dass er die beanspruchte Erfindung in ihrer allgemeinsten Form erfasst, während die Unteransprüche besondere Ausführungsformen dieser allgemeinen Lehre beschreiben, die weitere Merkmale aufweisen. Dieses Verhältnis von Hauptanspruch und Unteranspruch ist bei der Bestimmung des Schutzbereichs zu berücksichtigen. Es ist grundsätzlich unzulässig, den Hauptanspruch im Wege der Auslegung um Merkmale zu ergänzen, die nur in einem Unteranspruch enthalten sind, und ihn dadurch einzuschränken (BGH, Urteil vom 7. Januar 1955 - I ZR 67/52, GRUR 1955, 244, 245 - Repassiernadel II). Danach kann aus Unteranspruch 5, der fordert, dass Rand- und Rahmenteil und Mulden - und Abdeckteil dauerhaft zu einer einheitlichen Platte verbunden sind ("perma- nently joined to form the unitary plate") nicht der Schluss gezogen werden, auch Pa- tentanspruch 1 fordere eine dauerhafte, also nicht zerstörungsfrei lösbare Verbindung. Entsprechendes gilt für Unteranspruch 6, wonach die ebene Oberfläche des Rand- und Rahmenteils und der Mulden- und Abdeckteil integral bzw. einstückig ausgebildet ("integrally formed") sind. Im Unterschied hierzu enthält Patentanspruch 1 keine weiteren Angaben dazu, wie die Komponenten der Mikrotiterplatte miteinander verbunden sind. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick darauf geboten, dass der
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Mulden- und Abdeckteil nach Merkmal 2.1 mit der ebenen Oberseite des Rand- und Rahmenteils verbunden sein muss. Patentanspruch 1 lässt sich, anders als die Revision meint, nicht entnehmen, dass mit den Worten "top planar surface" allein die nach oben weisende, plane Oberfläche des Rand- und Rahmenteils bezeichnet ist. Nach dem Zusammenhang der Patentschrift ist damit vielmehr die ebene Oberseite des Rand- und Rahmenteils insgesamt, d.h. in ihrer gesamten Stärke gemeint. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass sich die Löcher, in denen die Probennäpfe angeordnet sind, durch die ebene Oberseite des Rand- und Rahmenteils erstrecken (extending through the top planar surface). Patentanspruch 1 besagt mithin nur, dass die ebene Oberseite des Rand- und Rahmenteils und der Mulden- und Abdeckteil miteinander verbunden sein müssen. Ihm lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass dies durch eine nicht zerstörungsfrei lösbare Verbindung der nach unten weisenden Oberfläche des Mulden- und Abdeckteils und der nach oben weisenden Oberfläche des Rand- und Rahmenteils geschehen müsse. Auch der Umstand, dass die Ausführungsbeispiele, die im Klagepatent be20 schrieben werden, jeweils eine dauerhafte Verbindung von Rand- und Rahmenteil und Mulden- und Abdeckteil vorsehen, rechtfertigt nach der Rechtsprechung des Senats eine sachliche Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs 1 festgelegten Gegenstand nicht (BGH, Urteil vom 7. September 2004 - X ZR 255/01, BGHZ 160, 204, 209 - bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Dies hat das Bundespatentgericht nicht hinreichend berücksichtigt. Dessen abweichende Auslegung von Patentanspruch 1 im Nichtigkeitsverfahren ist für den Senat nicht bindend, weil die Nichtigkeitsklage, soweit der Gegenstand des Klagepatents im Umfang von Patentanspruch 1 und auf ihn rückbezogener Ansprüche angegriffen wurde, abgewiesen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1998 - X ZR 57/96, GRUR 1998, 895, 896 - Regenbecken). Der Hinweis der Revision auf den Katalog "Nunc™ Products" ist unerheblich,
21
weil es sich dabei um Stand der Technik handelt, der in der Patentschrift nicht mitgeteilt ist und daher nicht zur Ermittlung der Bedeutung der im Patentanspruch gebrauchten Begriffe herangezogen werden darf (Benkard/Scharen, PatG, 10. Aufl., § 14 Rn. 61). III. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht die Benutzung des Kla22 gepatents durch die angegriffene Ausführungsform, bei der der Mulden- und Abdeck- teil mittels zehn Rastnasen, die in entsprechende Ausnehmungen des Rand- und Rahmenteils einrasten, und mittels zweier Zapfen im mittleren Bereich des Muldenund Abdeckteils, die in die ebene Oberseite des Rand- und Rahmenteils eingreifen, mit diesem fest, aber zerstörungsfrei lösbar verbunden wird, rechtsfehlerfrei bejaht. Den Feststellungen des Berufungsgerichts, das insoweit ergänzend auf die Feststellungen des Landgerichts verweist, lässt sich entnehmen, dass die Verbindung der Komponenten bei der angegriffenen Ausführungsform gewährleistet, dass eine praktisch erhebliche relative Bewegung zueinander nicht stattfindet.
23
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Bacher Hoffmann Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 24.01.2011 - 327 O 306/10 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 20.12.2012 - 3 U 20/11 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2004 - X ZR 255/01

bei uns veröffentlicht am 07.09.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 255/01 Verkündet am: 7. September 2004 Weschenfelder Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit BGHZ: ja BGHR: ja Nachschlagewer
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 29. Juli 2014 - X ZR 5/13.

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2018 - X ZR 86/16

bei uns veröffentlicht am 05.06.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil X ZR 86/16 Verkündet am: 5. Juni 2018 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BGH:2018:050618UXZR86.16.0 De

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 255/01 Verkündet am:
7. September 2004
Weschenfelder
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
BGHZ: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69
Ein Ausführungsbeispiel erlaubt regelmäßig keine einschränkende Auslegung
eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs.
Bei der Auslegung eines Patentanspruchs kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen
werden, in ihm enthaltenen Angaben sei eine über Selbstverständlichkeiten
hinausgehende Bedeutung beizumessen.
Im Patentverletzungsprozeß kommt im Hinblick auf die Auslegung eines Patentanspruchs
durch den Tatrichter eine Bindung des Revisionsgerichts nur insoweit
in Betracht, als der Tatrichter sich mit konkreten tatsächlichen Umständen
befaßt hat, die für die Auslegung von Bedeutung sein können.
BGH, Urt. v. 07.09.2004 - X ZR 255/01 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. September 2004 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und den Richter Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 6. Dezember 2001 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben.
Die Sache wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 637 395 (Klagepatents), das auf einer am 8. Februar 1995 veröffentlichten Anmeldung vom 28. Januar 1994 beruht. Das am 21. Mai 1997 veröffentlichte Klagepatent hat in einem rechtskräftig abgeschlossenen Nichtigkeitsverfahren eine Ände-
rung erfahren. Patentanspruch 1 des in deutscher Verfahrenssprache erteilten Klagepatents lautet danach:
"Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikations- und/ oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten (2) zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke (39), mit einem Vorratsbehälter (1), der bodenseitig eine Vereinzelungseinrichtung (3) für die Parkkarten (2) aufweist, einem anschließenden Fallschacht (4) mit mindestens einem zentralen Leitschacht (11) und davon abzweigenden, eine jeweilige Neigung aufweisenden Seitenschächten (12, 13) für eine rollende Aus- und Eingabe von Parkkarten (2) unter Schwerkraft und einer Meßstelle (24) im zentralen Leitschacht (11) für ein Lesen der auszugebenden und/oder zurückgegebenen Parkkarten (2), die mit einer Steuerung zur Betätigung der Parkschranke (39) verbunden ist."
Die unter der Geschäftsführung unter anderem des Beklagten zu 2 stehende Beklagte zu 1 stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung "S. Parksysteme " für wiederverwendbare Parkkarten aus Kunststoff in Form runder Münzen sowie Einfahrtkontrollgeräte mit der Bezeichnung "E. ". Die hierbei verwendeten Ein- und Ausgabevorrichtungen weisen u.a. einen Vorratsbehälter für die Münzen auf. In diesem läuft ein Förderband um, dessen Glieder jeweils eine den Münzen entsprechende Ausnehmung hat. Am Boden des Vorratsbehälters gelangt jede Münze in eine Ausnehmung und wird zu einer im Vorratsbehälter weiter oben liegenden Ausgabe befördert. Über einen sich anschließenden Schacht fällt die Münze in eine Ausnehmung eines andreaskreuzartigen Vorrichtungsteils. Durch Drehbewegung desselben wird sie schließlich entweder an einen weiteren
Schacht übergeben, der zu der für den Kunden zugänglichen Ausgabestelle führt, oder an einen anderen Kanal, der in einem Auffangbehälter endet.
Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Vorrichtung verwirkliche Patentanspruch 1 des Klagepatents mit wortsinngemäßen Mitteln. Die Beklagten stellen das in Abrede, weil die angegriffene Ausführungsform sich hinsichtlich der bodenseitigen Vereinzelungsvorrichtung im Vorratsbehälter, des Fallschachts und der Meßstelle von der patentgemäßen Lehre unterscheide.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zu Unterlassung und Rechnungslegung verurteilt sowie festgestellt, daß die Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung bzw. Schadensersatz verpflichtet sind. Auf die hiergegen von den Beklagten eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagten nach Maßgabe ihrer im Berufungsrechtszug konkretisierten Anträge zu verurteilen.
Die Beklagten treten diesem Begehren entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat in der Sache Erfolg; sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Das Klagepatent betrifft Vorrichtungen, die bestimmte Karten zur Betätigung einer Parkschranke entgegennehmen und ausgeben können. Es handelt sich um runde, vorzugsweise scheibenförmige Karten, die wiederverwendbar sind und eine als Identifikations- und/oder Kommunikationselement bezeichnete Ausstattung haben. Diese dient entweder der individuellen Kennung der Karte oder der Abspeicherung von Daten, wie etwa Datum und Einfahrtzeit, die für eine Parkgebührenrechnung erforderlich sind. Damit die Karten wiederholt einund ausgegeben werden können, müssen sie - wie es in Sp. 1 Z. 30 ff. der Beschreibung des Klagepatents angeben ist - in der Vorrichtung gelagert, einer Lese-Schreibstation zugeführt und in Ausgabeöffnungen befördert werden, die dem Parkkunden zugänglich sind. Deshalb - so die weitere Darstellung in Sp. 1 Z. 35 ff. der Beschreibung des Klagepatents - müssen die Parkkarten mehrere Transportwege zurücklegen, wofür im allgemeinen Transportbänder oder Transportrollen vorgesehen sind, was konstruktiv aufwendig und störanfällig ist. Hieraus ergibt sich als Problem, das es erfindungsgemäß zu lösen gilt, eine Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikations- und/oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke zu schaffen, die sicher und zuverlässig arbeitet und dabei einfach aufgebaut ist (Sp. 1 Z. 44-49 der Beschreibung des Klagepatents).
2. Das Berufungsgericht hat den Lösungsvorschlag nach Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung des Klagepatents wie folgt gegliedert:
1. Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikationsund /oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke mit
1.1 einem Vorratsbehälter,
1.2 einem Fallschacht
1.3 und einer Meßstelle;
2. der Vorratsbehälter weist bodenseitig eine Vereinzelungseinrichtung für die Parkkarten auf;
3. der sich an den Vorratsbehälter anschließende Fallschacht umfaßt
3.1 mindestens einen zentralen Leitschacht und
3.2 davon abzweigende, eine jeweilige Neigung aufweisende Seitenschächte für eine rollende Aus- und Eingabe von Parkkarten unter Schwerkraft;
4. die Meßstelle ist
4.1 im zentralen Leitschacht für ein Lesen der auszugebenden und zurückgegebenen Parkkarten angeordnet
4.2 und mit einer Steuerung zur Betätigung der Parkschranke verbunden.
Gegen diese Gliederung bestehen ebensowenig Bedenken wie gegen die auf den Erläuterungen in Sp. 1 Z. 51-58 der Beschreibung des Klagepatents basierenden Feststellungen des Berufungsgerichts, daß durch die in Patentanspruch 1 des Klagepatents vorgeschlagene Lösung die formbedingten Vorteile runder, scheibenförmiger Parkkarten, insbesondere ihr Rollvermögen, für den
Ein- und Ausgabevorgang benutzt würden, weitgehend ohne angetriebene Beförderungssysteme gearbeitet werden könne und dabei die für eine Ausgabe und Rücknahme der Parkkarten erforderlichen Transportwege miteinander kombiniert und dadurch auch minimiert seien. Hiergegen sind Rügen auch nicht erhoben.
3. Das Berufungsgericht hat nach § 9 Satz 2 PatG verbotene Verletzungshandlungen der Beklagten verneint, weil die angegriffene Ausführungsform jedenfalls das Merkmal 2 des Patentanspruchs 1 des Klagepatents nicht verwirkliche. Ausgehend von dem allgemeinen Sprachgebrauch für den Begriff "Vereinzelungsvorrichtung" müsse erfindungsgemäß insoweit ein Vorrichtungsteil vorhanden sein, das die Parkkarten nicht nur von einem Vorrat abtrenne, sondern auch dafür sorge, daß sie abgetrennt blieben und auf diese Weise vereinzelt dem gemäß Merkmal 3 an den Vorratsbehälter anschließenden Fallschacht zugeführt würden. Die Vereinzelung der im Vorratsbehälter befindlichen Parkkarten selbst müsse im Bereich von dessen Boden beginnen. Da die Karten der Schwerkraft unterworfen seien, lasse sich nämlich nur so auch die letzte eines Vorrats zur Ausgabe an die Parkkunden nutzen. Die bodenseitige Vereinzelung sei eine Selbstverständlichkeit, auf die einem Fachmann gegenüber nicht hingewiesen werden müsse. Deshalb besage die Kennzeichnung "bodenseitig" mehr als das. Der Fachmann erfahre hierdurch, daß die Einrichtung, welche die Parkkarten vereinzelne und anschließend einzeln dem Fallschacht zuführe , sich als solche ausschließlich im Bereich des Bodens des Vorratsbehälters befinden müsse. Denn das gewährleiste auch, daß die Parkkarten, die sich nach den Ausführungen in Sp. 2 Z. 1-4 der Beschreibung des Klagepatents vor allem unter dem Einfluß ihres Eigengewichts, also nach unten, bewegen sollten, nicht entgegen der Schwerkraft nach oben transportiert werden müßten, wozu ein - nach Sp. 1 Z. 54-56 der Beschreibung des Klagepatents möglichst zu vermeidendes - angetriebenes Beförderungssystem erforderlich sei.

Das Berufungsgericht hat also Patentanspruch 1 des Klagepatents (Merkmal 2) eine Aussage auch darüber entnommen, wo die Parkkarten vereinzelt aus dem Vorratsbehälter in den Fallschacht gelangen müssen, nämlich im Bereich des Bodens des Vorratsbehälters.
4. Diese Auslegung bekämpft die Revision zu Recht. Sie bedeutet eine Einschränkung des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Klagepatents unter dessen Wortlaut, die sich aus diesem Anspruch nicht entnehmen läßt.

a) Maßgebliche Grundlage dafür, was durch ein europäische Patent unter Schutz gestellt ist, ist gemäß Art. 69 Abs. 1 Satz 1 EPÜ der Inhalt der Patentansprüche (vgl. z.B. auch BGHZ 98, 12 - Formstein). Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich deshalb danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat (BGHZ 106, 84, 94 - Schwermetalloxidationskatalysator ). Das Protokoll zur Auslegung von Art. 69 EPÜ drückt dies durch seinen Hinweis aus, daß die Patentansprüche nicht lediglich als Richtlinie dienen dürften. Das verleiht dem in dem betreffenden Patentanspruch gewählten Wortlaut entscheidende Bedeutung. Was - bei sinnvollem Verständnis - mit ihm nicht so deutlich einbezogen ist, daß es vom Fachmann als zur Erfindung gehörend erkannt wird, kann den Gegenstand dieses Patentanspruchs nicht kennzeichnen. Auch die zur Erfassung des Sinngehalts eines Patentanspruchs vorgesehene Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen des betreffenden Patents darf weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen.

b) Der Wortlaut von Patentanspruch 1 des Klagepatents läßt jedoch nicht erkennen, daß mit ihm festgelegt sein soll, aus welchem Bereich des Vorratsbehälters die Parkkarten als vereinzelte Stücke in den anschließenden Fallschacht gelangen sollen. Die Frage, wo die Übermittlung der vereinzelten Parkkarten erfolgt, betrifft die Anordnung von Vorratsbehälter und Fallschacht zueinander. Insoweit heißt es im Patentanspruch aber nur, daß letzterer sich an ersteren anschließt. Auch eine Beziehung dieses Anschlusses zur Vereinzelungsvorrichtung ist im Patentanspruch 1 des Klagepatents nicht hergestellt. Die Vereinzelungsvorrichtung ist vielmehr nur als Teil (Einrichtung) beschrieben, das der Vorratsbehälter bodenseitig aufweist. Die - wovon an sich auch das Berufungsgericht ausgegangen ist - nächstliegende Deutung dieser Kennzeichnung ist deshalb, daß nach Merkmal 2 die vorrichtungsmäßige Gestaltung innerhalb des Vorratsbehälters lediglich derart sein muß, daß eine Vereinzelung der im Vorratsbehälter lagernden Parkkarten im Bereich des Behälterbodens stattfindet.

c) Eine weitergehende, den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Klagepatents nach Maßgabe der Auslegung durch das Berufungsgericht einengende Bedeutung des Merkmals 2 ergibt sich auch nicht bei Heranziehung der Beschreibung des Klagepatents. Hinsichtlich der Übermittlung der Parkkarten vom Vorratsbehälter zum Fallschacht heißt es in Sp. 2 Z. 1-2 der Beschreibung des Klagepatents lediglich, die Parkkarten gelangten jeweils einzeln von einem Stapel Parkkarten abgetrennt in einen Fallschacht. Das beschreibt nur, daß die Parkkarten jeweils als vereinzelte in den Fallschacht gelangen müssen, nicht aber, von welchem Bereich des Vorratsbehälters aus dies zu geschehen hat.
Auch aus den die Vereinzelungsvorrichtung selbst betreffenden Angaben der Beschreibung des Klagepatents ergibt sich nichts anderes. Mit der Vereinzelungsvorrichtung befaßt sich die Beschreibung erstmals in Sp. 3 Z. 8 ff.. Dort
erfährt der Leser zwar, die Vereinzelungsvorrichtung durch einen schachtförmigen Verengungsteil am bodenseitigen Ende des Vorratsbehälters zu bilden, in dem sich die Parkkarten übereinander aufstapeln können, und einen Abstreifer vorzusehen, der die jeweils zuunterst liegende Parkkarte und vorzugsweise jeweils allein diese in den Fallschacht überführt. Die Wortwahl in Sp. 3 Z. 8 der Beschreibung des Klagepatents, die Vereinzelungseinrichtung könne in dieser Weise gestaltet sein, weist diese Textstelle aber als Beschreibung eines Ausführungsbeispiels aus. Ein Ausführungsbeispiel erlaubt regelmäßig jedoch keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (vgl. Sen.Urt. v. 09.05.1985 - X ZR 44/84, GRUR 1985, 967, 968 - Zuckerzentrifuge, m.w.N.). Dieser zum früheren deutschen Patentrecht entwickelte Grundsatz ist auch und gerade unter der Geltung des Art. 69 EPÜ zu beachten. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung findet deshalb auch durch den Umstand keine Rechtfertigung, daß Beschreibung und Zeichnungen des Klagepatents auch ansonsten nur Beispiele behandeln, bei denen die Übermittlung der Karten von der Vereinzelungsvorrichtung zum Fallschacht örtlich am Boden des Vorratsbehälters erfolgt.
Eine entsprechender Wortsinn des Gegenstands des Anspruchs 1 des Klagepatents folgt schließlich auch nicht daraus, daß nach der Beschreibung des Klagepatents die Erfindung erlaubt, weitgehend ohne angetriebene Beförderungssysteme zu arbeiten. Abgesehen davon, daß auch hier nicht die Rede davon ist, daß patentgemäß jegliche Beförderungsmittel zu vermeiden sind bzw. vermieden werden, ist der diesbezügliche Hinweis in Sp. 1 Z. 54 f. im Hinblick auf die in Sp. 1 Z. 30-43 wiedergegebene Gestaltung im Stand der Technik erfolgt. Da in Sp. 1 Z. 32-34 nur das Lagern, Zuführen zu einer LeseSchreibstation und das Befördern in Ausgabeöffnungen genannt sind und hiervon zunächst einmal nur die beiden letzten Vorgänge als solche zu erkennen sind, welche die in Sp. 1 Z. 36 f. genannten Transportwege erfordern, betrifft die
Beanstandung nachteiliger Transportbänder oder -rollen im Stand der Technik, wenn nicht sogar überhaupt, so doch vorrangig den dem Vorratsbehälter nachgeschalteten Transport der Karten, wie er bisher im allgemeinen erfolgte. Bei zwangloser Befassung mit der die Erfindung als solche (und nicht schon bestimmte Ausführungsbeispiele) betreffenden Beschreibung des Klagepatents führt mithin auch dies zu der Deutung, daß das Klagepatent erlauben soll, während der dann auch in Sp. 2 Z. 2 - Sp. 3 Z. 7 allein näher beschriebenen Transportwege , welche die Parkkarte nach Verlassen des Vorratsbehälters durchlaufen muß, ohne angetriebene Beförderungssysteme auszukommen, eine etwaige Förderung am Boden des Vorratsbehälters vereinzelter Karten innerhalb des Vorratsbehälters mittels eines angetriebenen Beförderungssystems aber nicht ausgeschlossen sein soll.

d) Unter diesen Umständen wird die Auslegung des Berufungsgerichts auch nicht durch das Argument des Berufungsgerichts gestützt, die bodenseitige Vereinzelung im Vorratsbehälter sei bei derartigen Einrichtungen eine Selbstverständlichkeit, die als solche keiner Erwähnung in einem Patentanspruch bedürfe. Der Erfinder hat es in der Hand, wie er seine Erfindung mittels eines Patentanspruchs umschreibt. Dies schließt ein, zur zutreffenden Kennzeichnung der Neuerung im Patentanspruch auch Selbstverständliches zu benennen. Deshalb kann bei der Auslegung eines Patentanspruchs nicht einfach davon ausgegangen werden, daß darin enthaltene Kennzeichnungen eine über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Bedeutung beizumessen sei. Nach dem zuvor Ausgeführten enthalten Patentanspruch 1 des Klagepatents und die ihn als solchen erläuternden Teile der Beschreibung des Klagepatents auch nichts, wonach im konkreten Fall die Annahme einer solchen Bedeutung geboten wäre. Im Hinblick auf Merkmal 2 besagt Patentanspruch 1 des Klagepatents - sinnvoll verstanden - vielmehr nicht mehr, als daß in dem Vorratsbehälter
durch eine bodenseitig wirkende Einrichtung dafür gesorgt werden muß, daß die Karten am Boden vereinzelt werden.
5. An dieser Auslegung ist der Senat nicht auf Grund prozeßordnungsgemäß getroffener tatrichterlicher Feststellungen gehindert. Nach ständiger Rechtsprechung ist es eine Rechtsfrage, wie ein Patent auszulegen ist und ob ein Patentanspruch im Instanzenzug richtig erkannt und in seinem Inhalt verstanden worden ist (z.B. Sen.Urt v. 26.09.1996 - X ZR 72/94, GRUR 1997, 116 - Prospekthalter; v. 27.10.1998 - X ZR 56/96, Mitt. 1999, 365 - Sammelförderer; BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild). Lediglich im Bereich der Tatsachenfeststellung liegende Grundlagen tatrichterlicher Auslegung eines Patentanspruchs sind im Revisionsverfahren hinzunehmen, falls in Bezug auf das Verfahren kein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben wurde (BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild, m.w.N.). Daß solche Grundlagen die tatrichterliche Auslegung eines Patentanspruchs mitbestimmt haben, kann jedoch nur angenommen werden , wenn und soweit der Tatrichter entscheidungserheblichen Sachverhalt ermittelt und festgestellt hat (vgl. auch hierzu Sen.Urt. v. 18.05.1999 - X ZR 156/97, GRUR 1999, 977, 979 - Räumschild, insoweit nicht abgedr. in BGHZ 142, 7 ff.). Das ist noch nicht der Fall, wenn der Tatrichter - wie auch hier das Berufungsgericht - im Rahmen seiner Ausführungen mit Rücksicht darauf, daß bei der Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe auf das Verständnis des Fachmanns auf dem betreffenden Gebiet abzustellen ist (st. Rspr. z.B. BGHZ 150, 149, 153 - Schneidmesser I, m.w.N.), gelegentlich hiervon spricht.
Der hiermit angesprochene Fachmann ist nicht mit einer tatsächlich existierenden Person gleichzusetzen, weil Patentschriften sich an alle Fachleute richten (vgl. Sen.Urt. v. 24.03.1998 - X ZR 39/95, GRUR 1998, 1003, 1004 - Leuchtstoff). Eine dem Gebot der Rechtssicherheit genügende einheitliche
inhaltliche Erfassung einer patentierten Erfindung wäre auf der Grundlage individueller Kenntnisse und Fähigkeiten auch gar nicht möglich. Fachmännisches Denken, Erkennen und Vorstellen wird deshalb bemüht, um mit dem auf dem betreffenden Gebiet der Technik üblichen - allgemeinen - Fachwissen sowie den durchschnittlichen Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten der dort tätigen Fachwelt und dem hierdurch geprägten sinnvollen Verständnis vom Inhalt einer Lehre zum technischen Handeln eine verläßliche Entscheidungsgrundlage zu haben. Das führt freilich dazu, daß die maßgebliche Sicht selbst unmittelbarer Feststellung entzogen ist. Auf sie kann nur mittels wertender Würdigung der tatsächlichen Umstände geschlossen werden, die ihrerseits - unmittelbar oder auch nur mittelbar - geeignet sind, etwas über die hiernach entscheidenden Verhältnisse auszusagen. Das bedeutet zugleich, daß im Patentverletzungsprozeß eine Bindung des Revisionsgerichts nur insoweit in Betracht kommt, als das angefochtene Urteil erkennen läßt, daß der Tatrichter sich mit konkreten tatsächlichen Umständen befaßt hat, die für die Auslegung des betreffenden Patentanspruchs von Bedeutung sein können. Hierbei handelt es sich vor allem um Umstände, die eine Erfassung der maßgeblichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen innerhalb der Fachwelt ermöglichen, aber auch um andere Umstände, die sonstwie Rückschlüsse auf die fachliche Sicht des durch Beschreibung und Zeichnungen erläuterten Patentanspruchs erlauben.
Hieran fehlt es im Streitfall. Die Hinweise des Berufungsgerichts auf das Verständnis des Fachmanns sind bloße Annahmen. Hierauf beruht gerade auch die Folgerung, die den tragenden Gesichtspunkt des Berufungsgerichts bildet und aus dem Umstand hergeleitet ist, daß bei der vom Senat vorgenommenen Auslegung mit der durch Merkmal 2 gekennzeichneten Anweisung lediglich eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck gebracht wird. Mangels gegenteiliger tatrichterlicher Feststellungen ist deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung zu
Grunde zu legen, daß im vorliegenden Fall keine Umstände existieren, die der vom Senat vorgenommenen Auslegung entgegenstehen.
5. Diese Auslegung erlaubt nicht, das Vorhandensein des Merkmals 2 bei der angegriffenen Ausführungsform zu verneinen. Denn auch bei ihr gibt es eine Vorrichtung in dem Vorratsbehälter, die dort lagernde Parkkarten am Boden des Behälters vereinzelt. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die notwendigen, bisher aber unterbliebenen Feststellungen zur ebenfalls streitigen Verwirklichung der Merkmale 3 und 4 bei der angegriffenen Ausführungsform getroffen werden können.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Asendorf

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)