vorgehend
Bundespatentgericht, 4 Ni 20/04, 20.04.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 139/05 Verkündet am:
12. Januar 2010
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die Richter
Gröning, Dr. Berger, Dr. Bacher und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 20. April 2005 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 769 262 (Streitpatents), das am 15. Oktober 1996 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der deutschen Gebrauchsmusteranmeldungen 295 16 629 vom 20. Oktober 1995 und 296 01 805 vom 3. Februar 1996 angemeldet worden ist. Das Streitpatent betrifft eine Gefriertruhe und eine Abdeckhaube zum Nachrüsten einer solchen Gefriertruhe und umfasst zwölf Patentansprüche.
2
Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch: "Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) vorgesehen sind, wobei über dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit Zugriffsöffnung vorgesehen ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlwaren aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, und dass der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (18) und dem KaltluftAuslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42, 42') oberhalb einer Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,2 m/s ist."
3
Wegen der übrigen unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen. Patentanspruch 11, auf den sich Unteranspruch 12 zurückbezieht, schützt gesondert eine "Abdeckhaube zum Nachrüsten einer oben offenen Gefriertruhe nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1", wobei dieser unabhängige Nebenanspruch die vorgenannten kennzeichnenden Merkmale der Abdeckhaube aus Patentanspruch 1 wiederholt.
4
Der Kläger, der von der Beklagten wegen Patentverletzung in Anspruch genommen worden ist, hat sich mit seiner Nichtigkeitsklage gegen die Patentansprüche 1 bis 7 sowie 11 und 12 gewendet und geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents im angegriffenen Umfang nicht patentfähig sei, da er weder neu sei noch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Er hat hierzu die bereits im Erteilungsverfahren gewürdigte französische Patentschrift 941 248 (K2) angeführt und sich des Weiteren insbesondere auf die deutsche Patentschrift 914 013 (K7) sowie auf den Zeitschriftenbeitrag "Dämmt den Wärme/Kälte-Durchgang" in Glaswelt 2/1994 S. 49 (K11) berufen.
5
Die Beklagte hat Klageabweisung begehrt und das Streitpatent hilfsweise mit mehreren geänderten Fassungen verteidigt.
6
Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
7
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent zuletzt nur noch in folgender Fassung verteidigt (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung kursiv): "1. Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) zur Bildung einer Kühlströmung vorgesehen sind, wobei über dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit einer Zugriffsöffnung vorgesehen ist, und die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass jeder der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (18) und dem KaltluftAuslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42, 42') oberhalb der Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass (18) und dem KaltluftAuslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,1 m/s ist, dass der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) derart angeordnet ist, dass das ruhende Luftvolumen (42, 42') auch bei kurzzeitig geöffnetem Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) im Wesentlichen erhalten bleibt und dass mindestens einige der transparenten Scheiben (26-28, 30-32) der Abdeckhaube (11, 12) an ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung aufweisen."
8
Mit dem letztgenannten Merkmal ist der erteilte Patentanspruch 4 in Patenanspruch 1 aufgenommen worden, sodass sich infolge der Reduzierung der Zahl der nachgeordneten Ansprüche deren Nummerierung entsprechend verschiebt. Nunmehr wird die "Abdeckhaube zum Nachrüsten einer oben offenen Gefriertruhe" von dem unabhängigen Patentanspruch 10 erfasst, dessen Wortlaut der abgeänderten Fassung des Patentanspruchs 1 entsprechend angepasst worden ist.
9
Die Beklagte stellt ferner drei Hilfsanträge mit modifizierten Fassungen des Patentanspruchs 1, wobei sich die nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 9 jeweils auf die geänderte Fassung des Patentanspruchs 1 zurückbeziehen sollen und Nebenanspruch 10 jeweils eine entsprechende Abänderung erfährt.
10
Nach Hilfsantrag 1 verteidigt die Beklagte das Streitpatent in folgender Fassung (Änderung gegenüber Hauptantrag unterstrichen): "1. Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) zur Bildung einer Kühlströmung vorgesehen sind, wobei über dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit einer Zugriffsöffnung vorgesehen ist und die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass jeder der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (18) und dem KaltluftAuslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42, 42') oberhalb der Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass (18) und dem KaltluftAuslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,1 m/s ist, dass der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) derart angeordnet ist, dass das ruhende Luftvolumen (42, 42') auch bei kurzzeitig geöffnetem Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) im Wesentlichen erhalten bleibt, dass jede transparente DeckelScheibe einscheibig ausgebildet ist und dass mindestens einige der transparenten Scheiben (26-28, 30-32) der Abdeckhaube (11, 12) an ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung aufweisen."
11
Nach Hilfsantrag 2 verteidigt die Beklagte den Patentanspruch 1 mit folgender Abänderung (Änderung gegenüber Hauptantrag unterstrichen): "1. Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) zur Bildung einer Kühlströmung vorgesehen sind, wobei über dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit einer Zugriffsöffnung vorgesehen ist und die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Strömungsgeschwindigkeit der Kühlströmung (41, 41') zwischen 0,3 und 0,8 m/s eingestellt und jeder der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft -Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42, 42') oberhalb der Kühlströmung zwischen dem KaltluftEinlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,1 m/s ist, dass der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) derart angeordnet ist, dass das ruhende Luftvolumen (42, 42') auch bei kurzzeitig geöffnetem Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) im Wesentlichen erhalten bleibt und dass mindestens einige der transparenten Scheiben (26-28, 30-32) der Abdeckhaube (11, 12) an ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung aufweisen."
12
Nach Hilfsantrag 3 sollen in Patentanspruch 1 die beiden in den Hilfsanträgen 1 und 2 vorgesehenen zusätzlichen Merkmale kumulativ enthalten sein.
13
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Streitpatent in der mit dem Hauptantrag, hilfsweise in der mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassung, aufrechtzuerhalten und insoweit die Klage abzuweisen.
14
Der Kläger tritt dem Rechtsmittel entgegen.
15
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. H. Q. , Technische Universität D. , Institut für Energietechnik, ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


16
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Nachdem die Beklagte das Streitpatent zulässigerweise nur noch in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Berufungsantrags verteidigt, ist es, soweit es nicht mehr verteidigt wird, ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr., vgl. etwa BGHZ 170, 215 - Carvedilol II). Im noch verteidigten Umfang fehlt dem Gegenstand des Streitpatents die Patentfähigkeit, da er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56, 138 Abs. 1 Buchst. a, EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG).
17
I. 1. Das Streitpatent betrifft eine Gefriertruhe mit einem von oben zugänglichen Kühlraum, der durch eine Umwälzkühlung gekühlt wird, und eine Abdeckhaube zum Nachrüsten einer solchen Gefriertruhe. Die Beschreibung des Streitpatents gibt an, dass im Stand der Technik insbesondere bei Gefriertruhen mit großen Öffnungen der Kühlraum durch Umwälzkühlung gekühlt werde. Die Kaltluft gelange dabei durch einen Kaltluft-Einlass in der Kühlraumwand in den Kühlraum. An der gegenüberliegenden Kühlraumwand befinde sich ein Luftauslass, durch den Luft angesaugt und einer Luftkühlvorrichtung zugeführt werde, welche die Kaltluft erzeuge. Die an der Oberseite des Kühlraums strömende Kaltluft bilde einen unsichtbaren Vorhang gegen die Umgebungsluft und fülle den Kühlraum von oben, also genau dort, wo die größten Kälteverluste auftreten würden. Um- gebungsluft werde von der Kaltluftströmung mitgenommen, weshalb keine Umgebungsluft und keine Feuchtigkeit in den Kühlraum gelangten. Allerdings müsse die Umgebungsluft auf Tiefkühltemperatur abgekühlt werden, was viel Kühlenergie erfordere. Außerdem kondensiere die Feuchtigkeit an der Luftkühlvorrichtung, die daher häufig abgetaut werden müsse, was wiederum Heizenergie verbrauche.
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2. Das Streitpatent soll deshalb eine Vorrichtung angeben, mit der sich der Energieverbrauch einer Gefriertruhe wesentlich verringern lässt.
19
Hierzu schlägt das Streitpatent in dem mit dem Hauptantrag verteidigten Patentanspruch 1 eine mit einer Abdeckhaube versehene Gefriertruhe vor, die folgende Merkmale aufweist: 1. Die Gefriertruhe verfügt über
a) mindestens einen von oben zugänglichen und
b) durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum;
c) in dessen Wänden ein Kaltluft-Einlass und ein Kaltluft-Auslass zur Bildung einer Kühlströmung vorgesehen sind. 2. Über dem Kühlraum ist eine Abdeckhaube mit einer Zugriffsöffnung vorgesehen. 3. Die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube
a) ist mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel verschlossen,
b) der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum geöffnet werden kann. 4. Jeder der Deckel
a) ist jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass angeordnet, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen oberhalb einer Kühlströ- mung zwischen dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass bildet,
b) dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,1 m/s ist,
c) wobei der Deckel derart angeordnet ist, dass das ruhende Luftvolumen auch bei geöffnetem Deckel im Wesentlichen erhalten bleibt. 5. Mindestens einige der transparenten Scheiben der Abdeckhaube weisen an ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung auf.
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Diese Lehre des Streitpatents gilt hauptsächlich der Gestaltung und Anordnung einer Abdeckhaube für Gefriertruhen. Die Abdeckhaube soll so hoch über den Kaltluft-Einlass hinausragen, dass sich oberhalb der jeweiligen Kühlströmung zwischen Kaltluft-Einlass und -Auslass ein (im Wesentlichen) ruhendes Luftvolumen bildet. Dieses Luftkissen soll einerseits wärmeisolierend wirken und andererseits verhindern, dass die Kaltluft mit Scheiben der Abdeckhaube in Berührung kommt. Das soll dazu beitragen, dass die Scheiben nahezu auf Umgebungstemperatur gehalten werden können, so dass sich an ihrer Außenseite kein Kondensat niederschlägt (Streitpatent, Sp. 2 Tz. 0008). Der Erreichung dieses Ziels dient zudem der Vorschlag einer die Wärmestrahlung reflektierenden Beschichtung mindestens einiger der transparenten Scheiben an ihrer Innenseite. Dadurch soll die Wärmeabstrahlung in den Kühlraum hinein wesentlich verringert werden. Gleichzeitig absorbiert die unbeschichtete Außenseite die aus dem Raum kommende Wärmestrahlung, wodurch die betreffenden Scheiben der Abdeckhaube erwärmt und eine Kondensatbildung verhindert wird (Streitpatent, Sp. 3 Tz. 0014). Wenn die zur Umgebungstemperatur abdichtende Abdeckhaube geschlossen ist, gelangt keine Feuchtigkeit in den Kühlkreislauf. Daher kondensiert erheblich weniger Feuchtigkeit an der Luftkühlvorrichtung, so dass sie auch viel seltener abgetaut werden muss (Streitpatent, Sp. 2 Tz. 0009). Die Anordnung des die Zugriffsöffnung verschließenden Deckels in einer Höhe, die unter- halb des Deckels die Bildung eines Luftkissens zulässt, bietet auch den Vorteil, dass bei Öffnung des Deckels zur Entnahme von Tiefkühlware das stehende Luftvolumen im Wesentlichen erhalten bleibt, da es kälter ist als die Umgebungsluft und daher nicht aufsteigt (Streitpatent, Sp. 2 Tz. 0010).
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Ein Ausführungsbeispiel der patentgemäßen Gefriertruhe zeigen die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Zeichnungen, von denen Figur 1 des Streitpatents eine perspektivische Darstellung einer Gefriertruhe mit einer quaderförmigen Abdeckhaube an ihrer Stirnseite sowie mehreren doppelt pultförmigen Abdeckhauben gibt und die Figuren 2 und 3 des Streitpatents Querschnitte einer quaderförmigen und einer pultförmigen Abdeckhaube abbilden:
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II. Das Patentgericht hat zur Patentfähigkeit ausgeführt, dass die Gefriertruhe nach Patentanspruch 1 der erteilten Fassung und auch die Abdeckhaube nach dem nebengeordneten Anspruch zwar neu sein mögen, es darauf aber nicht ankomme, da der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem in der Entgegenhaltung K7 (deutsche Patentschrift 914 013) beschriebenen Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Aus der K7 sei eine Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen Kühlraum bekannt, der durch eine Umwälzkühlung gekühlt werde und in dessen Wand ein Kaltluft-Einlass und ein Kaltluft-Auslass vorgesehen seien. Über dem Kühlraum sei eine aus Türen bestehende Abdeckhaube mit Zugriffsöffnung vorgesehen. Demgegenüber verblieben die Merkmale eines die Zugriffsöffnung verschließenden Deckels, der zur Entnahme von Ware geöffnet werden könne und der in solcher Höhe angeordnet sei, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen bilde, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer sei als (die in der erteilten Fassung des Patents angegebenen) 0,2 m/s. Diese Unterschiede könnten die Patentfähigkeit jedoch nicht stützen. So werde ein Fachmann aufgrund seines Wissens und Könnens allein schon deshalb einen - hinsichtlich der Verkaufssituation zweckmäßigerweise als transparente Scheibe ausgebildeten - Deckel vorsehen, der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum geöffnet werden könne und sonst die Zugriffsöffnung verschließe, um das Eindringen von Feuchtigkeit aus der Umgebung und damit das Vereisen der Kühlanlage zu verhindern. Im Übrigen sei ihm das Vorsehen eines solchen Deckels beispielsweise aus der mit dem Sachverhalt in K7 Figur 3 vergleichbaren K2 (französische Patentschrift 941 248) bekannt, wo beschrieben sei, dass die dortige Öffnung u.a. mit einer oder mehreren Schiebetüren ("guichets coulissantes") verschlossen werden kann, um Wirbel bzw. Strudel ("tourbillons") in der Nähe der Kühlluftschicht ("couche d’air froid") zu verhindern. Wenn der Fachmann in der in K7 Figur 3 dargestellten Kühltruhe die Zugriffsöffnung 38 mit einem Deckel verschließe, so sei dieser Deckel konstruktionsbedingt in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft -Auslass angeordnet, dass sich unter ihm zwangsläufig ein Luftvolumen oberhalb der Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass bilde, das im Wesentlichen ruhe. Denn erstens verhindere die mit dem Deckel verschlossene Abdeckhaube eine konvektive Bewegung des Luftvolumens durch Strömung von außen. Und zweitens werde auch die Kühlluftströmung der Umwälzkühlung keine wesentliche Strömungsgeschwindigkeit in dem darüber liegenden Luftvolumen erzeugen. In der K7 sei nämlich ausgeführt, dass die Strömungsgeschwindigkeit so begrenzt oder berechnet sei, dass sich eine in Bewegung befindliche Kaltluftschicht ausbildet. Da diese Kühlluft viel schwerer sei als die Umgebungsluft, gebe es keine Tendenz, dass sie nach oben ausweiche und sich mit der wärmeren Luft darüber vermische. Dabei sei es des Weiteren sehr wichtig, die Strömungsgeschwindigkeit genau festzulegen, nämlich einerseits schnell genug, um eine ausreichende Kühlwirkung zu erzielen und andererseits - und darauf komme es in diesem Zusammenhang an - langsam genug, dass die Vermischung mit der wärmeren Luft darüber vermieden werde. Schließlich sei in K7 dargelegt, dass aufgrund der unterschiedlichen Dichte von kalter und warmer Luft die Abgrenzung zwischen der Kaltluftschicht und der umgebenden - darüber liegenden - Luftschicht von höherer Temperatur sehr scharf sei. Daraus erschließe sich dem Fachmann ohne weiteres, dass das Luftvolumen oberhalb der Kühlluftströmung - bis auf eine geringfügige laterale Mitnahme der Randschicht des wärmeren Luftvolumens an der Grenze zur Kühlluftströmung durch Reibung - im Wesentlichen ruhen solle. Nachdem der Fachmann die Bedeutung eines ruhenden Luftvolumens zur Vermeidung von Kühlverlusten durch Vermischung der kalten und wärmeren Luftmassen erkannt habe, werde er selbstverständlich im Idealfall eine Luftgeschwindigkeit von 0 m/s anstreben. Im Realfall werde er im Rahmen zumutbarer Untersuchungen herausfinden, welche - geringen - Luftgeschwindigkeiten in dem Luftvolumen oberhalb der Kühlluftströmung durch die laterale Mitnahme gerade noch tolerierbar seien, damit es nicht zu einer Rückvermischung in die Kühlluftströmung hinein komme. Für die im Unteranspruch 4 der erteilten Fassung angegebene Maßnahme (einer wärmereflektierenden Beschichtung der transparenten Scheiben) finde der Fachmann Anregung etwa in der Druckschrift "Dämmt den Wärme/Kälte-Durchgang" in Glaswelt 2/1994.
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III. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Patentgericht zu Recht erkannt, dass sich die Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 für den Fachmann in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergab; der Senat tritt insoweit dem vom Patentgericht gefundenen Ergebnis bei. Die Beklagte hat nunmehr nach ihrem Hauptantrag mit dem zusätzlichen Merkmal 5 die in der erteilten Fassung in Unteranspruch 4 geschützte Ausführungsform, mit der Abänderung des Merkmals 4b zusätzlich eine in der Patentbeschreibung offenbarte bevorzugte Ausführungsform (Streitpatentschrift, Sp. 7 Tz. 0034 Z. 5 f.) sowie ferner mit dem zusätzlichen Merkmal 4c eine Anordnung mit dem in der Patentbeschreibung offenbarten Vorteil (Streitpatentschrift, Sp. 2 Tz. 0010 Z. 47-50) in eine Neufassung des Patentanspruchs 1 aufgenommen und hierdurch den Schutzbereich des erteilten Patents jeweils und insgesamt in einer unter dem Gesichtspunkt des Art. 138 Abs.1 Buchst. d EPÜ zulässigen Weise beschränkt. Auch damit hat die Berufung indes keinen Erfolg. Hierfür kann die von dem Kläger bestrittene Priorität der Anmeldungen vom 20. Oktober 1995 und vom 3. Februar 1996 ebenso dahinstehen wie das von dem Kläger geltend gemachte Klarheitsbedenken gegen die im zusätzlichen Merkmal 4c enthaltenen Kriterien "kurzzeitig" und "im Wesentlichen". Denn die Lehre des Streitpatents kann auch in der nunmehr hauptsächlich verteidigten Fassung nicht als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend gelten.
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1. Als maßgeblicher Fachmann ist in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen ein handwerklich ausgebildeter Kältetechniker anzusehen , der bei seiner Tätigkeit in der Entwicklung von Kühltruhen, mit denen sich sowohl Großunternehmen als auch mittelständische Unternehmen für Zubehör befassten, der Leitung eines Diplomingenieurs unterstand. Er besaß von seiner Tätigkeit her auch gewisse Kenntnisse und Erfahrungen über Wärmeübertragung durch Umgebungsstrahlung und kannte mit der Funktion einer Kältemaschine auch die Einflussgrößen auf deren Energieverbrauch.
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2. Ein solcher Fachmann wusste, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat, dass herkömmliche Tiefkühltruhen mit Umluftkühlung so hohe Seitenwände hatten, dass sich auch ohne Abdeckung schon wenige Zentimeter oberhalb der Kaltluftströmung ein ruhendes isolierendes Luftvolumen einstellte. Auch war dem Fachmann die Möglichkeit vertraut, die Tiefkühltruhe zur Reduzierung des Energieverbrauchs mit einer Abdeckung zu versehen, die - für ihn selbstverständlich - nicht in unmittelbarer Nähe der Kaltluftströmung, sondern entsprechend der Höhe der Truhenwände über dem ruhenden Luftvolumen anzuordnen war; außerhalb der Geschäftszeiten war eine solche Abdeckung von Verkaufstiefkühltruhen bereits gebräuchlich. Aus dem deutschen Gebrauchsmuster 295 09 700 (K3) war dem Fachmann zudem bekannt, dass eine Abdeckung praktischerweise mit Schiebedeckeln konstruiert werden konnte, wobei die Abdeckeinheit vorzugsweise aus durchsichtigem Material, insbesondere aus Glas oder Kunststoff, bestehen sollte, um dem Kunden zu ermöglichen, sich über den Inhalt der Tiefkühltruhe zu informieren, ohne sie zu öffnen (K3, S. 4 Z. 30-34).
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Überdies fand der Fachmann im druckschriftlichen Stand der Technik auch ein Vorbild für eine haubenförmige Ausgestaltung der Abdeckvorrichtung, unter der sich ein ruhendes Luftvolumen bilden kann, das beim Öffnen der Deckel im Wesentlichen erhalten bleibt. Ihm war aus der französischen Patentschrift 941 248 (K2) jene gattungsgemäße Gefriertruhe bekannt, die eingangs der Streitpatentschrift als den Stand der Technik kennzeichnend abgehandelt worden ist. Die Merkmale der in der Entgegenhaltung K2 offenbarten Gefriertruhe stimmen weitgehend mit denen der teilweise identisch beschriebenen Vorrichtung derselben Erfinder aus der deutschen Patentschrift 914 013 (K7) überein, deren Lehre das Patentgericht als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen hat. Für den Fachmann waren in der Entgegenhaltung K2 mit Ausnahme der durch Merkmal 5 vorgeschlagenen reflektierenden Beschichtung der transparenten Scheiben alle übrigen Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents offenbart.
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Die Beklagte stellt dies nur hinsichtlich der Merkmale 4a und 4c in Abrede, wonach jeder der Deckel jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen oberhalb einer Kühlströmung zwischen dem KaltluftEinlass und dem Kaltluft-Auslass bildet, und das ruhende Luftvolumen auch bei geöffnetem Deckel im Wesentlichen erhalten bleibt. Beide Merkmale drücken den wesentlichen Gedanken der Lehre des Streitpatents aus, unterhalb der Zugriffsöffnung ein isolierendes Luftvolumen zu schaffen, das auch bei kurzzeitigem Öffnen der Abdeckung nur unwesentlich gestört wird. Merkmal 4c besagt hierzu, dass jeder Deckel der Zugriffsöffnung nicht seitlich des stehenden Luftvolumens angeordnet sein darf, sondern sich oberhalb des Luftkissens befinden muss.
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Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese Lehre in der französischen Patentschrift offenbart. Dort wird eine horizontale, als "Vitrine" bezeichnete Kühl- truhe mit einem horizontalen Kaltluftschleier beschrieben, in dem Lebensmittel, die beispielsweise auf -20°C tiefgekühlt sind, gut sichtbar präsentiert werden können. Als eine bevorzugte Ausführungsform wird die Ausstattung der Kühltruhe mit einer Abdeckhaube beschrieben und in den Abbildungen nach den Figuren 1, 10 und 11 gezeigt. Hierzu wird in der Patentbeschreibung festgehalten, dass "die Platte, auf der die (…) Produkte ausgestellt werden, nach oben völlig frei liegen (kann), jedoch ist sie vorzugsweise teilweise und über der Kaltluftströmung von transparenten Wänden umgeben, die eine Öffnung auf der Seite belassen , von der aus der Zugang auf die Produkte gewünscht ist, sei es durch das Personal, das diese ausgibt, oder im Fall der Selbstbedienung durch die Kundschaft , wobei die Öffnung stets offen bleiben kann oder durch einen oder mehrere Schiebeläden geschlossen werden kann (…), um die Bildung von Luftverwirbelungen in der Nähe der Stelle, an der die Kaltluftschicht vorbeiströmt, zu vermeiden" (deutsche Übersetzung E7, S. 3 Z. 4-14).
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Nach ihrer Figur 1 stellt sich eine von der französischen Patentschrift (K2) beschriebene Ausführungsform, bei der die Kühltruhe mit einer Abdeckhaube versehen ist, graphisch wie folgt dar:
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Zur Erläuterung der mit der Figur 1 abgebildeten Kühltruhe gibt die Beschreibung der französischen Patentschrift zu der als Zugangsöffnung ("ouverture d’accès") bezeichneten Öffnung (18) und zum Aufbau der auf dem Gehäuse der Vitrine anzubringenden Abdeckhaube an (deutsche Übersetzung E7, S. 7 Z. 4-14), dass "auf dem Gehäuse (1) Läden oder Klappen (17) aus transparentem Material angeordnet (sind), die eine große Öffnung (18) bilden, die sich über die gesamte Länge der Theke oder Vitrine erstreckt, um den Zugang zu den Fächern (4) und zu den darin ausgestellten oder aufbewahrten Gegenständen zu ermöglichen". Hierzu ist der Querschnittszeichnung in Figur 1 zu entnehmen, dass die linke Seitenwand und die Oberplatte der Abdeckhaube von den Läden oder Klappen (17) gebildet werden, während sich im oberen Teil der rechten Seitenwand die Zugangsöffnung (18) befindet, wobei die beiden Seitenwände der Abdeckhaube um ca. 45° geneigt sind. Während nach der weiteren Patentbeschreibung die Läden oder Klappen (17) in ihren Rahmen fixiert sein können, soll die Zugangsöffnung groß sein und ein leichtes Wechseln der Behälter oder Schalen sowie einen leichten Zugang für Kundschaft wie Personal ermöglichen (deutsche Übersetzung E7, S. 8 Z. 1-10). Diese Zugangsöffnung (18) ist nach der zeichnerischen Darstellung in Figur 1 in einer solchen Höhe über der Kühlluftströmung angebracht, die durch die gebogene Leitwand (13) auf die zu kühlende Fläche geleitet wird, dass auch bei einem bloßen kurzfristigen Öffnen des Schiebeladens das unter der Zugangsöffnung (18) befindliche Luftkissen im Wesentlichen erhalten bliebe.
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Danach war es der Fachwelt bei Verwendung einer Abdeckung bekannt, diese so in einem Abstand oberhalb der Kaltluftströmung anzuordnen, dass sich dazwischen eine Luftschicht mit isolierender Temperaturschichtung ausbilden kann. Auch der Umstand, dass ein solches Luftkissen beim Öffnen der Abdeckung erhalten bleibt, bildete somit eine selbstverständliche Grundeigenschaft von horizontalen Verkaufskühltruhen im Gegensatz zu vertikalen Kühlschränken, bei denen bei jedem Öffnen kalte Luft heraus fließt.
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3. Der Fachmann, der vor dem von der Lehre des Streitpatents zu lösenden Problem stand, mit der zu entwickelnden Abdeckung einer Gefriertruhe deren Energieverbrauch wesentlich zu verringern, hatte sich über geeignete Materialien zu informieren und eine Auswahl zu treffen. Bei Verwendung von Glas zur Herstellung einer transparenten Abdeckung hatte der Fachmann auch Veranlassung , zur Beurteilung der Materialeigenschaften unterschiedlicher Glassorten, für die sein eigenes Fachwissen nicht ausreicht, gegebenenfalls Spezialfachleute zu Rate zu ziehen. Jedenfalls Erkundigungen führten zu der Erkenntnis, dass seit Anfang der 80er Jahre reflektierend beschichtete Glasscheiben für den Fensterbau auf dem Markt angeboten wurden und solches Glas vor dem Prioritätszeitpunkt , wie die Beklagte selbst hat vortragen lassen, auch bei Tiefkühlboxen ohne Umluftkühlung bereits Verwendung fand. Wenn sich der Fachmann kundig machte , blieb ihm überdies auch nicht verborgen, dass vor dem Prioritätszeitpunkt reflektierend beschichtetes Glas zum Einsatz in Tiefkühlvorrichtungen regelrecht beworben wurde.
33
Insoweit ist für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit hinsichtlich der reflektierenden Beschichtung der transparenten Scheiben (Merkmal 5) entgegen der Auffassung der Beklagten auch die Veröffentlichung "Dämmt den Wärme /Kälte-Durchgang" in Glaswelt 2/1994, Seite 49 (K11) zu berücksichtigen. Dieser Artikel beschreibt unter der weiteren Überschrift "Verglasung von Herden und Gefrieranlagen" ein neues Spezialglas, das mittels einer Beschichtung, die auf einer der Glasoberflächen aufgebracht ist, Hitze reflektiert und thermisch isoliert. Die Veröffentlichung lobt die Eigenschaften des neuen Produkts, das sich "hervorragend" auch für die Öffnungen von Gefrieranlagen und für eine Verwendung in Gefrier- und Kühltheken sowie überall dort eigne, wo die Vermeidung von Kondensat erforderlich sei (aaO 1. Sp.). Die Entgegenhaltung K11 schildert weiter den Nachteil von gewöhnlichem Glas in doppelverglasten Blicköffnungen einer Gefrieranlage, dessen niedrige Temperatur die Außenseite mit der Folge be- schlagen lasse, dass die innen befindlichen Waren nicht mehr deutlich sichtbar seien. Demgegenüber hebt die Veröffentlichung K11 als Vorteil eines Einsatzes des beschichteten Glases für gewerbliche Gefrier- und Kühlzwecke hervor, dass sich ebenso wie die Energiekosten auch die Kondensation mit dem Spezialglas, dessen Oberfläche weitaus wärmer als Normalglas sei, erheblich verringern ließe , wodurch Lebensmittel gut sichtbar in Kühl- und Gefriertheken gezeigt werden könnten (aaO 2. Sp.).
34
Der Senat hat in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen keinen Zweifel, dass der Fachmann dem werbenden Zeitschriftenbeitrag K11 die Idee entnahm, Scheiben mit einer wärmereflektierenden Beschichtung, wie sie zum Prioritätszeitpunkt bereits als Fenstergläser gängig waren und dem Fachmann zur Verfügung standen, zur Abdeckung der Zugriffsöffnung von umluftgekühlten Kühltruhen zu verwenden und damit die in K11 beschriebenen sowie die weiteren von ihm erkannten Vorteile derartiger Scheiben zu nutzen. Der dagegen vorgebrachte Einwand der Beklagten, dass der Autor des Artikels in einem Abschnitt über Tiefkühlschränke (aaO 3. Sp.) fachlich unzutreffende Ausführungen über die Möglichkeit einer Verwendung des Spezialglases auch in nur einfachverglasten Tiefkühlschränken gemacht habe, weil er sich über deren kältetechnisches Verhalten geirrt habe, greift nicht durch. Zwar mag die diesbezügliche Fehlerhaftigkeit des Artikels den Fachmann, der weiß, dass - anders als bei horizontalen Tiefkühltruhen - wegen der fehlenden Dichteschichtung der Luft in einem Tiefkühlschrank dessen von innen unmittelbar der Kaltluft ausgesetzte vertikale Türen stets mit einer Doppelverglasung versehen sein müssen, nicht ohne weiteres auf eine bloße Falschbezeichnung schließen und ihn annehmen lassen, dass mit diesem abschließenden Passus des Artikels einfachverglaste Tiefkühltruhen gemeint seien. Gleichwohl führt ein einzelner von ihm erkannter Fehler am Ende der Veröffentlichung über die Einsatzmöglichkeit beschichteter wärmereflektierender Gläser zur Abdeckung von Gefrieranlagen nicht dazu, dass der Fachmann den Artikel insgesamt nicht ernst nimmt oder den darin beschrie- benen Vorteilen des neu entwickelten Glases nicht traut und den Verwendungsvorschlag des Autors ohne weitere Überlegungen zu der physikalischen Wirkungsweise des neuen Produkts und ohne dessen Prüfung verwirft. Hier muss der Fachmann von seinem Können und Wissen her vielmehr als befähigt angesehen werden, den in der Entgegenhaltung K11 angesprochenen Grundgedanken und Nutzen einer wärmereflektierenden Beschichtung von Glas zu erkennen, die dessen Wärmeabstrahlung zur kalten Ware erheblich reduziert und es so warm bleiben lässt, dass es auf der Außenseite nicht mehr beschlägt. Damit war vom Fachmann zur Lösung des sich ihm stellenden Problems nur noch gefordert, die in der Entgegenhaltung K11 beschriebene prinzipielle Idee bei einer Abdeckvorrichtung , wie sie etwa aus der Entgegenhaltung K2 bekannt war, konstruktiv umzusetzen. Derartiges erforderte jedoch nur handwerkliche Fähigkeiten des Fachmanns. Denn die konstruktive Überarbeitung von bekannten Vorrichtungen nach einer als geeignet und vorteilhaft erkannten Idee gehört zu dem, was der hier maßgebliche Fachmann üblicherweise zu leisten hat.
35
4. Ohne Erfolg macht die Beklagte das Zeitmoment als ein Bewertungskriterium für erfinderische Tätigkeit mit dem Hinweis darauf geltend, dass zwischen dem Zeitpunkt der Offenlegung des Standes der Technik gemäß der französischen Patentschrift 941 248 (K2) bzw. der deutschen Patentschrift 914 013 (K7), deren Veröffentlichung in den Jahren 1949 bzw. 1954 erfolgte, sowie dem Zeitpunkt der Markteinführung reflektierend beschichteter Gläser Anfang der 80er Jahre einerseits und dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents, nämlich 1995, andererseits jeweils lange Zeiträume lagen. Es kann dahinstehen, ob ein langer Zeitraum, der bis zur Entstehung einer Erfindung verstrichen ist, überhaupt ein verlässliches Beweisanzeichen (Hilfskriterium) für erfinderische Tätigkeit sein kann (vgl. Sen.Urt. v. 30.6.2009 - X ZR 107/05 Tz. 44; Urt. v. 30.7.2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 - Dreinahtschlauchfolienbeutel). Im Streitfall können hieraus jedenfalls keine entsprechenden Schlüsse gezogen werden. Denn zum einen bestanden vor dem Prioritätszeitpunkt auf Seiten der Aufsteller von gewerblich genutzten Verkaufstiefkühltruhen erhebliche nicht-technische Vorbehalte gegenüber Abdeckungen; man vermutete mangelnde Akzeptanz bei den Kunden und befürchtete Umsatzeinbußen, wie beispielhaft der Abschlussbericht zum Test von Glasabdeckungen auf offenen Tiefkühltruhen aus Januar 1996 belegt , der unter Mitwirkung der Beklagten im Lebensmittelhandel durchgeführt worden war (K12). Zum anderen hatte sich erst allmählich die Einsicht in die Notwendigkeit der Schonung von Energieressourcen entwickelt, wenn auch für die Hersteller von Tiefkühltruhen noch kein gesteigerter Marktdruck ihrer Abnehmer zur Energiekosteneinsparung entstanden gewesen sein mag.
36
Das Streitpatent kann daher mit Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrages keinen Bestand haben.
37
IV. Auch der nebengeordnete Patentanspruch 10 nach dem Hauptantrag, der eine zum Nachrüsten einer offenen Gefriertruhe geeignete Abdeckhaube betrifft , deren kennzeichnende Merkmale mit denen in Anspruch 1 identisch sind, beruht aus den genannten Erwägungen ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die auf die Ansprüche 1 und 10 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9 und 11 haben gleichfalls keinen Bestand; für einen eigenständigen erfinderischen Gehalt ist nichts ersichtlich und auch nichts geltend gemacht.
38
V. Die hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents führen zu keiner abweichenden Beurteilung.
39
1. Das von der Beklagten im Hilfsantrag 1 zusätzlich aufgenommene Merkmal, dass jede transparente Deckel-Scheibe einscheibig ausgebildet ist, lässt sich der Streitpatentschrift jedenfalls aus den Figuren 2 und 3 entnehmen; in den dortigen Abbildungen erkennt man Abdeckungen, die gegenüber den seitlichen senkrechten Wänden, die doppel-scheibig gebildet und in der Patentbeschreibung (Tz. 29 u. 30) auch als solche bezeichnet sind, nur aus einer Scheibe bestehen. Ob die Hinzufügung dieses Merkmals eine bloße Beschränkung des Schutzbereichs gegenüber dem erteilten Patent darstellt, kann hier dahingestellt bleiben, da ihm jedenfalls kein zusätzlicher erfinderischer Gehalt zukommt.
40
Die Einscheibigkeit der Abdeckung betrifft nämlich nur ein konstruktives Detail, das sich bei einer Verwendung wärmereflektierender Scheiben als sinnvolle und - unter bestimmten Klima- und Raumbedingungen am Aufstellort der Kühltruhe - als fast selbstverständliche Gestaltung im Rahmen einer als naheliegend erkannten handwerklichen Umgestaltung der vorbeschriebenen Abdeckhaube darstellt. Denn aufgrund des vom Fachmann erkannten Vorteils der wärmereflektierenden Scheiben, die im Vergleich zu herkömmlichen Scheiben erheblich weniger Wärme zur kalten Ware abstrahlen und infolgedessen so warm bleiben, dass sie auf der Außenseite nicht mehr beschlagen, bedurfte es zur Kondensationsvermeidung keiner Doppelverglasung mehr, die in der Praxis als zu schwer und damit nicht leicht zu öffnen und auch als relativ teuer angesehen wurde. So wird auch in der Entgegenhaltung K11 den herkömmlicherweise mit gewöhnlichem Glas doppeltverglasten Blicköffnungen einer Gefrieranlage ein Einsatz des in dem Artikel beworbenen neuen Spezialglases gegenübergestellt und hierdurch der Fachmann auf die mit der Neuheit geschaffene Möglichkeit einer Einfachverglasung hingewiesen, obgleich sich deren ausdrückliche Erwähnung in Bezug auf Tiefkühlschränke, wie bereits dargelegt, als fachlich fehlerhaft erweist.
41
2. Gegen die durch Hilfsantrag 2 eingeschränkte Verteidigung mit dem durch die Patentbeschreibung (Tz. 0033) offenbarten Merkmal, dass die Strömungsgeschwindigkeit der Kühlströmung zwischen 0,3 und 0,8 m/s eingestellt ist, bestehen keine Bedenken. Sachlich wird dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 allerdings nichts hinzugefügt, das eine abweichende, der Beklagten günstigere Beurteilung rechtfertigen könnte.
42
Bei der Strömungsgeschwindigkeit handelt es sich um einen einstellbaren physikalischen Wert, dessen Wahl - wie dem Fachmann geläufig ist - abhängig ist etwa von dem Abstand der Abdeckung vom Kühlluftstrom und der von der Art der Abdeckung ausgehenden Wärmeeinstrahlung. So wird, wenn der Kaltluftstrom weniger Wärme von der Ware abführen muss, die Geschwindigkeit der Kaltluftströmung reduziert werden können. Soweit mit der durch Hilfsantrag 2 aufgenommenen Bereichsangabe mittelbar gelehrt wird, die aus dem Gebrauch herkömmlicher Tiefkühltruhen bekannte Strömungsgeschwindigkeit zu verringern , zieht der Fachmann den Vorteil einer solchen Reduzierung, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, ohnehin als selbstverständliche Folge des geringeren Wärmeeinfalls in Erwägung, der aus der Verwendung des beschichteten Glases resultiert. Denn grundsätzlich versucht der Fachmann den Kaltluftstrom so weit zu reduzieren, wie es der zu erreichende Kühlungszweck der Tiefkühlvorrichtung noch zulässt. So war es beispielsweise schon vor dem Prioritätszeitpunkt gängige Praxis, bei einer Nachtabdeckung offener Kühltruhen wegen des damit einhergehenden geringeren Wärmeeinfalls die Kühlstromgeschwindigkeit zu reduzieren. Auch ist bereits in den Entgegenhaltungen K2 (E7, S. 7 Z. 16-20) und K7 (S. 3 Z. 25-30) gelehrt worden, dass es sehr wichtig sei, die Geschwindigkeit der Kaltluft genau zu berechnen, da sie, wenn sie zu rasch zirkuliere, das Bestreben habe, sich mit der umgebenden Luft zu mischen. Im Übrigen bedeutet die mit Hilfsantrag 2 vorgenommene Bestimmung der Oberund Untergrenze eine willkürliche Auswahl aus einem größeren für den Kühlungszweck in Betracht zu ziehenden Bereich, die als solche nicht geeignet ist, eine erfinderische Leistung zu begründen (vgl. BGHZ 156, 179 - blasenfreie Gummibahn I). Dafür, dass gerade mit der Bereichseingrenzung auf die bestimmte Ober- und Untergrenze ein bestimmter technischer Effekt erreicht wird, der außerhalb dieser Grenzen nicht auftritt, ist nichts ersichtlich.
43
3. Schließlich spricht nichts dafür, dass die nach Hilfsantrag 3 beanspruchte Kombination der beiden vorgenannten Merkmale zu einem zusätzlichen kom- binatorischen Effekt führt und dadurch einen eigenständigen erfinderischen Gehalt begründen könnte.
44
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 97 ZPO.
Scharen Gröning Berger Bacher Hoffmann
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 20.04.2005 - 4 Ni 20/04 (EU) -

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Gesetz über internationale Patentübereinkommen - IntPatÜbkG | § 6 Das Deutsche Patent- und Markenamt als ausgewähltes Amt


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Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2009 - X ZR 107/05

bei uns veröffentlicht am 30.06.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 107/05 Verkündet am: 30. Juni 2009 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshof
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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2010 - X ZR 29/07

bei uns veröffentlicht am 20.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 29/07 vom 20. Juli 2010 in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter Scharen, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die

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(1) Hat der Anmelder zu einer internationalen Anmeldung, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, beantragt, daß eine internationale vorläufige Prüfung der Anmeldung nach Kapitel II des Patentzusammenarbeitsvertrags durchgeführt wird, und hat er die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat angegeben, in dem er die Ergebnisse der internationalen vorläufigen Prüfung verwenden will ("ausgewählter Staat"), so ist das Deutsche Patent- und Markenamt ausgewähltes Amt.

(2) Ist die Auswahl der Bundesrepublik Deutschland vor Ablauf des 19. Monats seit dem Prioritätsdatum erfolgt, so ist § 4 Absatz 2 und 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Artikels 23 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages Artikel 40 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages tritt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 107/05 Verkündet am:
30. Juni 2009
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Juni 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die Richter
Dr. Lemke, Asendorf, Gröning und Dr. Berger

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 19. Mai 2005 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 947 279 (Streitpatents), das am 25. Februar 1999 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 31. März 1998 angemeldet wurde. Das Patent betrifft eine Widerstandsschweißvorrichtung und umfasst 12 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 in der Verfahrenssprache lautet: "A resistance welding device, comprising: • a welding current source; • a welding current regulating device coupled to said welding current source; • at least one set of replaceable welding tongs that receives current provided by said welding current source, characterized in that said set of welding tongs include a local data storage memory that stores data specific for said welding tongs and a first data interface that transmits said data to said welding current regulating device." und die Patentansprüche 1, 2, 7 und 12 in der deutschen Übersetzung gemäß Patentschrift folgenden Wortlaut haben: "1. Widerstandsschweißvorrichtung mit: - einer Schweißstromquelle; - einem an die genannte Schweißstromquelle angeschlossenen Schweißstrom-Regelgerät; - mindestens einer auswechselbaren Schweißzange, welche mit von der genannten Schweißstromquelle geliefertem Strom gespeist wird; dadurch gekennzeichnet, dass die genannte Schweißzange einen lokalen Datenspeicher aufweist, welcher für die genannte Schweißzange spezifische Daten speichert, und eine erste Datenschnittstelle aufweist, welche die genannten Daten an das genannte Schweißstrom-Regelgerät überträgt.
2. Widerstandsschweißvorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das genannte SchweißstromRegelgerät eine zweite Datenschnittstelle umfasst, welche mit der genannten ersten Datenschnittstelle an der genannten Schweißzange verbindbar ist, sowie einen Programmspeicher, der die für die Schweißzange spezifischen Daten aufnehmen kann.
7. Schweißzange, dadurch gekennzeichnet, dass sie einen lokalen Datenspeicher umfasst, welcher für die Schweißzange spezifische Daten speichert und dass sie eine erste Datenschnittstelle zur Übertragung der genannten Daten an ein Regelgerät, das den Betrieb der Schweißzange steuert, umfasst.
12. Verfahren zum Betrieb eines Regelgeräts einer Widerstandsschweißvorrichtung , gekennzeichnet durch: (a) Befestigen einer selbstprogrammierbaren Schweißzange, welche einen lokalen Datenspeicher zum Speichern von für die Schweißzange spezifischen Daten und eine erste Daten-
schnittstelle zur Übertragung der Daten an ein Regelgerät aufweist, das den Betrieb der Schweißzange steuert, an der Schweißanordnung; und (b) Übertragen der spezifischen Betriebsparameter an das Steuer - oder Regelgerät."
2
Patentansprüche 3 bis 6 sind auf Patenanspruch 1, Patenansprüche 8 bis 11 auf Patentanspruch 7 rückbezogen. Wegen deren Wortlauts wird auf die Patentschrift Bezug genommen.
3
Mit ihrer Nichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, das Streitpatent sei nicht patentfähig, da seine Lehre nicht neu, jedenfalls aber durch den Stand der Technik nahegelegt sei. Dafür hat sie sich vor allem auf druckschriftlichen Stand der Technik berufen. Sie hat außerdem geltend gemacht, ihre Programmfortschaltung PF4 (Anlagen K4 bis K6, K16, K18) stelle eine neuheitsschädliche offenkundige Vorbenutzung dar, weil diese bereits 1997 an Dritte ohne Geheimhaltungsverpflichtung geliefert worden sei.
4
Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
5
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und das Streitpatent hilfsweise mit geänderten Ansprüchen verteidigt; insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht (Bl. 132 f. NiA) Bezug genommen.
6
Die Beklagte hat insbesondere geltend gemacht, die Schweißtechnik sei ein abgeschlossenes technisches Gebiet. Der Fachmann werde daher Schriften, die sich nicht ausschließlich mit der Schweißtechnik beschäftigen, nicht heranziehen.

7
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
8
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
9
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Bundespatentgerichts vom 19. Mai 2005 abzuändern und die Nichtigkeitsklage abzuweisen, hilfsweise, das Streitpatent mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, 1. dass in den Ansprüchen 1 und 7 das Wort "Daten" hinter dem Wort "spezifischen" bzw. "spezifische" durch folgende Wörter ersetzt wird: "Steuer- und/oder Regeldatensätze, einschließlich Referenzdatensätze ,", 2. dass in Anspruch 12 das Wort "Daten" hinter dem Wort "spezifischen" durch folgende Wörter ersetzt wird: "Steuer- und/oder Regeldatensätzen , einschließlich Referenzdatensätzen," sowie 3. in den Patenansprüchen 1, 2, 6, 7, 11 und 12 das weitere Wort "Daten" durch das Wort "Datensätze" ersetzt wird.
10
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
11
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Prof. Dr.-Ing. P. P. der Technischen Universität C. . Der Sachverständige hat sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt.

Entscheidungsgründe:


12
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg, da das Streitpatent sowohl in der erteilten als auch in der hilfsweise verteidigten Fassung nicht patentfähig ist (Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG i.V.m. Art. 56 EPÜ).
13
I. 1. Patenanspruch 1 in der erteilten Fassung lehrt eine Widerstandsschweißvorrichtung mit einer Schweißstromquelle, einem hieran angeschlossenen Schweißstrom-Regelgerät und mindestens einer auswechselbaren Schweißzange, die von der Schweißstromquelle mit Strom gespeist wird. Die Nebenansprüche 7 und 12 betreffen eine Schweißzange und ein Verfahren zum Betrieb dieser Vorrichtung.
14
Widerstandsschweißvorrichtungen werden zum Verschweißen verschiedener Bestandteile, häufig zweier oder mehrerer Bleche, eingesetzt, wobei diese Bestandteile miteinander in Kontakt gebracht und Schweißelektroden mittels einer Schweißzange auf die Oberfläche dieser Bestandteile gedrückt werden. Durch den Schweißstrom wird die Kontaktzone zwischen den Bestandteilen aufgeschmolzen und hierdurch ein Schweißpunkt geschaffen. Hierbei - so führt die Patentschrift weiter aus - müsse der Verlauf des Schweißstroms in engen Grenzen gesteuert und/oder geregelt werden, damit der Schweißpunkt die erforderliche Qualität aufweise. Zur optimalen Regelung könnten unterschiedliche Verfahren eingesetzt werden. In einem statischen Steuerungsverfahren seien Schweißzeit, Stromstärke des Schweißstroms und Andrückkraft der Elektroden fest vorgegeben. Komplexere und teurere dynamische Regelverfahren verwendeten Referenzkurven des dynamischen Schweißstrom- und Elektroden-Spannungsabfall-Verlaufs. In der Streitpatentschrift heißt es dann in der Verfahrenssprache (Abs. 0005, Sp. 1, Z. 55 ff.): "Only recently some sophisticated control devices provided by the applicant take into account control and/or regulating parameters (also referred to herein as the reference data sets) that depend upon the welding tongs used for different welds." und in der Übersetzung (Abs. 0005, Satz 2): "Erst seit kurzem berücksichtigen einige von der Anmelderin geschaffene hochentwickelte Steuervorrichtungen Steuer- und/oder Regelparameter (hier auch als Referenzdatensätze bezeichnet), welche von den für verschiedene Schweißungen verwendeten Schweißzangen abhängen."
15
In einer industriellen Fertigungseinrichtung können eine große Anzahl von Schweißzangen verwendet werden, die über Schnellwechselkupplungen an unterschiedliche Schweißstromquellen angeschlossen werden. Die Streitpatentschrift schildert als bekannt, die hierzu nötigen Steuer- und Regelparameter in einem zentralen Datenspeicher abzulegen, der entweder in das Steuer- und/oder Regelgerät integriert oder bei mehreren Schweißstationen innerhalb einer Fertigungsanlage über ein Datennetzwerk mit den unterschiedlichen Steuer- und/oder Regelgeräten verbunden ist.
16
Das bezeichnet die Beschreibung als nachteilig, da bei jedem Wechsel der Zange die Personen, die die Schweißvorrichtungen bedienten, darauf achten müssten , dass vor der Schweißung der zu verwendende Steuer- und Regeldatensatz ordnungsgemäß geladen werde.
17
Diesem Nachteil soll durch die geschützte Erfindung abgeholfen werden und damit die Handhabung der Datenverwaltung bei einer Widerstandsschweißvorrichtung vereinfacht und deren Zuverlässigkeit erhöht werden.
18
2. Nach Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung besteht die Lösung in einer Widerstandsschweißvorrichtung mit
a) einer Schweißstromquelle,
b) einem an die genannte Schweißstromquelle angeschlossenen Schweißstrom-Regelgerät und
c) mindestens einer auswechselbaren Schweißzange, welche mit von der genannten Schweißstromquelle geliefertem Strom gespeist wird;
d) die genannte Schweißzange weist einen lokalen Datenspeicher auf, welcher für die genannte Schweißzange spezifische Daten speichert,
e) sie weist ferner eine erste Datenschnittstelle auf, welche die genannten Daten an das genannte Schweißstrom-Regelgerät überträgt.
19
3. Dabei bedürfen einige der verwendeten Begriffe näherer Erläuterung:
20
a) Der Begriff des "Regelgeräts" (Merkmal b) umfasst - wie schon das fachkundig besetzte Bundespatentgericht angenommen hat - ein Gerät, das den Schweißstrom nicht auch regelt, sondern lediglich steuert, das heißt auch ein solches Gerät, das den Schweißprozess beeinflusst, ohne hierbei die Istwerte mit vorgegebenen Sollwerten zu vergleichen und Erstere durch eine Rückkopplung anzupassen. Das ergibt sich auf Grund der Erläuterung, welche die patentgemäße Lehre in der Beschreibung erfahren hat, sowie daraus, dass in Übereinstimmung damit beispielsweise Anspruch 7 nicht auf die Verwendung eines Regelgeräts im eigentlichen Sinne gerichtet ist ("regulating device that controls operation…").
21
Laut Abs. 0001, Satz 1 der Übersetzung heißt es, die Erfindung betreffe eine Widerstandsschweißvorrichtung mit einem Steuer- und/oder Regelgerät ("a control and/or regulating device"). Dieser Begriff wird im Folgenden in der Streitpatentschrift mehrfach wiederholt (z.B. Abs. 0007, Sätze 2 und 3; Abs. 0009, Satz 2; Abs. 0011, Sätze 2, 3, 4 und 5; Abs. 0012, Satz 4; Abs. 0019, Sätze 1 und 6; Abs. 0021, Sät- ze 2, 4, 5 und 8 sowie Abs. 0023, Satz 1 der Übersetzung), an anderen Stellen ist von einem "Steuer- oder Regelgerät" ("control or regulating device") (Abs. 0008, Satz 1; Abs. 0009, Satz 2 der Übersetzung), einem "Steuer-/Regelgerät" ("control/ regulating device") (Abs. 0022, Satz 1 der Übersetzung) und einer "Steuer- und/oder Einstellvorrichtung" ("control and/or reference device") (Abs. 0019, Satz 5 der Übersetzung ) die Rede, ohne dass erkennbar wäre, diesen Bezeichnungen solle unterschiedliche Bedeutung beigemessen werden.
22
Außerdem verwenden die Patentansprüche 7 und 12 das Wort "control" zur Kennzeichnung der Funktion des Regelgeräts. Auch das legt das Verständnis nahe, dass eine bloße Steuerung erfolgen kann. Denn ausweislich der Beschreibung (z.B. Abs. 0001, Sp. 1, Z. 7 f.) unterscheidet das Streitpatent zwischen "control" und "regulate". Schließlich ist in Patentanspruch 12 lit. a von einem "Regelgerät" ("a regulating device") die Rede, während es in lit. b "Steuer- oder Regelgerät" ("control or regulating device") heißt, ohne dass anzunehmen wäre, dass es sich bei den unter lit. a und lit. b des Anspruchs genannten um unterschiedliche Geräte handelt.
23
b) Mit dem Begriff "spezifische Daten" bezeichnet das Streitpatent Betriebsparameter , die die Steuerung und/oder Regelung von Schweißverfahren mit der betreffenden Schweißzange ermöglichen, und damit auch Kenndaten, die - wie z.B. Größe oder Andrückkraft der Zange - Parameter des Schweißvorgangs darstellen. Spezifische Daten im Sinne des Streitpatents sind demgegenüber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht Daten, die lediglich der Identifizierung der einzelnen Schweißzange, z.B. mit Typenbezeichnung und individueller Werkzeugnummer, dienen.
24
Dieses Verständnis ergibt sich bei Berücksichtigung von Patentanspruch 12, der das Verfahren zum Betrieb eines patentgemäßen (Steuer- und/oder) Regelgeräts beschreibt und der als Teil des Anspruchssatzes auch zur Auslegung des Patentan- spruchs 1 herangezogen werden muss. Denn unter lit. a werden zunächst die Daten, die in dem lokalen Datenspeicher der Schweißzange gespeichert und sodann übertragen werden sollen, - wie auch in den übrigen Ansprüchen - als "spezifische Daten" ("data specific for the welding tongs") bezeichnet und unter lit. b heißt es sodann, dass die "spezifischen Betriebsparameter" ("specific operating parameters") an das Steuer- oder Regelgerät übertragen werden.
25
Zweifel, dass die Informationen, die nach lit. a in dem lokalen Datenspeicher der Zange gespeichert werden, mit den Informationen identisch sind, die nach lit. b an das Steuer- und/oder Regelgerät übertragen werden, ergeben sich aus dem sonstigen Inhalt der Patentschrift nicht. Die vorgenommene Auslegung findet vielmehr Bestätigung in der Beschreibung. Danach ist es beim Stand der Technik nachteilig, dass dann, wenn die Daten in einem zentralen Speicher abgelegt sind, die Personen, die die Schweißvorrichtung bedienen, jeweils darauf achten müssen, dass vor der Schweißung der der verwendeten Schweißzange entsprechende Steuer- und Regeldatensatz ordnungsgemäß geladen wird (Abs. 0006, Sätze 3 bis 5 der Übersetzung). Diese in der Beschreibung als nachteilig geschilderte Situation besteht auch dann, wenn lediglich Adress- oder Identifizierungsdaten in der Zange gespeichert, die spezifischen Betriebsparameter, die die Steuerung und/oder Regelung des Schweißverfahrens ermöglichen, aber weiterhin auf einem zentralen Speicher abgelegt werden. Außerdem ist nach der Beschreibung (Abs. 0010, Satz 1 der Übersetzung) die patentgemäße lokale Datenspeicherung in verschiedenen Bereichen der WerkzeugSteuersysteme bekannt. Die insoweit in Bezug genommenen Druckschriften betreffen aber nicht die lokale Speicherung von Identifizierungsdaten, sondern von (spezifischen ) Betriebsparametern, die die Steuerung und/oder Regelung des jeweiligen Verfahrens ermöglichen.
26
Aus den genannten Gründen sind spezifische Daten im Sinne des Streitpatents auch nicht solche Daten, die lediglich der (Vor-)Auswahl eines oder mehrerer Steuer- und/oder Regelprogramme dienen, wie beispielsweise die Programmanwahlcodierung der behaupteten Vorbenutzung gemäß Anlagen K4 (Programmfortschaltung PF4, Bedienungsanleitung) bis K6, K16 und K18. Nach der Druckschrift K4 wird durch die Programmanwahlcodierung für eine Schweißzange ein bestimmter sog. Zangenbereich ausgewählt und damit eine Mehrzahl bestimmter Schweißprogramme , die diesem Zangenbereich zugeordnet sind. Diese Auswahl erfolgt, indem an der Zange befindliche Anschlusspaare, die zur Aufnahme einsteckbarer Drahtbrücken ausgelegt sind, entsprechend einer vorgegebenen Zuordnung verschaltet werden (siehe Tabelle Anlage K4, S. 10 ff.). Die Wahl eines bestimmten Programms unter den dem ausgewählten Zangenbereich zugeordneten Programmen erfolgt durch Betätigung einer an der Zange befindlichen Taste. Der sich durch Tasteneingabe ergebende Wert wird mit dem Programmanwahlcode (in Form der Verschaltzustände der Anschlusspaare) von der Schweißzange an die (nicht an der Schweißzange angeordnete ) Programmfortschaltung übermittelt, die hieraus eine absolute Programmnummer errechnet, die an den Inverter übermittelt wird (S. 6, Anlage K4). Dieser erhält damit die Information, welches der dort gespeicherten 512 Programme er zu starten hat.
27
Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Begriff der "spezifischen Daten" erfordere sogar, dass es sich um Daten handele, die eine Regelung des Schweißstromverlaufs ermöglichten, also insbesondere um Referenzkurven des dynamischen Schweißstromverlaufs und des dynamischen Elektroden-Spannungsabfall-Verlaufs (vgl. Abs. 0004, Satz 3 der Übersetzung). Eine solche Einschränkung ergibt sich weder aus den Patentansprüchen, noch weist die Beschreibung auf eine solche Notwendigkeit hin. Zudem können auch (spezifische) Steuerparameter spezifische Daten im Sinne des Streitpatents sein, da die patentgemäße Widerstandsschweißvorrichtung , wie ausgeführt, auch lediglich ein Steuergerät aufweisen kann.
28
4. Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung ist - wie das Bundespatentgericht zutreffend angenommen hat - neu (Art. 54 EPÜ). Für den Fall, dass Adressdaten sowie Daten, die lediglich der (Vor-)Auswahl von Steuer- und/oder Regelprogrammen dienen, nicht als spezifische Daten im Sinne des Streitpatents anzusehen sind, hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei durch eine der Entgegenhaltungen neuheitsschädlich vorweggenommen.
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5. Das Streitpatent in der erteilten Fassung beruht allerdings nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).
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a) Maßgeblicher Durchschnittsfachmann ist hier entweder ein Ingenieur, der sich in einem Studiengang der Elektrotechnik, des Maschinenbaus oder einer verwandten Fachrichtung mit dem Bereich der Automatisierungstechnik vertieft befasst hat, oder ein Schweißfachingenieur, der sich mit der Steuerung und/oder Regelung von Schweißvorgängen befasst.
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Genauer eingrenzende Feststellungen zum maßgeblichen Durchschnittsfachmann , d.h. der Person, die mit Entwicklungsarbeiten auf dem jeweiligen technischen Fachgebiet üblicherweise betraut wird (Sen.Urt. v. 29.2.2000 - X ZR 166/97, BeckRS 2000 30098745), konnten auf Grund der Verhandlung und der Beweisaufnahme nicht getroffen werden. Der Karosseriebau in der Automobilherstellung ist, worauf die Streitpatentschrift hinweist (Abs. 0002, Satz 1 der Übersetzung), einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige für Widerstandsschweißvorrichtungen. Der Senat geht ferner angesichts des insoweit übereinstimmenden Parteivortrags davon aus, dass die in der Streitpatentschrift angesprochene "industrielle Fertigungseinrichtung" (Abs. 0006 der Übersetzung) sich dort insbesondere im Prototypenbau findet. Insbesondere von Automobilherstellern im Bereich des Prototypenbaus wird daher der in der Streitpatentschrift bei der zentralen Speicherung der spezifischen Daten geschil- derte Nachteil erkannt, dass bei jedem Wechsel einer Zange sichergestellt werden muss, dass der zu dieser Zange gehörige Datensatz geladen wird. Der Automobilhersteller , der diesem Nachteil abhelfen möchte, wendet sich entweder an den Hersteller der Schweißstromquelle und -steuerung bzw. -regelung oder den Hersteller der Schweißzange, bei denen es sich in der Regel um zwei verschiedene Unternehmen handelt, wie die Erörterung in der mündlichen Verhandlung ergeben hat. Es konnte jedoch nicht geklärt werden, ob - wie die Beklagte behauptet - bei dem jeweils angesprochenen Unternehmen ein Schweißfachingenieur oder - wie die Klägerin behauptet - ein Automatisierungstechniker damit betraut wird, Abhilfe zu schaffen; denn der Sachverständige konnte hierzu in der mündlichen Verhandlung keine verlässlichen Angaben machen.
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b) Geht man deshalb zunächst davon aus, dass der Abhilfewunsch an einen Ingenieur herangetragen wird, der sich in einem Studiengang der Elektrotechnik, des Maschinenbaus oder einer verwandten Fachrichtung mit dem Bereich der Automatisierungstechnik vertieft befasst hat, so ergibt sich das Naheliegen auf Grund folgender Umstände:
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Ein solcher Fachmann wird als Ausgangspunkt seiner Überlegungen auf die deutsche Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15) zurückgreifen, weil sie unmittelbar das Gebiet der Schweißtechnik betrifft. Diese Schrift offenbart einen programmgesteuerten Industrieroboter, z.B. einen Schweißroboter, mit auswechselbarem Werkzeug wie Punktschweißzangen (Anspruch 1 der Entgegenhaltung), ein Regelgerät im Sinne des Streitpatents (S. 13, Z. 30 f. der Entgegenhaltung) und eine Schweißstromquelle (S. 11, Z. 14 f. der Entgegenhaltung), bei dem das Werkzeug mit dem Roboter mittels einer mechanischen Kupplungsvorrichtung verbunden ist. Diese Entgegenhaltung gibt dem Fachmann jedoch keine Anregung, wie der erkannte Nachteil abgestellt werden kann. Die beschriebenen Impulse, die von der Kupplung den Steuerleitungen und -einheiten zugeleitet werden (S. 13, Z. 29 ff. der Ent- gegenhaltung), sind schon keine spezifischen Daten, sondern beinhalten lediglich die Information, dass ein Werkzeug an den Roboter angeschlossen bzw. von diesem getrennt worden ist.
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Auch den weiteren Entgegenhaltungen aus dem Bereich der Schweißtechnik mangelt es an Anregungen, dass und wie die Verwaltung spezifischer Daten bei Auswechslung von Schweißzangen zu vereinfachen und zuverlässiger zu machen sein könnte.
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Die deutsche Gebrauchsmusterschrift 1 963 874 (Anlage K7) und die deutsche Patentschrift 43 06 492 (Anlage K8) offenbaren keine auswechselbaren Schweißzangen. Die US-Patentschrift 5 451 850 (Anlage K19) offenbart u.a. in Bezug auf einen Punktschweißroboter mit einer Schweißpistole ein Verfahren, das die Position des Werkzeugmittelpunkts korrigiert, wenn sich die Schweißpistolenspitze durch Abnutzung verbraucht (S. 1, linke Spalte, 2. Abs. der Übersetzung). Der Aufsatz von K. Pöll und U. Matuschek "Widerstandsschweißen mit schnellen Gleichstromquellen und neuen Regelkonzepten" (Anlage E3/E4) betrifft ein Regelverfahren für das Widerstandsschweißen, bei dem im Rahmen von Kalibrierungsschweißungen zunächst die Regelungsparameter optimiert und die entsprechenden Schweißstromund -spannungsverläufe abgespeichert werden, die dann als Grundlage zur Bewertung der erfassen Istwerte bei den folgenden Schweißungen dienen (S. 6 f. der Entgegenhaltung ). Die Betriebsprogramme (US-Patentschrift 5 451 850) bzw. die Schweißstrom- und -spannungsverläufe der Kalibrierungsschweißung (Aufsatz von K. Pöll und U. Matuschek, "Widerstandsschweißen mit schnellen Gleichstromquellen und neuen Regelkonzepten") sind aber - wie auch nach dem in der Streitpatentschrift wiedergegebenen Stand der Technik - in dem Regelgerät gespeichert (S. 4, linke Spalte, Abs. 2, S. 2 und 4 der Übersetzung der US-Patentschrift 5 451 850; S. 5, Bild 5 und S. 7 des Aufsatzes von K. Pöll und U. Matuschek). Auch die behauptete Vorbenutzung (Anlagen K4 bis K6, K16, K18) arbeitet schließlich damit, dass die Schweißprogramme in der Steuerung gespeichert werden (S. 5, Abs. 1, Anlage K4). Der in der Zange in Form von Verschaltzuständen der Anschlusspaare vorgesehene Programmanwahlcode, ist, wie ausgeführt, kein spezifisches Datum. Dies gilt auch für die Trafocodierung, die ebenfalls durch Verschaltung von an der Zange angebrachten Anschlusspaaren bestimmt wird. Diese beinhaltet Adressdaten, die die Erkennung der Zange ermöglichen, nämlich Informationen über die Nennausgangsspannung des an der Schweißzange angebrachten Transformators sowie über Typ und Anzahl der Dioden.
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Ein aus dem Bereich der Automatisierungstechnik kommender Fachmann wird deshalb geradezu selbstverständlich zu der Meinung gelangen, sich nach Anregungen und Vorbildern bei anderen auswechselbaren Werkzeugen für programmgesteuerte Industrieroboter umsehen zu müssen. Denn zu seinen Aufgaben gehört es, technische Prozesse unterschiedlicher Art zu automatisieren. Das führt ihn ohne weiteres zu der deutschen Offenlegungsschrift 33 26 615 (Anlage K12), die numerisch gesteuerte Bearbeitungszentren offenbart, an denen verschiedene auswechselbare Werkzeuge, insbesondere für die zerspanende Bearbeitung, eingesetzt werden. Diese Schrift gibt ihm die Anregung, bei der Auswechslung von Werkzeugen an einem programmgesteuerten Industrieroboter die Qualität und Sicherheit der Datenverwaltung dadurch zu erhöhen, dass die Daten in einem am auswechselbaren Werkzeug selbst angebrachten Speicher gespeichert werden. Die Entgegenhaltung schlägt zur besseren Sicherung der Speicherung der spezifischen Daten (Schutz vor Verlust oder Verwechslung, S. 8, Z. 32 bis S. 9, Z. 2) vor, sämtliche Parameter und sonstigen werkzeugspezifischen Daten auf einem an dem Werkzeug angebrachten Datenspeicher zu speichern und sie bei einem Werkzeugwechsel an die Steuerung des Bearbeitungszentrums zu übertragen (S. 6, Z. 1 bis 6; S. 8, Z. 16 bis 27).
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Der sich bei dem Schweißgebiet benachbarten Fertigungen umsehende Fachmann stößt zudem auf die deutsche Offenlegungsschrift 38 33 072 A1 (Anlage K9), die eine gesteuerte Schnitt- und Umformpresse mit auswechselbaren Werkzeugen betrifft (Anspruch 1 der Entgegenhaltung), und auf die europäische Patentanmeldung 0 214 666 A2 (Anlage K13), die eine Werkzeugmaschine mit auswechselbaren Werkzeugen offenbart (Anspruch 1 der Entgegenhaltung). Diese Schriften leiten den Fachmann in die gleiche Richtung. Ziel beider Entgegenhaltungen ist die Vereinfachung und Sicherung der Verwaltung der spezifischen Daten (S. 1, Sp. 1, Z. 26 bis 43, Anlage K9; S. 3, vorletzter Absatz, Anlage K13). Auch sie schlagen zur Lösung der Aufgabe vor, die werkzeugspezifischen Daten auf einem an dem jeweiligen Werkzeug selbst angeordneten Speicher zu speichern, von dem aus die Daten an die Steuerung übertragen werden (Anspruch 1 der deutschen Offenlegungsschrift 38 33 072 A1 und Anspruch 7 der europäischen Patentanmeldung 0 214 666 A2).
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Durchgreifende Zweifel, dass der Fachmann den Nutzen dieser Vorbilder auch für programmgesteuerte Schweißungen erkennt und deshalb zur Übertragung geführt wird, ergeben sich nicht aus der Behauptung der Beklagten, Pressanlagen und Bearbeitungszentren für spanende Bearbeitung wiesen in Aufbau und Funktion gegenüber einer (Widerstands-)Schweißvorrichtung erhebliche Unterschiede auf. Denn Auswirkungen der geltend gemachten Unterschiede auf die Behandlung spezifischer Daten sind nicht ersichtlich.
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Von dem Fachmann der Automatisierungstechnik war mithin nur noch die Realisierung der Übertragung der bekannten Vorbilder gefordert. Das hierzu Nötige lag aber im handwerklichen Bereich, wie auch die Erörterung mit dem Sachverständigen ergeben hat. Soweit schweißspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden mussten - beispielsweise Störungen bei der Datenübertragung während des Schweißvorgangs oder Menge der im lokalen Speicher zu speichernden Daten -, gehörte hierzu auch, gegebenenfalls einen Schweißtechniker hinzuziehen.

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c) Geht man hingegen davon aus, dass es sich bei der Person, an die der Abhilfewunsch herangetragen wird, um einen Schweißfachingenieur, der sich mit der Steuerung und/oder Regelung von Schweißvorgängen befasst, handelt, so führt die das Naheliegen betreffende Würdigung zu demselben Ergebnis.
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Auch der Schweißfachingenieur wird auf die deutsche Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15) als Ausgangspunkt seiner Überlegungen zurückgreifen. Da er jedoch weder aus dieser noch aus den weiteren Entgegenhaltungen aus dem Bereich der Schweißtechnik Anregungen zur Lösung des an ihn herangetragenen Problems erhält, hat auch er allen Anlass, sich für mögliche Anregungen und Vorbilder aus dem benachbarten Bereich der industriellen Fertigung bei anderen auswechselbaren Werkzeugen für programmgesteuerte Industrieroboter zu interessieren. Dies gilt um so mehr, als er es gewohnt ist, in der Diskussion schweißtechnischer Problemstellungen auf Entwicklungen und Problemstellungen in anderen Werkzeugbereichen zu stoßen. Denn diese werden in denselben Druckschriften erörtert. Dies ergibt sich beispielsweise aus der Veröffentlichung von R. Dunkes: "Werkzeugwechselsystem für hydraulische Pressen" (Anlage K10). Im unmittelbaren Anschluss an den von der Klägerin dem Streitpatent entgegengehaltenen Artikel, der die Optimierung des Werkzeugwechsels bei hydraulischen Pressen betrifft, findet sich in dieser Zeitschrift ein Artikel mit dem Titel "Schweißmaschine für die Herstellung von Baustahlmatten" (S. 44 der Zeitschrift, Anlage K10), der sich mit der Rationalisierung von Arbeitsabläufen bei Schweißmaschinen befasst. Dies wird durch die US-Patentschrift 5 451 850 (Anlage K19) bestätigt. Aus dieser ergibt sich, dass bestimmte Problemstellungen in der Schweißtechnik und in benachbarten Bereichen der industriellen Fertigung gleichermaßen auftreten, gemeinsam erörtert und einander entsprechende Lösungen vorgeschlagen werden. Diese Entgegenhaltung offenbart ein Verfahren zur Korrektur eines Werkzeugmittelpunkts und führt aus, dass sich sowohl bei Schweißpistolen von Punktschweißrobotern als auch bei Schleifwerkzeugen von Schleifrobotern der Werkzeugmittelpunkt durch Verbrauch und Verschleiß verändere, was durch einen Federmechanismus korrigiert werde (S. 1, Sp. 1, 2. und 3. Abs. der Übersetzung Anlage K19). Zur Lösung des Problems für beide Bereiche der industriellen Fertigung schlägt die Entgegenhaltung ein Verfahren zur Korrektur der Position des Werkzeugmittelpunkts vor, das die Beziehung zwischen Arbeitszeit und dem Änderungsumfang des Werkzeugmittelpunkts berücksichtigt.
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In dem benachbarten Bereich der industriellen Fertigung bei anderen auswechselbaren Werkzeugen für programmgesteuerte Industrieroboter stößt auch der Schweißfachingenieur auf die deutsche Offenlegungsschrift 33 26 615 (Anlage K12), die deutsche Offenlegungsschrift 38 33 072 A1 (Anlage K9) und die europäische Patentanmeldung 0 214 666 A2 (Anlage K13). Die Anregung aus diesen Entgegenhaltungen , die Qualität und Sicherheit der Datenverwaltung dadurch zu erhöhen, dass die Daten auf einem am auswechselbaren Werkzeug selbst angebrachten Speicher gespeichert und bei einem Werkzeugwechsel an die Steuerung des Bearbeitungszentrums übertragen werden, überträgt der Fachmann in vergleichbarer Weise wie bereits erörtert ohne erfinderische Tätigkeit auf die Schweißvorrichtung gemäß der deutschen Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15) und kommt zur streitpatentgemäßen Lösung.
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d) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, das Streitpatent sei jedenfalls deshalb als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend anzusehen, weil zwischen dem Zeitpunkt der Offenlegung des Standes der Technik gemäß der deutschen Offenlegungsschrift 33 26 615 (Anlage K12) und der deutschen Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15), nämlich 1985, und dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents , nämlich 1998, ein langer Zeitraum, nämlich 13 Jahre, liege. Dieses Beweisanzeichen werde durch die Behauptung der Klägerin, die ein führendes Unternehmen der Schweißtechnik sei, bestätigt, noch 1997 und damit kurz vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents die Programmfortschaltung PF4 vertrieben zu haben. Diese löse die streitpatentgemäße Aufgabe nicht, da sie noch immer vorsehe, dass die spezifischen Daten in einem zentralen Speicher in der Steuerung abgelegt seien. Der Senat geht davon aus, dass sich die Beklagte insoweit den Vortrag der Klägerin zur offenkundigen Vorbenutzung hilfsweise zu eigen macht.
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Es kann dahinstehen, ob generell oder auch nur fallweise ein langer Zeitraum, der bis zur Entstehung der Erfindung verstrichen ist, ein verlässliches Beweisanzeichen für die erfinderische Tätigkeit sein kann. Jedenfalls im konkreten Fall können hieraus keine entsprechenden Schlüsse gezogen werden. Zwar war die Grundlage für den in der Streitpatentschrift geschilderten Nachteil bereits 1985 gelegt, da ausweislich der deutschen Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15) bereits zu diesem Zeitpunkt Schweißvorrichtungen mit auswechselbaren Zangen existierten, bei denen der im Streitpatent geschilderte Nachteil auftrat, da die spezifischen Daten in der Programmsteuerung abgelegt waren. Es ist aber anzunehmen, dass Unternehmen , die das geschilderte Problem zu diesem Zeitpunkt erkannten, unter KostenNutzen Gesichtspunkten zunächst eine Abhilfe verwarfen und diese erst später veranlassten. Denn das Bedürfnis für die Lösung des dem Streitpatent zugrundeliegenden Problems stellte sich verstärkt erst kurz vor dem Prioritätstag. Die Beklagte selbst führt insoweit aus (Tz. 26 der Berufungsbegründung vom 21.11.2005), erst in der Kombination der Anforderungen - Auswechselbarkeit der Regelungselektronik bezüglich einer Vielzahl von Schweißzangen unterschiedlicher Typen unter Verwendung zangenspezifischer Daten, insbesondere einschließlich Referenzdatensätze - habe sie erkannt, dass die Handhabung der Vielzahl der Datensätze und deren Organisation innerhalb der Regelungsanlage problematisch sein könnten. Referenzdatensätze setzte aber die Beklagte, wie sie selbst vorträgt (Tz. 25 der Berufungsbegründung vom 21.11.2005) und wie sich auch aus der Patentschrift ergibt (Abs. 0005, Satz 2 der Übersetzung), erst seit kurzem vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents ein. Während sich das Bedürfnis für die Lösung des Problems verstärkte , vereinfachte und verbilligte sich die Umsetzung der Abhilfe durch Anbringung lokaler Speicher an den Zangen. Denn in der Zeit zwischen 1985 und 1998 entwickelte sich die Speichertechnologie erheblich; die Speicherkapazität der Speicherbausteine stieg und deren Preise sanken. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass für Unternehmen, die die in der Streitpatentschrift geschilderten Nachteile erkannten, ein sofortiger oder auch nur alsbaldiger Umbau oder Austausch der vorhandenen Schweißvorrichtungen mit erheblichen Kosten verbunden gewesen wäre. Regelmäßig werden solche Änderungen erst nach der steuerlichen Abschreibung der Maschinen vorgenommen.
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II. Auch der nebengeordnete Patentanspruch 7, der eine entsprechende Schweißzange betrifft, beruht aus den genannten Erwägungen nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Dies gilt ebenso für Anspruch 12, der ein entsprechendes Verfahren zum Betrieb eines Regelgeräts beansprucht. Die auf Ansprüche 1 und 7 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 6 und 8 bis 11 in der erteilten Fassung haben ebenfalls keinen Bestand; für einen eigenständigen erfinderischen Gehalt ist nichts ersichtlich und auch nichts geltend gemacht.
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III. 1. Patentanspruch 1 in der von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassung unterscheidet sich von der erteilten Fassung dadurch, dass im lokalen Datenspeicher nicht "spezifische Daten" sondern "spezifische Steuer- und/oder Regelparameter , einschließlich Referenzdatensätze" gespeichert und über eine Schnittstelle an der Zange an Stelle von "Daten" an das Regelgerät "Datensätze" übertragen werden sollen.
47
2. Es kann dahinstehen, ob dieser Patentanspruch unzulässig erweitert ist oder ob er eine bloße Klarstellung enthält, insbesondere ob die Wortwahl "einschließlich" dahin zu verstehen ist, dass besondere spezifische Steuer- und/oder Regeldatensätze , nämlich Referenzdatensätze verwendet werden müssen oder ob Referenz- datensätze lediglich als eine Alternative der spezifischen Steuer- und/oder Regeldatensätze genannt sind.
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Denn der Beklagten kann nicht darin beigetreten werden, Referenzdatensätze im Sinne des Streitpatents seien über die Kennzeichnung in Abs. 0005, Sp. 1, Z. 55 bis Sp. 2, Z. 1 hinaus durch solche Parameter gekennzeichnet, die es erlaubten, unterschiedliche Schweißaufgaben mit ein und derselben Schweißzange ohne Schweißprogrammumschaltung zu erledigen, für die zuvor unterschiedliche Schweißzangen und jeweils für jede Aufgabe eine Schweißprogrammumschaltung erforderlich gewesen seien. Referenzdatensätze würden, wie in dem Aufsatz von K. Pöll und U. Matuschek, "Widerstandsschweißen mit schnellen Gleichstromquellen und neuen Regelkonzepten" (Anlage E3), dort auf S. 11 f. beschrieben, erstellt: Es würden mit einer Zange jeweils Kalibrierungsschweißungen im Bereich der dünnsten Blechkombination vorgenommen und abgespeichert. Mit derselben Schweißzange würden dann auch andere Blechkombinationen geschweißt, wobei die Regelsteuerung, ausgehend von der abgespeicherten Kalibrierungsschweißung, den Schweißstrom bei den dickeren Blechkombinationen zurücknehme und die Schweißzeit entsprechend verlängere.
49
Dies offenbart die genannte Textstelle der Streitpatentschrift nicht, obwohl sie den Begriff der Referenzdatensätze definiert. Nach dem Wortlaut der Textstelle werden für mehrere verschiedene Schweißungen ("different welds") mehrere Schweißzangen ("welding tongs") verwendet, woraus sich die Parameter der Referenzdatensätze ergeben. Die genannte Textstelle stellt nicht - beispielsweise durch Einfügung des Adverbs "each" ("… that depend upon the welding tongs each used for different welds") - klar, dass jede der mehreren Schweißzangen für verschiedene Schweißungen verwendet würde.
50
Eine darüber hinausgehende Bedeutung des Begriffs der Referenzdatensätze ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus der weiteren Beschreibung des Streitpatents (Abs. 0004, Sp. 1, Z. 38 bis 45): "In these methods, during welding, measuring devices continously measure the dynamic welding current and the electrode voltage. If any deviations from the reference curve occur, the control and/or regulating devices adjust the welding current source so that the measured current and voltage curves match the specified reference curve as closely as possible." Diese Textstelle beschreibt lediglich, wie auch der Sachverständige ausgeführt hat, das Grundverfahren des dynamischen Regelverfahrens: Während der Schweißung werden der dynamische Schweißstrom und die Elektrodenspannung kontinuierlich gemessen. Bei Abweichung von der Referenzkurve passt das (Steuer- und/oder) Regelgerät die Schweißstromquelle an, so dass der gemessene Strom- und Spannungsverlauf der vorgegebenen Referenzkurve möglichst genau entspricht.
51
3. Patentanspruch 1 in der hilfsweise verteidigten Fassung beruht ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ). Es gelten die obigen Ausführungen (Ziff. I 5) entsprechend. Auch dann, wenn dem Fachmann daran gelegen ist, (nur) die Verwaltung solcher spezifischer Daten zu vereinfachen und verlässlicher zu machen, die von den spezifischen Zangen abhängen, stößt er mangels entsprechender Anregungen im Bereich der Schweißtechnik auf die deutsche Offenlegungsschrift 33 26 615 (Anlage K12), die deutsche Offenlegungsschrift 38 33 072 A1 (Anlage K9) und die europäische Patentanmeldung 0 214 666 A2 (Anlage K13) und überträgt die dortige Anregung in naheliegender Weise auf die aus der deutschen Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15) bekannte Schweißvorrichtung in der Weise, dass die Referenzdatensätze auf einem an der Schweißzange angebrachten lokalen Speicher gespeichert und bei dem Zangenwechsel auf die (Steuer- und/oder) Regeleinheit übertragen werden.
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4. Diese Ausführungen gelten ebenso für die Nebenansprüche 7 und 12 in der hilfsweise verteidigten Fassung, die sich von den Ansprüchen in der erteilten Fassung ebenfalls lediglich durch die Spezifikation der spezifischen Daten unterscheiden. Auch die rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 6 und 8 bis 11 in der hilfsweise verteidigten Fassung sind damit nicht patentfähig.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 121 Abs. 2 PatG, 97 Abs. 1 ZPO.
Scharen Lemke Asendorf
Gröning Berger
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.05.2005 - 2 Ni 3/04 (EU) -

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)