Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2010 - X ZR 29/07

bei uns veröffentlicht am20.07.2010
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 42/05, 30.11.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 29/07
vom
20. Juli 2010
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juli 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Scharen, den Richter Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens und die Richter Gröning und Dr. Grabinski

beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Beklagten wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Mit Urteil vom 13. April 2010 hat der Senat auf die Berufung der Klägerin das am 30. November 2006 verkündete Urteil des Bundespatentgerichts abgeändert und das deutsche Patent 42 03820 im Umfang seiner Patentansprüche 1 und 2 für nichtig erklärt. Das Urteil wurde den Beklagten am 17. Mai 2010 zugestellt.
2
Mit ihrer am 27. Mai 2010 erhobenen Anhörungsrüge machen die Beklagten geltend, die Entscheidung des Senats verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, weil Elemente der Erwägungen, mit denen der Senat die von den Beklagten hilfsweise verteidigte Fassung des Streitpatents zurückgewiesen habe, überraschend gewesen seien. Sie seien in der mündlichen Verhandlung zu erörtern gewesen und zu ihnen sei den Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren gewesen. Der Senat habe die von den Beklagten hilfswei- se verteidigte Fassung des Streitpatents, wonach in Patentanspruch 1 das zusätzliche Merkmal aufgenommen worden sei, dass die Schwenklager aller Stützbeine in Fahrtrichtung hinter dem Mastbock angeordnet seien, mit folgenden Erwägungen zurückgewiesen: a) dem erteilten Patentanspruch 1 sei nur ein konstruktives Detail hinzugefügt worden, dem kein eigenständiger erfinderischer Gehalt zukomme; b) dies entspreche dem eigenem Vorbringen der Beklagten ; c) es sei bereits zum Anmeldezeitpunkt bei fahrbaren Betonpumpen üblich gewesen, den Mastbock hinter dem Fahrerhaus anzuordnen und d) als Beispiele für den Stand der Technik zeigten eine solche Anordnung etwa die deutsche Offenlegungsschrift 38 30 315 (Anlage 4) in Figur 2 sowie der Prospekt der Fa. Reich "Autobetonpumpen" (Anlage 13, S. 7).
3
Es treffe zwar zu, dass bei fahrbaren Betonpumpen der Mastbock regelmäßig hinter dem Fahrerhaus angeordnet sei. Darin erschöpfe sich jedoch nicht die technische Bedeutung des durch den Hilfsantrag zusätzlich aufgenommenen Merkmals. Dass der Mastbock hinter dem Fahrerhaus angeordnet sei, heiße nicht, dass alle Schwenklager hinter dem Mastbock lägen. Dass der Senat zu dem Ergebnis gelange, dieses Merkmal sei immer dann erfüllt, wenn bei einer fahrbaren Betonpumpe der Mastbock hinter dem Fahrerhaus angeordnet sei, werde seinem Wortsinn nicht gerecht und sei überraschend. Der wiedergegebene Stand der Technik zeige das im Hilfsantrag zusätzlich hinzugekommene Merkmal nicht. Dies sei auch nicht erörtert worden.
4
Auch der Beurteilungsgegenstand und -maßstab hätte erörtert werden müssen. Statt die Prüfung der Rechtsfrage, ob der Gegenstand einer Erfindung am Prioritätstag durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen sei, anhand der Gesamtheit der Lösungsmerkmale der Erfindung in ihrem technischen Zusammenhang vorzunehmen, habe der Senat die Frage aufgeworfen, ob dem im Hilfsantrag zusätzlich aufgenommenen Merkmal ein eigenständiger erfinderi- http://www.juris.de/jportal/portal/t/3fsd/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR201170936BJNE018000301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/3fsd/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE143003301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/3fsd/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BVRE100438209&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/3fsd/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BVRE100438209&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/3fsd/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE322320401&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - scher Gehalt zukomme. Dies sei als mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unvereinbar anzusehen.
5
Die Beklagten beantragen, das Berufungsverfahren fortzuführen und über die von den Beklagten hilfsweise verteidigte Fassung des Streitpatents zu verhandeln.
6
Der Klägerin ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Sie widerspricht dem Vortrag der Beklagten, das rechtliche Gehör sei hinsichtlich des mit den Parteien erörterten Hilfsantrags nicht gewahrt worden, und beantragt , die Anhörungsrüge kostenpflichtig zurückzuweisen.
7
II. Die statthafte (§ 122 a PatG, § 321 a Abs. 2-5 ZPO) und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Sie könnte nur dann Erfolg haben , wenn der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden wäre. Daran fehlt es.
8
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die Gerichte verpflichtet, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass die von den Gerichten zu treffenden Entscheidungen frei von Verfahrensfehlern ergehen, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (BVerfGE 60, 250, 252; 69, 141, 142 f.; BVerfG NJW-RR 2004, 1150, 1151).
9
2. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten ist der Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung gegen Ende der Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen mit den Parteien erörtert worden. Erkennbarer Sinn dieser Erörterung war - wie bei der hauptsächlichen Verteidigung des Streitpatents - die Klärung des erfinderischen Gehalts der insoweit verteidigten Merkmalskombination und damit auch, ob dieser durch das hinzugefügte Merkmal ein solcher Gehalt zukommt. Einen solchen hat die Beklagte gleichwohl auch im Rahmen dieser Erörterung nicht reklamiert.
10
Darüber hinaus ist das mit dem Hilfsantrag aus dem erteilten Unteranspruch 3 in den Patentanspruch 1 übernommene Merkmal, dass die Schwenklager aller Stützbeine in Fahrtrichtung hinter dem Mastbock angeordnet sind, zuvor schon Thema der Verhandlung gewesen, wie auch den Entscheidungsgründen des Urteils vom 13. April 2010 zu entnehmen ist. Bereits in seinen Eingangsausführungen hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten dieses durch den Hilfsantrag aufgegriffene zusätzliche Merkmal schon im Hinblick auf die Auslegung des Merkmals e des Patentanspruchs 1 angesprochen, wonach die Schwenklager der vorderen Stützbeine in unmittelbarer Nähe der Schwenklager für die hinteren Stützbeine angeordnet sind. Der Senat hat sich in den Entscheidungsgründen mit diesen Ausführungen wie folgt auseinandergesetzt (Urteil S. 9 Tz. 16): "Soweit die Beklagten ausgeführt haben, dass mit dem Merkmal der 'unmittelbaren Nähe' auch jene Positionierung des Mastbocks hinter dem Fahrerhaus in einem Zusammenhang stehe, wie sie von Patenanspruch 3 in der erteilten Fassung des Streitpatents erfasst ist und mit dem Hilfsantrag aufgegriffen wird, ist weder aus der Streitpatentschrift ersichtlich noch von den Beklagten nachvollziehbar dargelegt worden, weshalb die vorgenannte bei Betonpumpen dem Stand der Technik entsprechende Platzierung des Mastbocks erst durch die vorgeschlagene Anordnung der Schwenklager ermöglicht wird. Wie gerade die Offenlegungsschrift 31 24 029 (Anlage 3) in Figur 2 zeigt, findet sich für einen hinter dem Fahrerhaus angeordneten Mastbock auch bei einer dort ebenfalls erfolgenden Anlenkung der vorderen Stützbeine hinreichend Platz. (…)."
11
Des Weiteren hat in der Berufungsverhandlung die Anordnung der Schwenklager hinter dem Mastbock entsprechend der hilfsweisen Fassung des Patentanspruchs 1 auch im Zusammenhang mit den Entgegenhaltungen aus dem Stand der Technik bei den Mobilkranen eine Rolle gespielt, was ebenfalls in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 13. April 2010 Niederschlag gefunden hat. Dort heißt es u.a. (Urteil S.18 Tz. 35): "Die Beklagten machen gegenüber einer Berücksichtigung der Stützvorrichtungen bei Mobilkrane geltend, dass bei den im Streitfall entgegengehaltenen Konstruktionen der Mastbock für den Kranausleger jeweils zentral in dem durch die vier Schwenklager gebildeten Abstützviereck liegt und sich die Schwenklager für die vorderen Stützbeine daher nicht in unmittelbarer Nähe der Schwenklager für die hinteren Stützbeine befinden. (…)."
12
3. Soweit die Beklagten meinen, dass sich aus den Entscheidungsgründen zur hilfsweise verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 ergebe, dass der Senat die technische Bedeutung des aus Unteranspruch 3 übernommenen Merkmals darauf reduziere, dass der Mastbock hinter dem Fahrerhaus angeordnet sei, unterliegen die Beklagten offensichtlich einem Fehlverständnis: Ausweislich der Entscheidungsgründe in Tz. 28 des Senatsurteils folgt aus den Merkmalen c und e des Patentanspruchs 1, dass die Schwenklager nah zueinander etwa in Fahrgestellmitte angelenkt sind. Diese schon durch Patentanspruch 1 vorgegebene Positionierung der Schwenklager wird durch das zusätzliche Merkmal aus Unteranspruch 3 nur um die Zuordnung des Mastbocks ergänzt , der so zu platzieren ist, dass die Schwenklager in Fahrtrichtung hinter diesem angeordnet sein sollen. Dies führt zu der mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörterten Anordnung des Mastbocks hinter dem Fahrerhaus. Eine solche Anordnung des Mastbocks ist allerdings durch das in den Entscheidungsgründen angeführte Material aus dem Stand der Technik bekannt gewesen, wie auch die Beklagten nicht in Abrede stellen.
13
4. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Senat bei der Entscheidung über den Hilfsantrag auch nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung abgewichen, wonach die Prüfung einer erfinderischen Tätigkeit anhand der Gesamtheit der Lösungsmerkmale der Erfindung in ihrem technischen Zusammenhang vorzunehmen ist. Mit der durch die Anhörungsrüge angegriffenen Formulierung, dass das im Hilfsantrag zusätzlich aufgenommene Merkmal dem erteilten Patentanspruch 1 ein konstruktives Detail hinzufügt, wird auch auf die Merkmale des Patentanspruchs 1 Bezug genommen. Dass es im Streitfall Anlass gegeben hätte, neben der negativen Einschätzung des erfinderischen Gehalts des zusätzlichen Merkmals unter Hinweis auf die Darlegungen zur hauptsächlich verteidigten Fassung noch ausdrücklich anzugeben, dass daher auch die hilfsweise Kombination nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend angesehen werde, tragen die Beklagten selbst nicht vor. In derartigen Konstellationen hat der Senat auch schon bisher in den Entscheidungsgründen seiner Urteile die vorgenommene Prüfung eines erfinderischen Gehalts von hilfsweise verteidigten Patentansprüchen oder von Unteransprüchen als solchen durch Ausführungen zusammengefasst, die sich nur auf das zusätzlich zu der zuvor bereits bewerteten technischen Lehre hinzutretende Merkmal beschränkt haben (vgl. zuletzt etwa Urt. v. 17.11.2009 - X ZR 49/08; Urt. v. 12.01.2010 - X ZR 139/05; Urt. v. 9.2.2010 - X ZR 55/06; Urt. v. 23.03.2010 - X ZR 3/09). http://www.juris.de/jportal/portal/t/3fsd/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE154601301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 8 -
14
III. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. Kostenverzeichnis Nr. 1700 zum GKG.
Scharen Keukenschrijver Mühlens
Gröning Grabinski
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 30.11.2006 - 3 Ni 42/05 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 49/08 Verkündet am:
17. November 2009
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. November 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die
Richter Asendorf, Gröning, Dr. Berger und Dr. Grabinski

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 8. Januar 2008 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist Inhaber des am 23. September 1999 angemeldeten deutschen Patents 199 45 719 (Streitpatents). Das Streitpatent betrifft einen Hundefutterbeutel und umfasst elf Patentansprüche, die mit der Nichtigkeitsklage insgesamt angegriffen werden. Patentanspruch 1 lautet wie folgt: "Hundefutterbeutel zum Trainieren von Hunden, d a d u r c h g e - k e n n z e i c h n e t , dass der Beutel (1) eine längliche Form und eine in seiner Längsrichtung verlaufende, einen Verschluss aufweisende Öffnung (2) hat und dass an wenigstens einem Ende des Beutels (1) ein Band (6) mit einem Halteknopf (7) angebracht ist."
2
Wegen der weiteren auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 11 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
3
Der Kläger, der wegen Verletzung des Streitpatents vor dem Landgericht Düsseldorf gerichtlich in Anspruch genommen worden ist, hat mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht schutzfähig sei, da es sich bei diesem nicht um eine technische Erfindung handele und er nicht neu sei. Beutel in der Form, Größe und Art, wie in der Patentschrift beschrieben, seien seit Jahrzehnten bekannt und würden in unzähligen Varianten auf dem Markt angeboten. Hierzu hat der Kläger insbesondere auf handelsübliche Beutel zur Aufbewahrung von Stiften, Kameraobjektiven und Toilettenartikeln verwiesen, die dem Gegenstand des Streitpatents ähnlich seien. Darüber hinaus hat der Kläger eine offenkundige Vorbenutzung des patentgemäßen Futterbeutels durch einen Lieferanten des Beklagten behauptet. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig erklärt.
5
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Hilfsweise verteidigt er Patentanspruch 1 in folgenden Fassungen (Einfügungen kursiv), wobei sich die nachgeordneten Patentansprüche jeweils auf die geänderte Fassung des Patentanspruchs 1 zurückbeziehen sollen: Hilfsantrag 1: 1. Hundefutterbeutel zum Trainieren von Hunden, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Beutel (1) eine längliche Form und eine in seiner Längsrichtung verlaufende, einen Ver- schluss aufweisende Öffnung (2) hat und dass an wenigstens einem Ende des Beutels (1) ein Band (6) mit einem Halteknopf (7) angebracht ist, der Beutel (1) im gefüllten Zustand eine im Wesentlichen zylindrische Form mit kreisförmigen Endflächen (1b) hat und der Verschluss ein Reißverschluss (3) ist, wobei die Öffnungsrichtung des Reißverschlusses (3) von der Anbringungsstelle des Bandes (6) weggerichtet ist, und dass weiterhin der Verschluss einen Klettverschluss (5) umfasst.
Hilfsantrag 2: 1. Hundefutterbeutel zum Trainieren von Hunden, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Beutel (1) eine längliche Form und eine in seiner Längsrichtung verlaufende, einen Verschluss aufweisende Öffnung (2) hat und dass an wenigstens einem Ende des Beutels (1) ein Band (6) mit einem Halteknopf (7) angebracht ist, der Beutel (1) im gefüllten Zustand eine im Wesentlichen zylindrische Form mit kreisförmigen Endflächen (1b) hat und der Verschluss ein Reißverschluss (3) ist, wobei die Öffnungsrichtung des Reißverschlusses (3) von der Anbringungsstelle des Bandes (6) weggerichtet ist, und dass weiterhin der Verschluss einen Klettverschluss (5) umfasst, wobei der Beutel (1) im gefüllten Zustand über seine Länge einen im Wesentlichen gleich bleibenden Querschnitt hat und sich die Öffnung (2) über die gesamte Länge des Beutels (1) erstreckt.
Hilfsantrag 3: 1. Hundefutterbeutel zum Trainieren von Hunden, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Beutel (1) eine längliche Form und eine in seiner Längsrichtung verlaufende, einen Verschluss aufweisende Öffnung (2) hat und dass an wenigstens
einem Ende des Beutels (1) ein Band (6) mit einem Halteknopf (7) angebracht ist, der Beutel (1) im gefüllten Zustand eine im Wesentlichen zylindrische Form mit kreisförmigen Endflächen (1b) hat und der Verschluss ein Reißverschluss (3) ist, wobei die Öffnungsrichtung des Reißverschlusses (3) von der Anbringungsstelle des Bandes (6) weggerichtet ist, und dass weiterhin der Verschluss einen Klettverschluss (5) umfasst, wobei der Beutel (1) im gefüllten Zustand über seine Länge einen im Wesentlichen gleich bleibenden Querschnitt hat und sich die Öffnung (2) über die gesamte Länge des Beutels (1) erstreckt und wobei das Beutelmaterial ein widerstandsfähiges Baumwolloder Polyamidfasergewebe ist.
6
Der Kläger tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Berufung des Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Bundespatentgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig und das Streitpatent daher für nichtig zu erklären ist (§§ 22, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
8
I. 1. Das Streitpatent betrifft einen Hundefutterbeutel zum Trainieren von Hunden. Zur Erläuterung des Verwendungszwecks des Futterbeutels gibt die Streitpatentschrift eingangs als das wesentliche Ziel des Hundetrainings an, dass der Hund den Willen des Menschen akzeptiere. Hierzu könne der Jagdinstinkt des Tieres genutzt werden, indem dem Hund das Jagen unter der men- schlichen Führung erlaubt werde, wobei der Mensch die Beute in Form von Futter in einer geeigneten Form zur Verfügung stelle (Streitpatent, Sp. 1 Tz. 0002).
9
Als Stand der Technik zitiert die Streitpatentschrift eine Trainingsvorrichtung für Hunde nach der US-Patentschrift 5 706 762 in Form eines "Dummies", der in Gestalt eines Vogels einem potentiellen Beutetier nachgebildet ist. Hierzu hält die Beschreibung des Streitpatents fest, dass in der US-Patentschrift eine Befüllung des Dummies mit Futter nicht offenbart ist (Streitpatent, Sp. 1 Tz. 0003).
10
Demgegenüber bezeichnet es die Streitpatentschrift als Aufgabe der Erfindung , einen Futterbeutel für ein Hundetraining zu schaffen, der von dem Hund als Beute betrachtet, angenommen und erjagt werden kann, an dessen Inhalt das Tier aber nicht ohne menschliche Hilfe gelangt. Zudem soll der zur Verfügung zu stellende Futterbeutel gut handhabbar sein. Insbesondere soll der Beutel gut zu werfen sein und von dem Tier leicht aufgenommen werden können , und er soll diese Eigenschaften auch dann behalten, wenn er nur teilweise befüllt ist (Streitpatent, Sp. 1 Tz. 0004).
11
2. Hierzu soll durch das Streitpatent ein Futterbeutel zum Trainieren von Hunden zur Verfügung gestellt werden, für dessen Ausgestaltung in Patentanspruch 1 folgende Merkmale vorgeschlagen werden: 1. Der Beutel hat eine längliche Form und 2. eine in seiner Längsrichtung verlaufende Öffnung. 2.1 Die Öffnung weist einen Verschluss auf. 3. An wenigstens einem Ende des Beutels ist ein Band angebracht. 3.1 Das Band hat einen Halteknopf. http://www.juris.de/jportal/portal/t/vrs/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE304629001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/vrs/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE304629001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/vrs/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=BORE011590001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/vrs/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=BORE011590001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/vrs/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=MPRE048100864&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/vrs/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=MPRE048100864&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/vrs/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=MPRE048100864&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/vrs/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313602006&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/vrs/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313602006&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 7 -
12
Die in dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 enthaltene Charakterisierung des patentgemäßen Gegenstands als Beutel für Hundefutter und der dort weiter aufgenommene Zusatz "zum Trainieren von Hunden" sind keine unmittelbaren Merkmale der allein unter Schutz gestellten Vorrichtung, die im Rahmen der Hundeerziehung Anwendung finden kann und durch ihre Gestaltung das Training für den Menschen erleichtern soll. Diese Angaben stellen lediglich eine den Patentanspruch einleitende Zweckbestimmung des Beutels dar. Einer Zweckangabe kommt regelmäßig die Aufgabe zu, den durch das Patent geschützten Gegenstand dahin zu definieren, dass er nicht nur die räumlichkörperlichen Merkmale erfüllen, sondern auch so ausgebildet sein muss, dass er für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendbar ist (BGHZ 112, 140, 155 f. - Befestigungsvorrichtung II; Sen.Urt. v. 07.11.1978 - X ZR 58/77, GRUR 1979, 149, 151 - Schießbolzen; Urt. v. 2.12.1980 - X ZR 16/79, GRUR 1981, 259, 260 - Heuwerbungsmaschine II; Urt. v. 07.06.2006 - X ZR 105/04, GRUR 2006, 923 Tz. 15 - Luftabscheider für Milchsammelanlage; BGH, Urt. v. 28.05.2009 - Xa ZR 140/05, GRUR 2009, 837 Tz. 15 - Bauschalungsstütze). Dies bedeutet im Streitfall etwa, dass der patentgemäße Beutel so gestaltet sein muss, dass er zur Aufnahme von Hundefutter geeignet ist, vom Hund wie eine Jagdbeute betrachtet werden kann und sich zum Hundetraining eignet.
13
Nach der Streitpatentbeschreibung ist die Form des Beutels (Merkmal 1) so ausgebildet, dass ein Hund ihn gut aufnehmen kann (Streitpatent, Sp. 1 Tz. 0005). Die verschließbare Öffnung (Merkmale 2, 2.1) dient dazu, dem Tier den Futterinhalt des Beutels dosiert und unter Erhaltung der Beutefunktion gegebenenfalls wiederholt zugänglich zu machen. Das Band mit Halteknopf (Merkmale 3, 3.1) dient dazu, den gefüllten Beutel mühelos eine erhebliche Strecke wegzuschleudern (Streitpatent, Sp. 1 Tz. 0005, 0011 u. 0015). Darüber hinaus wird nach Darstellung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung durch das Band erleichtert, dass der Beutel statt mit einer über den Kopf ausholenden Wurfbewegung auch mit seitwärts bzw. zum Boden gerichteten Arm weggeschleudert werden kann; auf diese Weise soll sich vermeiden lassen, dass der Hund nicht reflexartig sofort mit der Wurfbewegung, sondern erst auf gesondertes Kommando losläuft, um den Beutel zu apportieren.
14
Weitere Ausgestaltungen wie etwa das zur Herstellung des Beutels zu dessen Schutz vor dem Hundebiss zu verwendende Material, für das die Streitpatentbeschreibung beispielhaft widerstandsfähiges Baumwoll- oder Polyamidfasergewebe vorschlägt (Streitpatent, Sp. 2 Tz. 0012), werden in der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 nicht unter Schutz gestellt.
15
Ein Ausführungsbeispiel des patentgemäßen Futterbeutels illustriert die einzige in der Streitpatentschrift enthaltene und nachstehend verkleinert wiedergegebene zeichnerische Darstellung:
16
Das Beispiel zeigt dabei eine Ausbildung des Futterbeutels (1) in der bevorzugten Ausführungsform, wie sie u.a. durch die Unteransprüche 3, 4, 5, 7 und 9 gekennzeichnet wird, wonach der Beutel eine im wesentlichen zylindrische Form mit kreisförmigen Endflächen (1b) aufweist, die Öffnung (2) sich über die gesamte Länge des Beutels erstreckt und der Verschluss durch einen Reißverschluss (3) gebildet wird und einen parallel zur Reißverschlussöffnung liegenden Klettverschluss (5) umfasst, der dazu dient, eine Verschmutzung oder Beschädigung des Reißverschlusses zu vermeiden. Weiter ist bei dieser http://www.juris.de/jportal/portal/t/1evi/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=MPRE025440664&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1evi/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=MPRE025440664&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 9 - Ausführungsform vorgesehen, dass das Band (6) schlingenförmig ausgebildet und an beiden Seiten der Reißverschlussöffnung am Ende des Beutels in die Naht (1c) eingenäht ist, wobei das Band durch zwei Bohrungen (7a) des länglich ausgebildeten Halteknopfs geführt wird.
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II. 1. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, weil dessen Gegenstand nicht neu sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die offenkundige Vorbenutzung des Hundesfutterbeutels durch die Hundeschule des Zeugen K. mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 erwiesen. Vor dem Zeitrang des Streitpatents sei der Hundefutterbeutel für den Zeugen K. bereits in größerer Stückzahl durch eine Kundin der Hundeschule, die Zeugin Kr. , gefertigt worden. Der damit gegenüber dem Zeitrang des Streitpatents präexistente Futterbeutel sei als Stand der Technik zu betrachten, da er ebenfalls vor der Anmeldung des Streitpatents der Öffentlichkeit dadurch zugänglich gemacht worden sei, dass der Zeuge K. die Futterbeutel über seine Hundeschule verkauft habe.
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2. Die Angriffe der Berufung gegen diese Beurteilung bedürfen keiner Erörterung. Es kann dahinstehen, ob die Lehre des Streitpatents aufgrund offenkundiger Vorbenutzung bereits neuheitsschädlich getroffen ist. Denn diese Lehre war im Stand der Technik jedenfalls nahegelegt, so dass sie nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gelten kann (§ 4 Satz 1 PatG).
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a) Maßgeblicher Durchschnittsfachmann ist, wer üblicherweise mit einschlägigen Entwicklungsarbeiten auf dem jeweiligen technischen Fachgebiet betraut ist, und nicht der Anwender, Interessent, Abnehmer oder Auftraggeber des beanspruchten Gegenstands, der dem Fachmann allerdings Anregungen geben kann (vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 4 Rdn. 126 m.w.N.; Asendorf/Schmidt in Benkard, PatG u. GebrMG, 10. Aufl. § 4 PatG Rdn. 36; zu Bsp. aus der Rspr. vgl. BGH, Urt. v. 05.11.1964 - Ia ZR 152/63, GRUR 1965, http://www.juris.de/jportal/portal/t/1evi/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=MPRE025440664&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 10 - 138, 141 - Polymerisationsbeschleuniger; Sen.Urt. v. 17.09.2002 - X ZR 1/99; Urt. v. 11.12.2007 - X ZR 57/03; BGH, Urt. v. 18.06.2009 - Xa ZR 138/05 - Fischbissanzeiger). Hier ist Durchschnittsfachmann somit nicht ein Hundetrainer. Interessiert sich ein Hundetrainer für die Entwicklung eines als Trainingsmittel zu verwendenden Futterbeutels, wird er das hiermit verbundene technische Problem, da sich ein für diese Aufgabenstellung gerüsteter Spezialistenkreis ersichtlich nicht herausgebildet hat, an eine ihm im Einzelfall geeignet erscheinende , technisch versierte Person herantragen. Ohne dass hierzu aufgrund der mündlichen Verhandlung genauer eingrenzende Feststellungen getroffen werden konnten, ist als maßgeblicher Fachmann im Streitfall deshalb ein Praktiker auf dem Gebiet der Textilverarbeitung anzusehen, der von einem Hundetrainer mit dem zu lösenden technischen Problem vertraut gemacht worden ist und der die hierzu von seinem Auftraggeber erhaltenen Vorgaben zu berücksichtigen hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.07.2009 - Xa ZR 22/06 - Dreinahtschlauchfolienbeutel). Als Praktiker besitzt er - beispielsweise aufgrund seiner Tätigkeit in einem handwerklichen Gewerbebetrieb - Erfahrungen mit der Entwicklung und Herstellung von Taschen, Beuteln und ähnlichen Behältnissen aus Textilien.
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b) Ein solcher Fachmann hatte ebenso wie sein Auftraggeber, bei dem er sich gegebenenfalls über die spezifischen Bedürfnisse des Hundetrainings informiert , mit den auf dem Markt gängigen Beuteln etwa zur Aufbewahrung von Schreibutensilien Vorbilder, die Anlass zur Auffindung gerade der patentgemäßen Lösung hätten sein können. Gegenüber den gestalterischen Merkmalen der ihm zur Verfügung stehenden handelsüblichen Beutel tritt bei der patentgemäßen Vorrichtung lediglich ein am Ende des Beutels angebrachtes Band mit Halteknopf hinzu (Merkmalsgruppe 3).
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Ein damit verbundener Rückgriff auf die ihm bekannte technische Formgestaltung derartiger Gebrauchsgegenstände hat für den Fachmann auch nahegelegen. So waren herkömmliche Schreibetuis und sog. "Schlampermäppchen" , die mit Hundefutter gefüllt worden sind, im Streitfall dem eigenen in der mündlichen Verhandlung bestätigten Vorbringen des Beklagten zufolge in dessen Hundeschule schon vor der Entwicklung des patentgemäßen Futterbeutels als Trainingsvorrichtung für Hunde verwendet worden. Auch in der Hundeschule des von dem Kläger im erstinstanzlichen Verfahren benannten Zeugen K. hatten mit Hundefutter gefüllte Federmappen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Patentgericht, dem der Beklagte mit seiner Berufung insoweit nicht entgegengetreten ist, als Simulation einer vom Hund zu erjagenden und zum Hundetrainer zu apportierenden Jagdbeute Verwendung gefunden. Zudem fand sich auch in der Fachliteratur, die für den Anwenderkreis von Hundetrainings -Vorrichtungen einschlägig ist, der Hinweis, dass zum Training des Apportierens auch mit Hundefutter gefüllte Beutel verwendet werden könnten. In dem Buch "Der Wolf im Hundepelz" des Autors Günther Bloch, das der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat, ist in der vor Anmeldung des Streitpatents erschienenen zweiten Auflage aus dem Jahr 1998 auf Seite 109 davon die Rede, dass ein Hund bei der Jagdsimulation auf ein Hilfsmittel konzentriert werden könne, indem etwa ein Tabakbeutel mit "Leckerlies" gefüllt werde.
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Die offensichtliche Eignung herkömmlicher Schreibetuis zum Einsatz als Trainingsvorrichtung folgt nicht nur aus deren äußerer Formgebung, die ihre Aufnahme durch einen Hund erleichtert, sondern auch aus deren Funktion als verschließbare Aufbewahrungsbehältnisse, die - abgesehen von ihren Wurfeigenschaften - sämtliche Vorgaben des nach der Streitpatentschrift zu lösenden technischen Problems erfüllen. Danach ergeben sich allein aus der unterschiedlichen Zweckbestimmung der handelsüblichen zur Aufbewahrung etwa von Stiften bekannten Beutel und des zu konstruierenden Futterbeutels als Trainingsin- struments keine durchgreifende Zweifel daran, dass der Fachmann den Nutzen länglich geformter Schreibetuis als Vorbild zur Entwicklung eines Futterbeutels mit bestimmten Eigenschaften zur Verbesserung einer Vorrichtung der Hundeerziehung erkennt und als seinen Ausgangspunkt zur Lösung des technischen Problems wählt.
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c) Der aus der einzig zusätzlichen Merkmalsgruppe 3 sich ergebende Vorteil einer Verbesserung der Wurfeigenschaft des Beutels hat sich als anzustrebendes Ziel für den Fachmann schon aus der in der Patenbeschreibung angeführten Problemstellung ergeben, wonach die Vorrichtung zum Trainieren des Apportierens möglichst weit weg geschleudert werden muss. Gleiches gilt für die von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläuterte weitere Zweckbestimmung des Bandes, eine Wurfbewegung mit seitwärts bzw. nach unten gerichtetem Arm zu erleichtern, die beim Hund noch keinen Reflex zum Loslaufen auslöse. Insoweit bedurfte es lediglich technischen Allgemeinwissens , um die prinzipielle Idee zu entwickeln, den bekannten Beutel zweckmäßigerweise mit einem Band zu versehen. Bei Zugrundelegung dieser Idee musste sich für den Fachmann des Weiteren geradezu aufdrängen, am Ende des Bandes auch einen Halt vorzusehen, der ein Erfassen des Beutels beim Wegschleudern erleichtert.
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Eine entsprechende Lösung bei einer Trainingsvorrichtung für Hunde ist auch bereits beschrieben gewesen durch die in der Streitpatentschrift als Stand der Technik zitierte US-Patentschrift 5 706 762. Dort ist eine Attrappe ("Dummy" ) in Gestalt eines (Wasser-)Vogels, die von den vier Abbildungen der Patentschrift dargestellt wird, mit einer durch ihren Körper verlaufenden Schnur (18) gezeichnet, die über den Austritt am Schwanzende hinaus verlängert ist und damit einen Griff bietet, um die Vorrichtung wegzuschleudern. Bei dieser Ausführungsform ist die Schnur an ihrem Ende zu einem Knoten (28) abgebunden , der für zusätzlichen Halt beim Wurf sorgen soll. Diese bereits aus der Il- lustration der Trainingsvorrichtung zu entnehmende Funktion der am hinteren Ende der Attrappe befindlichen Schnur ist ebenfalls in der Beschreibung der bevorzugten Ausführungsform des US-Patents erläutert (vgl. Sp. 2 Tz. 54-62; Sp. 3 Tz. 28-31; Sp. 5 Tz. 48-54).
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Damit war vom Fachmann nur noch eine konstruktive Umsetzung der Idee gefordert, an dem als Vorbild bekannten Beutel ein Band mit einer Haltevorrichtung anzubringen, für die die zweckmäßige Verwendung eines Knopfes auf der Hand lag. Derartiges verlangte jedoch nur eine Vornahme handwerklicher Maßnahmen, die keine erfinderische Tätigkeit begründen (vgl. Busse/ Keukenschrijver, aaO Rdn. 135 m.w.N.; Asendorf/Schmidt, aaO Rdn. 63 m.w.N.).
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3. Die hilfsweise verteidigten Fassungen des Patenanspruchs 1 führen zu keiner abweichenden Beurteilung.
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Nach Hilfsantrag 1 sollen in den Patentanspruch 1 die Merkmale der erteilten Unteransprüche 3 und 5 bis 7 aufgenommen werden. Hierbei handelt es sich teils um selbstverständliche, teils um nahe liegende nähere Ausgestaltungen der durch den Stand der Technik nahegelegten Lehre nach Patentanspruch 1; für einen eigenständigen erfinderischen Gehalt dieser Ausführungen ist nichts ersichtlich und auch nichts geltend gemacht. So entspricht die aus Unteranspruch 3 entnommene im Wesentlichen zylindrische Form des Beutels mit kreisförmigen Endflächen der bereits bekannten Formgebung herkömmlicher Schreibetuis im gefüllten Zustand. Derartige Behältnisse werden üblicherweise auch mit einem Reißverschluss verschlossen, wie er aus Unteranspruch 5 aufgenommen werden soll. Mit der aus Unteranspruch 6 entnommenen Öffnungsrichtung des Reißverschlusses ist die zweckmäßigere der beiden alternativen Öffnungsrichtungen gewählt worden (Streitpatent, Sp. 2 Tz. 0008). Die aus Unteranspruch 7 entnommene Anbringung eines zusätzlichen Klettver- schlusses zum Schutz des Reißverschlusses (Streitpatent, Sp. 2 Tz. 0014) erfordert nur handwerkliche Fähigkeiten; die Überlegung, den Reißverschluss durch einen diesen überdeckenden Verschluss zu schützen, hat sich wegen des Verwendungszwecks des Behältnisses, das Hundebissen standhalten muss, dem Fachmann aufgedrängt. Auch in ihrer Kombination weisen die zusätzlichen Merkmale keinen erfinderischen Gehalt auf.
28
Gleiches gilt für die mit den Hilfsanträgen 2 und 3 verteidigte Fassung des Streitpatents. Nach Hilfsantrag 2 soll die vorgenannte Merkmalszusammenfassung um die Merkmale aus den Unteransprüchen 2 und 4 ergänzt werden, wonach der Beutel im gefüllten Zustand über seine Länge einen im Wesentlichen gleich bleibenden Querschnitt hat und sich die Öffnung über die gesamte Länge des Beutels erstreckt. Hilfsantrag 3 ergänzt die Merkmalszusammenfassung um die genannte der Patentbeschreibung entnommene Materialangabe (Streitpatent, Sp. 2 Tz. 0012). Auch insoweit handelt es sich um triviale Ausführungen , für die dem Fachmann etwa in Gestalt herkömmlicher Schreibetuis Vorbilder bekannt gewesen sind.
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4. Die übrigen erteilten Unteransprüche betreffen ebenfalls nur nähere Ausgestaltungen der Vorrichtung nach Patentanspruch 1, die erfinderische Qualität nicht erkennen lassen. Eine solche wird von dem Beklagten auch nicht geltend gemacht.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 97 Abs.1 ZPO.
Scharen Asendorf Gröning
Berger Grabinski
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.01.2008 - 4 Ni 7/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 139/05 Verkündet am:
12. Januar 2010
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die Richter
Gröning, Dr. Berger, Dr. Bacher und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 20. April 2005 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 769 262 (Streitpatents), das am 15. Oktober 1996 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der deutschen Gebrauchsmusteranmeldungen 295 16 629 vom 20. Oktober 1995 und 296 01 805 vom 3. Februar 1996 angemeldet worden ist. Das Streitpatent betrifft eine Gefriertruhe und eine Abdeckhaube zum Nachrüsten einer solchen Gefriertruhe und umfasst zwölf Patentansprüche.
2
Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch: "Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) vorgesehen sind, wobei über dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit Zugriffsöffnung vorgesehen ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlwaren aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, und dass der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (18) und dem KaltluftAuslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42, 42') oberhalb einer Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,2 m/s ist."
3
Wegen der übrigen unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen. Patentanspruch 11, auf den sich Unteranspruch 12 zurückbezieht, schützt gesondert eine "Abdeckhaube zum Nachrüsten einer oben offenen Gefriertruhe nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1", wobei dieser unabhängige Nebenanspruch die vorgenannten kennzeichnenden Merkmale der Abdeckhaube aus Patentanspruch 1 wiederholt.
4
Der Kläger, der von der Beklagten wegen Patentverletzung in Anspruch genommen worden ist, hat sich mit seiner Nichtigkeitsklage gegen die Patentansprüche 1 bis 7 sowie 11 und 12 gewendet und geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents im angegriffenen Umfang nicht patentfähig sei, da er weder neu sei noch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Er hat hierzu die bereits im Erteilungsverfahren gewürdigte französische Patentschrift 941 248 (K2) angeführt und sich des Weiteren insbesondere auf die deutsche Patentschrift 914 013 (K7) sowie auf den Zeitschriftenbeitrag "Dämmt den Wärme/Kälte-Durchgang" in Glaswelt 2/1994 S. 49 (K11) berufen.
5
Die Beklagte hat Klageabweisung begehrt und das Streitpatent hilfsweise mit mehreren geänderten Fassungen verteidigt.
6
Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
7
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent zuletzt nur noch in folgender Fassung verteidigt (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung kursiv): "1. Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) zur Bildung einer Kühlströmung vorgesehen sind, wobei über dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit einer Zugriffsöffnung vorgesehen ist, und die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass jeder der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (18) und dem KaltluftAuslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42, 42') oberhalb der Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass (18) und dem KaltluftAuslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,1 m/s ist, dass der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) derart angeordnet ist, dass das ruhende Luftvolumen (42, 42') auch bei kurzzeitig geöffnetem Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) im Wesentlichen erhalten bleibt und dass mindestens einige der transparenten Scheiben (26-28, 30-32) der Abdeckhaube (11, 12) an ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung aufweisen."
8
Mit dem letztgenannten Merkmal ist der erteilte Patentanspruch 4 in Patenanspruch 1 aufgenommen worden, sodass sich infolge der Reduzierung der Zahl der nachgeordneten Ansprüche deren Nummerierung entsprechend verschiebt. Nunmehr wird die "Abdeckhaube zum Nachrüsten einer oben offenen Gefriertruhe" von dem unabhängigen Patentanspruch 10 erfasst, dessen Wortlaut der abgeänderten Fassung des Patentanspruchs 1 entsprechend angepasst worden ist.
9
Die Beklagte stellt ferner drei Hilfsanträge mit modifizierten Fassungen des Patentanspruchs 1, wobei sich die nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 9 jeweils auf die geänderte Fassung des Patentanspruchs 1 zurückbeziehen sollen und Nebenanspruch 10 jeweils eine entsprechende Abänderung erfährt.
10
Nach Hilfsantrag 1 verteidigt die Beklagte das Streitpatent in folgender Fassung (Änderung gegenüber Hauptantrag unterstrichen): "1. Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) zur Bildung einer Kühlströmung vorgesehen sind, wobei über dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit einer Zugriffsöffnung vorgesehen ist und die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass jeder der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (18) und dem KaltluftAuslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42, 42') oberhalb der Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass (18) und dem KaltluftAuslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,1 m/s ist, dass der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) derart angeordnet ist, dass das ruhende Luftvolumen (42, 42') auch bei kurzzeitig geöffnetem Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) im Wesentlichen erhalten bleibt, dass jede transparente DeckelScheibe einscheibig ausgebildet ist und dass mindestens einige der transparenten Scheiben (26-28, 30-32) der Abdeckhaube (11, 12) an ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung aufweisen."
11
Nach Hilfsantrag 2 verteidigt die Beklagte den Patentanspruch 1 mit folgender Abänderung (Änderung gegenüber Hauptantrag unterstrichen): "1. Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) zur Bildung einer Kühlströmung vorgesehen sind, wobei über dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit einer Zugriffsöffnung vorgesehen ist und die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Strömungsgeschwindigkeit der Kühlströmung (41, 41') zwischen 0,3 und 0,8 m/s eingestellt und jeder der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft -Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42, 42') oberhalb der Kühlströmung zwischen dem KaltluftEinlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,1 m/s ist, dass der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) derart angeordnet ist, dass das ruhende Luftvolumen (42, 42') auch bei kurzzeitig geöffnetem Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) im Wesentlichen erhalten bleibt und dass mindestens einige der transparenten Scheiben (26-28, 30-32) der Abdeckhaube (11, 12) an ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung aufweisen."
12
Nach Hilfsantrag 3 sollen in Patentanspruch 1 die beiden in den Hilfsanträgen 1 und 2 vorgesehenen zusätzlichen Merkmale kumulativ enthalten sein.
13
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Streitpatent in der mit dem Hauptantrag, hilfsweise in der mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassung, aufrechtzuerhalten und insoweit die Klage abzuweisen.
14
Der Kläger tritt dem Rechtsmittel entgegen.
15
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. H. Q. , Technische Universität D. , Institut für Energietechnik, ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


16
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Nachdem die Beklagte das Streitpatent zulässigerweise nur noch in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Berufungsantrags verteidigt, ist es, soweit es nicht mehr verteidigt wird, ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr., vgl. etwa BGHZ 170, 215 - Carvedilol II). Im noch verteidigten Umfang fehlt dem Gegenstand des Streitpatents die Patentfähigkeit, da er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56, 138 Abs. 1 Buchst. a, EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG).
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I. 1. Das Streitpatent betrifft eine Gefriertruhe mit einem von oben zugänglichen Kühlraum, der durch eine Umwälzkühlung gekühlt wird, und eine Abdeckhaube zum Nachrüsten einer solchen Gefriertruhe. Die Beschreibung des Streitpatents gibt an, dass im Stand der Technik insbesondere bei Gefriertruhen mit großen Öffnungen der Kühlraum durch Umwälzkühlung gekühlt werde. Die Kaltluft gelange dabei durch einen Kaltluft-Einlass in der Kühlraumwand in den Kühlraum. An der gegenüberliegenden Kühlraumwand befinde sich ein Luftauslass, durch den Luft angesaugt und einer Luftkühlvorrichtung zugeführt werde, welche die Kaltluft erzeuge. Die an der Oberseite des Kühlraums strömende Kaltluft bilde einen unsichtbaren Vorhang gegen die Umgebungsluft und fülle den Kühlraum von oben, also genau dort, wo die größten Kälteverluste auftreten würden. Um- gebungsluft werde von der Kaltluftströmung mitgenommen, weshalb keine Umgebungsluft und keine Feuchtigkeit in den Kühlraum gelangten. Allerdings müsse die Umgebungsluft auf Tiefkühltemperatur abgekühlt werden, was viel Kühlenergie erfordere. Außerdem kondensiere die Feuchtigkeit an der Luftkühlvorrichtung, die daher häufig abgetaut werden müsse, was wiederum Heizenergie verbrauche.
18
2. Das Streitpatent soll deshalb eine Vorrichtung angeben, mit der sich der Energieverbrauch einer Gefriertruhe wesentlich verringern lässt.
19
Hierzu schlägt das Streitpatent in dem mit dem Hauptantrag verteidigten Patentanspruch 1 eine mit einer Abdeckhaube versehene Gefriertruhe vor, die folgende Merkmale aufweist: 1. Die Gefriertruhe verfügt über
a) mindestens einen von oben zugänglichen und
b) durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum;
c) in dessen Wänden ein Kaltluft-Einlass und ein Kaltluft-Auslass zur Bildung einer Kühlströmung vorgesehen sind. 2. Über dem Kühlraum ist eine Abdeckhaube mit einer Zugriffsöffnung vorgesehen. 3. Die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube
a) ist mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel verschlossen,
b) der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum geöffnet werden kann. 4. Jeder der Deckel
a) ist jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass angeordnet, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen oberhalb einer Kühlströ- mung zwischen dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass bildet,
b) dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,1 m/s ist,
c) wobei der Deckel derart angeordnet ist, dass das ruhende Luftvolumen auch bei geöffnetem Deckel im Wesentlichen erhalten bleibt. 5. Mindestens einige der transparenten Scheiben der Abdeckhaube weisen an ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung auf.
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Diese Lehre des Streitpatents gilt hauptsächlich der Gestaltung und Anordnung einer Abdeckhaube für Gefriertruhen. Die Abdeckhaube soll so hoch über den Kaltluft-Einlass hinausragen, dass sich oberhalb der jeweiligen Kühlströmung zwischen Kaltluft-Einlass und -Auslass ein (im Wesentlichen) ruhendes Luftvolumen bildet. Dieses Luftkissen soll einerseits wärmeisolierend wirken und andererseits verhindern, dass die Kaltluft mit Scheiben der Abdeckhaube in Berührung kommt. Das soll dazu beitragen, dass die Scheiben nahezu auf Umgebungstemperatur gehalten werden können, so dass sich an ihrer Außenseite kein Kondensat niederschlägt (Streitpatent, Sp. 2 Tz. 0008). Der Erreichung dieses Ziels dient zudem der Vorschlag einer die Wärmestrahlung reflektierenden Beschichtung mindestens einiger der transparenten Scheiben an ihrer Innenseite. Dadurch soll die Wärmeabstrahlung in den Kühlraum hinein wesentlich verringert werden. Gleichzeitig absorbiert die unbeschichtete Außenseite die aus dem Raum kommende Wärmestrahlung, wodurch die betreffenden Scheiben der Abdeckhaube erwärmt und eine Kondensatbildung verhindert wird (Streitpatent, Sp. 3 Tz. 0014). Wenn die zur Umgebungstemperatur abdichtende Abdeckhaube geschlossen ist, gelangt keine Feuchtigkeit in den Kühlkreislauf. Daher kondensiert erheblich weniger Feuchtigkeit an der Luftkühlvorrichtung, so dass sie auch viel seltener abgetaut werden muss (Streitpatent, Sp. 2 Tz. 0009). Die Anordnung des die Zugriffsöffnung verschließenden Deckels in einer Höhe, die unter- halb des Deckels die Bildung eines Luftkissens zulässt, bietet auch den Vorteil, dass bei Öffnung des Deckels zur Entnahme von Tiefkühlware das stehende Luftvolumen im Wesentlichen erhalten bleibt, da es kälter ist als die Umgebungsluft und daher nicht aufsteigt (Streitpatent, Sp. 2 Tz. 0010).
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Ein Ausführungsbeispiel der patentgemäßen Gefriertruhe zeigen die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Zeichnungen, von denen Figur 1 des Streitpatents eine perspektivische Darstellung einer Gefriertruhe mit einer quaderförmigen Abdeckhaube an ihrer Stirnseite sowie mehreren doppelt pultförmigen Abdeckhauben gibt und die Figuren 2 und 3 des Streitpatents Querschnitte einer quaderförmigen und einer pultförmigen Abdeckhaube abbilden:
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II. Das Patentgericht hat zur Patentfähigkeit ausgeführt, dass die Gefriertruhe nach Patentanspruch 1 der erteilten Fassung und auch die Abdeckhaube nach dem nebengeordneten Anspruch zwar neu sein mögen, es darauf aber nicht ankomme, da der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem in der Entgegenhaltung K7 (deutsche Patentschrift 914 013) beschriebenen Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Aus der K7 sei eine Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen Kühlraum bekannt, der durch eine Umwälzkühlung gekühlt werde und in dessen Wand ein Kaltluft-Einlass und ein Kaltluft-Auslass vorgesehen seien. Über dem Kühlraum sei eine aus Türen bestehende Abdeckhaube mit Zugriffsöffnung vorgesehen. Demgegenüber verblieben die Merkmale eines die Zugriffsöffnung verschließenden Deckels, der zur Entnahme von Ware geöffnet werden könne und der in solcher Höhe angeordnet sei, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen bilde, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer sei als (die in der erteilten Fassung des Patents angegebenen) 0,2 m/s. Diese Unterschiede könnten die Patentfähigkeit jedoch nicht stützen. So werde ein Fachmann aufgrund seines Wissens und Könnens allein schon deshalb einen - hinsichtlich der Verkaufssituation zweckmäßigerweise als transparente Scheibe ausgebildeten - Deckel vorsehen, der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum geöffnet werden könne und sonst die Zugriffsöffnung verschließe, um das Eindringen von Feuchtigkeit aus der Umgebung und damit das Vereisen der Kühlanlage zu verhindern. Im Übrigen sei ihm das Vorsehen eines solchen Deckels beispielsweise aus der mit dem Sachverhalt in K7 Figur 3 vergleichbaren K2 (französische Patentschrift 941 248) bekannt, wo beschrieben sei, dass die dortige Öffnung u.a. mit einer oder mehreren Schiebetüren ("guichets coulissantes") verschlossen werden kann, um Wirbel bzw. Strudel ("tourbillons") in der Nähe der Kühlluftschicht ("couche d’air froid") zu verhindern. Wenn der Fachmann in der in K7 Figur 3 dargestellten Kühltruhe die Zugriffsöffnung 38 mit einem Deckel verschließe, so sei dieser Deckel konstruktionsbedingt in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft -Auslass angeordnet, dass sich unter ihm zwangsläufig ein Luftvolumen oberhalb der Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass bilde, das im Wesentlichen ruhe. Denn erstens verhindere die mit dem Deckel verschlossene Abdeckhaube eine konvektive Bewegung des Luftvolumens durch Strömung von außen. Und zweitens werde auch die Kühlluftströmung der Umwälzkühlung keine wesentliche Strömungsgeschwindigkeit in dem darüber liegenden Luftvolumen erzeugen. In der K7 sei nämlich ausgeführt, dass die Strömungsgeschwindigkeit so begrenzt oder berechnet sei, dass sich eine in Bewegung befindliche Kaltluftschicht ausbildet. Da diese Kühlluft viel schwerer sei als die Umgebungsluft, gebe es keine Tendenz, dass sie nach oben ausweiche und sich mit der wärmeren Luft darüber vermische. Dabei sei es des Weiteren sehr wichtig, die Strömungsgeschwindigkeit genau festzulegen, nämlich einerseits schnell genug, um eine ausreichende Kühlwirkung zu erzielen und andererseits - und darauf komme es in diesem Zusammenhang an - langsam genug, dass die Vermischung mit der wärmeren Luft darüber vermieden werde. Schließlich sei in K7 dargelegt, dass aufgrund der unterschiedlichen Dichte von kalter und warmer Luft die Abgrenzung zwischen der Kaltluftschicht und der umgebenden - darüber liegenden - Luftschicht von höherer Temperatur sehr scharf sei. Daraus erschließe sich dem Fachmann ohne weiteres, dass das Luftvolumen oberhalb der Kühlluftströmung - bis auf eine geringfügige laterale Mitnahme der Randschicht des wärmeren Luftvolumens an der Grenze zur Kühlluftströmung durch Reibung - im Wesentlichen ruhen solle. Nachdem der Fachmann die Bedeutung eines ruhenden Luftvolumens zur Vermeidung von Kühlverlusten durch Vermischung der kalten und wärmeren Luftmassen erkannt habe, werde er selbstverständlich im Idealfall eine Luftgeschwindigkeit von 0 m/s anstreben. Im Realfall werde er im Rahmen zumutbarer Untersuchungen herausfinden, welche - geringen - Luftgeschwindigkeiten in dem Luftvolumen oberhalb der Kühlluftströmung durch die laterale Mitnahme gerade noch tolerierbar seien, damit es nicht zu einer Rückvermischung in die Kühlluftströmung hinein komme. Für die im Unteranspruch 4 der erteilten Fassung angegebene Maßnahme (einer wärmereflektierenden Beschichtung der transparenten Scheiben) finde der Fachmann Anregung etwa in der Druckschrift "Dämmt den Wärme/Kälte-Durchgang" in Glaswelt 2/1994.
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III. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Patentgericht zu Recht erkannt, dass sich die Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 für den Fachmann in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergab; der Senat tritt insoweit dem vom Patentgericht gefundenen Ergebnis bei. Die Beklagte hat nunmehr nach ihrem Hauptantrag mit dem zusätzlichen Merkmal 5 die in der erteilten Fassung in Unteranspruch 4 geschützte Ausführungsform, mit der Abänderung des Merkmals 4b zusätzlich eine in der Patentbeschreibung offenbarte bevorzugte Ausführungsform (Streitpatentschrift, Sp. 7 Tz. 0034 Z. 5 f.) sowie ferner mit dem zusätzlichen Merkmal 4c eine Anordnung mit dem in der Patentbeschreibung offenbarten Vorteil (Streitpatentschrift, Sp. 2 Tz. 0010 Z. 47-50) in eine Neufassung des Patentanspruchs 1 aufgenommen und hierdurch den Schutzbereich des erteilten Patents jeweils und insgesamt in einer unter dem Gesichtspunkt des Art. 138 Abs.1 Buchst. d EPÜ zulässigen Weise beschränkt. Auch damit hat die Berufung indes keinen Erfolg. Hierfür kann die von dem Kläger bestrittene Priorität der Anmeldungen vom 20. Oktober 1995 und vom 3. Februar 1996 ebenso dahinstehen wie das von dem Kläger geltend gemachte Klarheitsbedenken gegen die im zusätzlichen Merkmal 4c enthaltenen Kriterien "kurzzeitig" und "im Wesentlichen". Denn die Lehre des Streitpatents kann auch in der nunmehr hauptsächlich verteidigten Fassung nicht als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend gelten.
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1. Als maßgeblicher Fachmann ist in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen ein handwerklich ausgebildeter Kältetechniker anzusehen , der bei seiner Tätigkeit in der Entwicklung von Kühltruhen, mit denen sich sowohl Großunternehmen als auch mittelständische Unternehmen für Zubehör befassten, der Leitung eines Diplomingenieurs unterstand. Er besaß von seiner Tätigkeit her auch gewisse Kenntnisse und Erfahrungen über Wärmeübertragung durch Umgebungsstrahlung und kannte mit der Funktion einer Kältemaschine auch die Einflussgrößen auf deren Energieverbrauch.
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2. Ein solcher Fachmann wusste, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat, dass herkömmliche Tiefkühltruhen mit Umluftkühlung so hohe Seitenwände hatten, dass sich auch ohne Abdeckung schon wenige Zentimeter oberhalb der Kaltluftströmung ein ruhendes isolierendes Luftvolumen einstellte. Auch war dem Fachmann die Möglichkeit vertraut, die Tiefkühltruhe zur Reduzierung des Energieverbrauchs mit einer Abdeckung zu versehen, die - für ihn selbstverständlich - nicht in unmittelbarer Nähe der Kaltluftströmung, sondern entsprechend der Höhe der Truhenwände über dem ruhenden Luftvolumen anzuordnen war; außerhalb der Geschäftszeiten war eine solche Abdeckung von Verkaufstiefkühltruhen bereits gebräuchlich. Aus dem deutschen Gebrauchsmuster 295 09 700 (K3) war dem Fachmann zudem bekannt, dass eine Abdeckung praktischerweise mit Schiebedeckeln konstruiert werden konnte, wobei die Abdeckeinheit vorzugsweise aus durchsichtigem Material, insbesondere aus Glas oder Kunststoff, bestehen sollte, um dem Kunden zu ermöglichen, sich über den Inhalt der Tiefkühltruhe zu informieren, ohne sie zu öffnen (K3, S. 4 Z. 30-34).
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Überdies fand der Fachmann im druckschriftlichen Stand der Technik auch ein Vorbild für eine haubenförmige Ausgestaltung der Abdeckvorrichtung, unter der sich ein ruhendes Luftvolumen bilden kann, das beim Öffnen der Deckel im Wesentlichen erhalten bleibt. Ihm war aus der französischen Patentschrift 941 248 (K2) jene gattungsgemäße Gefriertruhe bekannt, die eingangs der Streitpatentschrift als den Stand der Technik kennzeichnend abgehandelt worden ist. Die Merkmale der in der Entgegenhaltung K2 offenbarten Gefriertruhe stimmen weitgehend mit denen der teilweise identisch beschriebenen Vorrichtung derselben Erfinder aus der deutschen Patentschrift 914 013 (K7) überein, deren Lehre das Patentgericht als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen hat. Für den Fachmann waren in der Entgegenhaltung K2 mit Ausnahme der durch Merkmal 5 vorgeschlagenen reflektierenden Beschichtung der transparenten Scheiben alle übrigen Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents offenbart.
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Die Beklagte stellt dies nur hinsichtlich der Merkmale 4a und 4c in Abrede, wonach jeder der Deckel jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen oberhalb einer Kühlströmung zwischen dem KaltluftEinlass und dem Kaltluft-Auslass bildet, und das ruhende Luftvolumen auch bei geöffnetem Deckel im Wesentlichen erhalten bleibt. Beide Merkmale drücken den wesentlichen Gedanken der Lehre des Streitpatents aus, unterhalb der Zugriffsöffnung ein isolierendes Luftvolumen zu schaffen, das auch bei kurzzeitigem Öffnen der Abdeckung nur unwesentlich gestört wird. Merkmal 4c besagt hierzu, dass jeder Deckel der Zugriffsöffnung nicht seitlich des stehenden Luftvolumens angeordnet sein darf, sondern sich oberhalb des Luftkissens befinden muss.
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Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese Lehre in der französischen Patentschrift offenbart. Dort wird eine horizontale, als "Vitrine" bezeichnete Kühl- truhe mit einem horizontalen Kaltluftschleier beschrieben, in dem Lebensmittel, die beispielsweise auf -20°C tiefgekühlt sind, gut sichtbar präsentiert werden können. Als eine bevorzugte Ausführungsform wird die Ausstattung der Kühltruhe mit einer Abdeckhaube beschrieben und in den Abbildungen nach den Figuren 1, 10 und 11 gezeigt. Hierzu wird in der Patentbeschreibung festgehalten, dass "die Platte, auf der die (…) Produkte ausgestellt werden, nach oben völlig frei liegen (kann), jedoch ist sie vorzugsweise teilweise und über der Kaltluftströmung von transparenten Wänden umgeben, die eine Öffnung auf der Seite belassen , von der aus der Zugang auf die Produkte gewünscht ist, sei es durch das Personal, das diese ausgibt, oder im Fall der Selbstbedienung durch die Kundschaft , wobei die Öffnung stets offen bleiben kann oder durch einen oder mehrere Schiebeläden geschlossen werden kann (…), um die Bildung von Luftverwirbelungen in der Nähe der Stelle, an der die Kaltluftschicht vorbeiströmt, zu vermeiden" (deutsche Übersetzung E7, S. 3 Z. 4-14).
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Nach ihrer Figur 1 stellt sich eine von der französischen Patentschrift (K2) beschriebene Ausführungsform, bei der die Kühltruhe mit einer Abdeckhaube versehen ist, graphisch wie folgt dar:
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Zur Erläuterung der mit der Figur 1 abgebildeten Kühltruhe gibt die Beschreibung der französischen Patentschrift zu der als Zugangsöffnung ("ouverture d’accès") bezeichneten Öffnung (18) und zum Aufbau der auf dem Gehäuse der Vitrine anzubringenden Abdeckhaube an (deutsche Übersetzung E7, S. 7 Z. 4-14), dass "auf dem Gehäuse (1) Läden oder Klappen (17) aus transparentem Material angeordnet (sind), die eine große Öffnung (18) bilden, die sich über die gesamte Länge der Theke oder Vitrine erstreckt, um den Zugang zu den Fächern (4) und zu den darin ausgestellten oder aufbewahrten Gegenständen zu ermöglichen". Hierzu ist der Querschnittszeichnung in Figur 1 zu entnehmen, dass die linke Seitenwand und die Oberplatte der Abdeckhaube von den Läden oder Klappen (17) gebildet werden, während sich im oberen Teil der rechten Seitenwand die Zugangsöffnung (18) befindet, wobei die beiden Seitenwände der Abdeckhaube um ca. 45° geneigt sind. Während nach der weiteren Patentbeschreibung die Läden oder Klappen (17) in ihren Rahmen fixiert sein können, soll die Zugangsöffnung groß sein und ein leichtes Wechseln der Behälter oder Schalen sowie einen leichten Zugang für Kundschaft wie Personal ermöglichen (deutsche Übersetzung E7, S. 8 Z. 1-10). Diese Zugangsöffnung (18) ist nach der zeichnerischen Darstellung in Figur 1 in einer solchen Höhe über der Kühlluftströmung angebracht, die durch die gebogene Leitwand (13) auf die zu kühlende Fläche geleitet wird, dass auch bei einem bloßen kurzfristigen Öffnen des Schiebeladens das unter der Zugangsöffnung (18) befindliche Luftkissen im Wesentlichen erhalten bliebe.
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Danach war es der Fachwelt bei Verwendung einer Abdeckung bekannt, diese so in einem Abstand oberhalb der Kaltluftströmung anzuordnen, dass sich dazwischen eine Luftschicht mit isolierender Temperaturschichtung ausbilden kann. Auch der Umstand, dass ein solches Luftkissen beim Öffnen der Abdeckung erhalten bleibt, bildete somit eine selbstverständliche Grundeigenschaft von horizontalen Verkaufskühltruhen im Gegensatz zu vertikalen Kühlschränken, bei denen bei jedem Öffnen kalte Luft heraus fließt.
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3. Der Fachmann, der vor dem von der Lehre des Streitpatents zu lösenden Problem stand, mit der zu entwickelnden Abdeckung einer Gefriertruhe deren Energieverbrauch wesentlich zu verringern, hatte sich über geeignete Materialien zu informieren und eine Auswahl zu treffen. Bei Verwendung von Glas zur Herstellung einer transparenten Abdeckung hatte der Fachmann auch Veranlassung , zur Beurteilung der Materialeigenschaften unterschiedlicher Glassorten, für die sein eigenes Fachwissen nicht ausreicht, gegebenenfalls Spezialfachleute zu Rate zu ziehen. Jedenfalls Erkundigungen führten zu der Erkenntnis, dass seit Anfang der 80er Jahre reflektierend beschichtete Glasscheiben für den Fensterbau auf dem Markt angeboten wurden und solches Glas vor dem Prioritätszeitpunkt , wie die Beklagte selbst hat vortragen lassen, auch bei Tiefkühlboxen ohne Umluftkühlung bereits Verwendung fand. Wenn sich der Fachmann kundig machte , blieb ihm überdies auch nicht verborgen, dass vor dem Prioritätszeitpunkt reflektierend beschichtetes Glas zum Einsatz in Tiefkühlvorrichtungen regelrecht beworben wurde.
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Insoweit ist für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit hinsichtlich der reflektierenden Beschichtung der transparenten Scheiben (Merkmal 5) entgegen der Auffassung der Beklagten auch die Veröffentlichung "Dämmt den Wärme /Kälte-Durchgang" in Glaswelt 2/1994, Seite 49 (K11) zu berücksichtigen. Dieser Artikel beschreibt unter der weiteren Überschrift "Verglasung von Herden und Gefrieranlagen" ein neues Spezialglas, das mittels einer Beschichtung, die auf einer der Glasoberflächen aufgebracht ist, Hitze reflektiert und thermisch isoliert. Die Veröffentlichung lobt die Eigenschaften des neuen Produkts, das sich "hervorragend" auch für die Öffnungen von Gefrieranlagen und für eine Verwendung in Gefrier- und Kühltheken sowie überall dort eigne, wo die Vermeidung von Kondensat erforderlich sei (aaO 1. Sp.). Die Entgegenhaltung K11 schildert weiter den Nachteil von gewöhnlichem Glas in doppelverglasten Blicköffnungen einer Gefrieranlage, dessen niedrige Temperatur die Außenseite mit der Folge be- schlagen lasse, dass die innen befindlichen Waren nicht mehr deutlich sichtbar seien. Demgegenüber hebt die Veröffentlichung K11 als Vorteil eines Einsatzes des beschichteten Glases für gewerbliche Gefrier- und Kühlzwecke hervor, dass sich ebenso wie die Energiekosten auch die Kondensation mit dem Spezialglas, dessen Oberfläche weitaus wärmer als Normalglas sei, erheblich verringern ließe , wodurch Lebensmittel gut sichtbar in Kühl- und Gefriertheken gezeigt werden könnten (aaO 2. Sp.).
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Der Senat hat in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen keinen Zweifel, dass der Fachmann dem werbenden Zeitschriftenbeitrag K11 die Idee entnahm, Scheiben mit einer wärmereflektierenden Beschichtung, wie sie zum Prioritätszeitpunkt bereits als Fenstergläser gängig waren und dem Fachmann zur Verfügung standen, zur Abdeckung der Zugriffsöffnung von umluftgekühlten Kühltruhen zu verwenden und damit die in K11 beschriebenen sowie die weiteren von ihm erkannten Vorteile derartiger Scheiben zu nutzen. Der dagegen vorgebrachte Einwand der Beklagten, dass der Autor des Artikels in einem Abschnitt über Tiefkühlschränke (aaO 3. Sp.) fachlich unzutreffende Ausführungen über die Möglichkeit einer Verwendung des Spezialglases auch in nur einfachverglasten Tiefkühlschränken gemacht habe, weil er sich über deren kältetechnisches Verhalten geirrt habe, greift nicht durch. Zwar mag die diesbezügliche Fehlerhaftigkeit des Artikels den Fachmann, der weiß, dass - anders als bei horizontalen Tiefkühltruhen - wegen der fehlenden Dichteschichtung der Luft in einem Tiefkühlschrank dessen von innen unmittelbar der Kaltluft ausgesetzte vertikale Türen stets mit einer Doppelverglasung versehen sein müssen, nicht ohne weiteres auf eine bloße Falschbezeichnung schließen und ihn annehmen lassen, dass mit diesem abschließenden Passus des Artikels einfachverglaste Tiefkühltruhen gemeint seien. Gleichwohl führt ein einzelner von ihm erkannter Fehler am Ende der Veröffentlichung über die Einsatzmöglichkeit beschichteter wärmereflektierender Gläser zur Abdeckung von Gefrieranlagen nicht dazu, dass der Fachmann den Artikel insgesamt nicht ernst nimmt oder den darin beschrie- benen Vorteilen des neu entwickelten Glases nicht traut und den Verwendungsvorschlag des Autors ohne weitere Überlegungen zu der physikalischen Wirkungsweise des neuen Produkts und ohne dessen Prüfung verwirft. Hier muss der Fachmann von seinem Können und Wissen her vielmehr als befähigt angesehen werden, den in der Entgegenhaltung K11 angesprochenen Grundgedanken und Nutzen einer wärmereflektierenden Beschichtung von Glas zu erkennen, die dessen Wärmeabstrahlung zur kalten Ware erheblich reduziert und es so warm bleiben lässt, dass es auf der Außenseite nicht mehr beschlägt. Damit war vom Fachmann zur Lösung des sich ihm stellenden Problems nur noch gefordert, die in der Entgegenhaltung K11 beschriebene prinzipielle Idee bei einer Abdeckvorrichtung , wie sie etwa aus der Entgegenhaltung K2 bekannt war, konstruktiv umzusetzen. Derartiges erforderte jedoch nur handwerkliche Fähigkeiten des Fachmanns. Denn die konstruktive Überarbeitung von bekannten Vorrichtungen nach einer als geeignet und vorteilhaft erkannten Idee gehört zu dem, was der hier maßgebliche Fachmann üblicherweise zu leisten hat.
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4. Ohne Erfolg macht die Beklagte das Zeitmoment als ein Bewertungskriterium für erfinderische Tätigkeit mit dem Hinweis darauf geltend, dass zwischen dem Zeitpunkt der Offenlegung des Standes der Technik gemäß der französischen Patentschrift 941 248 (K2) bzw. der deutschen Patentschrift 914 013 (K7), deren Veröffentlichung in den Jahren 1949 bzw. 1954 erfolgte, sowie dem Zeitpunkt der Markteinführung reflektierend beschichteter Gläser Anfang der 80er Jahre einerseits und dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents, nämlich 1995, andererseits jeweils lange Zeiträume lagen. Es kann dahinstehen, ob ein langer Zeitraum, der bis zur Entstehung einer Erfindung verstrichen ist, überhaupt ein verlässliches Beweisanzeichen (Hilfskriterium) für erfinderische Tätigkeit sein kann (vgl. Sen.Urt. v. 30.6.2009 - X ZR 107/05 Tz. 44; Urt. v. 30.7.2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 - Dreinahtschlauchfolienbeutel). Im Streitfall können hieraus jedenfalls keine entsprechenden Schlüsse gezogen werden. Denn zum einen bestanden vor dem Prioritätszeitpunkt auf Seiten der Aufsteller von gewerblich genutzten Verkaufstiefkühltruhen erhebliche nicht-technische Vorbehalte gegenüber Abdeckungen; man vermutete mangelnde Akzeptanz bei den Kunden und befürchtete Umsatzeinbußen, wie beispielhaft der Abschlussbericht zum Test von Glasabdeckungen auf offenen Tiefkühltruhen aus Januar 1996 belegt , der unter Mitwirkung der Beklagten im Lebensmittelhandel durchgeführt worden war (K12). Zum anderen hatte sich erst allmählich die Einsicht in die Notwendigkeit der Schonung von Energieressourcen entwickelt, wenn auch für die Hersteller von Tiefkühltruhen noch kein gesteigerter Marktdruck ihrer Abnehmer zur Energiekosteneinsparung entstanden gewesen sein mag.
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Das Streitpatent kann daher mit Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrages keinen Bestand haben.
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IV. Auch der nebengeordnete Patentanspruch 10 nach dem Hauptantrag, der eine zum Nachrüsten einer offenen Gefriertruhe geeignete Abdeckhaube betrifft , deren kennzeichnende Merkmale mit denen in Anspruch 1 identisch sind, beruht aus den genannten Erwägungen ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die auf die Ansprüche 1 und 10 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9 und 11 haben gleichfalls keinen Bestand; für einen eigenständigen erfinderischen Gehalt ist nichts ersichtlich und auch nichts geltend gemacht.
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V. Die hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents führen zu keiner abweichenden Beurteilung.
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1. Das von der Beklagten im Hilfsantrag 1 zusätzlich aufgenommene Merkmal, dass jede transparente Deckel-Scheibe einscheibig ausgebildet ist, lässt sich der Streitpatentschrift jedenfalls aus den Figuren 2 und 3 entnehmen; in den dortigen Abbildungen erkennt man Abdeckungen, die gegenüber den seitlichen senkrechten Wänden, die doppel-scheibig gebildet und in der Patentbeschreibung (Tz. 29 u. 30) auch als solche bezeichnet sind, nur aus einer Scheibe bestehen. Ob die Hinzufügung dieses Merkmals eine bloße Beschränkung des Schutzbereichs gegenüber dem erteilten Patent darstellt, kann hier dahingestellt bleiben, da ihm jedenfalls kein zusätzlicher erfinderischer Gehalt zukommt.
40
Die Einscheibigkeit der Abdeckung betrifft nämlich nur ein konstruktives Detail, das sich bei einer Verwendung wärmereflektierender Scheiben als sinnvolle und - unter bestimmten Klima- und Raumbedingungen am Aufstellort der Kühltruhe - als fast selbstverständliche Gestaltung im Rahmen einer als naheliegend erkannten handwerklichen Umgestaltung der vorbeschriebenen Abdeckhaube darstellt. Denn aufgrund des vom Fachmann erkannten Vorteils der wärmereflektierenden Scheiben, die im Vergleich zu herkömmlichen Scheiben erheblich weniger Wärme zur kalten Ware abstrahlen und infolgedessen so warm bleiben, dass sie auf der Außenseite nicht mehr beschlagen, bedurfte es zur Kondensationsvermeidung keiner Doppelverglasung mehr, die in der Praxis als zu schwer und damit nicht leicht zu öffnen und auch als relativ teuer angesehen wurde. So wird auch in der Entgegenhaltung K11 den herkömmlicherweise mit gewöhnlichem Glas doppeltverglasten Blicköffnungen einer Gefrieranlage ein Einsatz des in dem Artikel beworbenen neuen Spezialglases gegenübergestellt und hierdurch der Fachmann auf die mit der Neuheit geschaffene Möglichkeit einer Einfachverglasung hingewiesen, obgleich sich deren ausdrückliche Erwähnung in Bezug auf Tiefkühlschränke, wie bereits dargelegt, als fachlich fehlerhaft erweist.
41
2. Gegen die durch Hilfsantrag 2 eingeschränkte Verteidigung mit dem durch die Patentbeschreibung (Tz. 0033) offenbarten Merkmal, dass die Strömungsgeschwindigkeit der Kühlströmung zwischen 0,3 und 0,8 m/s eingestellt ist, bestehen keine Bedenken. Sachlich wird dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 allerdings nichts hinzugefügt, das eine abweichende, der Beklagten günstigere Beurteilung rechtfertigen könnte.
42
Bei der Strömungsgeschwindigkeit handelt es sich um einen einstellbaren physikalischen Wert, dessen Wahl - wie dem Fachmann geläufig ist - abhängig ist etwa von dem Abstand der Abdeckung vom Kühlluftstrom und der von der Art der Abdeckung ausgehenden Wärmeeinstrahlung. So wird, wenn der Kaltluftstrom weniger Wärme von der Ware abführen muss, die Geschwindigkeit der Kaltluftströmung reduziert werden können. Soweit mit der durch Hilfsantrag 2 aufgenommenen Bereichsangabe mittelbar gelehrt wird, die aus dem Gebrauch herkömmlicher Tiefkühltruhen bekannte Strömungsgeschwindigkeit zu verringern , zieht der Fachmann den Vorteil einer solchen Reduzierung, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, ohnehin als selbstverständliche Folge des geringeren Wärmeeinfalls in Erwägung, der aus der Verwendung des beschichteten Glases resultiert. Denn grundsätzlich versucht der Fachmann den Kaltluftstrom so weit zu reduzieren, wie es der zu erreichende Kühlungszweck der Tiefkühlvorrichtung noch zulässt. So war es beispielsweise schon vor dem Prioritätszeitpunkt gängige Praxis, bei einer Nachtabdeckung offener Kühltruhen wegen des damit einhergehenden geringeren Wärmeeinfalls die Kühlstromgeschwindigkeit zu reduzieren. Auch ist bereits in den Entgegenhaltungen K2 (E7, S. 7 Z. 16-20) und K7 (S. 3 Z. 25-30) gelehrt worden, dass es sehr wichtig sei, die Geschwindigkeit der Kaltluft genau zu berechnen, da sie, wenn sie zu rasch zirkuliere, das Bestreben habe, sich mit der umgebenden Luft zu mischen. Im Übrigen bedeutet die mit Hilfsantrag 2 vorgenommene Bestimmung der Oberund Untergrenze eine willkürliche Auswahl aus einem größeren für den Kühlungszweck in Betracht zu ziehenden Bereich, die als solche nicht geeignet ist, eine erfinderische Leistung zu begründen (vgl. BGHZ 156, 179 - blasenfreie Gummibahn I). Dafür, dass gerade mit der Bereichseingrenzung auf die bestimmte Ober- und Untergrenze ein bestimmter technischer Effekt erreicht wird, der außerhalb dieser Grenzen nicht auftritt, ist nichts ersichtlich.
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3. Schließlich spricht nichts dafür, dass die nach Hilfsantrag 3 beanspruchte Kombination der beiden vorgenannten Merkmale zu einem zusätzlichen kom- binatorischen Effekt führt und dadurch einen eigenständigen erfinderischen Gehalt begründen könnte.
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VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 97 ZPO.
Scharen Gröning Berger Bacher Hoffmann
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 20.04.2005 - 4 Ni 20/04 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 55/06 Verkündet am:
9. Februar 2010
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Februar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die
Richter Gröning, Dr. Berger, Dr. Grabinski und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 23. Februar 2006 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist Inhaber des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten und in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlichten europäischen Patents 0 648 901 (Streitpatents), das am 25. Juli 1994 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 43 25 272 vom 28. Juli 1993 angemeldet worden ist. Es betrifft nach seinem Titel "Verfahren und Vorrichtung zum Anschließen von Straßenabläufen an einen Regen- oder Abwasserkanal" und umfasst 45 Patentansprüche. Patentanspruch 1 des Streitpatents lautet: "1. Verfahren zum Anschließen von Straßenabläufen (6) oder dergleichen an einen tiefergelegenen Regen- oder Abwasserkanal (10), wobei zwischen der Austrittsöffnung (18) des Straßenablaufs (6) oder dergleichen und einer Eintrittsöffnung (24) des Regen- oder Abwasserkanals (10) bzw. eines mit dem Regenoder Abwasserkanal (10) verbundenen Kontrollschachtes (12) mindestens ein biegsames Schlauchstück (14) verlegt wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , d a s s das Schlauchstück (14) im Erdreich auf eine Auflage aus Schotter, Sand oder dergleichen verlegt oder in ein Bett aus einem durch Abbinden oder Erkalten erhärtenden Material eingebettet wird und das biegsame Schlauchstück (14) in Form von Meterware zusammengerollt oder auf Trommeln geliefert ist und erst an der Baustelle in den zuvor durch Ausmessen ermittelten Längen abgetrennt wird."
2
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 24, des nebengeordneten, eine Vorrichtung unter Schutz stellenden Patentanspruchs 25 und der auf den Patentanspruch 25 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 26 bis 45 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
3
Mit der Nichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht schutzfähig sei, soweit er das Verlegen auf eine Auflage aus Schotter, Sand oder dergleichen und in ein Bett aus einem durch Abbinden erhärtenden Material betreffe. Insoweit beruhe die Lehre insbesondere angesichts des Inhalts der Prospekt-Veröffentlichung "Highway Drainage System" vom Juni 1992 (Anlage K1) nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Sie hat beantragt, das Streitpatent bezüglich des Patentanspruchs 1 für nichtig zu erklären, soweit er über die Verfahrensweise hinausgeht, wonach "das Schlauchstück (14) im Erdreich in ein Bett aus einem durch Erkalten erhärtenden Material eingebettet wird". Die Klägerin hat weiter beantragt, das Streitpatent hinsichtlich der Patentansprüche 2 bis 9, 15 und 17 bis 19 für nichtig zu erklären, soweit diese Ansprüche sich nicht mittelbar oder unmittelbar auf die antragsgemäß abzuändernde Fassung des Patentanspruchs 1 rückbeziehen.
4
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten.
5
Das Bundespatentgericht hat dem Antrag der Klägerin entsprechend das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland teilweise für nichtig erklärt.
6
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Hilfsweise verteidigt er das Streitpatent mit zwei Hilfsanträgen. Nach Hilfsantrag 1 soll Patentanspruch 1 folgende Fassung erhalten (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung kursiv): "1. Verfahren zum Anschließen von Straßenabläufen (6) oder dergleichen an einen tiefergelegenen Regen- oder Abwasserkanal (10), wobei zwischen der Austrittsöffnung (18) des Straßenablaufs (6) oder dergleichen und einer Eintrittsöffnung (24) des Regen- oder Abwasserkanals (10) bzw. eines mit dem Regen- oder Abwasserkanal (10) verbundenen Kontrollschachtes (12) mindestens ein biegsames Schlauchstück (14) verlegt wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , d a s s zwischen der Austrittsöffnung (18) des Straßenablaufs (6) oder dergleichen und einer Eintrittsöffnung (24) des Regen- oder Abwasserkanals (10) eine Auflage (32) aus Schotter, Sand oder dergleichen oder ein Bett (33) aus einem durch Abbinden oder Erkalten erhärtenden Material erzeugt wird und das Schlauchstück (14) im Erdreich auf der Auflage (32) aus Schotter, Sand oder dergleichen verlegt oder in das Bett (33) aus einem durch Abbinden oder Erkalten erhärtenden Material eingebettet wird und das in seiner Längsrichtung biegsame Schlauchstück (14) in Form von Meterware zusammengerollt oder auf Trommeln geliefert ist und erst an der Baustelle in den zuvor durch Abmessen ermittelten Längen abgetrennt wird und einseitig an seinem unteren Ende (20) mit dem Regen - oder Abwasserkanal (10) bzw. Kontrollschacht (12) verbunden und so zum Straßenablauf (6) hin verlegt wird, dass es an jeder Stelle ein Gefälle aufweist und mit der Austrittsöffnung (18) verbindbar ist."
7
Nach Hilfsantrag 2 soll Patentanspruch 1 weiter durch das folgende zusätzliche Merkmal beschränkt werden, das am Ende der Fassung des Hilfsantrages 1 angefügt wird: "wobei das Schlauchstück (14) mit einer Wandstärke hergestellt wird, die so bemessen ist, dass durch sie ein Widerstand gegen Abknicken oder Zusammendrücken durch vertikale oder seitliche Kräfte vergrößert wird."
8
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
9
Im Auftrag des Senats hat Dr.-Ing. B. , Institut für Unterirdische Infrastruktur, G. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


10
I. Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Dem Gegenstand des Streitpatents fehlt im angegriffenen Umfang die Patentfähigkeit, da er auf nicht erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56, 138 Abs. 1 Buchst. a, EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG).
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1. Das Streitpatent betrifft u.a. ein Verfahren zum Anschließen von Straßenabläufen oder dergleichen an einen tiefer gelegenen Regen- oder Abwasserkanal , wobei zwischen der Austrittsöffnung des Straßenablaufs oder dergleichen und einer Eintrittsöffnung des Regen- oder Abwasserkanals bzw. eines mit dem Regen- oder Abwasserkanal verbundenen Kontrollschachts mindestens ein biegsames Schlauchstück verlegt wird. Die Streitpatentschrift bezeichnet eingangs als bekanntes Verfahren bei Sanierungsarbeiten oder bei einer Verbreiterung bereits bestehender Straßen den Einsatz von glasierten Steinzeug -Rohren oder PVC-Rohren als Abwasserleitungen. Diese Leitungen müssten bei ihrer Verlegung häufig aus einer Vielzahl von Teilstücken zusammengesetzt werden, da eine Vielzahl weiterer Leitungen und Kabel, die unter der Straße in unterschiedlichen Tiefen und Richtungen bereits verlegt seien, einen mehrmaligen Richtungswechsel der neu zu verlegenden Abwasserrohre notwendig machten. Dies erfordere insbesondere bei Sanierungsarbeiten einen verhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand und sei dementsprechend teuer. Ferner wird bei einer Verlegung von Abwasserleitungen, die aus mehreren Teilstücken zusammengesetzt sind, als nachteilig kritisiert, dass diese bruchanfällig bei Bodensetzungen sowie anfällig gegen Zerstörungen durch eindringendes Wurzelwerk im Bereich der Muffenverbindungen seien (Streitpatentschrift Sp. 1 Tz. 3 u. 4; Sp. 6 Tz. 23).
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2. Diesen Nachteilen will die geschützte Erfindung mit einem Verfahren abhelfen, das eine größere Flexibilität gewährleistet. Dazu schlägt Patentanspruch 1 - soweit angegriffen - ein Verfahren zum Anschließen von Straßenabläufen oder dergleichen an einen tiefer gelegenen Regen- oder Abwasserkanal mit folgenden Merkmalen vor: 1. Es wird mindestens ein biegsames Schlauchstück verlegt. 2. Der Schlauch wird in Form von Meterware zusammengerollt oder auf Trommeln an die Baustelle geliefert. 3. Erst dort wird durch Ausmessen die benötigte Länge ermittelt und das Schlauchstück abgetrennt. 4. Das Schlauchstück wird im Erdreich
a) auf einer Auflage aus Schotter, Sand oder dergleichen verlegt oder
b) in ein Bett aus Material eingebettet, das durch Abbinden erhärtet.
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3. a) Einer Erläuterung bedarf zunächst der Begriff des "biegsamen Schlauchs". In Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen ist unter einem Schlauch ein flexibles Rohr zu verstehen, wobei dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend als Rohr ein langer, zylindrischer Hohlkörper anzusehen ist, durch den u.a. Flüssigkeiten geleitet werden können. Dabei versteht die Fachwelt unter einem "biegsamen" Schlauch, dass dieser in Längsrichtung krümmbar ist, während das im Kanal- und Leitungsbau insbesondere im Zusammenhang mit der Verlegung und statischen Berechnung von Entwässerungskanälen und Entwässerungsleitungen verwendete Begriffspaar "biegeweich" und "biegesteif" das unterschiedliche Verformungs- und Tragverhalten eines Rohrs bzw. Schlauchs in Querschnittsrichtung beschreibt. Danach lässt sich entgegen der Ansicht des Patentgerichts der Begriff "biegsam" nicht mit dem Begriff "biegeweich" gleichsetzen, der in den für die Fachwelt hier einschlägigen Normen der DIN-Richtlinie 4033 für die Ausführung von Entwässerungskanälen und -leitungen vom November 1979 (Anlage K4) und der im Dezember 1988 herausgegebenen Richtlinie der Abwassertechnischen Vereinigung (ATV) für die statische Berechnung von Entwässerungskanälen und -leitungen (Arbeitsblatt ATV A 127, Anlage G1) übereinstimmend dahingehend definiert wird, dass damit solche Rohre bezeichnet werden, "deren Verformung die Belastung und Druckverteilung wesentlich beeinflusst, da der Boden Bestandteil des Tragsystems ist" (DIN 4033 Nr. 4.1.11; AVT A 127 Nr. 9.1 (3)); demgegenüber werden als "biegesteif" Rohre bezeichnet, "bei denen die Belastung keine wesentlichen Verformungen hervorruft und damit keine Auswirkungen auf die Druckverteilung hat" (DIN 4033 Nr. 4.1.10; AVT A 127 Nr. 9.1 (2)). Mithin könnte auch ein in seinem Querschnittsverhalten biegesteifer Schlauch in Längsrichtung noch biegsam sein. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Wortwahl "biegsam" im Streitpatent aus fachlicher Sicht eine andere als die vorstehend erörterte Bedeutung haben könnte.
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b) Für das nach Patentanspruch 1 gelehrte Verfahren spielt es keine Rolle , wie die Biegsamkeit des Schlauchs konstruktiv ermöglicht wird. Dementsprechend wird in der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 eine weitere Ausgestaltung des Schlauchstücks wie etwa durch Angabe des zu dessen Herstellung zu verwendenden Materials nicht unter Schutz gestellt. Damit enthält die Lehre des Streitpatents auch keinen konkreten Vorschlag zu (dem Grad) der Verformbarkeit des einzusetzenden Schlauchs in Querschnittsrichtung, die sich insoweit auf die Herstellung des Auflagers auswirken könnte, als für die Ausbildung des Auflagers einer Entwässerungsleitung nach der hier einschlägigen DIN-Richtlinie 4033 (Anlage K4) teilweise unterschiedliche Anforderungen gelten, und zwar je nach dem, ob das zu verlegende Rohr biegeweich oder biegesteif ist (vgl. DIN 4033 Nr. 6, 6.2, 6.2.2, 6.3).
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Soweit der Beklagte demgegenüber die Auffassung vertritt, dass die erfindungsgemäße Lehre von einem biegesteifen Rohr besonderer Art ausgehe und auf dem Gedanken beruhe, dass ein biegesteifer Schlauch besonders standsicher sei und sogar eine sog. Linienlagerung zulasse (s. zu dieser Lagerungsart nachfolgend unter 3 d), hat eine solche Idee in der Formulierung des Patentanspruchs 1 jedenfalls keinen Niederschlag gefunden.
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Für eine dahingehende Auslegung des Patentanspruchs 1 bietet die Beschreibung des Streitpatents ebenfalls keine Anhaltspunkte. Zur Ausgestaltung des Schlauchs wird dort lediglich erwähnt, dass das Schlauchmaterial sowohl aus vulkanisiertem Kautschuk als auch aus einem biegsamen Kunststoffmaterial bestehen könne und bevorzugt ein oder mehrere Gewebeeinlagen aufweise (Sp. 7 Tz. 24). Zum Zweck dieser Gewebeeinlagen führt die Patentbeschreibung ergänzend aus, dass sie zum einen die Reißfestigkeit des Schlauchs erhöhen sollten (Sp. 7 Tz. 24) und dieser damit im rauen Betrieb einer Baugrube auch unter Anwendung vergleichsweise großer Kräfte verlegt werden könne (Sp. 3 Tz. 13). Zum anderen sollten die Gewebeeinlagen zusammen mit einer entsprechend großen Wandstärke dazu beitragen, den Widerstand des Schlauchs gegen ein mögliches Abknicken oder Zusammenpressen durch vertikale oder seitliche Kräfte zu vergrößern; andererseits dürfe die Festigkeit jedoch nicht "zu groß" sein, da sonst der minimale Krümmungsradius zu stark ansteige und damit die Flexibilität beim Verlegen verringert werde (Sp. 7 Tz. 24). Weiter wird in der Patenbeschreibung darauf hingewiesen, dass zweckmäßigerweise in jedem Fall ein Schlauch verwendet werde, der sich "nicht leicht" knicken oder zusammendrücken lasse (Sp. 4 Tz. 17).
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Durch diese Angaben wird das Kriterium der Verformbarkeit des patentgemäß einzusetzenden Schlauchs in Querschnittsrichtung allerdings nur angesprochen. Hingegen wird daraus nicht deutlich, dass eine bestimmte Qualität beansprucht wird. Dass dem zu verlegenden Schlauch gerade die Eigenschaft einer Biegesteifigkeit nicht zugeschrieben wird, zeigen etwa die weiteren Hinweise in der Beschreibung des Streitpatents, wonach bei Verwendung des biegsamen Schlauchstücks dadurch der bestehenden "Gefahr einer Querschnittsverengung" vorgebeugt und ein Zusammenpressen des Schlauchstücks durch das darüber aufgeschüttete Erdreich verhindert werden könne, dass es mit Beton abgedeckt oder ummantelt oder in Beton eingebettet werde und auf diese Weise der Beton zumindest den größten Teil der darüber liegenden Erdschichten aufnehme (Sp. 4 Tz. 17; Sp. 7 Tz. 25). Indem der Beton vertikale und seitliche Druckkräfte aufnehme, könne das von ihm umgebene Schlauchstück nicht zusammengedrückt werden (Sp. 7 Tz. 25 a.E.).
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Ein Anknüpfungspunkt dafür, den patentgemäß zu verlegenden Schlauch aus dem technischen Zusammenhang der Streitpatentmerkmale heraus als biegesteif zu verstehen, lässt sich Patentanspruch 1 auch nicht in Bezug auf die Erwähnung von Schotter als Material zur Herstellung eines Auflagers entnehmen , da diesem Material - wie nachfolgend dargelegt - nach der streitpatentgemäßen Lehre innerhalb des Merkmals 4a keine eigenständige Bedeutung zukommt.
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c) Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, bringt die Fachwelt die Aufzählung der zur Herstellung des Auflagers verwendbaren Materialien in Merkmal 4a des Patentanspruchs 1 mit der Bodengruppe "grobkörniger Böden" in Verbindung, wie sie in der Bodenklassifikation für bautechnische Zwecke nach der DIN 18196 bestimmt worden ist. Auf diese Klassifikation der DIN 18196 als "mitgeltender Norm" nehmen auch die hier einschlägigen Regelwerke der DIN-Richtlinie 4033 und der ATV-Richtlinie ausdrücklich Bezug (DIN 4033 Nr. 2.1; Arbeitsblatt ATV A 127 Nr. 3.1). Zur Bodengruppe der "grobkörnigen Böden", denen in der ATV-Richtlinie und der DIN-Richtlinie 4033 die zur Bauausführung geeignete Bodenart der nichtbindigen Böden entspricht (vgl. DIN 4033 Nr. 6.1.1 u. 6.2; Arbeitsblatt ATV A 127 Nr. 4.1), gehören nach der DIN 18196 (vgl. Übersicht Tabelle 5) verschiedene Sand- und Kiesgruppen sowie Sand-Kies-Gemische, für die als Anwendungsbeispiel etwa auch Terrassenschotter angeführt wird. Der in Patentanspruch 1 verwendete zusammenfassende Ausdruck "oder dergleichen", mit dem gleichartige Bodenmaterialien in den Gegenstand der patentgemäßen Lehre einbezogen werden, bietet insoweit nicht nur eine Erklärung für das Fehlen der Bodengruppe Kies in der Beschreibung der durch Merkmal 4a erfassten Materialien; dieser Ausdruck kennzeichnet vielmehr die beiden ausdrücklich erwähnten Materialien Schotter und Sand als beispielhaft für ein und dieselbe Bodengruppe. Dementsprechend lässt sich aus der Erwähnung des Begriffs Schotter, unter dem auch gebrochener und damit scharfkantiger Grobkies zu verstehen ist, nur entnehmen, dass zur Herstellung eines Auflagers mehr grobkörniges verdichtungsfähiges Material , sei es rund oder gebrochen, verwendet werden kann.
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Auch der Beschreibung des Streitpatents kann nichts entnommen werden , was Anlass böte, aus der Angabe "Schotter" etwas Besonderes herzuleiten , das gerade die Lehre des Streitpatents kennzeichnen könnte. Denn die Beschreibung befasst sich nicht näher mit diesem Material. Sie enthält nicht einmal Durchmesserangaben. Allerdings ergibt sich aus der Beschreibung für ein Verständnis des Merkmals 4a, dass es sich bei der Benennung von Schotter und Sand um eine nur beispielhafte Aufzählung gleichartiger zu den grobkörnigen Böden zu rechnender Materialien handelt, eine Bestätigung: Soweit Schotter dort zusammen mit Sand Erwähnung findet, wird diesem Material lediglich die - ebenfalls allgemein gehaltene - Eigenschaft beigemessen, ebenso wie Sand oder wie aushärtendes Material dem Schlauch eine feste Unterlage zu bieten (vgl. Sp. 3 Tz. 13 u. Sp. 4 Tz. 16). Soweit das Material Schotter in der Beschreibung gesondert im Zusammenhang mit der Anlegung eines Schotter- betts verwendet wird (Sp. 7 Tz. 25 u. 26), kommt ihm dabei lediglich die Funktion zu, zunächst eine Grundlage für eine aus Beton zu formende weitere Einbettung zu bieten, wie sie die alternative Verlegungsweise nach Merkmal 4b des Patentanspruchs 1 vorschlägt. Eine unmittelbare Auflagerung des Schlauchstücks auf einer nur aus Schotter bestehenden Oberfläche ist weder in der Patentbeschreibung behandelt noch in den Figuren dargestellt.
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d) Hinsichtlich einer Gestaltung der Auflage des Schlauchs gemäß Merkmal 4 ist dem Patentanspruch 1 lediglich zu entnehmen, dass aus den genannten Materialien ein Auflager hergestellt sein muss. Näheres zur Ausbildung dieses Auflagers ergibt sich für den fachkundigen Leser aus dem Patentanspruch nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht. Hinsichtlich des Merkmals 4a spricht der Wortlaut des Patentanspruchs 1 in allgemein gehaltener Formulierung nur davon, dass das Schlauchstück "auf" einer Auflage zu verlegen ist; hiermit wird noch nichts über die Form des Auflagers ausgesagt. Insbesondere ist das Merkmal entgegen dem Vorbringen des Beklagten nicht dahin zu verstehen, dass eine der Kernideen der streitpatentgemäßen Lehre sei, eine sog. linienförmige Lagerung des Schlauchs als fachgerechte Möglichkeit zu eröffnen. Bei einer solchen Lagerung würde der Schlauch, ohne dass er durch Unterstopfen mit verdichtungsfähigem Material seitlich abgestützt werden müsste, auf einer ebenen festen Auflage mit einem Auflagewinkel von 0° verlegt, wobei der Schlauch einem hohen Druck im Bereich der Auflagelinie ausgesetzt wäre.
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Die fachgerechte Ausbildung des Auflagers einer Entwässerungsleitung hat nach den für die Fachwelt einschlägigen Normen der DIN-Richtlinie 4033 (Anlage K4) und der ATV-Richtlinie (Arbeitsblatt ATV A 127, Anlage G1) für die statische Tragfähigkeit eines Rohr-Boden-Systems eine herausragende Bedeutung. So stellt nach Nr. 4.1.1 der DIN-Richtlinie 4033 das Zusammenwirken von Rohr, Rohrverbindung, Rohrauflagerung, Einbettung und Überschüttung die Grundlage für Stand- und Betriebssicherheit dar. Nach den vorgenannten Richt- linien gelten bei der Verlegung von Abwasserleitungen zur Sicherstellung einer gleichmäßigen Druckverteilung im Auflagerbereich - je nach Bodenart, Rohrbeschaffenheit und Rohrdurchmesser - Auflagerwinkel von 90°, 120° und größer als typische Ausführungsarten (vgl. auch ATV A 127 Nr. 7.2 mit Abb. 10 u. 11 sowie Anhang 2; DIN 4033 Nr. 6.2 mit Abb. 4 u.5). Dementsprechend enthält die Richtlinie der DIN 4033 in den Hinweisen zur Ausbildung eines Auflagers unter Abschnitt 6 einleitend die Vorgabe, dass Rohre so zu verlegen sind, dass weder eine Linienlagerung noch (im Bereich von Muffen) eine Punktlagerung auftritt. Angesichts dieser Normenlage kann angenommen werden, dass auch Merkmal 4 aus fachlicher Sicht die Anweisung enthält, ein flächiges Auflager nach Art der geltenden Richtlinie vorzusehen. Dem gegenteiligen Standpunkt des Beklagten könnte nur näher getreten werden, wenn der insoweit selbst keine Hinweise enthaltende Patentanspruch in der Streitpatentschrift entsprechend erläutert wäre.
23
Derartige Hinweise für einen Grundgedanken einer Linienlagerung, der von dieser Maßgabe der herkömmlicherweise fachgerechten Gestaltung eines flächigen Auflagers abweichen könnte, finden sich indes weder in der Beschreibung des Streitpatents, welche die statischen Anforderungen des herzustellenden Auflagers und dessen Ebenheit nicht anspricht, noch in den erläuternden Zeichnungen; diese geben die Querschnittsdarstellungen einer Lagerung mit den Figuren 4 und 5 nur für die Verlegungsvariante einer Betonummantelung des Rohres (Merkmal 4b) wieder. Zudem ist nicht offenbart, welche Rahmenbedingungen der Lehre des Streitpatents überhaupt ermöglichen sollten, die diesbezüglichen Auflage- und Bettungsanforderungen der für die Fachwelt einschlägigen Regelungswerke bei einer Verlegung biegsamer Schläuche zu reduzieren. Wie bereits dargelegt lässt sich dem Streitpatent insbesondere kein Vorschlag entnehmen, den Schlauch (äußerst) biegesteif zu konstruieren. Allein das Merkmal der Biegsamkeit des Schlauchs lehrt dessen Linienlagerung in Abweichung von den fachmännisch zu beachtenden Standsicherheitsanforderungen beim Abwasserleitungsbau ersichtlich nicht.
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II. Das Patentgericht hat das beanspruchte Verfahren im angegriffenen Umfang jedenfalls nicht als das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit angesehen. Es hat hierzu u.a. ausgeführt, dass aus der Druckschrift K1 ein Verfahren zum Anschließen von Straßenabläufen oder dergleichen an einen tiefer gelegenen Regen- oder Abwasserkanal bekannt sei, von dem sich das Verfahren gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 - soweit angegriffen - nur durch das Merkmal unterscheide, wonach das Schlauchstück im Erdreich auf einer Auflage aus Schotter, Sand oder dergleichen verlegt oder in ein Bett aus einem durch Abbinden erhärtenden Material eingebettet werde. Die DIN 4033, die das elementare Fachwissen auf dem einschlägigen Gebiet beinhalte, erläutere ausführlich die verschiedenen Verlegarten von Rohren. Dabei werde unter anderem ausgeführt, dass biegesteife Rohre und biegeweiche Rohre in Fällen, bei denen in der Grabensohle kein geeigneter Boden anstehe, auf einem Bett aus Sand, Kies oder Splitt oder in einer Ummantelung aus Beton gelagert werden müssten. Wenn daher der Fachmann, hier ein Ingenieur mit Erfahrung im Wasserwirtschaftsbau , nicht bereits aufgrund seines eigenen Fachwissens mit den unterschiedlichen Verlegetechniken der jeweiligen Rohre vertraut gewesen sei, so habe er die DIN 4033 zu Rate ziehen und auf die darin enthaltenen Vorgaben zurückgreifen können, um Hinweise dahingehend zu erhalten, wie das den Straßenablauf mit dem Kanal verbindende biegsame Schlauchstück im Erdreich zu lagern sei.
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III. Zu Recht hat das Patentgericht erkannt, dass die Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 im angegriffenen Umfang für den Fachmann nach dem Stand der Technik nahegelegt war.
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1. Nach den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen waren im hier einschlägigen Kanal- und Leitungsbau am Prioritätstag typischerweise Bauingenieure der Vertiefungsrichtungen Tiefbau und/oder Siedlungswasserwirtschaft mit der Entwicklung von Neuerungen jedenfalls hinsichtlich der grund- sätzlichen Fragestellung befasst, ob die konstruktive Lösung Anforderungen der Standsicherheit genügt. Zum Fachwissen dieser Fachleute zählte auch, dass bei Verlegung von Entwässerungsleitungen zur Beurteilung von deren Tragverhalten auch die Hinweise der einschlägigen Regelwerke zu berücksichtigen sind.
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2. a) Einem Fachmann mit der genannten beruflichen Qualifikation war jedenfalls aus dem Prospekt des englischen Unternehmens Marley Extrusions Ltd. mit dem Titel "Quantum Highway Drainage System" vom Juni 1992 (Anlage K1), das die für ein umfassendes Autobahnentwässerungssystem lieferbaren Produkte beschreibt, der Einsatz flexibler Schlauchstücke in einem Verlegeverfahren nach der vom Oberbegriff des Streitpatents beschriebenen Art bekannt. Dort wird auf Seite 10 ein als "flexibles Gully-Anschlussrohr" bezeichneter Schlauch mit der Typenangabe UMA 44 gezeigt. Zu diesem Schlauch wird der durch eine weitere Abbildung illustrierte Hinweis gegeben, dass er in einer Gesamtlänge von 50 m jeweils in Spulen aufgerollt geliefert wird. Weiter wurden in der Veröffentlichung K1 auf Seite 18 Einzelheiten des typischen Anschlusses eines (als Austrittsöffnung eines Straßenablaufs dienenden) Gullys an die Eintrittsöffnung eines Abwasserkanals ("carrier drain") gezeigt und beschrieben. Danach wird für diesen Anschluss ein einziges Stück des genannten flexiblen Gully-Anschlussrohrs verwendet, das zuvor passend auf die benötigte Länge zugeschnitten wurde, wie es in der Prospektbeschreibung entsprechend gekennzeichnet wird ("cut to suit"). Dass ein solches Abflussrohr auch in einem Kontrollschacht einmünden kann, lässt sich der Entgegenhaltung K1 auf Seite 17 entnehmen, auf der ein Betonfertigschacht mit entsprechenden Zu- und Abflussleitungen dargestellt ist.
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Der Einwand des Beklagten, dass das flexible Rohr nach der Entgegenhaltung K1 kein geeignetes Vorbild im Stand der Technik darstelle, weil eine hinreichende Wandstärke des Gully-Anschlussrohrs nicht ersichtlich sei, verfängt nicht. Zwar finden sich in dem Prospekt zur diesbezüglichen Beschaffen- heit des Rohrs keine näheren Angaben. Jedoch lässt der Umstand, dass eine Verwendung dieses Rohrs für eine Entwässerung im Autobahnbau mit den dort auftretenden statischen Belastungen beworben wird, erwarten, dass der Fachmann einen derartigen Vorschlag bei eigenen Entwicklungsüberlegungen berücksichtigt. Im Übrigen lässt, wie bereits ausgeführt (oben unter I 3 b), auch Patentanspruch 1 des Streitpatents die Wandstärke des Schlauchs offen.
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Die Veröffentlichung K1 offenbarte dem Fachmann mithin bereits die Merkmale 1, 2 und 3 der durch das Streitpatent geschützten Lehre.
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b) Dem durch die Entgegenhaltung K1 dazu angeregten Fachmann, zur Überbrückung der Distanz zwischen der Austrittsöffnung des Straßenablaufs und der Eintrittsöffnung des Regen- oder Abwasserkanals ein flexibles Schlauchstück zu verwenden, war darüber hinaus dessen Auflagerung bzw. Bettung gemäß dem vorgenannten Merkmal 4 des Streitpatentanspruchs 1 nahegelegt. Ihm war aufgrund seines allgemeinen Fachwissens bekannt, dass Entwässerungsleitungen standsicher, funktionsfähig und dicht sein müssen. Er war gehalten, diese Aspekte bei der Auswahl eines fachgerechten Verlegeverfahrens zum Bau einer Entwässerungsleitung stets zu bedenken und dabei auch die hierfür maßgeblichen Hinweise zu beachten, die in den Regelwerken der DIN-Richtlinie für die Ausführung von Entwässerungskanälen und -leitungen (DIN 4033, Anlage K4) und der Richtlinie der Abwassertechnischen Vereinigung (ATV) für die statische Berechnung von Entwässerungskanälen und -leitungen (Arbeitsblatt ATV A 127, Anlage G1) enthalten sind. Insbesondere die Entwicklung von Neuerungen war nach den Ausführungen des Sachverständigen ohne eine Berücksichtigung der Verlegungshinweise nach DIN 4033 und der Anforderungen für den Standsicherheitsnachweis nach ATV A 127 weder üblich noch ratsam.
31
Nach Abschnitt 4.3.10 der DIN 4033 (K4) gehört zu den für die statische Berechnung einer Rohrleitung erforderlichen Belastungs- und Einbaubedingun- gen auch Art und Form eines Auflagers, dessen hier zunächst in einer Aufzählung erfasste mögliche Varianten im nachfolgenden Abschnitt 6 der Richtlinie näher dargestellt werden. Dort wird die Fachwelt darauf hingewiesen, dass ohne Berücksichtigung der Auflage- und Bettungseigenschaften und ohne Vergleich von Rohrquerschnitts- und Bodeneigenschaften die Standsicherheit einer Entwässerungsleitung nicht bewertet werden kann. Dabei wird im Abschnitt 6.2 der DIN 4033 die fachgerechte Ausführung der Einbringung eines Auflagers, das für die Standsicherheit einer zu verlegenden Rohrleitung erforderlich ist, für die Fälle näher beschrieben, bei denen in der Grabensohle kein geeigneter Boden für ein unmittelbares Auflager vorhanden ist. Danach soll zur Herstellung des Auflagers der Baustoff Beton, bei dem es sich nach dem allgemeinen Fachwissen des im Streitfall maßgeblichen Fachmanns um ein durch Abbinden erhärtendes Material handelt, oder ein verdichtungsfähiges Material verwendet werden. Als für eine gute Verdichtung geeignete Materialien zählt die Richtlinie dabei Sand, stark sandige Kiese und Splitt auf und führt in den Abschnitten 6.2.1 und 6.2.2 im Einzelnen aus, was bei der Ausführung eines Sand- und Kies-Sand-Auflagers bzw. eines Auflagers aus Beton zu beachten ist. Daneben beschreibt Abschnitt 6.3 als weitere Variante eines Auflagers die Ummantelung des zu verlegenden Rohrs mit Beton.
32
Damit ist die vom Merkmal 4 des Patentanspruchs 1 vorgeschlagene Verlegung des Schlauchstücks auf einem Auflager bzw. in einer Einbettung von den typischen Auflage- und Bettungsbedingungen der DIN 4033 (K4) bereits ebenso offenbart wie die hierfür vorgeschlagene Verwendung körnigen Materials (Merkmal 4a) bzw. abbindenden Materials (Merkmal 4b). Der gesonderten Erwähnung von Schotter in der Aufzählung der Materialien zur Herstellung eines Auflagers kommt ein eigenständiger erfinderischer Gehalt nicht zu, da für den Fachmann dieses Material, wie bereits dargelegt, gegenüber sonstigem grobkörnigen Material keine weitere Eigenschaft hat als die in der Patentbeschreibung auch für die anderen Materialien benannte, nämlich dem Schlauch eine feste Unterlage zu bieten.
33
Selbst wenn man im Übrigen auch die Möglichkeit einer Linienlagerung des Schlauchstücks von der nach Patentanspruch 1 geschützten Lehre in Merkmal 4a als erfasst ansieht, kann dies eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Denn die allgemein formulierte Lehre, dass der Schlauch auf einer Auflage zu verlegen ist, erfasst auch die herkömmliche im Stand der Technik bekannte Verlegung auf Auflagern nach der DIN 4033 und ist insoweit nicht neu. Das steht ihrer Patentfähigkeit insgesamt entgegen (vgl. Benkard/Melullis, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, 10. Aufl., § 3 PatG Rdn. 12, 41 f.; Busse/ Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 3 Rdn. 157).
34
Das Streitpatent hat daher mit Patentanspruch 1 im angegriffenen Umfang keinen Bestand.
35
IV. Die auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9, 15 und 17 bis 19 haben im angegriffenen Umfang gleichfalls keinen Bestand; für einen eigenständigen erfinderischen Gehalt ist nichts ersichtlich und auch nichts geltend gemacht.
36
V. Die hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents, mit denen der Beklagte nach eigenem Vortrag in der mündlichen Verhandlung keinen erfinderischen Überschuss geltend macht, sondern die Lehre des Streitpatents klarzustellen sucht, führen zu keiner abweichenden Beurteilung.
37
1. Das von dem Beklagten im Hilfsantrag 1 aufgenommene Merkmal, dass eine Auflage oder ein Bett zunächst erzeugt wird, bevor der Schlauch darauf verlegt wird, ist aus der Entgegenhaltung K4 bereits vorbekannt. Im Abschnitt 6.2 der DIN 4033 wird ausgeführt, auf welche Weise Auflager durch Einbringung von verdichtungsfähigem Material oder Beton herzustellen sind. Mit dem weiteren Zusatz, dass das Schlauchstück in seiner Längsrichtung biegsam ist, wird der Gegenstand des Patentanspruchs 1 deutlicher als in der erteilten und mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung umschrieben, diesem aber kein zusätzliches Merkmal beigefügt. Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit gelten daher die vorstehenden Ausführungen entsprechend.
38
Mit dem Merkmal, dass das Schlauchstück einseitig an seinem unteren Ende mit dem Abwasserkanal bzw. Kontrollschacht verbunden und so zum Straßenablauf hin verlegt wird, dass es an jeder Stelle ein Gefälle aufweist und mit der Austrittsöffnung verbindbar ist, ist der erteilte Patentanspruch 5 in Patentanspruch 1 aufgenommen worden. Der Umstand, dass Abwasserrohre, die keine Druckleitungen sind, durchgehend Gefälle haben müssen, versteht sich als eine Voraussetzung der Funktionsfähigkeit der Leitung für den Fachmann von selbst. Dem Merkmal kommt daher kein zusätzlicher erfinderischer Gehalt zu. Dies gilt auch für die vorgeschlagene Richtung der Verlegung, weil sie eine von zwei möglichen Varianten bildet und die Auswahl den Fachmann nicht vor Schwierigkeiten stellt.
39
2. Nicht anders zu beurteilen ist schließlich auch die Fassung des zweiten Hilfsantrages. Das hier ergänzend vorgesehene und durch die Patentbeschreibung (Sp. 7 Tz. 24) offenbarte Merkmal, dass das Schlauchstück mit einer Wandstärke hergestellt wird, die so bemessen ist, dass durch sie ein Widerstand gegen Abknicken oder Zusammendrücken durch vertikale oder seitliche Kräfte vergrößert wird, ist nach fachmännischem Verständnis nahegelegt. Der Fachmann kennt aufgrund seines Fachwissens den Einfluss der Wandstärke eines Rohres auf dessen Verformungsverhalten. Für ihn ist es schon mit Blick auf die Standsicherheitsanforderungen des Leitungsbaus selbstverständlich , für die unterirdische Verlegung Bauteile mit hinreichender Materialsteifigkeit auszuwählen.
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VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 97 ZPO.
Scharen Gröning Berger
Grabinski Hoffmann

Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 23.02.2006 - 3 Ni 7/05 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 3/09 Verkündet am:
23. März 2010
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die Richter
Gröning, Dr. Berger, Dr. Grabinski und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 8. Oktober 2008 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist Inhaber des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 049 518 (Streitpatents ), das am 20. Januar 1999 unter Inanspruchnahme der Priorität einer schwedischen Patentanmeldung vom 23. Januar 1998 angemeldet worden ist. Es betrifft einen "Dispenser" (Spender) von kugelförmigen Gegenständen und umfasst neun Patentansprüche.
2
Patentanspruch 1 lautet in der englischen Verfahrenssprache wie folgt: " An apparatus for storing and dispensing a desired number of spherical objects (1) said apparatus comprising: a vibrator (9); a conveyor belt (11) for conveying the spherical objects (1) from an infeed position to a discharge position; a magazine having a sloping floor surface (2, 3, 4, 7), including a lower region (7) in the proximity of the conveyor belt infeed position, c h a r a c t e r i s e d i n t h a t the lower region (7) is coupled to the vibrator (9), permitting actuation of the vibrator (9) to vibrate the lower region (7) to cause spherical objects (1) on the sloping floor surface (2, 3, 4, 7) to be discharged one by one to the conveyor belt (11); and i n t h a t the apparatus further comprises an object counter (16) for counting the spherical objects (1) on the conveyor belt (11) as the spherical objects (1) approach the discharge position."
3
In der veröffentlichten deutschen Übersetzung hat Anspruch 1 folgenden Wortlaut: " Gerät zum Lagern und Spenden einer gewünschten Anzahl von kugelförmigen Gegenständen (1), das Folgendes umfasst: einen Rüttler (9); ein Förderband (11) zum Befördern der kugelförmigen Gegenstände (1) von einer Einführposition zu einer Abführposition ; ein Magazin mit einer geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7), das einen unteren Bereich (7) in der Nähe der Förderbandeinführposition aufweist, d a d u r c h g e k e n n - z e i c h n e t , d a s s der untere Bereich (7) an den Rüttler (9) gekoppelt ist, wodurch die Betätigung des Rüttlers (9) zum Rütteln des unteren Bereichs (7) gestattet wird, so dass kugelförmige Gegenstände (1) auf der geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7) nacheinander zum Förderband (11) abgeführt werden, und dass das Gerät weiter einen Gegenstandszähler (16) zum Zählen der kugelförmigen Gegenstände (1) auf dem Förderband (11), während sich die kugelförmigen Gegenstände (1) der Abführposition nähern, umfasst."
4
Wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
5
Mit der Nichtigkeitsklage hat die Klägerin, die wegen Verletzung des Streitpatents gerichtlich in Anspruch genommen wird, geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei, da er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Zur Begründung hat sich die Klägerin insbesondere auf eine Golfballausgabemaschine aus dem Jahre 1988 als offenkundige Vorbenutzung berufen. Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat Patentanspruch 1 hilfsweise mit mehreren geänderten Fassungen verteidigt.
6
Das Patentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig erklärt.
7
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er Patentanspruch 1 des Streitpatents in deutscher Sprache hauptsächlich dahingehend verteidigt, dass den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 die kennzeichnenden Merkmale der erteilten Unteransprüche 2 bis 5 hinzugefügt werden. Nach dem Hauptantrag soll Patentanspruch 1 danach folgende Fassung erhalten (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung kursiv): " Gerät zum Lagern und Spenden einer gewünschten Anzahl von kugelförmigen Gegenständen (1), das Folgendes umfasst: einen Rüttler (9); ein Förderband (11) zum Befördern der kugelförmigen Gegenstände (1) von einer Einführposition zu einer Abführposition ; ein Magazin mit einer geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7), die einen unteren Bereich (7) in der Nähe der Förderbandeinführposition aufweist, d a d u r c h g e k e n n - z e i c h n e t , d a s s der untere Bereich (7) an den Rüttler (9) gekoppelt ist, wodurch die Betätigung des Rüttlers (9) zum Rütteln des unteren Bereichs (7) gestattet wird, so dass kugelförmige Gegenstände (1) auf der geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7) einer nach dem anderen zum Förderband (11) abgeführt werden, und dass das Gerät weiter einen Gegenstandszähler (16) zum Zählen der kugelförmigen Gegenstände (1) auf dem Förderband (11), während sich die kugelförmigen Gegenstände (1) der Abführposition nähern, umfasst, wobei ein Zuführmagazin (10) zwischen dem unteren Bereich der Bodenfläche (2, 3, 4, 7) und der Einführposition des Förderbands (11) angeordnet ist, das einen Boden aufweist, der von einer hohen Ebene neben dem unteren Bereich der Bodenfläche (7) zu einer niedrigen Ebene neben der Einführposition des Förderbands (11) geneigt ist, wobei das Förderband (11) von einer niedrigen Ebene an der Einführposition zu einer hohen Ebene an der Abführposition geneigt ist, wobei das Magazin weiterhin mehrere Gegenstandsschienen (5) aufweist, die nebeneinander so auf der Bodenfläche (2, 3, 4, 7) angeordnet sind, dass die kugelförmigen Gegenstände (1) zum Förderband (11) geleitet werden."
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Gemäß Hilfsantrag 1 soll Patentanspruch 1 wie folgt lauten (Änderungen gegenüber dem Hauptantrag unterstrichen): " Gerät zum Lagern und Spenden einer gewünschten Anzahl von kugelförmigen Gegenständen (1), das Folgendes umfasst: einen Rüttler (9); ein Förderband (11) zum Befördern der kugelförmigen Gegenstände (1) von einer Einführposition zu einer Abführposition ; ein Magazin mit einer geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7), die einen unteren Bereich (7) in der Nähe der Förderbandeinführposition aufweist, d a d u r c h g e k e n n - z e i c h n e t , d a s s der untere Bereich (7) an den Rüttler (9) gekoppelt ist, wodurch die Betätigung des Rüttlers (9) zum Rütteln des unteren Bereichs (7) gestattet wird, so dass kugelförmige Gegenstände (1) auf der geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7) einer nach dem anderen zum Förderband (11) abgeführt werden, und dass das Gerät weiter einen Gegenstandszähler (16) zum Zählen der kugelförmigen Gegenstände (1) auf dem Förderband (11), während sich die kugelförmigen Gegenstände (1) der Abführposition nähern, umfasst, wobei ein Zuführmagazin (10) zwischen dem unteren Bereich der Bodenfläche (2, 3, 4, 7) und der Einführposition des Förderbands (11) angeordnet ist, das einen Boden aufweist, der von einer hohen Ebene neben dem unteren Bereich der Bodenfläche (7) zu einer niedrigen Ebene neben der Einführposition des Förderbands (11) geneigt ist, wobei das Förderband (11) von einer niedrigen Ebene an der Einführposition zu einer hohen Ebene an der Abführposition geneigt ist, wobei das Zuführmagazin (10) im Wesentlichen genauso breit wie das Förderband (11) ist und der Boden des Magazins (10) die Form einer Zuführrampe aufweist, wobei das Magazin weiterhin mehrere Gegenstandsschienen (5) aufweist, die nebeneinander so auf der Bodenfläche (2, 3, 4, 7) angeordnet sind, dass die kugelförmigen Gegenstände (1) zum Förderband (11) geleitet werden."
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Nach Hilfsantrag 2 verteidigt der Beklagte den Patentanspruch 1 mit folgender Abänderung gegenüber dem Hauptantrag (Änderung kursiv und unterstrichen ): " Gerät zum Lagern und Spenden einer gewünschten Anzahl von kugelförmigen Gegenständen (1), das Folgendes umfasst: einen Rüttler (9); ein Förderband (11) zum Befördern der kugelförmigen Gegenstände (1) von einer Einführposition zu einer Abführposition ; ein Magazin mit einer geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7), die einen unteren Bereich (7) in der Nähe der Förderbandeinführposition aufweist, d a d u r c h g e k e n n - z e i c h n e t , d a s s der untere Bereich (7) an den Rüttler (9) gekoppelt ist, wodurch die Betätigung des Rüttlers (9) zum Rütteln des unteren Bereichs (7) gestattet wird, so dass kugelförmige Gegenstände (1) auf der geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7) einer nach dem anderen zum Förderband (11) abgeführt werden, und dass das Gerät weiter einen Gegenstandszähler (16) zum Zählen der kugelförmigen Gegenstände (1) auf dem Förderband (11), während sich die kugelförmigen Gegenstände (1) der Abführposition nähern, umfasst, wobei ein Zuführmagazin (10) zwischen dem unteren Bereich der Bodenfläche (2, 3, 4, 7) und der Einführposition des Förderbands (11) angeordnet ist, das einen Boden aufweist, der von einer hohen Ebene neben dem unteren Bereich der Bodenfläche (7) zu einer niedrigen Ebene neben der Einführposition des Förderbands (11) geneigt ist, wobei das Förderband (11) von einer niedrigen Ebene an der Einführposition zu einer hohen Ebene an der Abführposition geneigt ist, wobei das im Wesentlichen trichter- förmige Zuführmagazin (10) über dem Förderband (11) mündet und im Wesentlichen genauso breit ist wie das Förderband (11), das mittels Querwände (12) in Abteile eingeteilt ist, die jeweils für ihren kugelförmigen Gegenstand (1) gedacht sind, wobei der Boden des Zuführmagazins (10) die Form einer Zuführrampe aufweist und das Magazin weiterhin mehrere Gegenstandsschienen (5) aufweist , die nebeneinander so auf der Bodenfläche (2, 3, 4,
7) angeordnet sind, dass die kugelförmigen Gegenstände (1) zum Förderband (11) geleitet werden."
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Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Streitpatent in der mit dem Hauptantrag, hilfsweise in der mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassung, aufrechtzuerhalten und insoweit die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


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Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Nachdem der Beklagte das Streitpatent zulässigerweise nur noch in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Berufungsantrags verteidigt, ist es, soweit es nicht mehr verteidigt wird, ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr., vgl. etwa BGHZ 170, 215 - Carvedilol II). Im noch verteidigten Umfang fehlt dem Gegenstand des Streitpatents die Patentfähigkeit, da er auf nicht erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56, 138 Abs. 1 Buchst. a, EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG).
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I. 1. Das Streitpatent betrifft ein Gerät zum Lagern, Befördern und Spenden von kugelförmigen Gegenständen, z.B. von Golfbällen, die an Benutzer ausgegeben werden sollen. In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt , dass bei solchen Geräten, wie sie etwa in der FR-A 2 173 425 (Anlage K4) beschrieben seien, Golfspieler und Inhaber von Übungsplätzen hohe Anforderungen an die betriebliche Zuverlässigkeit und an ihre Fähigkeit stellten, Golfbälle schnell und genau in der Anzahl auszugeben, die von dem Benutzer gewünscht werde.
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2. Das Streitpatent will diese Anforderungen erfüllen und die Betriebszuverlässigkeit der bekannten Maschinen verbessern. Zudem soll die patentgemäße Vorrichtung im Vergleich zu bekannten Geräten aufgrund der vereinfachten mechanischen Konstruktion eine längere Lebensdauer haben (vgl. Streitpatentschrift Tz. 0003 u. 0005).
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Dazu schlägt Patentanspruch 1 des Streitpatents in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung ein Gerät zum Lagern und Spenden einer gewünschten Anzahl von kugelförmigen Gegenständen mit folgenden Merkmalen vor: Das Gerät umfasst
a) einen Rüttler,
b) ein Förderband zum Befördern der kugelförmigen Gegenstände von einer Einführposition zu einer Abführposition und
c) ein Magazin mit einer geneigten Bodenfläche, die c1) einen unteren Bereich in der Nähe der Förderbandeinführposition aufweist.
d) Der untere Bereich der Bodenfläche ist an den Rüttler gekoppelt , d1) wodurch dessen Betätigung zum Rütteln des unteren Bereichs gestattet wird, d2) so dass kugelförmige Gegenstände auf der geneigten Bodenfläche einer nach dem anderen zum Förderband abgeführt werden.

e) Das Gerät umfasst weiter einen Gegenstandszähler, der die kugelförmigen Gegenstände auf dem Förderband zählt, e1) während sie sich der Abführposition nähern.
f) Zwischen dem unteren Bereich der Bodenfläche und der Einführposition des Förderbands ist ein Zuführmagazin angeordnet , f1) das einen Boden aufweist, der von einer hohen Ebene neben der Einführposition der Bodenfläche zu einer niedrigen Ebene neben der Einführposition des Förderbands geneigt ist.
g) Das Förderband ist von einer niedrigen Ebene an der Einführposition zu einer hohen Ebene an der Abführposition geneigt.
h) Das Magazin weist mehrere Gegenstandsschienen auf, die nebeneinander so auf der Bodenfläche angeordnet sind, dass die kugelförmigen Gegenstände zum Förderband geleitet werden.
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3. a) Merkmal d2 enthält eine Zweckangabe zur Funktion des Rüttlers, wonach das Rütteln des unteren Bereichs (7) der geneigten Bodenfläche, den die Streitpatentschrift ausdrücklich auch als "Rüttelplatte 7" bezeichnet (Tz. 0009), bewirken soll, dass die kugelförmigen Gegenstände von dort möglichst vereinzelt zum Förderband gelangen. Wie der Beklagte insoweit zutreffend dargelegt hat, soll die Anordnung des Rüttlers im Zusammenwirken mit den beiden weiteren Vorschlägen des Streitpatents, die Einführposition des Förderbands in dem durch die Merkmalsgruppe f definierten Zuführmagazin anzuordnen und die kugelförmigen Gegenstände durch Schienen auf der geneigten Bodenfläche zum Förderband zu leiten (Merkmal h), zur Lösung der Problematik bei den gattungsgemäßen Geräten beitragen, dass die kugelförmigen Gegenstände infolge eines ungeordneten Transports zum Förderband verklemmen und es zu einer Betriebsstörung kommt.
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b) Patentanspruch 1 setzt, wie auch der Beklagte nicht in Abrede stellt, nicht zwingend voraus, dass es sich bei dem Rüttler, an den der untere Bereich der Bodenfläche gekoppelt ist, um ein selbstständiges Geräteteil handelt. So sieht auch die Patentbeschreibung einen Rüttler als selbständiges Element in Gestalt eines Elektromotors mit exzentrischer Scheibe nur als eine mögliche Ausführungsform vor mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass andere Arten von Rüttlern selbstverständlich auch einsetzbar seien (vgl. Streitpatentschrift Tz. 0007 a.E.).
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c) Ein Ausführungsbeispiel der patentgemäßen Vorrichtung zeigen die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 bis 3. Figur 1 bildet die Vorderansicht eines Geräts (ohne Abdeckplatten) ab, Figur 2 gibt eine Seitenansicht in Pfeilrichtung A-A wieder und Figur 3 bietet eine Draufsicht von oben in Pfeilrichtung B-B.


19
II. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, weil dessen Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Gegenstand des Streitpatents durch den Aufbau der beiden in Augenschein genommenen offenkundig vorbenutzten Golfballausgabemaschinen, die in den wesentlichen technischen Elementen gleich ausgebildet seien, nahegelegt gewesen sei. Bei diesen Golfballausgabemaschinen seien weitgehend die Merkmale a sowie c bis e1 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents (in der erteilten Fassung) und auch eine im Vergleich mit Merkmal b gleich wirkende Ausgestaltungsvariante realisiert worden. Im Unterschied zum Anspruch 1 des Streitpatents sei bei den vorbenutzten Geräten der Förderer als Wendel und nicht als Förderband ausgestaltet, wie es Merkmal b vorsehe. Die in den vorbenutzten Golfballausgabemaschinen verwendeten Wendel gegen ein Förderband auszutauschen , beinhalte eine einfache handwerkliche Maßnahme. Dem zuständigen Fachmann seien unterschiedliche Förderer - insbesondere auch Förderbänder - bekannt, die geeignet sind, kugelförmige Gegenstände von einer Einführ- zu einer Abführposition zu fördern, sowie deren Vor- und Nachteile. Zu seinem Fachwissen gehöre auch, was die FR 2 173 425 (Anlage K4) insoweit lehre, die bereits die Verwendung eines Förderbandes in einem Golfballdispenser beschreibe.
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Auch die (im Verfahren vor dem Patentgericht durch Hilfsantrag 1) in den Patentanspruch 1 aufgenommenen zusätzlichen Merkmale f, f1 und g ergäben sich vollständig aus den vorbenutzten Golfballausgabemaschinen. Das (im Verfahren vor dem Patentgericht durch Hilfsantrag 2) in den Patentanspruch 1 aufgenommene zusätzliche Merkmal (nunmehr Merkmal h der vorstehenden Merkmalsgliederung), das besage, dass im Bereich des Magazins mehrere Gegenstandsschienen vorgesehen seien, die nebeneinander auf der Bodenfläche angeordnet seien, wodurch die kugelförmigen Gegenstände zum Förderband geleitet würden, sei aus der amerikanischen Patentschrift 3 946 847 (Anlage K36) bekannt gewesen. Diese Druckschrift habe den Fachmann darauf hingewiesen , dass in einem Magazin, das eine große Anzahl von Golfbällen enthalte , die Anordnung von Schienen sinnvoll sei, um die Golfbälle geordnet in eine bestimmte Richtung zu lenken. Daneben sei auch aus den Druckschriften DE 38 89 445 T2 (Anlage K37) und EP 0 281 540 (Anlage K38) bekannt gewesen , Schienen vorzusehen, um Golfbälle aufgereiht weiter zu leiten. Der Übertragung dieser Lehre auf eine vorbenutzte Golfballausgabemaschine habe daher nichts entgegengestanden.
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III. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat das Patentgericht zu Recht erkannt, dass sich die Lehre des Patentanspruchs 1, wie er nunmehr in Form des Hauptantrages in zulässiger Weise eingeschränkt noch verteidigt wird, für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab. Insoweit greift der Beklagte mit der Begründung seiner Berufung nur noch die Beurteilung des Patentgerichts zum Merkmal h an, das der Beklagte im Verfahren vor dem Patentgericht mit seinem dortigen Hilfsantrag 2 als zusätzliches Kennzeichen aus dem erteilten Patentanspruch 2 in den neu gefassten Patentanspruch 1 übernommen hatte.
22
1. Als maßgeblicher Fachmann, der sich zum Prioritätszeitpunkt mit dem technischen Gebiet des Streitpatents beschäftigte, ist mit dem Patentgericht und dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen der Parteien ein DiplomIngenieur der Fachrichtung Maschinenbau anzusehen, der über Erfahrung in der Konstruktion der gattungsgemäßen Geräte verfügte. Ein solcher Fachmann fand im Stand der Technik bei Geräten zum Lagern und Spenden einer gewünschten Anzahl von kugelförmigen Gegenständen die beiden technisch gleich ausgebildeten Ballausgabe-Automaten für Golfbälle des niederländischen Herstellers B. vor, die auf den Fotos gemäß Anlagen K11 bis K16 und K20 bis K31 abgebildet sind. Bei ihnen handelt es sich um ein gattungsgemäßes Gerät, in dem eine größere Menge von Golfbällen gespeichert werden kann, von denen gegen Zahlung eines Geldbetrages eine bestimmte Anzahl von Golfbällen abgegeben wird.
23
2. Diese - wie zwischen den Parteien nicht mehr streitig ist - vorbenutzten Maschinen weisen einen Rüttler im Sinne des Patentanspruchs 1 auf (Merkmal a). Der Rüttler wird, wie anhand der Abbildungen gemäß Anlagen K15 und K16 zu erkennen ist, gebildet durch das Zusammenwirken des unteren Spiralarms der Wendel mit dem Vorsprung, der angebracht ist an der untersten geneigten Bodenfläche in deren abgeknickten unteren Bereich; dieser abgeknickte untere Bereich der untersten geneigten Bodenfläche stellt die zu rüttelnde Platte dar. Bei einer Drehung der Wendel gelangt der untere Spiralarm vorübergehend unter den Vorsprung der zu rüttelnden Platte und hebt diese kurz an, bevor durch das Weiterdrehen der Wendel der Kontakt wieder unterbrochen wird und die Platte herunter fällt und dadurch in Schwingungen versetzt wird. Bei einem Betrieb der Wendel lässt deren Drehung somit durch das ständige Anheben und Herunterfallen der Platte eine Rüttelbewegung entstehen. Die Maschinen des Herstellers B. stellen, wie aus den Anlagen K11, K13 bis K15 und K25 ersichtlich ist, mit der Wendel zudem einen Förderer zur Verfügung , mit dem die Golfbälle von einer Einführposition zu einer Abführposition befördert werden (Teil des Merkmals b). Die Abbildungen gemäß Anlagen K12 und K14 sowie K21 und K26 bis K30 zeigen weiter, dass das Gehäuse der Maschine zusammen mit einer mehrteiligen geneigten Bodenfläche ein Magazin bildet, wobei die unterste geneigte Bodenfläche in der Nähe der Einführposition der als Förderer dienenden Wendel endet (Merkmalsgruppe c). Durch die unmittelbare Nähe des unteren Bereichs der untersten geneigten Bodenfläche (d.h. der zu rüttelnden Platte) zu der Wendel, deren Zusammenspiel bei Betätigung der Wendel zu einem Rütteln des unteren Bereichs führt, werden zugleich die Merkmale der Merkmalsgruppe d verwirklicht. Nach den Anlagen K13 sowie K22, K25 und K31 weisen die vorbenutzten Maschinen unterhalb einer Ausnehmung in dem die Wendel abdeckenden Seitenblech, durch welche die geförderten Bälle in einen Aufnahmebehälter abgegeben werden, auch einen Zähler der Golfbälle in Höhe der Abführposition auf (Merkmalsgruppe e).
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Die Maschinen des Herstellers B. verfügen ebenfalls über ein Zuführmagazin , das die Merkmale der Merkmalsgruppe f erfüllt: Wie in den Abbildungen der Anlagen K14 bis K16 sowie K25 und K26 zu sehen ist, befindet sich zwischen dem abgeknickten unteren Bereich der untersten geneigten Bodenfläche des Magazins (d.h. der zu rüttelnden Platte) und der Einführposition der fördernden Wendel ein Blech, das unter der Wendel die Bodenfläche bildet und sich parallel zu dem unteren Bereich der untersten geneigten Bodenfläche (d.h. zu der zu rüttelnden Platte) erstreckt. Das Bodenblech steht schräg zu dieser Platte, die wiederum zum Bodenblech hin geneigt ist. Hierdurch rollen die Golfbälle auf das Bodenblech, das damit von einer hohen Ebene neben der Einführposition der untersten geneigten Bodenfläche zu einer niedrigen Ebene neben der Einführposition des Förderers geneigt ist. Das Bodenblech, das im Wesentlichen genauso breit ist wie die Wendel, bildet mit dem hinteren der Seitenbleche , welche die Wendel U-förmig abdecken, eine Wanne, deren Größe die Aufnahme mehrerer Golfbälle zulässt. Die schräge Ausbildung des Bodenblechs führt die Bälle in die zur Wanne hin freiliegende Wendel.
25
Schließlich ist, wie etwa aus den Abbildungen gemäß Anlagen K11, K14 und K25 ersichtlich, die Wendel von einer niedrigen Ebene an der Einführposition zu einer hohen Ebene an der Abführposition geneigt (Merkmal g).
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3. Der Gegenstand des Streitpatents unterscheidet sich zunächst dadurch von den vorbenutzten Geräten, dass der Ballförderer bei der patentgemäßen Vorrichtung als Förderband und nicht als Wendel ausgestaltet ist. Es gehörte allerdings schon zum Grundwissen des hier maßgeblichen Fachmanns, dass auf dem Gebiet der Fördertechnik zu den Standardfördereinrichtungen auch Förderbänder gehören; die Auswahl des Förderers für den Einsatz in einer gattungsgemäßen Vorrichtung stellt für ihn eine Routinemaßnahme dar. Der Fachmann hatte auch Anlass zu der Überlegung, bei dem aus der offenkundigen Vorbenutzung bekannten Gerät eine Alternative eines Transports der Golfbälle zur oberen Ausgabeposition zu wählen und einen Austausch der Wendel durch eine andere Fördereinrichtung vorzunehmen. Wie auch der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zugestanden hat, bestand Verbesserungsbedarf hinsichtlich der bekannten Förderung mittels einer Wendel. Denn Golfbälle sind bei dieser Transportweise einem höheren Verschleiß durch Abrieb ausgesetzt, da sie während des Transportvorgangs an dem die Wendel ummantelnden Blech anliegen. Diese Lage der Bälle bei ihrer Beförderung wird illustriert durch die Beschreibung und zeichnerische Darstellung des Ballspenders, der durch das deutsche Gebrauchsmuster 87 04 375 (Hülle Bl. 131 d.A.) geschützt ist, das für den niederländischen Hersteller B. eingetragen und mit Bekanntmachung am 30. Juli 1987 vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents veröffentlicht worden ist. Der Ballspender nach dem deutschen Gebrauchsmuster ist hinsichtlich einer Reihe seiner technischen Elemente und insbesondere hinsichtlich des Mechanismus der Fördereinrichtung ähnlich aufgebaut wie die vorbenutzten Geräte des Herstellers B. . Zur Beförderung der Bälle aus der Wanne am unteren Ende der Wendel zur oberen Auslassöffnung erläutert die Beschreibung des Gebrauchsmusters (S. 5 Z. 9-19), dass die Bälle durch eine Drehbewegung der Wendel innerhalb von deren Ummantelung dadurch nach oben befördert werden, dass einerseits der Abstand zwischen der (die Dreh- achse der Wendel bildenden) inneren Strebe und der Ummantelung der Wendel sowie der Abstand zweier benachbarter Gänge der Wendel größer ist als der Durchmesser der Golfbälle, während andererseits der Abstand zwischen Wendel und Strebe sowie zwischen Wendel und Ummantelung wesentlich kleiner als der Durchmesser der Golfbälle ist. Auf diese Weise wird, wie die auch einzige Figur der Gebrauchsmusterschrift zeigt, ein zu befördernder Golfball entlang des die Wendel U-förmig umgebenden Blechs nach oben bewegt. Hinsichtlich der hierdurch verursachten Reibung der Golfbälle bot sich für den Fachmann als Verbesserungsmaßnahme nicht nur eine Reduzierung der Reibung durch die vom Kläger in Betracht gezogene Beschichtung des betreffenden Blechs und der metallischen - und damit überdies rostanfälligen - Wendel an; vielmehr lag für ihn in erster Linie deren Vermeidung durch einen Austausch des Fördermittels nahe.
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Sah sich der Fachmann veranlasst, nach einer Alternative zu der in der vorbenutzten Maschine des Herstellers B. und in der deutschen Gebrauchsmusterschrift 87 04 375 gezeigten Fördereinrichtung zu suchen, so fand er im Stand der Technik als nächstliegendes Vorbild, das eine Anregung zur Auffindung gerade der patentgemäßen Lösung bot, die französische Patentschrift 2 173 425 (Anlage K4) vor, die einleitend in der Streitpatentbeschreibung als einziges Beispiel für den druckschriftlichen Stand der Technik erwähnt wird. In der französischen Patentschrift wird eine gattungsgemäße Vorrichtung zur Aufbewahrung und Verteilung von Bällen ("Réserve distributrice de balles") beschrieben , deren erste Ausführungsform die Verwendung eines mit Schaufelelementen versehenen Förderbandes zur Höherbeförderung von Bällen - insbesondere Tennisbällen - vorsieht (vgl. K4 S. 1, Z. 30-38 mit Fig. 2a u. 2b). Durch ein solches Förderband ist auch die bei dem vorbenutzten Gerät vorhandene Neigung der Wendel vom unteren Zuführbereich zur oberen Abführposition (vgl. Abbildung K11) ohne weiteres darstellbar. Damit war vom Fachmann nur noch gefordert, die bekannte Maschine des Herstellers B. nach der als geeignet erkannten prinzipiellen Idee der Verwendung eines Förderbands herzurichten. Derartiges verlangte jedoch nichts, was die handwerklichen Fähigkeiten des Fachmanns überstieg. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Einsatz eines Förderbands zugleich eine veränderte Konstruktion des Rüttlers erforderte. Die Art des Rüttlers überlässt das Streitpatent dem Fachmann ; der Patentanspruch verhält sich hierzu nicht. Die zur Auffindung der patentgemäßen Lehre danach eröffneten vielfältigen Möglichkeiten, ein Blech vibrieren zu lassen, gehören zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns.
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4. Dem weiteren Vorschlag des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hauptantrags, auf der geneigten Bodenfläche im Magazin noch mehrere Gegenstandsschienen nebeneinander anzuordnen, ist erfinderischer Gehalt ebenfalls nicht beizumessen. Denn eine solche Maßnahme, die das fehlende Merkmal h des Streitpatents verwirklichte, lag bei dem vorbenutzten und in Bezug auf die Fördereinrichtung abgeänderten Ballausgabeautomaten für den Fachmann , der vor der von der Streitpatentschrift allgemein beschriebenen Aufgabe stand, einen Ballspender der gattungsgemäßen Art zu verbessern, ohne weiteres nahe. Ihm war die allgemeine Problematik bekannt, dass es bei gattungsgemäßen Geräten zu einer Funktionsstörung durch ein Verklemmen der kugelförmigen Gegenstände kommen kann, wenn diese ungeordnet vom Magazin zur Ausgabestelle transportiert werden. Für die Überlegung, dass ein Einsatz von Führungsschienen deshalb hilfreich sein kann, um Bälle geordnet in eine bestimmte Richtung zu lenken, fand der Fachmann, wie bereits das Patentgericht zutreffend dargelegt hat, Anregung im Stand der Technik beispielsweise aus der US-Patentschrift 3 946 847 (Anlage K36) und aus der Druckschrift DE 38 89 445 T2 (Anlage K37), bei der es sich um die veröffentlichte deutsche Übersetzung der europäischen Patentschrift 0 328 855 handelt. Beide Patentschriften haben ebenfalls Automaten zur Ausgabe von kugelförmigen Objekten, insbesondere von Golfbällen, zum Gegenstand. Anders als bei der vorbenutzten und bei der streitpatentgemäßen Maschine sehen die aus K36 und K37 vorbekannten Geräte allerdings keine Fördereinrichtung vor, welche die Golfbälle von einer unteren zu einer oberen Ebene transportiert. Die Golfbälle werden vielmehr aus einem höher gelegenen Magazinbereich u.a. über schräg abfallende Böden unmittelbar zu einer tiefer liegend angeordneten Ausgabestelle geführt. Diesen Unterschied, dass bei den vorbekannten Vorrichtungen gemäß den Patentschriften K36 und K37 die auf den Bodenflächen angebrachten Trennschienen die Bälle nicht einer gesonderten Fördereinrichtung zugeführt werden, wendet der Beklagte ohne Erfolg gegen eine Berücksichtigung dieser Entgegenhaltungen ein. Denn die damit geltend gemachte Unterschiedlichkeit der Ausgestaltung der Transportwege, auf denen die Golfbälle vom Magazin der Automaten zu deren Ausgabestelle gelangen, lässt die nach dem Stand der Technik bekannte Funktion derartiger Schienen auf den jeweils als Rampe dienenden Bodenflächen unberührt, die Golfbälle hintereinander aufgereiht und damit geordnet zu einem definierten Zielbereich zu leiten. Der Fachmann zieht deshalb diese Entgegenhaltungen für die nähere Ausgestaltung der geneigten Bodenflächen heran.
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Auch der weitere Einwand des Beklagten, dass der Fachmann, der mit der Weiterbildung des offenkundig vorbenutzten Geräts betraut sei, eine Maßnahme entsprechend dem Merkmal h nicht in Betracht ziehen würde, da sie bei Verwendung einer Förderwendel statt eines Förderbands nicht notwendig sei, greift nicht durch. Mit seinem Vorbringen übersieht der Beklagte bereits, dass Ausgangspunkt einer Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bezüglich einer Verbesserungsmaßnahme, die das Merkmal h des Streitpatents verwirklicht, das Verständnis jenes Fachmanns ist, für den es bereits nahelag, bei dem vorbenutzten Gerät die Fördereinrichtung auszutauschen. Hiervon abgesehen trifft die Auffassung des Beklagten aber auch nicht zu, dass das vorbenutzte Gerät im Gegensatz zu der durch das Streitpatent geschützten Vorrichtung keine stabile Einführposition des Förderers habe, zu der die Golfbälle geordnet zugeführt werden könnten. Wie bereits vorstehend (unter III 2) dargelegt wurde, weist die vorbenutzte Maschine des Herstellers B. mit der Wanne, in der sich das untere Ende der Wendel befindet, ein Zuführmagazin entsprechend der Merkmalsgruppe f des Streitpatents und damit auch einen definierten Einführbereich auf. Demgemäß geht auch der Beklagte - in gewissem Widerspruch zu seinem sonstigen Vorbringen - davon aus, dass bei dem vorbenutzten Gerät in der Praxis die Golfbälle der untersten Windung der Wendel zuströmen und von dieser dann zum Abtransport erfasst werden.
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Patentanspruch 1 hat daher in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung keinen Bestand.
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IV. Die beiden hilfsweise verteidigten Fassungen des Patentanspruchs 1 führen zu keiner abweichenden Beurteilung.
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1. Mit der Aufnahme des aus der Beschreibung des Streitpatents (Tz. 0009) entnommenen Merkmals, dass das Zuführmagazin im Wesentlichen genauso breit wie das Förderband ist und der Boden des Magazins die Form einer Zuführrampe aufweist, wird Patentanspruch 1 durch Hilfsantrag 1 nichts hinzugefügt, was eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte. Die Überlegung , das Zuführmagazin in im Wesentlichen gleicher Breite auszugestalten wie die Fördereinrichtung, um durch diese Festlegung die Zuführung der Bälle zum Förderer zu verbessern, ist insbesondere nach der Fördertechnik, die mit der Entscheidung für ein Förderband gewählt ist, zweckmäßig und dem Fachmann nahegelegt. Zudem war dem Fachmann eine solche Maßnahme bereits durch die offenkundig vorbenutzte Golfballausgabe-Maschine des Herstellers B. für die dortige Fördertechnik bekannt; bei diesem Gerät lässt sich die Breite des Bodenblechs, mit dem das Zuführmagazin - wie bereits (unter III 2) dargelegt - gebildet wird, in der vom Streitpatent vorgeschlagenen Festlegung insbesondere aus den fotographischen Abbildungen der Anlagen K15, K16 und K26 ersehen.
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Die weitere Kennzeichnung, dass der Boden des Zuführmagazins die Form einer Zuführrampe aufweist, ergibt sich, wie bereits das Patentgericht zutreffend dargelegt hat, schon aus dem Merkmal f1, wonach der Boden des Zuführmagazins zur Ebene der Einführposition des Förderbands geneigt ist, und wiederholt dieses mit der vorgenannten Umschreibung. Der verwendete Begriff der "Zuführrampe" soll dabei auch nach eigenem in der mündlichen Verhandlung wiederholten Vorbringen des Beklagten dem Fachmann lediglich verdeutlichen , dass durch den Boden des Zuführmagazins die Golfbälle in unmittelbarer Weise dem Förderband zugeführt werden. Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit gelten daher die vorstehenden Ausführungen zur Merkmalsgruppe f (unter III 2) entsprechend.
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2. Auch mit den weiteren aus der Beschreibung des Streitpatents (Tz. 0009) entnommenen Ergänzungen in der Fassung des zweiten Hilfsantrags werden dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 keine zusätzlichen Merkmale hinzugefügt, denen eigenständiger erfinderischer Gehalt zukommt. Auch nach eigenem Vorbringen des Beklagten soll durch sie die Führung bzw. Vereinzelung der kugelförmigen Gegenstände aus dem Magazin zur Abführposition nur detaillierter beschrieben werden. Dementsprechend konkretisiert das Merkmal, dass das im Wesentlichen trichterförmige Zuführmagazin über dem Förderband mündet, auch nur die aus der offenkundigen Vorbenutzung bekannte Merkmalsgruppe f. Mit dem Merkmal, dass das Förderband mittels Querwänden in Abteile eingeteilt ist, die jeweils für ihren kugelförmigen Gegenstand gedacht sind, soll lediglich eine sinnvolle Ausgestaltung des Förderbands beansprucht werden, wie sie etwa aus der Entgegenhaltung K4 mit den dort beschriebenen (S. 1 Z. 30-35) und in Figur 2a gezeigten Schaufelelementen des Förderbands vorbekannt war.
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Schließlich führt auch die Kombination der mit den Hilfsanträgen beanspruchten Merkmale zu keinem zusätzlichen, eine erfinderische Tätigkeit begründenden Effekt.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 97 ZPO.
Scharen Gröning Berger
Grabinski Hoffmann
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.10.2008 - 1 Ni 5/08 (EU) -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.