Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2009 - X ZR 107/05

bei uns veröffentlicht am30.06.2009
vorgehend
Bundespatentgericht, 2 Ni 3/04, 19.05.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 107/05 Verkündet am:
30. Juni 2009
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Juni 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die Richter
Dr. Lemke, Asendorf, Gröning und Dr. Berger

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 19. Mai 2005 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 947 279 (Streitpatents), das am 25. Februar 1999 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 31. März 1998 angemeldet wurde. Das Patent betrifft eine Widerstandsschweißvorrichtung und umfasst 12 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 in der Verfahrenssprache lautet: "A resistance welding device, comprising: • a welding current source; • a welding current regulating device coupled to said welding current source; • at least one set of replaceable welding tongs that receives current provided by said welding current source, characterized in that said set of welding tongs include a local data storage memory that stores data specific for said welding tongs and a first data interface that transmits said data to said welding current regulating device." und die Patentansprüche 1, 2, 7 und 12 in der deutschen Übersetzung gemäß Patentschrift folgenden Wortlaut haben: "1. Widerstandsschweißvorrichtung mit: - einer Schweißstromquelle; - einem an die genannte Schweißstromquelle angeschlossenen Schweißstrom-Regelgerät; - mindestens einer auswechselbaren Schweißzange, welche mit von der genannten Schweißstromquelle geliefertem Strom gespeist wird; dadurch gekennzeichnet, dass die genannte Schweißzange einen lokalen Datenspeicher aufweist, welcher für die genannte Schweißzange spezifische Daten speichert, und eine erste Datenschnittstelle aufweist, welche die genannten Daten an das genannte Schweißstrom-Regelgerät überträgt.
2. Widerstandsschweißvorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das genannte SchweißstromRegelgerät eine zweite Datenschnittstelle umfasst, welche mit der genannten ersten Datenschnittstelle an der genannten Schweißzange verbindbar ist, sowie einen Programmspeicher, der die für die Schweißzange spezifischen Daten aufnehmen kann.
7. Schweißzange, dadurch gekennzeichnet, dass sie einen lokalen Datenspeicher umfasst, welcher für die Schweißzange spezifische Daten speichert und dass sie eine erste Datenschnittstelle zur Übertragung der genannten Daten an ein Regelgerät, das den Betrieb der Schweißzange steuert, umfasst.
12. Verfahren zum Betrieb eines Regelgeräts einer Widerstandsschweißvorrichtung , gekennzeichnet durch: (a) Befestigen einer selbstprogrammierbaren Schweißzange, welche einen lokalen Datenspeicher zum Speichern von für die Schweißzange spezifischen Daten und eine erste Daten-
schnittstelle zur Übertragung der Daten an ein Regelgerät aufweist, das den Betrieb der Schweißzange steuert, an der Schweißanordnung; und (b) Übertragen der spezifischen Betriebsparameter an das Steuer - oder Regelgerät."
2
Patentansprüche 3 bis 6 sind auf Patenanspruch 1, Patenansprüche 8 bis 11 auf Patentanspruch 7 rückbezogen. Wegen deren Wortlauts wird auf die Patentschrift Bezug genommen.
3
Mit ihrer Nichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, das Streitpatent sei nicht patentfähig, da seine Lehre nicht neu, jedenfalls aber durch den Stand der Technik nahegelegt sei. Dafür hat sie sich vor allem auf druckschriftlichen Stand der Technik berufen. Sie hat außerdem geltend gemacht, ihre Programmfortschaltung PF4 (Anlagen K4 bis K6, K16, K18) stelle eine neuheitsschädliche offenkundige Vorbenutzung dar, weil diese bereits 1997 an Dritte ohne Geheimhaltungsverpflichtung geliefert worden sei.
4
Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
5
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und das Streitpatent hilfsweise mit geänderten Ansprüchen verteidigt; insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht (Bl. 132 f. NiA) Bezug genommen.
6
Die Beklagte hat insbesondere geltend gemacht, die Schweißtechnik sei ein abgeschlossenes technisches Gebiet. Der Fachmann werde daher Schriften, die sich nicht ausschließlich mit der Schweißtechnik beschäftigen, nicht heranziehen.

7
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
8
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
9
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Bundespatentgerichts vom 19. Mai 2005 abzuändern und die Nichtigkeitsklage abzuweisen, hilfsweise, das Streitpatent mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, 1. dass in den Ansprüchen 1 und 7 das Wort "Daten" hinter dem Wort "spezifischen" bzw. "spezifische" durch folgende Wörter ersetzt wird: "Steuer- und/oder Regeldatensätze, einschließlich Referenzdatensätze ,", 2. dass in Anspruch 12 das Wort "Daten" hinter dem Wort "spezifischen" durch folgende Wörter ersetzt wird: "Steuer- und/oder Regeldatensätzen , einschließlich Referenzdatensätzen," sowie 3. in den Patenansprüchen 1, 2, 6, 7, 11 und 12 das weitere Wort "Daten" durch das Wort "Datensätze" ersetzt wird.
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Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
11
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Prof. Dr.-Ing. P. P. der Technischen Universität C. . Der Sachverständige hat sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt.

Entscheidungsgründe:


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Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg, da das Streitpatent sowohl in der erteilten als auch in der hilfsweise verteidigten Fassung nicht patentfähig ist (Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG i.V.m. Art. 56 EPÜ).
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I. 1. Patenanspruch 1 in der erteilten Fassung lehrt eine Widerstandsschweißvorrichtung mit einer Schweißstromquelle, einem hieran angeschlossenen Schweißstrom-Regelgerät und mindestens einer auswechselbaren Schweißzange, die von der Schweißstromquelle mit Strom gespeist wird. Die Nebenansprüche 7 und 12 betreffen eine Schweißzange und ein Verfahren zum Betrieb dieser Vorrichtung.
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Widerstandsschweißvorrichtungen werden zum Verschweißen verschiedener Bestandteile, häufig zweier oder mehrerer Bleche, eingesetzt, wobei diese Bestandteile miteinander in Kontakt gebracht und Schweißelektroden mittels einer Schweißzange auf die Oberfläche dieser Bestandteile gedrückt werden. Durch den Schweißstrom wird die Kontaktzone zwischen den Bestandteilen aufgeschmolzen und hierdurch ein Schweißpunkt geschaffen. Hierbei - so führt die Patentschrift weiter aus - müsse der Verlauf des Schweißstroms in engen Grenzen gesteuert und/oder geregelt werden, damit der Schweißpunkt die erforderliche Qualität aufweise. Zur optimalen Regelung könnten unterschiedliche Verfahren eingesetzt werden. In einem statischen Steuerungsverfahren seien Schweißzeit, Stromstärke des Schweißstroms und Andrückkraft der Elektroden fest vorgegeben. Komplexere und teurere dynamische Regelverfahren verwendeten Referenzkurven des dynamischen Schweißstrom- und Elektroden-Spannungsabfall-Verlaufs. In der Streitpatentschrift heißt es dann in der Verfahrenssprache (Abs. 0005, Sp. 1, Z. 55 ff.): "Only recently some sophisticated control devices provided by the applicant take into account control and/or regulating parameters (also referred to herein as the reference data sets) that depend upon the welding tongs used for different welds." und in der Übersetzung (Abs. 0005, Satz 2): "Erst seit kurzem berücksichtigen einige von der Anmelderin geschaffene hochentwickelte Steuervorrichtungen Steuer- und/oder Regelparameter (hier auch als Referenzdatensätze bezeichnet), welche von den für verschiedene Schweißungen verwendeten Schweißzangen abhängen."
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In einer industriellen Fertigungseinrichtung können eine große Anzahl von Schweißzangen verwendet werden, die über Schnellwechselkupplungen an unterschiedliche Schweißstromquellen angeschlossen werden. Die Streitpatentschrift schildert als bekannt, die hierzu nötigen Steuer- und Regelparameter in einem zentralen Datenspeicher abzulegen, der entweder in das Steuer- und/oder Regelgerät integriert oder bei mehreren Schweißstationen innerhalb einer Fertigungsanlage über ein Datennetzwerk mit den unterschiedlichen Steuer- und/oder Regelgeräten verbunden ist.
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Das bezeichnet die Beschreibung als nachteilig, da bei jedem Wechsel der Zange die Personen, die die Schweißvorrichtungen bedienten, darauf achten müssten , dass vor der Schweißung der zu verwendende Steuer- und Regeldatensatz ordnungsgemäß geladen werde.
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Diesem Nachteil soll durch die geschützte Erfindung abgeholfen werden und damit die Handhabung der Datenverwaltung bei einer Widerstandsschweißvorrichtung vereinfacht und deren Zuverlässigkeit erhöht werden.
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2. Nach Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung besteht die Lösung in einer Widerstandsschweißvorrichtung mit
a) einer Schweißstromquelle,
b) einem an die genannte Schweißstromquelle angeschlossenen Schweißstrom-Regelgerät und
c) mindestens einer auswechselbaren Schweißzange, welche mit von der genannten Schweißstromquelle geliefertem Strom gespeist wird;
d) die genannte Schweißzange weist einen lokalen Datenspeicher auf, welcher für die genannte Schweißzange spezifische Daten speichert,
e) sie weist ferner eine erste Datenschnittstelle auf, welche die genannten Daten an das genannte Schweißstrom-Regelgerät überträgt.
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3. Dabei bedürfen einige der verwendeten Begriffe näherer Erläuterung:
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a) Der Begriff des "Regelgeräts" (Merkmal b) umfasst - wie schon das fachkundig besetzte Bundespatentgericht angenommen hat - ein Gerät, das den Schweißstrom nicht auch regelt, sondern lediglich steuert, das heißt auch ein solches Gerät, das den Schweißprozess beeinflusst, ohne hierbei die Istwerte mit vorgegebenen Sollwerten zu vergleichen und Erstere durch eine Rückkopplung anzupassen. Das ergibt sich auf Grund der Erläuterung, welche die patentgemäße Lehre in der Beschreibung erfahren hat, sowie daraus, dass in Übereinstimmung damit beispielsweise Anspruch 7 nicht auf die Verwendung eines Regelgeräts im eigentlichen Sinne gerichtet ist ("regulating device that controls operation…").
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Laut Abs. 0001, Satz 1 der Übersetzung heißt es, die Erfindung betreffe eine Widerstandsschweißvorrichtung mit einem Steuer- und/oder Regelgerät ("a control and/or regulating device"). Dieser Begriff wird im Folgenden in der Streitpatentschrift mehrfach wiederholt (z.B. Abs. 0007, Sätze 2 und 3; Abs. 0009, Satz 2; Abs. 0011, Sätze 2, 3, 4 und 5; Abs. 0012, Satz 4; Abs. 0019, Sätze 1 und 6; Abs. 0021, Sät- ze 2, 4, 5 und 8 sowie Abs. 0023, Satz 1 der Übersetzung), an anderen Stellen ist von einem "Steuer- oder Regelgerät" ("control or regulating device") (Abs. 0008, Satz 1; Abs. 0009, Satz 2 der Übersetzung), einem "Steuer-/Regelgerät" ("control/ regulating device") (Abs. 0022, Satz 1 der Übersetzung) und einer "Steuer- und/oder Einstellvorrichtung" ("control and/or reference device") (Abs. 0019, Satz 5 der Übersetzung ) die Rede, ohne dass erkennbar wäre, diesen Bezeichnungen solle unterschiedliche Bedeutung beigemessen werden.
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Außerdem verwenden die Patentansprüche 7 und 12 das Wort "control" zur Kennzeichnung der Funktion des Regelgeräts. Auch das legt das Verständnis nahe, dass eine bloße Steuerung erfolgen kann. Denn ausweislich der Beschreibung (z.B. Abs. 0001, Sp. 1, Z. 7 f.) unterscheidet das Streitpatent zwischen "control" und "regulate". Schließlich ist in Patentanspruch 12 lit. a von einem "Regelgerät" ("a regulating device") die Rede, während es in lit. b "Steuer- oder Regelgerät" ("control or regulating device") heißt, ohne dass anzunehmen wäre, dass es sich bei den unter lit. a und lit. b des Anspruchs genannten um unterschiedliche Geräte handelt.
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b) Mit dem Begriff "spezifische Daten" bezeichnet das Streitpatent Betriebsparameter , die die Steuerung und/oder Regelung von Schweißverfahren mit der betreffenden Schweißzange ermöglichen, und damit auch Kenndaten, die - wie z.B. Größe oder Andrückkraft der Zange - Parameter des Schweißvorgangs darstellen. Spezifische Daten im Sinne des Streitpatents sind demgegenüber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht Daten, die lediglich der Identifizierung der einzelnen Schweißzange, z.B. mit Typenbezeichnung und individueller Werkzeugnummer, dienen.
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Dieses Verständnis ergibt sich bei Berücksichtigung von Patentanspruch 12, der das Verfahren zum Betrieb eines patentgemäßen (Steuer- und/oder) Regelgeräts beschreibt und der als Teil des Anspruchssatzes auch zur Auslegung des Patentan- spruchs 1 herangezogen werden muss. Denn unter lit. a werden zunächst die Daten, die in dem lokalen Datenspeicher der Schweißzange gespeichert und sodann übertragen werden sollen, - wie auch in den übrigen Ansprüchen - als "spezifische Daten" ("data specific for the welding tongs") bezeichnet und unter lit. b heißt es sodann, dass die "spezifischen Betriebsparameter" ("specific operating parameters") an das Steuer- oder Regelgerät übertragen werden.
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Zweifel, dass die Informationen, die nach lit. a in dem lokalen Datenspeicher der Zange gespeichert werden, mit den Informationen identisch sind, die nach lit. b an das Steuer- und/oder Regelgerät übertragen werden, ergeben sich aus dem sonstigen Inhalt der Patentschrift nicht. Die vorgenommene Auslegung findet vielmehr Bestätigung in der Beschreibung. Danach ist es beim Stand der Technik nachteilig, dass dann, wenn die Daten in einem zentralen Speicher abgelegt sind, die Personen, die die Schweißvorrichtung bedienen, jeweils darauf achten müssen, dass vor der Schweißung der der verwendeten Schweißzange entsprechende Steuer- und Regeldatensatz ordnungsgemäß geladen wird (Abs. 0006, Sätze 3 bis 5 der Übersetzung). Diese in der Beschreibung als nachteilig geschilderte Situation besteht auch dann, wenn lediglich Adress- oder Identifizierungsdaten in der Zange gespeichert, die spezifischen Betriebsparameter, die die Steuerung und/oder Regelung des Schweißverfahrens ermöglichen, aber weiterhin auf einem zentralen Speicher abgelegt werden. Außerdem ist nach der Beschreibung (Abs. 0010, Satz 1 der Übersetzung) die patentgemäße lokale Datenspeicherung in verschiedenen Bereichen der WerkzeugSteuersysteme bekannt. Die insoweit in Bezug genommenen Druckschriften betreffen aber nicht die lokale Speicherung von Identifizierungsdaten, sondern von (spezifischen ) Betriebsparametern, die die Steuerung und/oder Regelung des jeweiligen Verfahrens ermöglichen.
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Aus den genannten Gründen sind spezifische Daten im Sinne des Streitpatents auch nicht solche Daten, die lediglich der (Vor-)Auswahl eines oder mehrerer Steuer- und/oder Regelprogramme dienen, wie beispielsweise die Programmanwahlcodierung der behaupteten Vorbenutzung gemäß Anlagen K4 (Programmfortschaltung PF4, Bedienungsanleitung) bis K6, K16 und K18. Nach der Druckschrift K4 wird durch die Programmanwahlcodierung für eine Schweißzange ein bestimmter sog. Zangenbereich ausgewählt und damit eine Mehrzahl bestimmter Schweißprogramme , die diesem Zangenbereich zugeordnet sind. Diese Auswahl erfolgt, indem an der Zange befindliche Anschlusspaare, die zur Aufnahme einsteckbarer Drahtbrücken ausgelegt sind, entsprechend einer vorgegebenen Zuordnung verschaltet werden (siehe Tabelle Anlage K4, S. 10 ff.). Die Wahl eines bestimmten Programms unter den dem ausgewählten Zangenbereich zugeordneten Programmen erfolgt durch Betätigung einer an der Zange befindlichen Taste. Der sich durch Tasteneingabe ergebende Wert wird mit dem Programmanwahlcode (in Form der Verschaltzustände der Anschlusspaare) von der Schweißzange an die (nicht an der Schweißzange angeordnete ) Programmfortschaltung übermittelt, die hieraus eine absolute Programmnummer errechnet, die an den Inverter übermittelt wird (S. 6, Anlage K4). Dieser erhält damit die Information, welches der dort gespeicherten 512 Programme er zu starten hat.
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Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Begriff der "spezifischen Daten" erfordere sogar, dass es sich um Daten handele, die eine Regelung des Schweißstromverlaufs ermöglichten, also insbesondere um Referenzkurven des dynamischen Schweißstromverlaufs und des dynamischen Elektroden-Spannungsabfall-Verlaufs (vgl. Abs. 0004, Satz 3 der Übersetzung). Eine solche Einschränkung ergibt sich weder aus den Patentansprüchen, noch weist die Beschreibung auf eine solche Notwendigkeit hin. Zudem können auch (spezifische) Steuerparameter spezifische Daten im Sinne des Streitpatents sein, da die patentgemäße Widerstandsschweißvorrichtung , wie ausgeführt, auch lediglich ein Steuergerät aufweisen kann.
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4. Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung ist - wie das Bundespatentgericht zutreffend angenommen hat - neu (Art. 54 EPÜ). Für den Fall, dass Adressdaten sowie Daten, die lediglich der (Vor-)Auswahl von Steuer- und/oder Regelprogrammen dienen, nicht als spezifische Daten im Sinne des Streitpatents anzusehen sind, hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei durch eine der Entgegenhaltungen neuheitsschädlich vorweggenommen.
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5. Das Streitpatent in der erteilten Fassung beruht allerdings nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).
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a) Maßgeblicher Durchschnittsfachmann ist hier entweder ein Ingenieur, der sich in einem Studiengang der Elektrotechnik, des Maschinenbaus oder einer verwandten Fachrichtung mit dem Bereich der Automatisierungstechnik vertieft befasst hat, oder ein Schweißfachingenieur, der sich mit der Steuerung und/oder Regelung von Schweißvorgängen befasst.
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Genauer eingrenzende Feststellungen zum maßgeblichen Durchschnittsfachmann , d.h. der Person, die mit Entwicklungsarbeiten auf dem jeweiligen technischen Fachgebiet üblicherweise betraut wird (Sen.Urt. v. 29.2.2000 - X ZR 166/97, BeckRS 2000 30098745), konnten auf Grund der Verhandlung und der Beweisaufnahme nicht getroffen werden. Der Karosseriebau in der Automobilherstellung ist, worauf die Streitpatentschrift hinweist (Abs. 0002, Satz 1 der Übersetzung), einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige für Widerstandsschweißvorrichtungen. Der Senat geht ferner angesichts des insoweit übereinstimmenden Parteivortrags davon aus, dass die in der Streitpatentschrift angesprochene "industrielle Fertigungseinrichtung" (Abs. 0006 der Übersetzung) sich dort insbesondere im Prototypenbau findet. Insbesondere von Automobilherstellern im Bereich des Prototypenbaus wird daher der in der Streitpatentschrift bei der zentralen Speicherung der spezifischen Daten geschil- derte Nachteil erkannt, dass bei jedem Wechsel einer Zange sichergestellt werden muss, dass der zu dieser Zange gehörige Datensatz geladen wird. Der Automobilhersteller , der diesem Nachteil abhelfen möchte, wendet sich entweder an den Hersteller der Schweißstromquelle und -steuerung bzw. -regelung oder den Hersteller der Schweißzange, bei denen es sich in der Regel um zwei verschiedene Unternehmen handelt, wie die Erörterung in der mündlichen Verhandlung ergeben hat. Es konnte jedoch nicht geklärt werden, ob - wie die Beklagte behauptet - bei dem jeweils angesprochenen Unternehmen ein Schweißfachingenieur oder - wie die Klägerin behauptet - ein Automatisierungstechniker damit betraut wird, Abhilfe zu schaffen; denn der Sachverständige konnte hierzu in der mündlichen Verhandlung keine verlässlichen Angaben machen.
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b) Geht man deshalb zunächst davon aus, dass der Abhilfewunsch an einen Ingenieur herangetragen wird, der sich in einem Studiengang der Elektrotechnik, des Maschinenbaus oder einer verwandten Fachrichtung mit dem Bereich der Automatisierungstechnik vertieft befasst hat, so ergibt sich das Naheliegen auf Grund folgender Umstände:
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Ein solcher Fachmann wird als Ausgangspunkt seiner Überlegungen auf die deutsche Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15) zurückgreifen, weil sie unmittelbar das Gebiet der Schweißtechnik betrifft. Diese Schrift offenbart einen programmgesteuerten Industrieroboter, z.B. einen Schweißroboter, mit auswechselbarem Werkzeug wie Punktschweißzangen (Anspruch 1 der Entgegenhaltung), ein Regelgerät im Sinne des Streitpatents (S. 13, Z. 30 f. der Entgegenhaltung) und eine Schweißstromquelle (S. 11, Z. 14 f. der Entgegenhaltung), bei dem das Werkzeug mit dem Roboter mittels einer mechanischen Kupplungsvorrichtung verbunden ist. Diese Entgegenhaltung gibt dem Fachmann jedoch keine Anregung, wie der erkannte Nachteil abgestellt werden kann. Die beschriebenen Impulse, die von der Kupplung den Steuerleitungen und -einheiten zugeleitet werden (S. 13, Z. 29 ff. der Ent- gegenhaltung), sind schon keine spezifischen Daten, sondern beinhalten lediglich die Information, dass ein Werkzeug an den Roboter angeschlossen bzw. von diesem getrennt worden ist.
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Auch den weiteren Entgegenhaltungen aus dem Bereich der Schweißtechnik mangelt es an Anregungen, dass und wie die Verwaltung spezifischer Daten bei Auswechslung von Schweißzangen zu vereinfachen und zuverlässiger zu machen sein könnte.
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Die deutsche Gebrauchsmusterschrift 1 963 874 (Anlage K7) und die deutsche Patentschrift 43 06 492 (Anlage K8) offenbaren keine auswechselbaren Schweißzangen. Die US-Patentschrift 5 451 850 (Anlage K19) offenbart u.a. in Bezug auf einen Punktschweißroboter mit einer Schweißpistole ein Verfahren, das die Position des Werkzeugmittelpunkts korrigiert, wenn sich die Schweißpistolenspitze durch Abnutzung verbraucht (S. 1, linke Spalte, 2. Abs. der Übersetzung). Der Aufsatz von K. Pöll und U. Matuschek "Widerstandsschweißen mit schnellen Gleichstromquellen und neuen Regelkonzepten" (Anlage E3/E4) betrifft ein Regelverfahren für das Widerstandsschweißen, bei dem im Rahmen von Kalibrierungsschweißungen zunächst die Regelungsparameter optimiert und die entsprechenden Schweißstromund -spannungsverläufe abgespeichert werden, die dann als Grundlage zur Bewertung der erfassen Istwerte bei den folgenden Schweißungen dienen (S. 6 f. der Entgegenhaltung ). Die Betriebsprogramme (US-Patentschrift 5 451 850) bzw. die Schweißstrom- und -spannungsverläufe der Kalibrierungsschweißung (Aufsatz von K. Pöll und U. Matuschek, "Widerstandsschweißen mit schnellen Gleichstromquellen und neuen Regelkonzepten") sind aber - wie auch nach dem in der Streitpatentschrift wiedergegebenen Stand der Technik - in dem Regelgerät gespeichert (S. 4, linke Spalte, Abs. 2, S. 2 und 4 der Übersetzung der US-Patentschrift 5 451 850; S. 5, Bild 5 und S. 7 des Aufsatzes von K. Pöll und U. Matuschek). Auch die behauptete Vorbenutzung (Anlagen K4 bis K6, K16, K18) arbeitet schließlich damit, dass die Schweißprogramme in der Steuerung gespeichert werden (S. 5, Abs. 1, Anlage K4). Der in der Zange in Form von Verschaltzuständen der Anschlusspaare vorgesehene Programmanwahlcode, ist, wie ausgeführt, kein spezifisches Datum. Dies gilt auch für die Trafocodierung, die ebenfalls durch Verschaltung von an der Zange angebrachten Anschlusspaaren bestimmt wird. Diese beinhaltet Adressdaten, die die Erkennung der Zange ermöglichen, nämlich Informationen über die Nennausgangsspannung des an der Schweißzange angebrachten Transformators sowie über Typ und Anzahl der Dioden.
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Ein aus dem Bereich der Automatisierungstechnik kommender Fachmann wird deshalb geradezu selbstverständlich zu der Meinung gelangen, sich nach Anregungen und Vorbildern bei anderen auswechselbaren Werkzeugen für programmgesteuerte Industrieroboter umsehen zu müssen. Denn zu seinen Aufgaben gehört es, technische Prozesse unterschiedlicher Art zu automatisieren. Das führt ihn ohne weiteres zu der deutschen Offenlegungsschrift 33 26 615 (Anlage K12), die numerisch gesteuerte Bearbeitungszentren offenbart, an denen verschiedene auswechselbare Werkzeuge, insbesondere für die zerspanende Bearbeitung, eingesetzt werden. Diese Schrift gibt ihm die Anregung, bei der Auswechslung von Werkzeugen an einem programmgesteuerten Industrieroboter die Qualität und Sicherheit der Datenverwaltung dadurch zu erhöhen, dass die Daten in einem am auswechselbaren Werkzeug selbst angebrachten Speicher gespeichert werden. Die Entgegenhaltung schlägt zur besseren Sicherung der Speicherung der spezifischen Daten (Schutz vor Verlust oder Verwechslung, S. 8, Z. 32 bis S. 9, Z. 2) vor, sämtliche Parameter und sonstigen werkzeugspezifischen Daten auf einem an dem Werkzeug angebrachten Datenspeicher zu speichern und sie bei einem Werkzeugwechsel an die Steuerung des Bearbeitungszentrums zu übertragen (S. 6, Z. 1 bis 6; S. 8, Z. 16 bis 27).
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Der sich bei dem Schweißgebiet benachbarten Fertigungen umsehende Fachmann stößt zudem auf die deutsche Offenlegungsschrift 38 33 072 A1 (Anlage K9), die eine gesteuerte Schnitt- und Umformpresse mit auswechselbaren Werkzeugen betrifft (Anspruch 1 der Entgegenhaltung), und auf die europäische Patentanmeldung 0 214 666 A2 (Anlage K13), die eine Werkzeugmaschine mit auswechselbaren Werkzeugen offenbart (Anspruch 1 der Entgegenhaltung). Diese Schriften leiten den Fachmann in die gleiche Richtung. Ziel beider Entgegenhaltungen ist die Vereinfachung und Sicherung der Verwaltung der spezifischen Daten (S. 1, Sp. 1, Z. 26 bis 43, Anlage K9; S. 3, vorletzter Absatz, Anlage K13). Auch sie schlagen zur Lösung der Aufgabe vor, die werkzeugspezifischen Daten auf einem an dem jeweiligen Werkzeug selbst angeordneten Speicher zu speichern, von dem aus die Daten an die Steuerung übertragen werden (Anspruch 1 der deutschen Offenlegungsschrift 38 33 072 A1 und Anspruch 7 der europäischen Patentanmeldung 0 214 666 A2).
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Durchgreifende Zweifel, dass der Fachmann den Nutzen dieser Vorbilder auch für programmgesteuerte Schweißungen erkennt und deshalb zur Übertragung geführt wird, ergeben sich nicht aus der Behauptung der Beklagten, Pressanlagen und Bearbeitungszentren für spanende Bearbeitung wiesen in Aufbau und Funktion gegenüber einer (Widerstands-)Schweißvorrichtung erhebliche Unterschiede auf. Denn Auswirkungen der geltend gemachten Unterschiede auf die Behandlung spezifischer Daten sind nicht ersichtlich.
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Von dem Fachmann der Automatisierungstechnik war mithin nur noch die Realisierung der Übertragung der bekannten Vorbilder gefordert. Das hierzu Nötige lag aber im handwerklichen Bereich, wie auch die Erörterung mit dem Sachverständigen ergeben hat. Soweit schweißspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden mussten - beispielsweise Störungen bei der Datenübertragung während des Schweißvorgangs oder Menge der im lokalen Speicher zu speichernden Daten -, gehörte hierzu auch, gegebenenfalls einen Schweißtechniker hinzuziehen.

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c) Geht man hingegen davon aus, dass es sich bei der Person, an die der Abhilfewunsch herangetragen wird, um einen Schweißfachingenieur, der sich mit der Steuerung und/oder Regelung von Schweißvorgängen befasst, handelt, so führt die das Naheliegen betreffende Würdigung zu demselben Ergebnis.
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Auch der Schweißfachingenieur wird auf die deutsche Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15) als Ausgangspunkt seiner Überlegungen zurückgreifen. Da er jedoch weder aus dieser noch aus den weiteren Entgegenhaltungen aus dem Bereich der Schweißtechnik Anregungen zur Lösung des an ihn herangetragenen Problems erhält, hat auch er allen Anlass, sich für mögliche Anregungen und Vorbilder aus dem benachbarten Bereich der industriellen Fertigung bei anderen auswechselbaren Werkzeugen für programmgesteuerte Industrieroboter zu interessieren. Dies gilt um so mehr, als er es gewohnt ist, in der Diskussion schweißtechnischer Problemstellungen auf Entwicklungen und Problemstellungen in anderen Werkzeugbereichen zu stoßen. Denn diese werden in denselben Druckschriften erörtert. Dies ergibt sich beispielsweise aus der Veröffentlichung von R. Dunkes: "Werkzeugwechselsystem für hydraulische Pressen" (Anlage K10). Im unmittelbaren Anschluss an den von der Klägerin dem Streitpatent entgegengehaltenen Artikel, der die Optimierung des Werkzeugwechsels bei hydraulischen Pressen betrifft, findet sich in dieser Zeitschrift ein Artikel mit dem Titel "Schweißmaschine für die Herstellung von Baustahlmatten" (S. 44 der Zeitschrift, Anlage K10), der sich mit der Rationalisierung von Arbeitsabläufen bei Schweißmaschinen befasst. Dies wird durch die US-Patentschrift 5 451 850 (Anlage K19) bestätigt. Aus dieser ergibt sich, dass bestimmte Problemstellungen in der Schweißtechnik und in benachbarten Bereichen der industriellen Fertigung gleichermaßen auftreten, gemeinsam erörtert und einander entsprechende Lösungen vorgeschlagen werden. Diese Entgegenhaltung offenbart ein Verfahren zur Korrektur eines Werkzeugmittelpunkts und führt aus, dass sich sowohl bei Schweißpistolen von Punktschweißrobotern als auch bei Schleifwerkzeugen von Schleifrobotern der Werkzeugmittelpunkt durch Verbrauch und Verschleiß verändere, was durch einen Federmechanismus korrigiert werde (S. 1, Sp. 1, 2. und 3. Abs. der Übersetzung Anlage K19). Zur Lösung des Problems für beide Bereiche der industriellen Fertigung schlägt die Entgegenhaltung ein Verfahren zur Korrektur der Position des Werkzeugmittelpunkts vor, das die Beziehung zwischen Arbeitszeit und dem Änderungsumfang des Werkzeugmittelpunkts berücksichtigt.
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In dem benachbarten Bereich der industriellen Fertigung bei anderen auswechselbaren Werkzeugen für programmgesteuerte Industrieroboter stößt auch der Schweißfachingenieur auf die deutsche Offenlegungsschrift 33 26 615 (Anlage K12), die deutsche Offenlegungsschrift 38 33 072 A1 (Anlage K9) und die europäische Patentanmeldung 0 214 666 A2 (Anlage K13). Die Anregung aus diesen Entgegenhaltungen , die Qualität und Sicherheit der Datenverwaltung dadurch zu erhöhen, dass die Daten auf einem am auswechselbaren Werkzeug selbst angebrachten Speicher gespeichert und bei einem Werkzeugwechsel an die Steuerung des Bearbeitungszentrums übertragen werden, überträgt der Fachmann in vergleichbarer Weise wie bereits erörtert ohne erfinderische Tätigkeit auf die Schweißvorrichtung gemäß der deutschen Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15) und kommt zur streitpatentgemäßen Lösung.
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d) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, das Streitpatent sei jedenfalls deshalb als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend anzusehen, weil zwischen dem Zeitpunkt der Offenlegung des Standes der Technik gemäß der deutschen Offenlegungsschrift 33 26 615 (Anlage K12) und der deutschen Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15), nämlich 1985, und dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents , nämlich 1998, ein langer Zeitraum, nämlich 13 Jahre, liege. Dieses Beweisanzeichen werde durch die Behauptung der Klägerin, die ein führendes Unternehmen der Schweißtechnik sei, bestätigt, noch 1997 und damit kurz vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents die Programmfortschaltung PF4 vertrieben zu haben. Diese löse die streitpatentgemäße Aufgabe nicht, da sie noch immer vorsehe, dass die spezifischen Daten in einem zentralen Speicher in der Steuerung abgelegt seien. Der Senat geht davon aus, dass sich die Beklagte insoweit den Vortrag der Klägerin zur offenkundigen Vorbenutzung hilfsweise zu eigen macht.
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Es kann dahinstehen, ob generell oder auch nur fallweise ein langer Zeitraum, der bis zur Entstehung der Erfindung verstrichen ist, ein verlässliches Beweisanzeichen für die erfinderische Tätigkeit sein kann. Jedenfalls im konkreten Fall können hieraus keine entsprechenden Schlüsse gezogen werden. Zwar war die Grundlage für den in der Streitpatentschrift geschilderten Nachteil bereits 1985 gelegt, da ausweislich der deutschen Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15) bereits zu diesem Zeitpunkt Schweißvorrichtungen mit auswechselbaren Zangen existierten, bei denen der im Streitpatent geschilderte Nachteil auftrat, da die spezifischen Daten in der Programmsteuerung abgelegt waren. Es ist aber anzunehmen, dass Unternehmen , die das geschilderte Problem zu diesem Zeitpunkt erkannten, unter KostenNutzen Gesichtspunkten zunächst eine Abhilfe verwarfen und diese erst später veranlassten. Denn das Bedürfnis für die Lösung des dem Streitpatent zugrundeliegenden Problems stellte sich verstärkt erst kurz vor dem Prioritätstag. Die Beklagte selbst führt insoweit aus (Tz. 26 der Berufungsbegründung vom 21.11.2005), erst in der Kombination der Anforderungen - Auswechselbarkeit der Regelungselektronik bezüglich einer Vielzahl von Schweißzangen unterschiedlicher Typen unter Verwendung zangenspezifischer Daten, insbesondere einschließlich Referenzdatensätze - habe sie erkannt, dass die Handhabung der Vielzahl der Datensätze und deren Organisation innerhalb der Regelungsanlage problematisch sein könnten. Referenzdatensätze setzte aber die Beklagte, wie sie selbst vorträgt (Tz. 25 der Berufungsbegründung vom 21.11.2005) und wie sich auch aus der Patentschrift ergibt (Abs. 0005, Satz 2 der Übersetzung), erst seit kurzem vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents ein. Während sich das Bedürfnis für die Lösung des Problems verstärkte , vereinfachte und verbilligte sich die Umsetzung der Abhilfe durch Anbringung lokaler Speicher an den Zangen. Denn in der Zeit zwischen 1985 und 1998 entwickelte sich die Speichertechnologie erheblich; die Speicherkapazität der Speicherbausteine stieg und deren Preise sanken. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass für Unternehmen, die die in der Streitpatentschrift geschilderten Nachteile erkannten, ein sofortiger oder auch nur alsbaldiger Umbau oder Austausch der vorhandenen Schweißvorrichtungen mit erheblichen Kosten verbunden gewesen wäre. Regelmäßig werden solche Änderungen erst nach der steuerlichen Abschreibung der Maschinen vorgenommen.
45
II. Auch der nebengeordnete Patentanspruch 7, der eine entsprechende Schweißzange betrifft, beruht aus den genannten Erwägungen nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Dies gilt ebenso für Anspruch 12, der ein entsprechendes Verfahren zum Betrieb eines Regelgeräts beansprucht. Die auf Ansprüche 1 und 7 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 6 und 8 bis 11 in der erteilten Fassung haben ebenfalls keinen Bestand; für einen eigenständigen erfinderischen Gehalt ist nichts ersichtlich und auch nichts geltend gemacht.
46
III. 1. Patentanspruch 1 in der von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassung unterscheidet sich von der erteilten Fassung dadurch, dass im lokalen Datenspeicher nicht "spezifische Daten" sondern "spezifische Steuer- und/oder Regelparameter , einschließlich Referenzdatensätze" gespeichert und über eine Schnittstelle an der Zange an Stelle von "Daten" an das Regelgerät "Datensätze" übertragen werden sollen.
47
2. Es kann dahinstehen, ob dieser Patentanspruch unzulässig erweitert ist oder ob er eine bloße Klarstellung enthält, insbesondere ob die Wortwahl "einschließlich" dahin zu verstehen ist, dass besondere spezifische Steuer- und/oder Regeldatensätze , nämlich Referenzdatensätze verwendet werden müssen oder ob Referenz- datensätze lediglich als eine Alternative der spezifischen Steuer- und/oder Regeldatensätze genannt sind.
48
Denn der Beklagten kann nicht darin beigetreten werden, Referenzdatensätze im Sinne des Streitpatents seien über die Kennzeichnung in Abs. 0005, Sp. 1, Z. 55 bis Sp. 2, Z. 1 hinaus durch solche Parameter gekennzeichnet, die es erlaubten, unterschiedliche Schweißaufgaben mit ein und derselben Schweißzange ohne Schweißprogrammumschaltung zu erledigen, für die zuvor unterschiedliche Schweißzangen und jeweils für jede Aufgabe eine Schweißprogrammumschaltung erforderlich gewesen seien. Referenzdatensätze würden, wie in dem Aufsatz von K. Pöll und U. Matuschek, "Widerstandsschweißen mit schnellen Gleichstromquellen und neuen Regelkonzepten" (Anlage E3), dort auf S. 11 f. beschrieben, erstellt: Es würden mit einer Zange jeweils Kalibrierungsschweißungen im Bereich der dünnsten Blechkombination vorgenommen und abgespeichert. Mit derselben Schweißzange würden dann auch andere Blechkombinationen geschweißt, wobei die Regelsteuerung, ausgehend von der abgespeicherten Kalibrierungsschweißung, den Schweißstrom bei den dickeren Blechkombinationen zurücknehme und die Schweißzeit entsprechend verlängere.
49
Dies offenbart die genannte Textstelle der Streitpatentschrift nicht, obwohl sie den Begriff der Referenzdatensätze definiert. Nach dem Wortlaut der Textstelle werden für mehrere verschiedene Schweißungen ("different welds") mehrere Schweißzangen ("welding tongs") verwendet, woraus sich die Parameter der Referenzdatensätze ergeben. Die genannte Textstelle stellt nicht - beispielsweise durch Einfügung des Adverbs "each" ("… that depend upon the welding tongs each used for different welds") - klar, dass jede der mehreren Schweißzangen für verschiedene Schweißungen verwendet würde.
50
Eine darüber hinausgehende Bedeutung des Begriffs der Referenzdatensätze ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus der weiteren Beschreibung des Streitpatents (Abs. 0004, Sp. 1, Z. 38 bis 45): "In these methods, during welding, measuring devices continously measure the dynamic welding current and the electrode voltage. If any deviations from the reference curve occur, the control and/or regulating devices adjust the welding current source so that the measured current and voltage curves match the specified reference curve as closely as possible." Diese Textstelle beschreibt lediglich, wie auch der Sachverständige ausgeführt hat, das Grundverfahren des dynamischen Regelverfahrens: Während der Schweißung werden der dynamische Schweißstrom und die Elektrodenspannung kontinuierlich gemessen. Bei Abweichung von der Referenzkurve passt das (Steuer- und/oder) Regelgerät die Schweißstromquelle an, so dass der gemessene Strom- und Spannungsverlauf der vorgegebenen Referenzkurve möglichst genau entspricht.
51
3. Patentanspruch 1 in der hilfsweise verteidigten Fassung beruht ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ). Es gelten die obigen Ausführungen (Ziff. I 5) entsprechend. Auch dann, wenn dem Fachmann daran gelegen ist, (nur) die Verwaltung solcher spezifischer Daten zu vereinfachen und verlässlicher zu machen, die von den spezifischen Zangen abhängen, stößt er mangels entsprechender Anregungen im Bereich der Schweißtechnik auf die deutsche Offenlegungsschrift 33 26 615 (Anlage K12), die deutsche Offenlegungsschrift 38 33 072 A1 (Anlage K9) und die europäische Patentanmeldung 0 214 666 A2 (Anlage K13) und überträgt die dortige Anregung in naheliegender Weise auf die aus der deutschen Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15) bekannte Schweißvorrichtung in der Weise, dass die Referenzdatensätze auf einem an der Schweißzange angebrachten lokalen Speicher gespeichert und bei dem Zangenwechsel auf die (Steuer- und/oder) Regeleinheit übertragen werden.
52
4. Diese Ausführungen gelten ebenso für die Nebenansprüche 7 und 12 in der hilfsweise verteidigten Fassung, die sich von den Ansprüchen in der erteilten Fassung ebenfalls lediglich durch die Spezifikation der spezifischen Daten unterscheiden. Auch die rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 6 und 8 bis 11 in der hilfsweise verteidigten Fassung sind damit nicht patentfähig.
53
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 121 Abs. 2 PatG, 97 Abs. 1 ZPO.
Scharen Lemke Asendorf
Gröning Berger
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.05.2005 - 2 Ni 3/04 (EU) -

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Gesetz über internationale Patentübereinkommen - IntPatÜbkG | § 6 Das Deutsche Patent- und Markenamt als ausgewähltes Amt


(1) Hat der Anmelder zu einer internationalen Anmeldung, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, beantragt, daß eine internationale vorläufige Prüfung der Anmeldung nach Kapitel II des Patentzusammenarbeitsvertrags durchgeführt

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Bundesgerichtshof Urteil, 29. Feb. 2000 - X ZR 166/97

bei uns veröffentlicht am 29.02.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 166/97 Verkündet am: 29. Februar 2000 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerich
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Bundesgerichtshof Urteil, 12. Jan. 2010 - X ZR 139/05

bei uns veröffentlicht am 12.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 139/05 Verkündet am: 12. Januar 2010 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtsh

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Mai 2007 - X ZR 107/05

bei uns veröffentlicht am 15.05.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 107/05 vom 15. Mai 2007 in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und

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(1) Hat der Anmelder zu einer internationalen Anmeldung, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, beantragt, daß eine internationale vorläufige Prüfung der Anmeldung nach Kapitel II des Patentzusammenarbeitsvertrags durchgeführt wird, und hat er die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat angegeben, in dem er die Ergebnisse der internationalen vorläufigen Prüfung verwenden will ("ausgewählter Staat"), so ist das Deutsche Patent- und Markenamt ausgewähltes Amt.

(2) Ist die Auswahl der Bundesrepublik Deutschland vor Ablauf des 19. Monats seit dem Prioritätsdatum erfolgt, so ist § 4 Absatz 2 und 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Artikels 23 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages Artikel 40 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages tritt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 166/97 Verkündet am:
29. Februar 2000
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die
Richter Dr. Jestaedt, Dr. Melullis, Keukenschrijver und die Richterin Mühlens

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 15. Juli 1997 verkündete Urteil des 4. Senats (Juristischen Beschwerdesenats und Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerinnen zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte war bei Klageerhebung eingetragener Inhaber des am 3. September 1987 unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Gebrauchsmuster -Voranmeldung vom 11. September 1986 angemeldeten, unter anderem mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 259 787 (Streitpatents). Das Streitpatent be-
trifft ein Warenregal und umfaßt zwei Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
1. Warenregal mit einem oberen Schwerlastbereich und einem unteren Selbstbedienungsbereich, umfassend Regalständer (1) mit jeweils zwei im Profil generell U-förmigen Säulen (7, 8), wobei die von der jeweils anderen Säule abgewandte Basisfläche (9) jeder Säule (7) mit Aussparungen (10) zum Einhängen von Regaltraversen (2) des Schwerlastbereichs versehen ist, wobei die beiden Seitenflächen (11) jeder Säule (7) unter Bildung einer Längsfuge auf der der anderen Säule zugewandten Seite aufeinander zugekantet sind und wobei die Enden von die beiden Säulen (7, 8) verbindenden Gitterstreben (14) in die Längsfugen eingreifen, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß in den auf beiden Seiten der Längsfuge gelegenen Stirnflächen (12) mindestens einer Säule (7) zusätzliche Aussparungen (15) zum Einhängen von Regalelementen (4, 6) des Selbstbedienungsbereichs vorgesehen sind.
Wegen des auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentanspruchs 2 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
Die Klägerinnen haben Klage mit dem Ziel erhoben, das Streitpatent für nichtig zu erklären. Sie haben geltend gemacht, die Lehre des Streitpatents sei nicht neu und beruhe auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Beklagte ist der Nichtigkeitsklage entgegengetreten.
Das Bundespatentgericht hat die Nichtigkeitsklage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerinnen, mit der sie beantragen ,
das europäische Patent 0 259 787 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Der Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und bittet um Zurückweisung der Berufung.
Prof. Dr.-Ing. R., ..., hat im Auftrag des Senats ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Senat vermag nicht festzustellen, daß die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe bestehen (Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 IntPatÜG).
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein Warenregal mit einem oberen Schwerlastbereich und einem unteren Selbstbedienungsbereich. Solche Regalkombinationen werden in Selbstbedienungsmärkten eingesetzt. Der Selbstbedienungsbereich dient dabei der verkaufsgerechten Präsentation von Waren. Da-
zu werden Wandregale benutzt, bei denen die die Waren aufnehmenden Fachböden, Gondeln, Körbe oder sonstigen Behälter an Konsolen befestigt sind, die ihrerseits an beispielsweise an einer Gebäudewand befestigten Säulen eingehängt sind und von diesen frei herausragen. Der Schwerlastbereich dient dazu, u.a. auf Paletten gepackte Warenvorräte in oberen, oberhalb normaler Reichweite angeordneten Etagen zu lagern, die aus Gitterständern und zwischen diesen eingefügten Traversen aufgebaut sind, wobei die Selbstbedienungsregale in dem freien Raum unterhalb der Palettenetagen der Schwerlastregale aufgestellt werden (Streitpatent Sp.1 Z. 1-19). Die Kombination von Schwerlast- und Selbstbedienungsteil bei einem Warenregal wird in der Streitpatentschrift als aus der deutschen Patentschrift 29 13 981 bekannt bezeichnet , wobei das Schwerlastregal dort aus zwei Hälften besteht, und die Ständer des Selbstbedienungsregals zwischen die benachbarten Längstraversen der Regalhälften eingefügt sind.
2. Die Streitpatentschrift nennt als Aufgabe der Erfindung die Schaffung eines kombinierten Schwerlast- und Selbstbedienungsregals, das zu einem geringeren Kosten- und Raumaufwand führt als bei dem aus der deutschen Patentschrift 29 13 981 bekannten Warenregal, bei dem die Gesamtzahl der erforderlichen Ständer und der damit verbundene Investitionsaufwand hoch, die Raumnutzung dagegen unbefriedigend sei (Sp. 1 Z. 32-47).
3. Der Anspruch 1 des Streitpatents schlägt hierzu ein Warenregal vor, dessen Merkmale das Bundespatentgericht wie folgt gegliedert hat:
1. Das Warenregal hat einen oberen Schwerlastbereich und einen unteren Selbstbedienungsbereich.

2. Das Warenregal umfaßt von jeweils zwei Säulen gebildete Regalständer.
2.1 Die Säulen haben ein generell U-förmiges Profil.
2.2 Die von der jeweils anderen Säule abgewandte Basisfläche jeder Säule hat Aussparungen zum Einhängen von Regaltraversen des Schwerlastbereichs.
2.3 Die beiden Seitenflächen jeder Säule sind unter Bildung einer Längsfuge auf der der anderen Säule zugewandten Seite aufeinander zu gekantet.
2.4 In die Längsfugen greifen die Enden von die beiden Säulen verbindenden Gitterstreben ein.
2.5 In den beiderseits der Längsfugen gelegenen Stirnflächen mindestens einer Säule sind zusätzliche Aussparungen zum Einhängen von Regalelementen des Selbstbedienungsbereichs vorgesehen.
4. Der Kern der Erfindung ist nach der Patentschrift ein Warenregal mit Regalständern, die ihrer grundsätzlichen Bauweise nach Schwerlastregalständer sind, gleichzeitig jedoch als Zwischen- oder als Endständer eines Selbstbedienungsregals zum Einhängen üblicher Konsolen dienen (Sp. 1 Z. 50-56). Dabei sind die Aussparungen zum Einhängen der Elemente des Selbstbedie-
nungsregals und die Aussparungen zum Einhängen der Traversen des Schwerlastregals an entgegengesetzten Flächen eines über die eingeschweißten Gitterstreben im wesentlichen geschlossenen Profils angeordnet, was dem Regalständer hohes Tragvermögen verleiht (Sp. 1 Z. 56 bis Sp. 2 Z. 27).
Eine erfindungsgemäße Ausführungsform zeigen die Figuren 1 und 2 der Patentschrift, wobei Fig. 2 einen Schnitt durch eine Säule eines Regalständers mit Teilen der daran eingehängten Traversen, Konsolen und Wandelemente zeigt.

II. Das Bundespatentgericht hat in dem angefochtenen Urteil festgestellt, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei neu, keiner der entgegengehaltenen Druckschriften sei ein Warenregal mit allen Merkmalen des angegriffenen Patentanspruchs 1 zu entnehmen.
Das sehen die Parteien und der erkennende Senat nicht anders.
Die Vorveröffentlichungen enthalten entweder keinen Hinweis auf eine Kombination von Schwerlast- und Selbstbedienungsregal (Merkmal 1) oder sie verwirklichen nicht den Gedanken, die rückwärtigen Säulen des Schwerlastre-
gals gleichzeitig als Träger für die Elemente des Selbstbedienungsregals zu verwenden (Merkmal 2.5).
III. Der Senat ist nicht davon überzeugt, daß die Lehre nach Anspruch 1 des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ).
1. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Art. 56 EPÜ und damit der Patentfähigkeit ist das Bundespatentgericht zutreffend davon ausgegangen, daß die Bewertung der für eine Erfindung aufzubringenden Entwicklungsarbeit davon abhängt, welche Kenntnisse und Fähigkeiten von einem mit Entwicklungsarbeiten auf dem jeweiligen technischen Fachgebiet betrauten Durchschnittsfachmann erwartet werden können. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß den Kenntnissen des maßgeblichen Durchschnittsfachmanns zwar nicht ein umfassendes Wissen auf allen Gebieten der Technik zugerechnet werden kann, daß andererseits aber auch nicht nur von einem streng auf die von ihm bearbeitete Spezialmaterie beschränkten Wissen ausgegangen werden kann. Über den zum jeweiligen technischen Spezialgebiet gehörenden Stand der Technik hinaus ist das zu berücksichtigen , was sich der maßgebliche Durchschnittsfachmann bei seiner Ausbildung an allgemeinem Grundlagenwissen angeeignet hat. Zusätzlich ist das Wissen auf technischen Nachbargebieten oder auf einem übergeordneten allgemeinen technischen Gebiet heranzuziehen, auf dem sich in größerem Umfang gleiche oder ähnliche Probleme stellen (BGH, Beschl. v. 04.10.1988 - X ZB 25/87, BlPMZ 1989, 133 ff. - Gurtumlenkung). Maßgeblich ist ein Techniker , der sein Augenmerk darauf richtet, welche praktischen Anweisungen zum technischen Handeln der Stand der Technik enthält und der die sich auf dem Fachgebiet einstellenden Vorgänge entsprechend dem erkannten oder an
ihn herangetragenen Bedarf praktisch und theoretisch übersehen kann (vgl. Busse, PatG, 5. Aufl., § 4 Rdn. 124).
Durchschnittsfachmann ist danach hier derjenige, der sich mit der Entwicklung von Regalen befaßt und in der Lage ist, dem Bedarf der Kunden entsprechend Regalkonstruktionen zu liefern. Wie auch der gerichtliche Sachverständige bei der Erläuterung seines Gutachtens ausgeführt hat, handelt es sich um einen Techniker (Meister oder Ingenieur) mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Regalen, der das einschlägige Schrifttum kennt, zu dem auch die nachstehend erörterten Schriften gehören. Der Durchschnittsfachmann kennt danach die Verwendungsanforderungen von Regalen in der Lagertechnik wie auch im Ladenbau. Er hat bei seinen Überlegungen die bekannte Kombination von Schwerlast- mit Selbstbedienungsregalen im Auge, die er als aufwendig und in der Raumausnutzung unbefriedigend erkannt hat.
2. Als nächstliegenden Stand der Technik sieht der Senat in Übereinstimmung mit den Parteien und dem gerichtlichen Sachverständigen die deutsche Patentschrift 29 13 981. Sie bietet eine Lösung für ein kombiniertes Regal aus einem Palettenhochregal und einem Selbstbedienungsregalteil, bei der wie beim Streitpatent die Regalkonstruktion Regalständer umfaßt, die aus jeweils zwei durch Gitterwerk (Quer- und Diagonaltraversen) miteinander verbundenen Säulen bestehen. Dabei sind hier je zwei Ständer hintereinandergeschaltet. Das Selbstbedienungsregal ist jedoch im Unterschied zum Streitpatent mit gesonderten Tragsäulen ausgestattet, die zwischen die Hochregalständer eingeklemmt und dort verschraubt sind. Die Elemente des Selbstbedienungsteils werden nicht in Öffnungen der Hochregalträger eingehängt, sondern in die als Schlitzlochständer ausgebildeten gesonderten zusätzlichen Tragsäulen. Ä hn-
lichkeiten bestehen danach zur Lehre des Streitpatents, was den Schwerlastbereich betrifft, während die Lösung für den Selbstbedienungsbereich grundsätzlich verschieden von derjenigen des Streitpatents ist: die Merkmale 2.4 und 2.5 fehlen. Weiterhin hat sich auch der gerichtliche Sachverständige außerstande gesehen, der Schrift zu entnehmen, ob dort U-Profile verwendet werden und ob die Profile Längsfugen aufweisen (Merkmale 2.1 und 2.3). Er hat im Ergebnis keine Anregungen zu erkennen vermocht, die Anordnungen der Elemente des Selbstbedienungsbereichs nach der Lehre des Streitpatents zu gestalten. Der Senat sieht das nicht anders.
3. a) Der allgemeine Gedanke einer Kombination aus Schwerlast- und Selbstbedienungsregal ist auch angesprochen in der Veröffentlichung über Regalausführungen in der Zeitschrift "Moderner Markt" 1975 Nr. 3. Diese gehörte unstreitig zum Stand der Technik. Aus den in der Veröffentlichung enthaltenen Zeichnungen ist jedoch, wie der gerichtliche Sachverständige im Termin erläutert hat, auch für ihn nicht zu entnehmen, wie im einzelnen die Aufhängung der Selbstbedienungselemente vorgesehen ist. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, es sei nach den Zeichnungen auch denkbar, daß die Regalbretter im Selbstbedienungsbereich an der Wand befestigt seien. Die Lösung sei nur grob skizziert. Mehr als die schon aus der deutschen Patentschrift 29 13 981 bekannte Idee läßt sich danach auch dieser Veröffentlichung nicht mit ausreichender Deutlichkeit entnehmen.

b) Nur sehr allgemeine Anregungen für ein kombiniertes SchwerlastSelbstbedienungsregal ergeben sich auch aus den Akten über die Erteilung des deutschen Patents 29 13 981. In diesen der allgemeinen Akteneinsicht unterliegenden (§ 31 Abs. 2 PatG) und deshalb ebenfalls zum Stand der Tech-
nik gehörenden Unterlagen hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 5. August 1980 auf Bescheide des Deutschen Patentamts hin u.a. vorgetragen, es sei beim dortigen Anmeldungsgegenstand erstmals gelungen, ein Regalsystem zu schaffen, in dem sowohl die handelsüblichen Warenträger wie auch genormte Container und sogenannte Euro-Paletten untergebracht werden könnten. Weiter heißt es dort:
"Durch das Vorsehen der Schlitzlochständer zusätzlich z u den Ständerprofilen beim Anmeldungsgegenstand wird erreicht, daß das an den Schlitzlochständern eingehängte Selbstbedienungsregalsystem unabhängig von den Containermaßen der Ständerprofile wird. Darüber hinaus können dank der Maßnahme gemäß der Erfindung die Profilständer wesentlich einfacher gestaltet werden, als wenn diese sowohl als Stützlochständer als auch als Profilständer verwendet würden."
Aus dem letzten Satz ist zwar der Gedanke zu entnehmen, Selbstbedienungs - und Schwerlastregalteile an demselben Ständer zu montieren; wie dieser im einzelnen umzusetzen ist, ist dort jedoch nicht ausgeführt. Außerdem wird in dieser Darstellung gerade der dem Streitpatent zugrundeliegende Gedanke verworfen, die Ständer zugleich als Profil- und Schlitzlochständer zu verwenden; die angemeldete erfindungsgemäße Lösung - das Vorsehen zusätzlicher Schlitzlochständer - sei dem vorzuziehen als wesentlich einfachere Gestaltung. Die Ausführungen führen mithin eher von der Lösung des Streitpatents weg als zu ihr hin.
4. Der Senat hat auch nicht feststellen können, daß die Lehre des Streitpatents durch andere Vorveröffentlichungen einzeln oder in einer Gesamtschau nahegelegt waren.

a) Die deutsche Offenlegungsschrift 29 51 806 betrifft, wie dort auf S. 4 und 5 dargestellt, insbesondere Regalanordnungen für Paletten mit einer besonderen Verriegelung. Selbstbedienungsregale oder gar kombinierte Schwerlast-Selbstbedienungsregale werden nicht erwähnt. Einhängemöglichkeiten für Selbstbedienungselemente sind demzufolge nicht vorgesehen. Ä hnlichkeiten mit dem Streitpatent bestehen insofern, als für die Ständer U-Profile mit einer Längsfuge vorgesehen sind, wobei allerdings die Längsfuge kein Gitterwerk aufnimmt und keine erkennbare Funktion hat. Unklar bleibt demzufolge auch, ob die Längsfuge so breit angelegt ist, daß sie Gitterstreben aufnehmen könnte.
Ä hnlich dem Streitpatent sind seitlich der Längsfuge Lochreihen angeordnet , die zur Aufnahme von Längs- und Querträgern dienen. Auf S. 12 der Offenlegungsschrift wird dazu ausgeführt, die in Längsrichtung (zur Verbindung der beiden Säulen bzw. Tragpfeiler eines Regalständers) verlaufenden horizontalen Träger seien mit ausgelochten Lippen versehen, um die Regalplatten zu tragen. Solche horizontalen Träger könnten auch in Längsrichtung zur zusätzlichen Stabilisierung zwischen benachbarten Paaren von Tragpfeilern eingesetzt werden, seien dann aber nicht mit Lochungen versehen. Damit ist die Möglichkeit des Einhängens von Regalelementen eines Selbstbedienungsbereichs weder geschaffen noch nahegelegt.

b) Dies gilt ebenso für die italienische Patentschrift 154 231. Sie beschreibt einen Universalpfosten für Waren- und Geschäftsregale, wobei die Idee der Kombination von Schwerlast- und Leichtlast- bzw. Selbstbedienungsregalen nicht angesprochen wird. Der Universalpfosten weist zudem, worauf auch der gerichtliche Sachverständige hingewiesen hat, kein generelles U-Profil im Sinne des Streitpatents auf. Der Pfosten hat auch keine für den Selbstbedienungsteil zu verwendenden Einhängeöffnungen an den Stirnseiten.

c) Bei dem Regal "Multipal N" schließlich handelt es sich um ein reines Hochregal. Längsfugen und Lochreihen sind zwar vorhanden, sie befinden sich jedoch an anderer Stelle, als dies das Streitpatent vorsieht, und sind auch in anderer Weise miteinander kombiniert.
Der Senat hat nach alldem in Übereinstimmung mit den fachkundigen Richtern des Bundespatentgerichts und dem gerichtlichen Sachverständigen nicht feststellen können, daß der Durchschnittsfachmann imstande war, den Gegenstand des Streitpatents in naheliegender Weise aufzufinden. Insbesondere war dem Fachmann das Nebeneinanderlegen von funktionalen Längsfugen und Lochreihen auf engem Raum grundsätzlich nicht ohne weiteres nahegelegt.
Der auf Patentanspruch 1 zurückbezogene abhängige Patentanspruch 2 hat mit dem Patentanspruch 1 Bestand. Weiterer Feststellungen hierzu bedarf es nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem nach der Übergangsregelung in Art. 29 Abs. 2 des Zweiten Gesetzes zur Ä nderung des Patentgesetzes und anderer Gesetze (2. PatÄ ndG) übergangsweise weiter anwendbaren § 110 Abs. 7 PatG a.F. in Verbindung mit §§ 91, 92, 97 ZPO.
Rogge Jestaedt Melullis Keukenschrijver Mühlens

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.