Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2006 - X ZR 131/02

bei uns veröffentlicht am12.12.2006
vorgehend
Bundespatentgericht, 2 Ni 40/00, 31.01.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 131/02 Verkündet am:
12. Dezember 2006
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Schussfädentransport

a) Dass sich die Beschreibung und die Ausführungsbeispiele des Patents ausschließlich
auf bestimmte Ausführungsformen beziehen, schränkt einen weiter
zu verstehenden Sinngehalt der Patentansprüche nicht auf diese Ausführungsformen
ein. Eine Auslegung unterhalb des Wortlauts (im Sinn einer
Auslegung unterhalb des Sinngehalts) der Patentansprüche ist generell nicht
zulässig; dies gilt insbesondere, wenn der Beschreibung eine Schutzbegrenzung
auf bestimmte Ausführungsformen nicht zu entnehmen ist.

b) Es besteht grundsätzlich kein Anlass, von Amts wegen in eine nähere Prüfung
darüber einzutreten, ob in einem insgesamt nicht schutzfähigen Patentanspruch
eine Lehre enthalten ist, mit der das Patent weiterhin Bestand haben
könnte (Fortführung des Sen.Urt. v. 24.10.1996 - X ZR 29/94, GRUR
1997, 272, 273 - Schwenkhebelverschluss).
BGH, Urt. v. 12. Dezember 2006 - X ZR 131/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und
die Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 31. Januar 2002 abgeändert : Das Patent 30 43 003 wird im Umfang seiner Patentansprüche 1, 2, 4 und 5 für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte, die im Weg der Namensänderung aus der früheren S. AG in W. hervorgegangen ist, war zuletzt Inhaberin des am 11. November 1980 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung in den Niederlanden vom 15. November 1979 angemeldeten, inzwischen infolge Ablaufs der Höchstschutzdauer erloschenen deutschen Patents 30 43 003 (Streitpatents), das ein Verfahren zum Transport der Schussfäden mittels eines strömenden Fluidums durch das Webfach einer Webmaschine sowie eine Webmaschine zur Durchführung dieses Verfahrens betrifft und in der Fassung, die es im Einspruchsbeschwerdeverfahren erhalten hat, 5 Patentansprüche umfasst. Die von der als Patentverletzerin gerichtlich in Anspruch genommenen Nichtigkeitsklägerin allein angegriffenen Patentansprüche 1, 2, 4 und 5 lauten - ohne Berichtigung einzelner Schreib- und Grammatikfehler - wie folgt: "1. Verfahren zum Transport der Schußfäden durch das Webfach einer Webmaschine, mittels einer Anzahl mit einem strömenden Transportfluidum gespeister Düsen, dadurch gekennzeichnet , daß von jedem Schussfaden die Transportgeschwindigkeit gemessen wird, ein für die gemessene Transportgeschwindigkeit repräsentatives Signal (s, s’) einem Steuersystem (10, 10’, 11) zugeführt wird, in welchem dieses Signal in ein Steuersignal umgewandelt wird, das diejenigen Komponenten (4) des Schußtransportsystems, welche die Geschwindigkeit des Schußgarns bestimmen, beeinflußt. 2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man eine kontinuierliche Messung der zum Schußtransport benützten Zeit durchführt, über eine Anzahl aufeinanderfolgender Schüsse die mittlere Schußzeit (s’) bestimmt und diese mit der gewünschten Schußzeit (so) vergleicht, wobei man ein für den zu messenden Zeitunterschied repräsentatives Signal (s) einem Steuersystem zuführt, in welchem dieses Signal in einer Steuersignal umgewandelt wird, das die Komponenten (4) des Schußtransportsystems beeinflußt. 4. Webmaschine zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Maschine mit einer Meßvorrichtung (6, 7, 8) für die Transportgeschwindigkeit des Schußfadens sowie mit einem Steuersystem (10, 11) ausgerüstet ist, in welchem das für die Transportgeschwindigkeit repräsentative Signal (5’) in ein Steuersignal umgewandelt wird, das die Komponenten (2, 4) des Schußtransportsystems beeinflußt , welche die Geschwindigkeit des Schußfadens bestimmt.
5. Webmaschine nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Maschine mit einer Vorrichtung (6, 7, 8) ausgerüstet ist, welche die zum Schußtransport benützte Zeit während mehrerer Webzyklen mißt und einen Mittelwert (s’) der gemessenen Zeit bildet, und die mittlere Schußzeit (s’) mit der gewünschten Schußzeit (so) vergleicht, wobei ein für den zu messenden Zeitunterschied repräsentatives Signal (s) dem Steuersystem (10, 11) zugeführt wird, welches dieses Signal in ein Steuersignal umwandelt, das die Komponenten (4, 2) des Schußtransportsystems beeinflußt, welches die Geschwindigkeit des Schußfadens bestimmt."
2
Die Nichtigkeitsklägerin hatte gegen das Streitpatent bereits Einspruch eingelegt. Im Einspruchsverfahren und in dem sich daran anschließenden Einspruchsbeschwerdeverfahren ist sie im wesentlichen erfolglos geblieben; das Patentamt hat das Streitpatent in vollem Umfang aufrecht erhalten; das Bundespatentgericht hat in seiner Beschwerdeentscheidung (Beschl. v. 17.12.1992 - 11 W (pat) 10/91) lediglich in Patentanspruch 4 die Worte "zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1" eingefügt.
3
Die Klägerin hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, dass der Gegenstand der angegriffenen Patentansprüche des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn die deutschen Offenlegungsschriften 24 03 025 (in der Bezeichnung der Klägerin NK2), 24 11 905 (NK7), 27 58 402 (NK6, bereits im Einspruchsverfahren berücksichtigt) und 28 24 429 (NK15), die britische Patentschrift 1 468 124 (NK12), die französische Patentschrift 1 541 187 (NK14), die US-Patentschriften 3 853 408 (NK4) und 4 023 599 (NK5), das Fachbuch "Webereitechnik", VEB Fachbuchverlag Leipzig, 2. Auflage 1971 (NK1), drei Veröffentlichungen von Perner und Hänel aus den Jahren 1972 bis 1979 (NK8 - 10) sowie eine Veröffentlichung von Buráň, Kuba und Kondělik aus dem Jahr 1972 (NK11), jeweils in der Zeitschrift "Deutsche Textiltechnik", bildeten , nicht schutzfähig sei. Sie hat beantragt, das Streitpatent im Umfang seiner Patentansprüche 1, 2, 4 und 5 für nichtig zu erklären. Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Das Bundespatentgericht hat die Nichtigkeitsklage abgewiesen.
4
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Zusätzlich stützt sich die Klägerin im Berufungsverfahren auf den Nichtigkeitsgrund, dass das Streitpatent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin weiter die französische Patentanmeldung 2 166 332 (NK21), die niederländische Patentanmeldung 7901050 (NK22), die deutschen Offenlegungsschriften 1 535 600 (NK27), 23 37 787 (NK25), 24 46 819 (NK28) und 30 02 862 (NK20) sowie die deutsche Auslegeschrift 1 243 114 (NK26) und die Beiträge von Hutter in Melliand Textilberichte 7/1977 S. 545-550 (NK29) und von Buss in chemiefasern/textil-industrie Februar 1978, S. 152-160 (NK30) genannt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
5
Im Auftrag des Senats hat Professor Dr.-Ing. B. W. , B. , ein schriftliches Gutachten (im Folgenden: GA W. I) erstattet, das er zunächst schriftlich ergänzt (GA W. II) und sodann in der mündlichen Verhandlung erläutert und weiter ergänzt hat. Die Klägerin hat ein Gutachten von Prof. Dr.-Ing. O. K. (GA K. ) eingereicht.

Entscheidungsgründe:


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Die zulässige Berufung der Klägerin führt unter Abänderung der Entscheidung der Vorinstanz zur Nichtigerklärung des Streitpatents im angegriffenen Umfang.
7
I. Die Nichtigkeitsklage ist auch nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents weiterhin zulässig, weil die von der Beklagten als Patentverletzerin in Anspruch genommene Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis an der Nichtigerklärung des Streitpatents im angegriffenen Umfang hat (st. Rspr.; vgl. Sen.Urt. v. 19.5.2005 - X ZR 188/01, GRUR 2005, 749 - Aufzeichnungsträger; v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316 - Koksofentür; zuletzt Sen.Urt. v. 12.9.2006 - X ZR 49/02). Die Beklagte ist passiv legitimiert, ohne dass es insoweit auf den Registerstand ankäme.
8
II. Die Einführung des weiteren Nichtigkeitsgrunds der fehlenden ausführbaren Offenbarung stellt eine Klageänderung dar (Sen.Urt. v. 24.6.1997 - X ZR 13/94, Bausch BGH 1994-1998, 327, 334 - Auspressvorrichtung), die auch in zweiter Instanz noch zulässig ist und die der Senat als sachdienlich ansieht , weil sie die umfassende Beurteilung des Rechtsstreits in einem einzigen Verfahren ermöglicht und der Streitstoff bereits frühzeitig vorgetragen war, so dass sich die Beklagte hierzu erklären konnte (vgl. Sen.Urt. v. 7.6.1994 - X ZR 82/91, Bausch BGH 1994-1998, 27, 29 - thermoplastische Formmassen ). Im Ergebnis kommt es auf diesen Nichtigkeitsgrund jedoch nicht an, weil das Streitpatent, soweit es angegriffen ist, schon wegen mangelnder Patentfähigkeit der Nichtigerklärung anheimfällt.
9
III. Das Streitpatent ist im angegriffenen Umfang nicht patentfähig (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 PatG 1978 in sachlicher Übereinstimmung mit §§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG 1981 und in Verbindung mit den Übergangsregelungen in Art. XI § 1, § 3 IntPatÜG).
10
1. Das Streitpatent betrifft nach seinem Patentanspruch 1 und dem auf diesen bezogenen Unteranspruch 2 ein Verfahren zum Transport der Schussfäden durch das Webfach einer Webmaschine mittels einer Anzahl mit einem strömenden Transportfluidum gespeister Düsen und nach Patentanspruch 4 und dem auf diesen bezogenen Patentanspruch 5 eine Webmaschine zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1.
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Das Streitpatent bezieht sich dabei nach seinen Patentansprüchen nicht allein (hierzu unten III. 4.), aber doch nach der Beschreibung, die sich ausschließlich mit ihnen beschäftigt, im wesentlichen auf Düsenwebmaschinen, d.h. Webmaschinen, bei denen die Schussfäden nicht mittels einer mechanischen (Zug-)Einrichtung wie eines Schützen, eines Projektils oder eines Greifers , sondern mittels druckluft- oder wasserstrahlbeaufschlagter Strömungsdüsen in das Webfach eingetragen werden. Solche Düsenwebmaschinen sind seit 1914 (US-Patent 1 096 283) bekannt (vgl. den nachveröffentlichten Aufsatz von Wahhoud und Kohlhaas "Air jet weaving machines - review, state of the art and prospects", NK3) und jedenfalls seit 1961 am Markt eingeführt (vgl. die von der Beklagten vorgelegte Aufstellung B3). Sie werden in erster Linie zum Verweben von Filamentgarnen eingesetzt, die aus Kunststofffäden (Filamentfäden; Polymerfäden ) bestehen und wie Seidenfäden zu den Glattgarnen zählen (vgl. GA W. I S. 4). Bei derartigen Maschinen kann der Schussfadeneintrag nur erfolgen, solange das aus den Kettfäden gebildete Webfach offen ist. Dabei trat das Problem auf, dass der Schussfaden im Webzyklus entweder zu früh oder zu spät eingetragen wurde, wenn die Impulsübertragung, insbesondere beim Übergang auf eine andere Art von Schussfäden, nicht optimal erfolgte (vgl. Streitpatent, Beschr. Sp. 2 Z. 4-11). Dieses Problem trat insbesondere bei Strukturveränderungen des Garns auf, die zu Änderungen in dessen Luftwiderstand führen (vgl. GA W. I S. 5). Im Weiteren konnten diese Störungen zu Webfehlern führen (vgl. Beschr. Sp. 2 Z. 17-20), für die in erster Linie Unterschiede im Luftwiderstand des Schussfadens verantwortlich gemacht wurden (vgl. Beschr. Sp. 2 Z. 28-33; das Parteigutachten Prof. K. , S. 5, präzisiert dies dahin, dass die Ondulierung (sog. "Texturierung") des Filamentgarns die eigentliche Ursache sei) und zu deren Vermeidung man innerhalb des Webzyklus dem Schuss so viel Zeit gewährte und soviel Energie (über das Transportfluidum) zuführte, dass man praktisch sicher war, dass sowohl der langsamste wie der schnellste Schussfaden innerhalb der eröffneten Spanne lagen. Dies war jedoch, wie die Beschreibung des Streitpatents bemängelt, nicht ökonomisch (Beschr. Sp. 2 Z. 20-26).
12
2. Diese, ein relativ langsames Arbeiten der Webmaschine erfordernde und damit unökonomische Vorgehensweise soll durch das Streitpatent vermieden werden (vgl. Beschr. Sp. 2 Z. 26-27). Was weiter als "Aufgabe" angesprochen worden ist, ist bereits Lösungsansatz, von dem die Problemdefinition frei zu halten ist (vgl. Sen.Urt. v. 22.11.1984 - X ZR 40/84, GRUR 1985, 369 - Körperstativ

).


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3. a) Zur Lösung dieses technischen Problems soll eine für das Verhalten des Schussfadens repräsentative Größe wie dessen Geschwindigkeit als Steuergröße für die Steuerung der Webmaschine benutzt werden (Beschr. Sp. 2 Z. 34-37). Dabei soll nach einem ersten (der Lehre des nicht angegriffenen Patentanspruchs 3 zugrunde liegenden) Prinzip die Transportgeschwindigkeit jedes Schussfadens gemessen, ein dafür repräsentatives Signal einem Steuersystem zugeführt und dort in ein Steuersignal umgewandelt werden, das die Drehzahl der Maschine derart ändert, dass die zum Schusstransport eines Fadens benötigte Zeit einen nahezu konstanten Teil der momentanen von der Arbeitsfrequenz der Maschine bestimmten Webzykluszeit bildet, womit erreicht werden soll, dass die Maschine in jedem Moment mit einer möglichst hohen Drehzahl betrieben wird (Beschr. Sp. 2 Z. 40-53). Nach einem zweiten Prinzip, das der Lehre der Patentansprüche 1 und 2 zugrunde liegt, wird das gemessene Signal in ein Steuersignal umgewandelt, das bei konstanter Maschinendreh- zahl die Komponente des Schusstransportsystems, die die Geschwindigkeit des Schussgarns bestimmt, beeinflusst (Beschr. Sp. 2 Z. 54-64).
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b) Hierzu stellt das Streitpatent nach seinem Patentanspruch 1 ein Verfahren zum Transport der Schussfäden durch das Webfach einer Webmaschine unter Schutz, wobei (1) der Transport mittels einer Anzahl mit einem strömenden Transportfluidum gespeister Düsen erfolgt, (2) von jedem Schussfaden die Transportgeschwindigkeit gemessen wird, (3) ein für die gemessene Transportgeschwindigkeit repräsentatives Signal einem Steuersystem zugeführt und (4) dieses Signal dort in ein Steuersignal umgewandelt wird, (4.1) das diejenigen Komponenten des Schusstransportsystems, die die Geschwindigkeit des Schussgarns bestimmen, beeinflusst.
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c) Nach seinem Patentanspruch 4 schützt das Streitpatent eine Webmaschine zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1, die (1’) mit einer Messvorrichtung für die Transportgeschwindigkeit des Schussfadens sowie (2’) mit einem Steuersystem ausgerüstet ist, (2.1’) in dem das für die Transportgeschwindigkeit repräsentative Signal in ein Steuersignal umgewandelt wird, (2.1.1’) das die Komponenten (2, 4) des Schusstransportsystems beeinflusst, die die Geschwindigkeit des Schussfadens bestimmen (nicht, wie in Patentanspruch 4: bestimmt).
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4. Die für die Bestimmung des Gegenstands des Streitpatents zunächst maßgeblichen Patentansprüche gehen dabei im Sinn einer Verallgemeinerung über den Inhalt der Beschreibung hinaus. Sie beziehen sich insbesondere nicht ausschließlich auf Düsenwebmaschinen, sondern erfassen auch andere Webmaschinen , bei denen der Schussfadentransport mittels einer Anzahl mit einem strömenden Transportfluidum gespeister Düsen erfolgt. Dies betrifft nicht nur rein theoretisch denkbare Fälle; im Stand der Technik sind vielmehr sowohl pneumatische Schützenwebmaschinen, bei denen der eine ganze Spule tragende Schützen durch einen Luftstrom vorwärtsgetrieben wird (deutsche Offenlegungsschrift 23 37 787, NK25, Beschreibung S. 2, erster vollständiger Abs.), als auch pneumatische Düsenwebmaschinen mit einem Projektil (ebenfalls NK25) beschrieben. Selbst wenn es sich dabei um vereinzelt gebliebene oder wenig marktfähige Ausführungen gehandelt haben mag, kann nicht darüber hinweggegangen werden, dass sie vorbeschrieben waren. Die Patentansprüche des Streitpatents lassen sich ohne weiteres auch auf solche Ausführungen lesen. Ihnen sind keine Einschränkungen zu entnehmen, dass diese nicht unter das Patent fallen sollen. Auch daraus, dass der Schussfadentransport "mittels" einer Anzahl von Düsen erfolgen soll, folgt keine Einschränkung dahin, dass dies nur unmittelbar zu geschehen habe; ein Schussfadentransport mit einer düsengetriebenen Spule oder einem düsengetriebenen Projektil stellt ebenfalls einen Schussfadentransport "mittels" Düsen dar. Insoweit können auch Zweifel an der Bedeutung des Begriffs "mittels" nicht bestehen. Dies wurde in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien erörtert.
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Dass sich die Beschreibung und die Ausführungsbeispiele ausschließlich auf Düsenwebmaschinen beziehen, schränkt den Sinngehalt der Patentansprüche ebenfalls nicht ein. Eine Auslegung unterhalb des Wortlauts (im Sinn einer Auslegung unterhalb des Sinngehalts) der Patentansprüche ist generell nicht zulässig; dies gilt insbesondere, wenn der Beschreibung wie hier eine Schutz- begrenzung auf bestimmte Ausführungsformen nicht zu entnehmen ist (vgl. Scharen in Benkard, EPÜ, 2002, Art. 69 EPÜ Rdn. 33; ders. in Benkard, PatG GebrMG, 10. Aufl. 2006, § 14 PatG Rdn. 24, 25, je m.w.N.). Es ist grundsätzlich Sache des Patentinhabers, gebotene Einschränkungen des Patentschutzes, etwa im Beschränkungsverfahren oder durch beschränkte Verteidigung im Nichtigkeitsverfahren, selbst herbeizuführen.
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5. a) Soweit die Patentansprüche des Streitpatents auf die Transportgeschwindigkeit des Schussfadens (Merkmale 2, 3, 2.1’) abstellen, erfassen sie nicht nur Unterschiede, die ihre Ursachen "hauptsächlich im Faden selbst haben und namentlich die Folge von Unterschieden im Luftwiderstand des Fadens sind" (Beschr. Sp. 2 Z. 31-33). Die Einsicht, dass derartige Unterschiede über eine Ausregulierung beherrschbar sind, mag zwar eine neue Erkenntnis gegenüber dem Stand der Technik gewesen sein, sie hat aber in den Patentansprüchen und damit in der unter Schutz gestellten Lehre keinen Niederschlag gefunden. Zudem hat die mündliche Verhandlung zur Überzeugung des Senats ergeben, dass auch andere Unterschiede über regulierende Eingriffe sinnvoll angegangen werden konnten. So könnte, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, die Zeit zu langsamer Schüsse durch eine Erhöhung der Schussgeschwindigkeit reduziert werden. Diesen zu langsamen Schüssen mussten jedenfalls keine tendenziellen Unterschiede in der Garnstruktur zugrunde liegen ; für den Anwender des Verfahrens stellte sich generell nicht die Frage, worauf die unbefriedigende Transportgeschwindigkeit zurückzuführen war, wenn er nur den Fehler im Gewebe als solchen erkannte und Anlass zu der Annahme hatte, diesem durch eine Regelung beikommen zu können.
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b) Bei dem für die Transportgeschwindigkeit repräsentativen Signal (Merkmal 3) kann es sich sowohl um die gemessene Geschwindigkeit eines bestimmten Schussfadens (vgl. Beschr. Sp. 2 Z. 36/37), die mittlere Schussge- schwindigkeit oder die mit dieser korrelierte benötigte Zeit (vgl. Beschr. Sp. 2 Z. 65 - Sp. 3 Z. 3) oder eine hieraus abgeleitete Größe handeln (vgl. Beschr. Sp. 3. Z. 3-5), wobei es dem Anwender des geschützten Verfahrens überlassen bleibt, eine geeignete Größe auszuwählen, bei der es sich infolge der bekannten Definition der Geschwindigkeit als Funktion von Weg und Zeit bei bekanntem und innerhalb einer Produktion konstantem Weg (Breite des Gewebes) auch um die Schusszeit handeln kann. Die Beeinflussung der Komponenten des Schusstransportsystems (Merkmale 4.1; 2.1.1’) kann dabei zweckmäßigerweise so erfolgen, dass die Düsen nur mit so viel strömendem Fluidum gespeist werden, dass die gewünschte Schussgeschwindigkeit genau erreicht wird; wird eine Neigung zur Verringerung der Schusszeit (d.h. eine Erhöhung der Geschwindigkeit des Schussfadens) festgestellt, kann demgemäß weniger Energie zugeführt werden (vgl. Beschr. Sp. 3 Z. 9-23). Für die Vergleichsparameter muss entweder auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden oder diese müssen durch einen Prüfvorgang ermittelt werden.
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6. Soweit in den Patentansprüchen von einem "Steuersystem" die Rede ist, ist - worüber auch allseits Einigkeit besteht - korrekterweise ein Regelsystem gemeint (vgl. DIN 19226, Ausgabe Mai 1968), denn es wird die (tatsächliche ) Schusszeit oder Transportgeschwindigkeit als Regelgröße gemessen, mit der eingestellten Transportgeschwindigkeit, der Führungsgröße, verglichen und abhängig vom Ergebnis dieses Vergleichs angeglichen (GA W. I S. 6). Die Regelung kann - von Patentanspruch 1 des Streitpatents erfasst - bereits beim zweiten eingetragenen Schussfaden wirksam werden, sie wird sich aber zweckmäßigerweise, wenngleich nicht notwendig, nicht jeweils an der Geschwindigkeit des unmittelbar vorher eingeschossenen Fadens, sondern an der Tendenz der Fadengeschwindigkeit ausrichten, die wiederum wesentlich von Strukturveränderungen im Garn bestimmt wird (vgl. GA W. I S. 5).
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IV. Bei der Prüfung der Schutzfähigkeit gegenüber dem Stand der Technik nach den angesichts des Anmeldedatums anzuwendenden §§ 2, 2a PatG 1978 (die den geltenden §§ 3, 4 PatG 1981 entsprechen) haben zunächst die nachveröffentlichten Entgegenhaltungen NK3, NK20 und NK23 außer Betracht zu bleiben. Die Beiträge von Wahhoud und Kohlhaas "Air jet weaving machines - review, state of the art and prospects" (NK3) und von Samal "Grundriß der praktischen Regelungstechnik", Bd. I (NK23), sind erst im Jahr 1981 veröffentlicht und rechnen daher nicht zum Stand der Technik. Die am 30. Juli 1981 veröffentlichte deutsche Offenlegungsschrift 30 02 862 (NK20; Gebrüder Sulzer AG) ist erst am 26. Januar 1980 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 23. Januar 1980 angemeldet worden, prioritätsjünger als das Streitpatent und rechnet deshalb ebenfalls nicht zum Stand der Technik (§ 2 Abs. 1 und 2 PatG 1978).
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V. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist neu (§ 2 Abs. 1 - 3 PatG 1978 i.V.m. Art. XI § 1 Abs. 2 Satz 1, 2, § 3 Abs. 6 Satz 1 IntPatÜG; vgl. Keukenschrijver in Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, Art. XI § 3 IntPatÜG Rdn. 1). Keine der Entgegenhaltungen nimmt ihn in seiner Gänze vorweg.
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Wie das Bundespatentgericht zutreffend festgestellt hat, wird die Neuheit des Verfahrens nach Patentanspruch 1 gegenüber dem Fachbuch "Webereitechnik" (NK1), der deutschen Offenlegungsschrift 24 03 025 (NK2), den USPatentschriften 3 853 408 (NK4) und 4 023 599 (NK5), der deutschen Offenlegungsschrift 27 58 402 (NK6), der britischen Patentschrift 1 468 124 (NK12) und dem Aufsatz von Buráň, Kuba und Kondělik "Methode zur Messung der Zeit des Schussfadenflugs durch den Konfusor bei pneumatischen Webautomaten" in Deutsche Textiltechnik 22 (1972), Heft 6, S. 364 (NK11), schon da- durch begründet, dass dort jeweils das die Transportgeschwindigkeit beeinflussende Steuer- (Regel-)system nicht beschrieben ist.
24
Das Fachbuch "Webereitechnik" (NK1) enthält lediglich die Aussage (S. 185 Z. 8/9), dass die Einstellung der Schusseintragsvorrichtungen leicht regelbar sei, aber keine Angaben dazu, wie die Regelung zu bewerkstelligen ist. Dass auch das Streitpatent nur allgemeine Angaben zur Regelung enthält, ändert nichts daran, dass diese in der Entgegenhaltung gänzlich fehlen.
25
Die deutsche Offenlegungsschrift 24 03 025 (Výzkumný a vývojový ústav Závodů všeobecněho strojírenství; NK2) offenbart schon das Erfassen der Transportgeschwindigkeit des Schussfadens (Merkmal 2) nicht. Die US-Patentschrift 3 853 408 (Kaalverink/Ruti - Te Strake; NK4) beschreibt nicht die Steuerung der Geschwindigkeit des Schussfadens. Gleiches gilt für die einen optoelektronischen Schussfadendetektor betreffende US-Patentschrift 4 023 599 (Zeleny/Gebrüder Sulzer GmbH; NK5). Die deutsche Offenlegungsschrift 27 58 402 (Výzkumný a vývojový ústav Závodů všeobecněho strojírenství; NK6) beschreibt nur die Steuerung des Zeitpunkts der Öffnung der Betätigungselemente , die die Zuführung der Druckluft steuern. Der Aufsatz von Buráň u.a. (NK11) beschreibt lediglich die Methode zur Messung der Zeit des Schussfadenflugs , nicht auch die Merkmale 4, 4.1. Die britische Patentschrift 1 468 124 (Nissan Motor Company; NK12) beschreibt - auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin angezogenen Beschreibungsstelle (S. 11 Z. 4-11) - nicht, dass von jedem Schussfaden die Transportgeschwindigkeit gemessen und mittels eines repräsentativen Signals das Schusstransportsystem geregelt wird (so auch GA W. I S. 11).
26
Die deutsche Offenlegungsschrift 24 11 905 (VEB Textilkombinat Cottbus ; NK7) und die Veröffentlichung von Perner und Hänel "Elektronisches Messverfahren zur EDV-gerechten Erfassung der Schützenbewegung an Webmaschinen" in Deutsche Textiltechnik 24 (1974), Heft 3, S. 171 (NK8) beschreiben die Regelung/Steuerung des Schussfadentransportsystems nicht.
27
Die weitere Veröffentlichung von Perner und Hänel "Ermittlung von Leistungsreserven an Greiferschützen-Webautomaten" in Deutsche Textiltechnik 29 (1979), Heft 3, S. 160 (NK9) lehrt zum einen, eine Leistungssteigerung über die Erhöhung der Webmaschinendrehzahl zu verwirklichen (S. 169 rechte Spalte siebter Absatz), zum anderen durch eine Erhöhung des Nutzeffekts (S. 161 linke Spalte erster vollständiger Absatz). Dort wird ausgeführt, durch das Reduzieren der Schussfadengeschwindigkeit werde der Vorgang "Schussfadeneintrag" sicherer, und es träten infolge reduzierter Belastungen der Schussfäden und der Schussfadeneintragsvorrichtungen weniger Störungen und damit auch weniger Stillstandszeiten an der Webmaschine auf. Das Reduzieren der Schussfadengeschwindigkeit kann dabei wie auch nach der Lehre des Streitpatents durch einen Regelungsvorgang vorgenommen werden. Die Veröffentlichung beschreibt diesen aber ebensowenig wie die einzelnen Regelungsschritte im Sinn der Merkmale 2, 3, 4 und 4.1 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents und steht diesem deshalb nicht neuheitsschädlich entgegen. Jedoch ist die durch den Aufsatz vermittelte Erkenntnis entgegen der Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen (GA W. I S. 10) nicht schon deshalb nicht zu berücksichtigen , weil sie auf einen Schusseintrag mit Luft nicht übertragbar wäre. Der gerichtliche Sachverständige hat bei seiner Begutachtung nämlich übersehen, dass die deutsche Offenlegungsschrift 23 37 787 sowohl eine pneumatische Schützenwebmaschine als auch eine pneumatische Projektilwebmaschine beschreibt und damit durchaus Anlass bestand, die Aufmerksamkeit auch auf Schützenwebmaschinen zu richten; zudem hat er nicht berücksichtigt, dass das Streitpatent nicht nur Düsenwebmaschinen erfasst.
28
Die französische Patentschrift 1 541 187 (NK14) kann ebenfalls nicht bereits deshalb außer Betracht bleiben, weil sie Schützenwebmaschinen betrifft. Beschrieben ist in ihr auch eine Regelung (im Sinn einer Korrektur anhand eines Sollwerts) des Schusseintrags (vgl. Beschr. S. 1 rechte Spalte Z. 11-13, letzte Zeile bis S. 2 linke Spalte Z. 4: kontinuierliche Überwachung der Schlagkraft , die eine Erkennung und Korrektur eines übertrieben schwachen oder starken Schlags ermöglicht). In die Schlagkraft geht dabei notwendig als Bestimmungsgröße auch der Impuls und damit die Geschwindigkeit ein. Allerdings sind die Maßnahmen, wie sie die Merkmale 2, 3, 4 und 4.1 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents lehren, nicht ausdrücklich vorbeschrieben.
29
Die deutsche Offenlegungsschrift 28 24 429 (NK15) betrifft nur die Erzeugung des Steuersignals sowie dessen Zuführung an eine Speicheranlage mit Standanzeige und stellt nicht näher dar, wie dieses Signal in einen Regelungsvorgang überführt wird.
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Der Artikel von Perner und Hänel "Elektronische Webmaschinenmeßtechnik (Teil 1)" in Deutsche Textiltechnik 29 (1979), Heft 10, S. 648 (NK10) - seine von der Beklagten in Frage gestellte Vorveröffentlichung unterstellt - nimmt den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ebenfalls nicht vorweg.
31
Die französische Patentanmeldung 2 166 332 (Moessinger S.A.; NK21) spricht eine Regelung der Schussfadengeschwindigkeit über ein von der gemessenen Geschwindigkeit des Schussfadens abgeleitetes Signal nicht an, sondern nur eine Steuerung für das Erfassen des Fadens durch den Haken 16 (Beschr. S. 6 Z. 11-14).
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In der niederländischen Patentanmeldung 7901050 (K.K. Toyoda Jidoshokki Seisakusho; NK22) ist ein Messen der Geschwindigkeit des Transportfadens im Sinn des Merkmals 2 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht vorgesehen.
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Die deutsche Offenlegungsschrift 1 535 600 (Ruthardt; NK27) betrifft nicht den Transport des Schussfadens mittels einer Fluiddüse. Die deutsche Offenlegungsschrift 23 37 787 (Crompton & Knowles Corp.; NK25) betrifft eine Webmaschine mit pneumatisch angetriebenen Schützen. Der Schussfaden wird mit einem mittels eines Druckluftstoßes betriebenen Projektils und damit von der Masse des Projektils beaufschlagt durch das Webfach geschossen. Die Entgegenhaltung beschreibt jedenfalls die Regelung des Schussfadeneintrags nicht. Die deutsche Offenlegungsschrift 24 46 819 (Oberdorfer; NK28) bezieht sich auf einen fluidbeaufschlagten Schussfadeneintrag. Die deutsche Auslegeschrift 1 243 114 (Apparate- und Maschinenfabriken Uster; NK26) befasst sich nicht mit der Regelung des pneumatischen Schussfadeneintrags (vgl. GA W. II S. 7).
34
Der Beitrag von Hutter, Neue Entwicklungen elektronischer Geräte für Webmaschinen, in Melliand Textilberichte 7/1977, S. 545-550 (NK29), beschreibt diverse Steuerungen konventioneller und schützenloser Webmaschinen , insbesondere die elektronische Schützenflugüberwachung und bei schützenlosen Webmaschinen die Überwachung des Projektils, des Bands oder des Greifers sowie die Schussfadenüberwachung. Er steht der Neuheit der Lehre des Streitpatents nicht entgegen. In dem Beitrag von Buss in textilfasern/textilindustrie , Februar 1978, S. 152-160 (NK30) ist von einer Regelung des Schussfadeneintrags keine Rede.
35
VI. 1. Die Würdigung dieses Materials aus dem Stand der Technik ergibt jedoch, dass der Gegenstand des Streitpatents für den Fachmann, als den der Senat auf Grund der Erörterung in der mündlichen Verhandlung einen im Team insbesondere mit einem Maschinenbauingenieur arbeitenden Textilingenieur mit Fachhochschulausbildung oder einen erfahrenen Textiltechniker ansieht, nahegelegen hat und deshalb nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (§ 2a PatG 1978 entsprechend § 4 PatG 1981).
36
Regelstrategien bei Düsenwebmaschinen sind in der Entgegenhaltung NK1 angesprochen, Regelstrategien bei Schützenwebmaschinen insbesondere in den Entgegenhaltungen NK27, NK28 und NK29, jedenfalls im Ergebnis auch in NK14. Auch der Aufsatz von Perner und Hänel (NK9) betrifft die Regelung bei Schützenwebmaschinen. Daraus folgt zunächst, dass die Kenntnis der Regelungstechnik in der Fachwelt, d.h. bei mit der Konstruktion von Webmaschinen befassten Mitarbeitern von Webmaschinenherstellern, vorhanden und abrufbar war. Der gerichtliche Sachverständige hat dies in der mündlichen Verhandlung in der Weise bestätigt, dass er diese Kenntnis bei dem Maschinenbauer , der in dem typischerweise mit der Entwicklung entsprechender Vorrichtungen befassten Team mitarbeitet, bestätigt hat.
37
Für den Fachmann, der sich mit Gewebefehlern, die aus einer falschen Transportgeschwindigkeit des Schussfadens herrühren, konfrontiert sah, etwa aus zu langsamen Fäden, die das Schussfach nicht innerhalb des hierfür offenen Zeitfensters vollständig durchquerten, stellte sich zunächst die Frage, ob er dem auch anders als durch eine Stillsetzung der Webmaschine mit anschließender manueller Fehlerbehebung beikommen konnte. Hierzu musste sich ihm zunächst die Überlegung aufdrängen, dass er die Fehlerursache im Fall des zu langsamen Schussfadens generell durch eine Heraufsetzung der Transportgeschwindigkeit , wenn er den bisher zu langsamen Faden das Webfach innerhalb des dafür zur Verfügung stehenden Zeitfensters durchqueren ließ, beseitigen und damit das fehlerhafte Ergebnis vermeiden konnte. Ähnliches musste aber auch im umgekehrten Fall gelten, wenn nämlich die Schussfadengeschwindigkeit so hoch ist, dass hierdurch Probleme am Schussfaden selbst (zu hohe Beanspruchung bis hin zum Reißen) oder an den Schussfadeneintragsvorrichtungen auftreten. Der letztere Fall ist in dem Aufsatz von Perner und Hänel (NK9; S. 161 linke Sp., erster vollständiger Abs.) ausdrücklich angesprochen. Auf beide Fälle geht - allerdings mit einem etwas ungewöhnlichen Vokabular (übertrieben schwacher oder starker Schlag - "une chasse exagérément faible ou forte") - auch die französische Patentschrift 1 541 736 (NK14) ein. Für beide Fälle liefern diese Entgegenhaltungen somit jedenfalls die Anregung, bei Schützenwebmaschinen unerwünschten Transportgeschwindigkeiten des Schussfadens unabhängig von ihrer Ursache dadurch Rechnung zu tragen, dass auf die Schussfadengeschwindigkeit eingewirkt wird. Dies setzt wiederum aber voraus, dass die Geschwindigkeit in Richtung auf eine gewünschte Größe (eine Normalgröße ) verändert wird. Das ist aber nichts anderes als eine Regelung, wie sie im Grundsatz auch das Streitpatent vorsieht. Eine solche Regelung wird in der französischen Patentschrift, wenngleich in anderem Zusammenhang, auch ausdrücklich angesprochen, wenn dort die Schlagkraft des Schützeneintrags detektiert und letztlich mit einem Sollwert ("la valeur optimale" oder "la valeur optimum", S. 4 linke Sp. unten übergehend auf die rechte Sp.) verglichen wird.
38
Die Anwendung dieser Überlegung auch bei pneumatisch beaufschlagten Webmaschinen wie nach dem Streitpatent konnte dem Fachmann im Ergebnis keine Schwierigkeiten bereiten. Allerdings ist dem gerichtlichen Sachverständigen wie der Beklagten zuzugeben, dass sich die Massenverhältnisse bei Düsenwebmaschinen und Schützenwebmaschinen, aber auch bei Projektilwebmaschinen , deutlich unterscheiden. Während bei Düsenwebmaschinen nur der relativ leichte Faden transportiert werden muss, ist bei Schützenweb- maschinen auch der Schützen mit der Garnspule, der in der Regel wesentlich schwerer sein wird als der Faden allein, und bei Projektilwebmaschinen auch das Projektil mit dem Faden zu transportieren. Zudem wird bei Düsenwebmaschinen nur der Faden mittels eines Fluids transportiert (geschoben), während bei Schützen- und Projektilwebmaschinen der Faden entweder sich von der Spule abwickelnd oder unmittelbar vom Projektil gezogen wird. Hierdurch wird aber der Umstand, dass der Faden auch bei pneumatisch beaufschlagten Webmaschinen zu schnell oder zu langsam sein kann, nicht beeinflusst. Unabhängig von den Ursachen hierfür bestand bei pneumatisch beaufschlagten Webmaschinen gleichermaßen das Bedürfnis, auf diese Abweichungen bei der Transportgeschwindigkeit korrigierend einzuwirken. Daher hatte der Fachmann auch bei pneumatisch beaufschlagten Webmaschinen Anlass, auf die Lehren der französischen Patentschrift 1 541 736 (NK14) wie auch im Aufsatz von Perner und Hänel (NK9) zurückzugreifen, die ihm die Erkenntnis vermittelten, dass eine zu schnelle oder zu langsame Transportgeschwindigkeit durch regelnde Eingriffe weitgehend beseitigt werden können.
39
Hierfür bedurfte es zudem weder der Erkenntnis, dass die Fehler ihre Ursache in Ungleichmäßigkeiten des Fadens haben, noch der weiteren Erkenntnis , dass die Fehler nur dann zuverlässig durch eine Regelung beseitigt werden können, wenn es sich um Abweichungen mit einer feststellbaren Tendenz und nicht um "statistisch" verteilte Fehler handelt. Es mag zwar zutreffen, dass "statistisch" verteilten Fehlern über eine Regelung allenfalls zufällig beizukommen ist und dass sich in diesem Fall Ergebnisse bis hin zu einer unerwünschten Verstärkung des Fehlers ergeben können; diese Schwierigkeit löst aber jedenfalls auch Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht.
40
Die Patentanspruch 1 des Streitpatents weiter ausgestaltenden Merkmale des Regelvorgangs gehen dabei insgesamt über naheliegende Maßnahmen nicht hinaus.
41
2. Danach kann Patentanspruch 1 des Streitpatents keinen Bestand haben , nachdem er jedenfalls auch Lehren erfasst, die durch den Stand der Technik nahegelegt sind. Ob er daneben auch Lehren erfasst, bei denen eine erfinderische Tätigkeit nicht verneint werden kann, bedarf schon deshalb keiner Prüfung, weil die Beklagte Fassungen des Patentanspruchs 1, bei denen das nicht Schutzfähige ausgeschieden ist, auch nicht hilfsweise zur Verteidigung gestellt hat. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, spricht viel dafür, dass es allein Sache des Patentinhabers ist, den erteilten Patentanspruch in einer von ihm formulierten eingeschränkten Fassung zu verteidigen, wenn er dessen vollständige Nichtigerklärung vermeiden will (Sen.Urt. vom 24.10.1996 - X ZR 29/94, GRUR 1997, 272, 273 - Schwenkhebelverschluss; vgl. auch Sen.Urt. v. 23.10.2001 - X ZR 210/98, bei BGH Bausch BGH 1999-2001, 579, 582 f. - Befestigungselement 02; BPatG (3. Senat) BPatGE 44, 177 = Bausch BPatG 1994-1998, 135, 148 f. gegen BPatG (2. Senat) Bausch BPatG 1994-1998, 676, 682 f.). Es besteht in einer derartigen Situation grundsätzlich kein Anlass für den Senat, von Amts wegen in eine nähere Prüfung darüber einzutreten, ob in dem insgesamt nicht schutzfähigen Patentanspruch eine Lehre enthalten ist, mit der das Patent weiterhin Bestand haben könnte. Umstände, die hier eine andere Beurteilung nahelegen könnten, sind nicht ersichtlich.
42
VII. Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt des auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentanspruch 2 ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Die Gesichtspunkte, die das Naheliegen des Patentanspruchs 1 begründen , stehen auch den infolge Kategoriewechsels, der eine Behandlung als Unteranspruch ausschließt, eigenständig zu prüfenden (a.A. BPatG, Urt. v. http://juris.bundespatentgericht.de.cgi-bin/rechtsprechung.document.py?gericht%20=bpatg&Art=en&Datum=2006-8&Nr=917&pos=11&anz=82&blank=1.pdf [Link] http://juris.bundespatentgericht.de.cgi-bin/rechtsprechung.document.py?gericht%20=bpatg&Art=en&Datum=2006-8&Nr=917&pos=11&anz=82&blank=1.pdf - 22 - 24.8.2006 - 4 Ni 7/05 (EU), Umdruck S. 15; im Internet unter http://juris.bundespatentgericht.de.cgi-bin/rechtsprechung.document.py?gericht =bpatg&Art=en&Datum=2006-8&Nr=917&pos=11&anz=82&blank=1.pdf) Patentansprüchen 4 und 5 entgegen. In den Vorrichtungsmerkmalen dieser Patentansprüche kann nichts die Erfindung Tragendes gesehen werden.
43
VIII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 91 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 31.01.2002 - 2 Ni 40/00 -

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 308 Bindung an die Parteianträge


(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

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Patentgesetz - PatG | § 4


Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese

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(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung od

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Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 188/01 Verkündet am:
19. Mai 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Aufzeichnungsträger
Ist die Schutzdauer des Streitpatents abgelaufen, ist die Nichtigkeitsklage nur
zulässig, soweit der Kläger gleichwohl ein Rechtsschutzbedürfnis für die Nichtigerklärung
hat. Diese Voraussetzung ist für einander nebengeordnete Patentansprüche
jeweils gesondert zu prüfen.
a) Es steht dem Patentschutz nicht entgegen, daß ein Verfahren oder eine
Vorrichtung die Wiedergabe von Informationen betrifft. Maßgeblich ist vielmehr
, ob die beanspruchte Lehre Anweisungen enthält, die der Lösung eines
konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen. Ist
dies der Fall, kommt es nicht darauf an, ob der Patentanspruch auch auf
den Informationscharakter des Verfahrensergebnisses oder der beanspruchten
Sache abstellt.
b) Ist bei einem auf einen Aufzeichnungsträger gerichteten Sachanspruch der
beanspruchte Gegenstand zumindest teilweise nicht unmittelbar durch
(räumlich-körperlich oder funktional umschriebene) Sachmerkmale, sondern
durch ein Verfahren definiert, durch das eine bestimmte Informationsstruktur
erhalten wird, ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln, ob
und inwieweit sich aus dem angegebenen Verfahren durch dieses bedingte
Merkmale des bei seiner Anwendung erhaltenen Aufzeichnungsträgers ergeben
, die diesen als erfindungsgemäß qualifizieren (Fortführung des
Sen.Urt. v. 19.6.2001 - X ZR 159/98, GRUR 2001, 1129 - zipfelfreies Stahlband
).
BGH, Urt. 19. Mai 2005 - X ZR 188/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die
Richter Scharen, Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 18. Juli 2001 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 31 25 529, das unter Inanspruchnahme einer niederländischen Priorität vom 14. Juli 1980 am 29. Juni 1981 angemeldet und im Verlaufe des Rechtsstreits durch Zeitablauf erloschen ist. Das Streitpatent umfaßt 15 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 1, 11 und 12 lauten: "1. Verfahren zum Umkodieren einer Folge Datenbits in eine Folge Kanalbits, wobei die Folge Datenbits in unmittelbar aufeinanderfolgende Blöcke von je m Datenbits aufgeteilt wird und diese Blöcke in aufeinanderfolgende Blöcke von (n1 + n2) Kanalbits (n1 + n2 > m) umkodiert werden und wobei die Blöcke
Kanalbits je einen Block von n1 Informationsbits und einen Block von n2 Trennbits enthalten derart, daß aufeinanderfolgende Blöcke von Informationsbits durch jeweils nur einen Block Trennbits getrennt werden und daß eine (d, k)-Bedingung erfüllt ist, d.h. daß zwei aufeinanderfolgende Kanalbits von einem ersten Typ, des Typs '1', durch mindestens d dann höchstens k unmittelbar aufeinanderfolgenden Bits eines zweiten Typs, des Typs '0', getrennt werden, g e k e n n z e i c h - n e t d u r c h die nachfolgenden Schritte: 1. das Umwandeln der Blöcke von m Bits enthaltender Datenbits in n1 Bits enthaltende Blöcke Informationsbits derart , daß die (d, k)-Bedingung erfüllt ist; 2. das Erzeugen mehrerer möglicher Blöcke von (n1 + n2) Kanalbits durch Ergänzen je eines Blocks von n1 Informationsbits durch jeweils einen Block aus der Menge aller möglichen Blöcke von n2 Trennbits; 3. das Bestimmen derjenigen Blöcke von Kanalbits aus den möglichen Blöcken von Kanalbits, die in bezug auf den jeweils vorhergehenden und nachfolgenden Block von Kanalbits die (d, k)-Bedingung erfüllen; 4. das Ermitteln des Gleichstromanteils jedes der so bestimmten Blöcke von Kanalbits, die in dem vorhergehenden Schritt ermittelt wurden;
5. das Auswählen des Blocks von Kanalbits mit minimalem Gleichstromanteil aus den in Schritt 4 bestimmten Blökken. 11. Aufzeichnungsträger mit einer gemäß dem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8 erzeugten Informationsstruktur mit Folgen von Kanalbitzellen, die je ein Bit enthalten, dessen Wert durch einen Pegelübergang oder einen fehlenden Pegelübergang am Anfang der Bitzelle dargestellt wird, d a - d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Pegelübergängen maximal gleich (k + 1) Bitzellen und minimal gleich (d + 1) Bitzellen ist, und daß höchstens zwei aufeinanderfolgende maximale Abstände von (k + 1) Bitzellen der Pegelübergänge auftreten, die Teil einer Synchronisationsinformation bilden. 12. Aufzeichnungsträger nach Anspruch 11, d a d u r c h g e - k e n n z e i c h n e t , daß k = 10 und d = 2 ist und daß der Aufzeichnungsträger zwischen zwei aufeinanderfolgenden Synchronisationsinformationen einen Rahmen mit 561 Kanalbitzellen aufweist, der 33 Blöcke von je 17 Kanalbitzellen enthält , und daß die Synchronisationsinformation 27 Kanalbitzellen aufweist." Wegen des Wortlauts der weiteren Verfahrensansprüche 2 bis 8 und der jeweils einen Demodulator betreffenden Patentansprüche 9 und 10 sowie der Patentansprüche 13 bis 15, die einen Modulator, einen Wandler und eine Anordnung zum Wiedergeben der einem Übertragungskanal entnommenen Informationsbits betreffen, wird auf die Patentschrift verwiesen.
Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Verletzung der Patentansprüche 11 und 12 gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat geltend gemacht, die Gegenstände des Streitpatents seien nicht patentfähig, gingen über den Inhalt der Ursprungsanmeldung hinaus und seien nicht ausführbar offenbart. Das Bundespatentgericht hat die Nichtigkeitsklage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie (sinngemäß) den Antrag weiterverfolgt, das Streitpatent für nichtig zu erklären. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen, wobei sie Patentanspruch 11 hilfsweise in einer Fassung verteidigt, die lediglich auf optische Aufzeichnungsträger gerichtet ist. Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr.-Ing. P. H. , Leiter der Arbeitsgruppe Informations- und Codierungstheorie der Universität , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Bundespatentgericht hat die Nichtigkeitsklage zu Recht abgewiesen. A. Soweit die Klägerin auf Nichtigerklärung der Patentansprüche 1 bis 10 sowie 13 bis 15 anträgt, ist die Klage unzulässig. Nachdem die Schutzdauer des Streitpatents abgelaufen ist, ist die Nichtigkeitsklage nur zulässig, soweit der Klägerin gleichwohl ein Rechtsschutzbe-
dürfnis zuzubilligen ist (Sen.Beschl. v. 14.2.1995 - X ZB 19/94, GRUR 1995, 342 f. - Tafelförmige Elemente; st. Rspr.). Diese Voraussetzung ist zumindest für nebengeordnete Patentansprüche jeweils gesondert zu prüfen, da bei selbständigen Ansprüchen das Interesse an der Nichtigerklärung des einen Anspruchs nicht notwendigerweise auch das Interesse an der Nichtigerklärung des anderen begründen muß, wie im Streitfall angesichts einer Mehrzahl unterschiedliche Gegenstände betreffender Nebenansprüche besonders deutlich wird. Insoweit besteht ein Rechtsschutzinteresse hinsichtlich der Patentansprüche 11 und 12, da die Klägerin aus diesen wegen Patentverletzung in Anspruch genommen wird. Hinsichtlich der Verfahrensansprüche 1 bis 8 und der Sachansprüche 9, 10, 13, 14 und 15 berühmt sich die Beklagte hingegen keiner Ansprüche gegen die Klägerin und ist für ein Rechtsschutzinteresse auch sonst nichts dargetan. B. Soweit die Klage zulässig ist (d.h. hinsichtlich der Patentansprüche 11 und 12), ist sie unbegründet, da keiner der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe vorliegt. I. Das Streitpatent betrifft in Patentanspruch 1 ein Verfahren zum Umkodieren einer Folge Datenbits in eine Folge Kanalbits und in Patentanspruch 11 einen Aufzeichnungsträger mit einer gemäß dem Verfahren nach Anspruch 1 erzeugten Informationsstruktur. 1. Nach der Beschreibung werden bei dem erfindungsgemäßen, insoweit bekannten Verfahren die Folge Datenbits in unmittelbar aufeinanderfolgende Blöcke von je m Datenbits aufgeteilt und diese Blöcke in aufeinanderfolgende Blöcke von (n1 + n2 > m) Kanalbits umkodiert. Vorzugsweise sind m = 8, n1 = 14 und n2 = 3 (Patentansprüche 8 und 12); zur Vereinfachung werden im folgenden diese Vorzugswerte zugrundegelegt, die auch in der Pra-
xis bei der Kodierung von Compact Disc (CD) angewandt werden und auf die die übliche Bezeichnung EFM-Verfahren zurückgeht (EFM = Eight to Fourteen Modulation). Die Blöcke mit 17 Kanalbits enthalten je einen Block von 14 Informationsbits und einen Block von drei Trennbits derart, daß aufeinanderfolgende Blöcke Informationsbits durch jeweils nur einen Block Trennbits getrennt werden , zwei aufeinanderfolgende Kanalbits eines ersten Typs (des Typs "1") durch mindestens d unmittelbar aufeinanderfolgende Bits eines zweiten Typs (des Typs "0") getrennt werden und die Anzahl unmittelbar aufeinanderfolgender Kanalbits vom zweiten Typ höchstens k ist. Vorzugsweise sind d = 2 und k = 10 (Patentanspruch 12; auch diese Werte werden im folgenden zur vereinfachten Darstellung verwendet). Wie die Beschreibung der Streitpatentschrift erläutert, liegt bei der digitalen Übertragung oder in magnetischen und optischen Aufnahme- bzw. Wiedergabesystemen die zu übertragende bzw. aufzunehmende Information meistens in einer Folge von Zeichen vor, die zusammen das (oft binäre) Alphabet bilden. Das binäre Alphabet wird durch die Zeichen 1 und 0 dargestellt. Das Zeichen 1 wird auf dem Magnetband oder auf der optischen Platte als Übergang zwischen zwei Zuständen von Magnetisierung oder zwei Orten eines optisch aktiven Bereichs festgelegt; das Zeichen 0 wird durch das Fehlen eines derartigen Überganges festgelegt. Infolge bestimmter Systemanforderungen bestehen in der Praxis Beschränkungen für die Zeichenfolgen, die auftreten dürfen. So verlangen manche Systeme eine selbsttaktende Folge von Zeichen, was erfordert, daß die Folge zu übertragender bzw. aufzunehmender Zeichen genügend Übergänge aufweisen muß, um aus der Zeichenfolge ein zu Detektion und Synchronisation notwendiges Taktimpulssignal zu erzeugen. Ferner kann die Vermeidung bestimmter Zeichenfolgen im Informationssignal geboten sein, weil diese anderen
Zwecken vorbehalten sind, z.B. als Synchronisationsfolgen dienen. Schließlich kann die Forderung bestehen, die Übergänge nicht zu schnell aufeinander folgen zu lassen, um die Intersymbolinterferenz zu beschränken. Ein derartiges Verfahren ist in der Veröffentlichung von Tang und Bahl "Block Codes for a Class of Constrained Noiseless Channels" in Information and Control 17 (1970), 436 ff. (Anlage Ni-K 8) beschrieben. Als Nachteil der Kodierungsart nach diesem Verfahren bezeichnet es die Streitpatentschrift, daß der Anteil der niedrigen Frequenzen (einschließlich Gleichstrom) an dem Frequenzspektrum des Stromes von Kanalbits ziemlich hoch ist. Ein weiterer Nachteil seien die "verwickelten" (gemeint wohl: aufwendigen) Kodierwandler, insbesondere der Demodulator. Dem Streitpatent liegt das Problem zugrunde, ein Verfahren zum Umkodieren einer Folge Datenbits in eine Folge Kanalbits anzugeben, das die Niederfrequenzspektrumeigenschaften des aus den Kanalbits abzuleitenden Signals verbessert und einen einfachen Demodulator ermöglicht, sowie einen Aufzeichnungsträger mit einer Datenstruktur bereitzustellen, die mit einem derartigen Verfahren erzeugt werden kann. Der in Patentanspruch 11 beanspruchte Aufzeichnungsträger läßt sich wie folgt in Merkmale gliedern:
(1)
Es handelt sich um einen Aufzeichnungsträger mit einer Informationsstruktur mit Folgen von Kanalbitzellen, die je ein Bit enthalten, dessen Wert durch einen Pegelübergang (1) oder einen fehlenden Pegelübergang (0) am Anfang der Bitzelle dargestellt wird.
(2)
Die Informationsstruktur wird mit einem Verfahren mit den nachfolgenden Merkmalen 2.1 bis 2.8 erzeugt: (2.1) Eine Folge Datenbits wird in unmittelbar aufeinanderfolgenden Blöcken von je 8 (m) Datenbits aufgeteilt. (2.2) Diese Blöcke von 8 Datenbits werden in aufeinanderfolgende Blöcke von 17 (n1 + n2 > m) Kanalbits umkodiert. (2.3) Die Blöcke Kanalbits enthalten je einen Block von 14 (n1) Informationsbits und einen Block von 3 (n2) Trennbits derart, daß aufeinanderfolgende Blöcke von Informationsbits durch jeweils nur einen Block Trennbits getrennt werden. (2.4) Das Umwandeln der Blöcke von 8 (m) Datenbits in Blöcke von 14 (n1) Informationsbits erfolgt derart, daß zwei aufeinanderfolgende Kanalbits des Typs 1 durch mindestens 2 (d) und höchstens 10 (k) aufeinanderfolgende Bits des Typs 0 getrennt werden. (2.5) Mehrere Blöcke von 17 (n1 + n2) Kanalbits werden durch Ergänzen je eines Blockes von 14 (n1) Informationsbits durch jeweils einen Block aus der Menge aller möglichen Blöcke von 3 (n2) Trennbits erzeugt. (2.6) Es werden diejenigen Blöcke von Kanalbits aus den möglichen Blöcken von Kanalbits bestimmt, die in Bezug auf den jeweils vorhergehenden und nachfolgenden Block von Kanalbits die (d, k)-Bedingung erfüllen. (2.7) Es wird für jeden der so bestimmten Blöcke von Kanalbits der Gleichstromanteil ermittelt. (2.8) Es wird der Block von Kanalbits mit minimalem Gleichstromanteil ausgewählt.
(3)
Der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Pegelübergängen ist maximal gleich 11 (k + 1) Bitzellen und minimal gleich 3 (d + 1) Bitzellen.
(4)
Es treten höchstens zwei aufeinanderfolgende maximale Abstände von 11 (k + 1) Bitzellen der Pegelübergänge auf, die Teil einer Synchronisationsinformation sind. Die nebenstehend wiedergegebene Figur 1 der Streitpatentschrift zeigt einige Bitfolgen zur Erläuterung des Verfahrens zur Umkodierung einer Folge Datenbits in eine Folge Kanalbits.
2. Mit der Beklagten kann Patentanspruch 11 als product-byprocess -Anspruch bezeichnet werden, da es sich um einen auf einen Aufzeichnungsträger gerichteten Sachanspruch handelt, der jedoch teilweise (in den Merkmalen 2 bis 2.8) nicht unmittelbar durch (räumlich-körperlich oder funktional umschriebene) Sachmerkmale, sondern durch das Verfahren definiert ist, das die erfindungsgemäße Informationsstruktur erzeugt. In einem solchen Fall ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln, ob und inwieweit sich aus dem angegebenen Verfahren durch dieses bedingte Merkmale des daraus erhaltenen Erzeugnisses ergeben, die das Erzeugnis als anspruchsgemäß qualifizieren (Sen.Urt. v. 19.6.2001 - X ZR 159/98, GRUR 2001, 1129 - zipfelfreies Stahlband). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, ob sich Anspruch 1 als ein Verfahren zur Herstellung eines Datenträgers bezeichnen läßt. Vielmehr kommt es allein darauf an, inwieweit sich den verfahrensmäßig definierten Merkmalen - in ihrem technischen Sinngehalt über die Merkmale 1, 3 und 4 hinausgehende - Angaben über die erfindungsgemäße Beschaffenheit des beanspruchten Datenträgers entnehmen lassen. Insoweit beschreiben die Merkmale 2.2 und 2.3, daß die Informationsstruktur (Merkmal 1) aufeinanderfolgende Blöcke von 17 (n1 + n2) Kanalbits aufweist, die je einen Block von 14 (n1) Informationsbits und einen Block von 3 (n2) Trennbits derart enthalten, daß aufeinanderfolgende Blöcke von Informationsbits durch einen Block Trennbits getrennt werden. Dabei sind zwei aufeinanderfolgende Kanalbits des Typs 1 durch mindestens 2 (d) und höchstens 10 (k) aufeinanderfolgende Bits des Typs 0 getrennt (Merkmal 2.4), was mit anderen Worten auch Merkmal 3 besagt, indem dort nicht auf die trennenden Bits des Typs 0, sondern auf den Abstand zwischen zwei Bits des Typs 1 (daher +1) abgestellt wird. Von besonderer Bedeutung ist Merkmal 2.8, aus dem sich ergibt , daß jeder Block von Kanalbits - verglichen mit anderen möglichen, gemäß
den Merkmalen 2.5 bis 2.7 erzeugten oder erzeugbaren Blöcken - den "minimalen Gleichstromanteil" aufweisen soll. Hierdurch soll, wie der Fachmann der Streitpatentschrift entnimmt, insbesondere bei optischen Aufzeichnungssystemen der Einfluß des bei der Abtastung entstehenden Störspektrums minimiert werden. Bei dem von der Streitpatentschrift angesprochenen Fachmann sind, wie der gerichtliche Sachverständige in Übereinstimmung mit dem Bundespatentgericht und von den Parteien unbeanstandet ausgeführt hat, Kenntnisse und Fähigkeiten eines Elektrotechnikingenieurs der Studienrichtung Nachrichtentechnik mit Fachhochschul- oder Hochschulabschluß und Erfahrungen auf dem Gebiet der Speichertechnik zugrunde zu legen. Der in dieser Weise qualifizierte Fachmann erhält durch die in der Streitpatentschrift angegebene Aufgabenstellung den Hinweis, daß es bei der Minimierung des Gleichstromanteils um die Niederfrequenzspektrumeigenschaften des aus den Kanalbits abzuleitenden Signals geht (S. 4 Z. 55 - 57). Das entspricht dem für den Stand der Technik angegebenen Nachteil, daß der Anteil der niedrigen Frequenzen (einschließlich Gleichstrom) an dem Frequenzspektrum des Stromes von Kanalbits ziemlich hoch sei (S. 4 Z. 41/42). Auf S. 5 Z. 57 - 59 wird ausdrücklich darauf hingewiesen , daß es bei optischer Aufzeichnung erwünscht sei, daß der niederfrequente Teil des Datenspektrums optimal unterdrückt werde. Der gerichtliche Sachverständige hat dies ergänzend dahin erläutert, daß speziell die niedrigen Frequenzen des bei der Abtastung entstehenden Störspektrums das Antriebsystem beeinflussen können und daß der Modulationscode daher gleichstromfrei sein soll. Ein gleichstromfreier Modulationscode wirkt sich zudem positiv auf die Detektionsfehlerrate aus (S. 6 Z. 56 - 58 der Streitpatentschrift), und AnalogDigital -Wandler und Detektor können besonders einfach realisiert werden.
3. Näherer Erörterung bedarf ferner das Merkmal 2.6, nach dem diejenigen Blöcke von Kanalbits aus den möglichen Blöcken von Kanalbits bestimmt werden, die in Bezug auf den jeweils vorhergehenden und nachfolgenden Block von Kanalbits die (d, k)-Bedingung erfüllen. Die Streitpatentschrift beschreibt in dem Abschnitt S. 6 Z. 65 - S. 7 Z. 13, wie diese Auswahl realisiert werden kann. Danach wird von jedem der möglichen Blöcke Kanalbits ermittelt, ob für den betreffenden Block in Anbetracht des vorhergehenden Blocks Kanalbits die Anforderung der d-Begrenzung und die Anforderung der k-Begrenzung nicht dem Format des betreffenden Blocks Trennbits widerspricht, und ferner ermittelt, welcher der digitale Summenwert (DSW, als Maß für den Gleichstromanteil ) für den betreffenden möglichen Block Kanalbits ist. Für die möglichen Blöcke Kanalbits, die sich in der Anforderung der d-Begrenzung und der k-Begrenzung nicht widersprechen, wird ein erstes Anzeigesignal erzeugt. Sodann kann aus den möglichen Blöcken Kanalbits, für die ein erstes Anzeigesignal erzeugt ist, der Block Kanalbits mit dem kleinsten DSW gewählt werden. Als vorzugswürdig wird es jedoch bezeichnet, den DSW der vorhergehenden Blöcke Kanalbits zu speichern und aus den Blöcken Kanalbits, die als nächste für die Übertragung in Betracht kommen, denjenigen Block zu wählen, der den gespeicherten DSW im Absolutwert abnehmen läßt. Auf diese Weise gewährleistet die Überprüfung der (d, k)-Bedingung jeweils mit Blick auf den vorhergehenden Block von Kanalbits die Einhaltung dieser Bedingung auch in Bezug auf den nachfolgenden Block. Zugleich wird angegeben, wie der Gleichstromanteil minimiert werden kann. 4. Schließlich bedarf noch das Merkmal 4 der Auslegung. Es gibt an, daß in die Kanalbitfolgen Synchronisationsinformationen eingefügt sind, der Bestandteil näher definierte Kanalbitfolgen sind. Diese Kanalbitfolgen sind gekennzeichnet durch die Aufeinanderfolge eines Kanalbits vom Typ 1 und von 10 (k) Kanalbits des Typs 0. Sie treten höchstens zweimal aufeinanderfolgend auf
und sind in diesem Falle Teil der Synchronisationsinformation. Damit sie als solche behandelt und nicht als Informationsbits gelesen werden, muß eine solche Aufeinanderfolge außerhalb des Blocks von Synchronisationsbits ausgeschlossen werden, wie sich für den Fachmann von selbst versteht und ihm im übrigen auf S. 9, Z. 10 - 21 der Streitpatentschrift ausdrücklich erläutert wird. Soweit dort die Anzahl der aufeinanderfolgenden Bits des Typs 0 nur vorzugsweise mit s = k angegeben wird, engt Merkmal 4 des Patentanspruchs die geschützte Lehre auf diese Ausführungsform ein, mit der für die Synchronisationsbitfolge gleichzeitig der d- wie der k-Bedingung entsprochen wird. 5. Der von der Klägerin gegen die Umschreibung des erfindungsgemäßen Aufzeichnungsträgers mit den Merkmalen 1 bis 4 erhobene Einwand, einen Aufzeichnungsträger mit einer solchen Informationsstruktur "gebe es nicht", da beispielsweise eine CD auf der spiralförmig von außen nach innen verlaufenden Spur lediglich unterschiedlich lange Vertiefungen (Pits) und NichtVertiefungen (Lands) aufweise, die lediglich aufgrund einer bestimmten technischen Konvention über Drehgeschwindigkeit, Takt und dergleichen als Bits interpretiert werden könnten, ist unbegründet. Denn daß es einer solchen Konvention bedarf, um die räumlich-körperliche Struktur des Aufzeichnungsträgers als Informationsstruktur "lesen" zu können, versteht sich für den Fachmann von selbst. Solche Konventionen standen dem Fachmann, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat und auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, am Prioritätstag auch zur Verfügung, so daß er Patentanspruch 11 ohne weiteres die technische Lehre entnehmen konnte, den erfindungsgemäßen Aufzeichnungsträger räumlich-körperlich so zu gestalten, daß er in Verbindung mit einer geeigneten Konvention zur Interpretation der räumlich-körperlichen Struktur eine den Merkmalen 1 bis 4 entsprechende Informationsstruktur ergibt.
II. Daraus ergibt sich zugleich, daß die Notwendigkeit einer solchen Konvention keine mangelnde Ausführbarkeit der erfindungsgemäßen Lehre begründet. Auch im übrigen liegt der Nichtigkeitsgrund des § 22 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG nicht vor. Soweit die Klägerin die technische Anweisung des Merkmals 2.6 als nicht ausführbar beanstandet, trifft dies nach den Ausführungen zu I 3 nicht zu. III. Der Gegenstand des Patentanspruchs 11 geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie beim Deutschen Patentamt ursprünglich eingereicht worden ist (§ 22 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG). 1. Die Klägerin meint, nach der Ursprungsoffenbarung würden Folgen von m Datenbits in Folgen von n1 Informationsbits umgewandelt und mehrere Folgen von Kanalbits erzeugt, die je einen Block Informationsbits und nur eine der möglichen Bitkombinationen der Trennbits enthalten. Für jede der Folgen von Kanalbits werde die Summe der Anzahl der Trennbits und der Anzahl der Nullen vor einer 1, die Summe der Nullen, die einer 1 folgen, welche Teil eines Trennbits ist, und die Summe der Anzahl Trennbits und der Informationsbits vom Typ 0 ermittelt, die jedem Block von Trennbits unmittelbar vorangeht und folgt. Es werde sodann ein Anzeigesignal für die ermittelten Summen größer d und höchstens k erzeugt und aus den Folgen, bei denen das Anzeigesignal erzeugt wurde, diejenige Folge von Kanalbits ausgewählt, die den Gleichstromanteil minimiere. Die Summenbildungen seien an keiner Stelle als verzichtbar erkennbar. Hingegen werde nach Patentanspruch 1 bereits bei der Umwandlung von m Datenbits in 14 Informationsbits die (d, k)-Bedingung angewandt. Sodann werde diese Bedingung blockweise auf die Kanalbits angewandt (Merkmal 2.6) und dann der Gleichstromanteil ermittelt. In der Ursprungsoffenbarung finde dies keine Stütze.
Das wird dem Gesamtoffenbarungsgehalt der Anmeldeunterlagen nicht gerecht. Denn der Fachmann entnimmt der Anmeldung, daß die Blöcke aus Trennbits zum einen blockübergreifend die Einhaltung der (d, k)-Bedingung gewährleisten , zum anderen derart bemessen werden sollen, daß sie außerdem zum Minimieren des Gleichstromanteils benutzt werden können (S. 10 Z. 9 - 20 der Anmeldung = S. 6 Z. 39 - 41 der Streitpatentschrift). Die Anmeldung enthält verschiedene Ausführungsbeispiele, die dem Fachmann zeigen, wie er diese Ziele erreichen kann (S. 11 Z. 6 - S. 14 Z. 3). Diese Beispiele sind für den Fachmann als solche erkennbar; er versteht sie als Anwendungen der anhand dieser Beispiele offenbarten allgemeinen Lehre, die Blöcke von Trennbits so auszuwählen, daß sie die (d, k)-Bedingung erfüllen und zugleich zu einem minimalen Gleichstromanteil führen. 2. Ebenfalls zu Unrecht hält die Klägerin Merkmal 3 für nicht ursprungsoffenbart. Denn Merkmal 3 stimmt, wie bereits ausgeführt, inhaltlich mit Merkmal 2.4 überein. 3. Schließlich ist entgegen der Meinung der Klägerin auch Merkmal 4 ursprungsoffenbart. Denn der angemeldete Patentanspruch 12 ist auf einen Merkmal 1 entsprechenden Aufzeichnungsträger gerichtet, der dadurch gekennzeichnet ist, daß der maximale Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Pegelübergängen gleich der Länge von 11 (k + 1) Bitzellen ist, daß der minimale Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Pegelübergängen gleich der Länge von 3 (d + 1) Bitzellen ist (Merkmal 3), daß "höchstens Folgen des doppelten maximalen Abstandes von 11 (k + 1) Bitzellen auftreten" und daß diese Folgen einen Teil einer Synchronisationsfolge bilden. Die letzten beiden kennzeichnenden Merkmale entsprechen trotz ihrer verunglückten Formulierung inhaltlich Merkmal 4. Das ergibt sich aus der Beschreibung in Verbindung mit Figur 4 der Anmeldung, der der Fachmann entnimmt, daß mit den "Folgen
des doppelten maximalen Abstandes von (k + 1) Bitzellen" nicht etwa Folgen von 21 Bitzellen des Typs 0 gemeint sind (was, wie bereits das Bundespatentgericht zutreffend ausgeführt hat, die nach dem angemeldeten Patentanspruch 12 einzuhaltende k-Bedingung verletzen würde), sondern vielmehr die höchstens zweimalige Aufeinanderfolge der Zeichenreihe 10000000000, die bei k = 10 jeweils dem Abstand von k + 1 Bitzellen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Pegelübergängen entspricht. Denn in Übereinstimmung mit S. 10 Z. 20 - 42 der Streitpatentschrift wird in den Anmeldeunterlagen auf S. 21 Z. 19 bis S. 22 Z. 21 ein Ausführungsbeispiel mit einer Synchronisationsinformation beschrieben, die zwei derartige aufeinanderfolgende Blöcke 10000000000 aufweist. IV. Zu Recht hat das Bundespatentgericht schließlich auch den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit verneint (§ 22 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). 1. Patentanspruch 11 schützt eine Erfindung im Sinne des § 1 PatG. Die Auffassung der Klägerin, Patentanspruch 1 (und damit auch Patentanspruch 11) betreffe die Wiedergabe von Informationen und sei daher nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 PatG nicht als Erfindung anzusehen, ist unzutreffend. Daß ein Verfahren oder eine Vorrichtung die Wiedergabe von Informationen betrifft, steht einem Patentschutz für das Verfahren oder die Vorrichtung nicht entgegen. Vielmehr wird nur die Wiedergabe von Informationen als solche nicht als Erfindung angesehen (§ 1 Abs. 3 PatG). Maßgeblich ist daher nach der Rechtsprechung des Senats, ob die beanspruchte Lehre Anweisungen enthält , die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen. Ist dies der Fall, kommt es nicht darauf an, ob der Patentanspruch auch auf die Verwendung eines Algorithmus, einen im geschäftlichen
Bereich liegenden Zweck oder den Informationscharakter des Verfahrensergebnisses oder der beanspruchten Sache abstellt (Sen.Beschl. v. 19.10.2004 - X ZB 33/03, GRUR 2005, 141, 142 - Anbieten interaktiver Hilfe; Sen.Beschl. v. 19.10.2004 - X ZB 34/03, GRUR 2005, 143, 144 - Rentabilitätsermittlung; vgl. auch EPA [TBK 3.5.2], ABl. EPA 2000, 515 - Datenstrukturprodukt/Philipps). Insofern gilt nichts anderes als für Verfahren, die sich zur Herbeiführung des angestrebten Erfolges eines Datenverarbeitungsprogramms bedienen (vgl. Sen.Beschl. v. 24.5.2004 - X ZB 20/03, GRUR 2004, 667 - Elektronischer Zahlungsverkehr , für BGHZ 159, 197 vorgesehen; BGHZ 149, 68 - Suche fehlerhafter Zeichenketten). Das Streitpatent betrifft, wie ausgeführt, das Problem, ein Verfahren zum Umkodieren einer Folge Datenbits in eine Folge Kanalbits anzugeben, das die Niederfrequenzspektrumeigenschaften des aus den Kanalbits abzuleitenden Signals verbessert und einen einfachen Demodulator ermöglicht, sowie einen Aufzeichnungsträger mit einer Datenstruktur bereitzustellen, die mit einem derartigen Verfahren erzeugt werden kann. Das Problem ist technischer Natur, und die Mittel zu seiner Lösung sind technisch, denn sie bestehen aus einem Umcodierungsverfahren , das zu einer Aufzeichnungsstruktur mit physikalischen Eigenschaften führt, die die optische Auswertbarkeit der mittels dieser Aufzeichnungsstruktur gespeicherten Informationen verbessern. Daraus ergibt sich zugleich, daß Patentanspruch 11 auf eine Lehre zum technischen Handeln und damit auf eine Erfindung im Sinne des § 1 Abs. 1 PatG gerichtet ist. 2. Daß der Gegenstand des Patentanspruchs 11 an dem vom Streitpatent in Anspruch genommenen Prioritätstag nicht zum Stand der Technik gehörte , wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Es sind auch keine vorbekannten Verfahren oder Aufzeichnungsträger dargetan, aus denen sich Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung der Neuheit ergeben könnten. Soweit
die Klägerin die Präsentation "The Compact Disc Digital Audio System: Modulation And Error-Correction" von Vries u.a. auf der 67. Tagung der Audio Engineering Society vom 31. Oktober bis zum 3. November 1980 in New York (schriftliche Fassung Anl. Ni-K 2) als neuheitsschädlich ansieht, kann sie damit - wie bereits das Bundespatentgericht zutreffend angenommen hat - schon deshalb nicht durchdringen, weil das Streitpatent die Priorität vom 14. Juli 1980 zu Recht in Anspruch nimmt. Das Prioritätsrecht nach Art. 4 PVÜ kann jedenfalls insoweit in Anspruch genommen werden und bestimmt nach § 3 Abs. 1 PatG den Zeitrang der deutschen Patentanmeldung, als eine mit der Patentanmeldung beanspruchte Merkmalskombination dem Fachmann in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörig offenbart ist (vgl. BGHZ 148, 383 - Luftverteiler; Sen.Urt. v. 14.10.2003 - X ZR 4/00, GRUR 2004, 133 - Elektronische Funktionseinheit; jeweils zu Art. 87 Abs. 1 EPÜ). Unerheblich ist dabei nach Art. 4 H PVÜ, ob der Gegenstand der deutschen Patentanmeldung in den in der früheren Anmeldung aufgestellten Patentansprüchen enthalten ist, sofern nur die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen diese Merkmale deutlich offenbart. Diese Voraussetzung ist für den Gegenstand des Patentanspruchs 11 erfüllt. Die Klägerin bezweifelt das mit der Begründung, Merkmal 4 stehe in Widerspruch zu dem Verfahren nach Anspruch 2 der niederländischen Prioritätsanmeldung , nach dem mindestens zwei aufeinanderfolgende Pegelübergänge verwendet würden, die der in Merkmal 4 formulierten (k + 1)-Bedingung entsprächen. Das ist jedoch unerheblich, da die niederländische Anmeldung in Anspruch 11 einen Anspruch 12 der deutschen Anmeldung entsprechenden Patentanspruch enthält, der auf einen Aufzeichnungsträger (auch) mit Merkmal 4 gerichtet ist und wie in der deutschen Anmeldung in der Beschreibung näher
erläutert wird (S. 18 Z. 4 - 36 der niederländischen Patentanmeldung). Die Ausführungen zu III 3 zur unzulässigen Erweiterung gelten daher entsprechend, wobei der Zusammenhang der Ausführungen in der Beschreibung mit dem Gegenstand des Anspruchs 11 sogar noch deutlicher hervortritt als in der deutschen Anmeldung, da das Verständnis dieses Anspruchs nicht durch die offenbar auf die Übersetzung vom Niederländischen ins Deutsche zurückzuführende mißglückte Ausdrucksweise des Anspruchs 12 der deutschen Anmeldung erschwert wird. 3. Schließlich hat der Senat auch nicht die Überzeugung gewonnen, daß der Stand der Technik - wie die Klägerin erstmals unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat - dem Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs 11 nahegelegt hat. Zwar stand dem Fachmann aus der bereits erörterten Entgegenhaltung Tang/Bahl ein Verfahren zur Verfügung, mit dem er eine den Merkmalen 2 bis 2.6 entsprechende Informationsstruktur erzeugen und einen den Merkmalen 1 und 3 entsprechenden Aufzeichnungsträger bereitstellen konnte. Der Senat ist jedoch nicht überzeugt, daß der Fachmann diese bekannte Lösung dahin weiterentwickelt hätte, daß er für entsprechend Merkmal 2.5 erzeugte und entsprechend Merkmal 2.6 bestimmte Blöcke von Kanalbits jeweils den Gleichstromanteil ermittelt und den Block von Kanalbits mit minimalem Gleichstromanteil ausgewählt hätte (Merkmale 2.7 und 2.8) und ferner in die Kanalbitfolgen Merkmal 4 entsprechende Synchronisationsinformationen eingefügt hätte. Allerdings ist nicht zweifelhaft, daß der Fachmann Veranlassung hatte, sich jedenfalls bei magnetischen Aufzeichnungsträgern, die von dem erteilten Patentanspruch auch erfaßt werden, Gedanken über die Minimierung des Gleichstromanteils zu machen. Ebensowenig ist zweifelhaft, daß dem Fach-
mann die Notwendigkeit von Synchronisationsinformationen bewußt war und daß ihm die Möglichkeit zu Gebote stand, solche Synchronisationsinformationen in geeigneten Abständen in die Kanalbitfolgen einzufügen. Beides hat der gerichtliche Sachverständige bestätigt und ist auch zwischen den Parteien außer Streit. Der Senat kann jedoch nicht ausschließen, daß diese Vorgaben und die im Stand der Technik bekannten Lösungen zur Verringerung des Gleichstromanteils nicht ausgereicht hätten, dem Fachmann Veranlassung zu geben, die erfindungsgemäße Merkmalskombination in Erwägung zu ziehen. Der deutschen Offenlegungsschrift 23 00 179 (Anlage Ni-K 11), auf die die Klägerin sich in diesem Zusammenhang bezogen hat, entnimmt der Fachmann ein Verfahren und Vorrichtungen zur Herabsetzung des durch einen Gleichstrom gegebenen Vormagnetisierungsstroms des einem magnetischen Auszeichnungskopf zugeführten Schreibstroms. Dabei werden magnetische Darstellungen von aus Binärziffern bestehenden aufeinanderfolgenden Dreiergruppen in aufeinanderfolgenden Zellen einer Spur auf dem Aufzeichnungsträger aufgezeichnet. Jede magnetische Darstellung besteht aus einem Flußumkehrmuster , welches an zumindest zwei von vier Übergangsstellen T0, T1, T2 und T3 innerhalb der jeweiligen Zelle auftritt. Dabei können bestimmte Reihen von Binärzifferdreiergruppen entweder durch ein primäres Flußumkehrmuster oder durch ein abwechselndes Flußumkehrmuster dargestellt werden, wie dies die nachfolgende Gegenüberstellung aus Figur 2 der Entgegenhaltung veranschaulicht :

T0 T1 T2 T3 T 0 T1 T2 T3 0 0 0 0 1 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 0 0 1 0 1 1 0 1 1 1 0 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 1 0 1 1 0 0 1 1 1 0 1 1 0 0 1 0 1 1 0 1 1 1 0 0 0 1 1 Dadurch, daß anstelle der primären Flußumkehrmuster für die Dreiergruppen 001, 011 und 110 gegebenenfalls die Alternativmuster verwendet werden , kann die Gleichstromvormagnetisierung vermindert werden. Die unmittelbare Übertragung der Erkenntnisse aus dieser Entgegenhaltung auf einen Aufzeichnungsträger der eingangs dieses Abschnitts erörterten Art würde den Fachmann dazu führen, den Wert n1 für die Anzahl der Informationsbits zu erhöhen, um auf diese Weise die Möglichkeit zu schaffen, alternative Kodierungsmuster für die Umkodierung der Blöcke von Datenbits in aufeinanderfolgende Blöcke von Kanalbits bereitzustellen. Auf diese Weise gelangte er jedoch nicht zum Gegenstand der Erfindung. Es ist zwar in Betracht zu ziehen, daß der Fachmann möglicherweise auch hätte erwägen können, lediglich den Gedanken unterschiedlicher Gleichstromanteile alternativer Bitmuster weiterzuverfolgen und unter diesem Gesichtspunkt eine (weitere) Auswahl unter den entsprechend Merkmal 2.5 erzeugten mehreren Blöcken von Kanalbits zu treffen. Selbst wenn man hiervon ausginge, vermag der Senat jedoch nicht die Überzeugung zu gewinnen, daß der Fachmann diese Erwägung mit dem weiteren Schritt verbunden hätte, zwei
aufeinanderfolgende Folgen eines Kanalbits vom Typ 1 und von 10 (k) Kanalbits des Typs 0 als Teil einer Synchronisationsinformation zu verwenden. Ein unmittelbares Vorbild für die letztere Maßnahme hat die Klägerin nicht aufgezeigt, und Anhaltspunkte für ein solches sind auch sonst im Verlaufe der Verhandlung und Beweisaufnahme nicht hervorgetreten. Der gerichtliche Sachverständige hat es zwar als naheliegend bezeichnet, auch bei dem Synchronisationsmuster die (d, k)-Bedingung einzuhalten. Er hat jedoch in der Merkmal 4 entsprechenden Bitfolge eine geschickte Auswahl unter der Vielzahl in Betracht kommender Möglichkeiten gesehen, weil sie wegen der beiden Pegelübergänge , auf die jeweils die gleiche Anzahl von 10 (k) Bits des Typs 0 folgt, keinen Gleichstromanteil enthält. Damit dienen aber beide Maßnahmen - die Auswahl der Blöcke von Kanalbits mit minimalem Gleichstromanteil nach den Merkmalen 2.7 und 2.8 wie die Ausgestaltung der Synchronisationsinformation nach Merkmal 4 - dem Ziel eines möglichst geringen Gleichstromanteils und greifen somit ineinander. Ihre Verbindung stellt einen glücklichen Griff dar, von dem nicht festgestellt werden kann, daß er dem Durchschnittsfachmann am Prioritätstag nahegelegen hat. V. Mit Patentanspruch 11 hat auch der den Aufzeichnungsträger nach Patentanspruch 11 weiterbildende Patentanspruch 12 Bestand. Ursprungsoffenbarung und Ausführbarkeit sind insoweit von der Klägerin nicht gesondert angegriffen und Bedenken hiergegen auch sonst nicht hervorgetreten.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 97 ZPO. Melullis Scharen Meier-Beck Asendorf Kirchhoff

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 17/02 Verkündet am:
15. November 2005
Groß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Koksofentür
PatG (1981) §§ 81, 14, 21 Abs. 1 Nr. 4, 38

a) Das nach Erlöschen des Streitpatents erforderliche besondere eigene
Rechtsschutzbedürfnis des Nichtigkeitsklägers an der Nichtigerklärung des
Streitpatents ist nach rechtskräftiger Verurteilung des Nichtigkeitsklägers in
einem Verletzungsrechtsstreit jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Nichtigkeitskläger
für den Fall der Nichtigerklärung des Streitpatents eine Restitutionsklage
in Betracht zieht.

b) Bezugszeichen im Patentanspruch schränken den Schutz nicht auf ein Ausführungsbeispiel
ein.

c) Mit der Gestaltungsfreiheit des Anmelders im Patenterteilungsverfahren ist
es unvereinbar, nur eine Einschränkung als zulässig anzusehen, bei der alle
der Erfindung förderlichen Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch
aufgenommen werden.
BGH, Urt. v. 15. November 2005 - X ZR 17/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 8. November 2001 abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war Inhaberin des am 23. Juni 1979 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung in den Vereinigten Staaten von Amerika angemeldeten deutschen Patents 29 25 730 (Streitpatents), das eine "Koksofentür" betrifft, drei Patentansprüche umfasste und inzwischen nach Ablauf der Schutzdauer erloschen ist. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut: "1. Koksofentür mit einem der Türleibung der Ofenkammer zugekehrten , vom Türrahmen kragarmartig vorspringenden Dich- tungselement, dessen zur Dichtungsfläche abgewinkelte äußere Kante als Dichtungsschneide ausgebildet ist[,] und mit einer bei Verriegelung der Tür über einen Spannrahmen belastenden Spannvorrichtung, dadurch gekennzeichnet, daß der Spannrahmen aus einer am Türrahmen befestigten und von diesem kragarmartig vorspringenden Federmembran (20) besteht, die über ihre zur Dichtfläche hin abgewinkelte Außenkante (44) mit dem Dichtungselement (30) auf dessen in der Dichtungsschneide endenden, ebenfalls zur Dichtfläche hin abgewinkelten Abschnitt (52) verbunden ist."
2
Wegen der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 wird auf die Patentschrift verwiesen.
3
Die Klägerin ist von der Beklagten wegen Patentverletzung gerichtlich in Anspruch genommen und durch rechtskräftig gewordenes Grundurteil des Landgerichts Düsseldorf auf eine Schadensersatzklage hin verurteilt worden. Sie hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Gegenstand des Streitpatents sei eine Dichtung für eine Koksofentür, die aus zwei Teilen bestehe, nämlich einem um die Tür herumführenden kragenartig vorspringenden Dichtungselement und einer Vorrichtung zur Erzeugung einer elastischen Kraft. Dabei sei aus der ursprünglich offenbarten Dichtungsvorrichtung mit einem schneidkantenartigen Dichtungselement und einer Stützvorrichtung eine Dichtvorrichtung geworden, die lediglich noch das schneidkantenartige Dichtungselement sowie eine kragarmartig vorspringende Federmembran vorsehe, womit das Stützglied völlig entfallen sei.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der beklagten Patentinhaberin, die beantragt, un- ter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
5
Prof. W. im Auftrag des Se- hat nats ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Berufung führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Bundespatentgerichts zur Abweisung der Klage.
7
I. Allerdings ist die Nichtigkeitsklage im vorliegenden Fall auch nach Erlöschen des Streitpatents infolge Ablaufs der Höchstschutzdauer weiterhin zulässig. In diesem Fall ist zwar ein besonderes, eigenes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an der Nichtigerklärung des abgelaufenen Patents erforderlich (st. Rspr.; zuletzt Sen.Urt. v. 22.02.2005 - X ZR 148/00, Umdruck S. 6; Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 2. Aufl. 2005, Rdn. 120, je m.w.N.). Dieses kann aber bei einer rechtskräftigen Verurteilung des Nichtigkeitsklägers im Verletzungsstreit vorliegen, weil eine Nichtigerklärung des angegriffenen Patents der im Verletzungsprozess unterlegenen Partei die Möglichkeit eröffnen würde, im Wege der Restitutionsklage gegen ihre Verurteilung vorzugehen (vgl. BPatGE 33, 240 = GRUR 1993, 732; Keukenschrijver, aaO; Schulte, PatG, 7. Aufl. 2005, Rdn. 46 zu § 81; Mes, PatG GebrMG, 2. Aufl. 2005, Rdn. 42 zu § 81 PatG). Nachdem die Nichtigkeitsklägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie für den Fall der Nichtigerklärung die Durchführung eines Restitutionsverfahrens in Betracht ziehe, ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die Nichtigkeitsklage ohne weiteres zu bejahen.
8
II. Der Senat vermag aber der Auffassung des Bundespatentgerichts nicht beizutreten, der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund greife durch, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (§ 22 Abs. 1 PatG i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG; "unzulässige Erweiterung", sachlich übereinstimmend mit § 13 Abs. 1 Nr. 4 PatG 1978; Art. XI § 3 Abs. 5 IntPatÜG; vgl. zur Anwendbarkeit der §§ 21, 22 PatG 1981 BGHZ 110, 123, 125 - Spleißkammer).
9
1. Das Streitpatent schützt in seinem Patentanspruch 1 eine Koksofentür mit einem vorspringenden Dichtungselement und mit einer bei Verriegelung der Tür über einen Spannrahmen belastenden Spannvorrichtung, wobei der Spannrahmen aus einer Federmembran (20) besteht, in besonderer Ausgestaltung. Diese Abdichtung kommt im Wesentlichen allein mit mechanischen Mitteln aus. Damit soll eine Abdichtung geschaffen werden, die in ihrer Zuverlässigkeit und Einsatzfähigkeit mindestens das Ergebnis anderer, z.B. aus der deutschen Auslegeschrift 1 156 762 vorbekannter Einrichtungen erreicht (vgl. die Angaben zur "Aufgabe" in der Beschreibung des Streitpatents Sp. 3 Z. 46-52). In der deutschen Auslegeschrift 1 156 762 ist eine mit einer Sperrgasdichtung ausgestattete Koksofentür beschrieben, bei der ein Dichtungselement mit seiner äußeren, als Schneide ausgebildeten Kante gegen eine Dichtungsfläche der Türleibung mittels einer von Druckzylindern gebildeten Spannvorrichtung gedrückt wird. Diese Druckzylinder drücken dabei starre Schienen gegen die als Zackenkante ausgebildete Schneidkante.
10
2. Das Streitpatent stellt in seinem Patentanspruch 1 eine Koksofentür unter Schutz, bei der
(1)
das Dichtungselement (1.1) der Türleibung der Ofenkammer zugekehrt ist, (1.2) vom Türrahmen kragarmartig vorspringt und (1.3) seine zur Dichtungsfläche abgewinkelte äußere Kante als Dichtungsschneide ausgebildet ist,
(2)
miteiner Spannvorrichtung, (2.1) die bei Verriegelung der Tür die Dichtungsschneide belastet (2.2) über einen Spannrahmen, wobei
(3)
der Spannrahmen aus einer Federmembran besteht, die (3.1) am Türrahmen befestigt ist, (3.2) vom Türrahmen kragarmartig vorspringt und (3.3) eine zur Dichtfläche abgewinkelte Außenkante aufweist, wobei
(4)
diese Außenkante verbunden ist (4.1) mit dem Dichtungselement, (4.2) auf dessen in der Dichtungsschneide endenden Abschnitt, (4.2.1) der ebenfalls zur Dichtfläche hin abgewinkelt ist.
11
3. Dabei hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass die Formulierung in Patentanspruch 1, der Spannrahmen "bestehe" aus einer Federmembran, nicht in dem Sinn zu verstehen ist, dass die Federmembran notwendig das einzige Element des Spannrahmens sein solle. Das Wort "besteht" ist hier jedenfalls auch in dem Sinn verwendet, dass der Spannrahmen neben der Federmembran noch weitere Elemente aufweisen kann, wie dies etwa die ein Ausführungsbeispiel wiedergebende Figur 10 der Zeichnungen des Streitpatents zeigt, insbesondere die dort dargestellten Abschnitte 44 und 46. Im Übrigen schränken die Bezugszeichen im Patentanspruch den Schutz nicht auf ein Ausführungsbeispiel ein (vgl. EPA - techn. Beschwerdekammer - T 237/84 ABl. EPA 1987, 309; Ullmann in Benkard, PatG, 9. Aufl. 1993, Rdn. 14 zu § 14 PatG; Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, Rdn. 53 zu § 14; Schulte, aaO Rdn. 142 zu § 34; so schon zum früheren Recht BGH, Urt. v. 30.10.1962 - I ZR 46/61, GRUR 1963, 563, 564 - Aufhängevorrichtung). Die Nennung von Bezugszeichen im Patentanspruch 1 des Streitpatents führt daher nicht zu einer Beschränkung des Gegenstands des Patents auf Ausgestaltungen, die den Darstellungen entsprechen , in denen diese Bezugszeichen verwendet werden.
12
4. Eine erfindungsgemäße Ausgestaltung wird in den jeweils verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 (Darstellung einer Vorderansicht der Tür auf der Stoßrichtungsseite), 7 (Schnitt bei 7-7 in Fig. 1), 8 (Schnitt entlang 8-8 in Fig. 7) und 10 (Schnitt entlang 10-10 in Fig. 8) des Streitpatents gezeigt: Fig. 1
13
Hier bezeichnen die Bezugszeichen 14 die Koksofenwand mit den Türleibungen 12 und der mit Feuerfeststeinen ausgekleideten Koksofentür. Der Türkörper weist die Grundplatte 32, das Hauptrahmenschweißstück 34, die Seitenplatten 36 und 38 und die Bodenplatte 40 auf. Das Stützglied 42 ist im Ausführungsbeispiel in die drei Abschnitte 48, 50, 52 aufgeteilt. Die Spannvorrichtung übt Druck auf die Schneide 52 aus, die gegen die Leibung 12 gedrückt wird.


14
Die Federmembran ist mit dem Befestigungsabschnitt 46 am Türrahmen befestigt. Der weitere Abschnitt 44 ist in Richtung Leibung abgewinkelt und an seinem Ende mit der Dichtungskante 52 verbunden.
15
III. Das Bundespatentgericht hat angenommen, dass sich der in Patentanspruch 1 des Streitpatents geschützte Gegenstand nicht den Anmeldeunterlagen entnehmen lasse, und dass Patentanspruch 1 des Streitpatents damit unzulässig erweitert sei. Der geschützte Gegenstand unterscheide sich von dem ursprünglich offenbarten durch die Merkmale der Merkmalsgruppen 3 und 4. Denn die Dichtungsvorrichtung 18 für die Koksofentür 10 bestehe nach der ursprünglichen Offenbarung aus einem dichtenden Schneideelement (schneidkantenartiges Dichtungselement oder Schneidkantenelement) 30 und einer Stütz- oder Trägervorrichtung (Stützglied, Dichtungskantenträgerelement ) 42. Dabei beständen das Schneideelement 30 aus den Teilabschnitten 48, 50 und 52 und die Stütz- oder Trägervorrichtung 42 aus den Abschnitten 44 und 46, wie sich aus der ursprünglichen Beschreibung Seiten 7/8, dem ursprünglichen Schutzanspruch 1, aus der Beschreibung Seite 8 Abs. 3, Seite 11 Abs. 2 bis Seite 12 und der Figur 10 der Zeichnungen ergebe. Die Funktion , die das Stützelement 42 haben solle, werde im Schutzanspruch 1 der Anmeldung damit beschrieben, dass auf das schneidkantenartige Dichtungselement 30 eine gleichmäßige Vorspannung ausgeübt werden solle. Das für die Stützvorrichtung zu verwendende Material sei nicht beschrieben. Die aus elastischem , federndem Material hergestellte Membran 20, die einen Teil der Stützvorrichtung 42 überdecke, könne zusätzlich zur Erhöhung der Vorspannung verwendet werden, wie sich aus den Schutzansprüchen 2 und 5 der Anmeldeunterlagen sowie aus Seite 8 Abs. 3 und Seite 17 Abs. 2 der ursprünglichen Beschreibung ergebe. Eine solche Dichtungsvorrichtung sei auch in Figur 10 dargestellt. Aus den Hervorhebungen der physikalischen Eigenschaften der Membran, die nach den Schutzansprüchen 4 und 5 sowie der Beschreibung Seite 17 2. Absatz der ursprünglichen Unterlagen eine Blattfeder oder Membran sein solle, die nach Seite 8 Abs. 3 der ursprünglichen Unterlagen aus elastischem , federndem Material hergestellt sei und unmittelbar einen Teil der Stützvorrichtung überdecke, leite der Fachmann, ein Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus, ab, dass das Stützelement 42 andere physikalische Werkstoff- eigenschaften aufweise als die fakultative, zusätzlich einsetzbare Membran. Der Fachmann werde deshalb auf eine relativ starre Konstruktion der aus dem Schneidelement 30 und der fest mit diesem verbundenen Stützvorrichtung 42 bestehenden, durch eine zusätzliche Federmembran zu verstärkenden Dichtvorrrichtung 18 schließen. Nach Patentanspruch 1 des erteilten Patents entfalle demgegenüber die ursprünglich zwingend notwendige, relativ starre Stütz- und Trägervorrichtung 42 mit den Abschnitten 44 und 46. Die ursprüngliche Stützvorrichtung 42 werde - was aus den ursprünglichen Unterlagen wegen der dort verwendeten unterschiedlichen Begriffe "Stützvorrichtung" und "Membran" nicht herleitbar sei - durch die Federmembran aus einem elastischen, federnden Material ersetzt.
16
IV. Diese Beurteilung erweist sich im Ergebnis als unzutreffend.
17
1. Nach der Rechtsprechung des Senats ist durch die Anmeldung offenbart , was sich aus der Sicht des Fachmanns des betreffenden Gebiets der Technik ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschließt. Zur Feststellung, ob der Nichtigkeitsgrund der "unzulässigen Erweiterung" vorliegt, ist der Gegenstand des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Patents ist dabei die durch die Patentansprüche definierte Lehre (vgl. Sen.Urt. v. 21.09.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn). Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass dabei den in der Anmeldung bezeichneten Patentansprüchen eine gleich hervorragende Bedeutung zukommt. Nicht maßgeblich ist demgegenüber, wie die Beklagte ihr Schutzbegehren später interpretiert hat, worauf die Klägerin nunmehr schriftsätzlich abgestellt hat. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung aus der Sicht eines Fachmanns erkennen ließ, der von den ursprünglichen Unterlagen abweichende Lösungsvorschlag des Patents solle von vornherein vom Schutzbegehren umfasst werden (vgl. zuletzt Sen.Urt. v.
05.07.2005 - X ZR 30/02 - Einkaufswagen II, Umdruck S. 7 f., zur Veröffentlichung vorgesehen, m.w.N.), d.h. als zur Erfindung gehörend ("gehörig") offenbart sein (vgl. Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl. 2004, S. 562 f.).
18
2. Die in Patentanspruch 1 des Streitpatents geschützte Lehre ist durch die ursprünglichen Unterlagen der Patentanmeldung ausreichend als zur Erfindung gehörend offenbart. Auch die Merkmalsgruppen 3 und 4 seines Patentanspruchs 1 stellen nämlich allenfalls Konkretisierungen und Einschränkungen dieser allgemeinen Lehre im Sinn des in den ursprünglichen Unterlagen beschriebenen und zeichnerisch dargestellten Ausführungsbeispiels und nicht zugleich auch eine Erstreckung auf einen nicht als zur Erfindung gehörend offenbarten Gegenstand dar.
19
a) Eine allgemeine Beschreibung dessen, was durch die Erfindung geleistet werden soll, findet sich zunächst auf Seite 7/8 der Anmeldungsunterlagen. Danach weist die Koksofentür einen Hauptrahmen und eine Dichtungsvorrichtung auf, die auf dem Hauptrahmen angeordnet ist und einen dichten, gleichmäßigen und nicht festhaftenden Sitz zwischen dem Hauptrahmen und der zugehörigen Ofentürleibung gewährleistet. Die Dichtungsvorrichtung enthält dabei ein dichtendes Schneidelement, das auf dem Hauptrahmen so angeordnet ist, dass es sich entlang der zugehörigen Türleibung erstreckt, und ferner eine Stütz- oder Trägervorrichtung, die am Hauptrahmen der Tür angeordnet ist und eine gleichmäßige Vorspannung entlang der gesamten Ausdehnung des dichtenden Kantenelements ausübt. Die Trägeranordnung (d.h. die Trägervorrichtung ) weist dabei ein Dichtungskantenträgerelement auf, das am Hauptrahmen befestigt ist und von diesem vorspringt und mit dem dichtenden Schneidelement in der Nähe seines freien Endes verbunden ist. Das dichtende Schneidelement ist so angeordnet, dass es mit der zugehörigen Türleibung unter einem Winkel in Verbindung tritt, den die Anmeldeunterlagen mit beispiels- weise etwa 25° beziffern. Bei Verriegelung der Tür am Ofen wird die Dichtungskante gegen die Türleibung gedrückt, um die gewünschte Dichtung zu erzielen.
20
b) Innerhalb dieser allgemeinen Lehre hält sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des erteilten Patents.
21
aa) Die vom Bundespatentgericht als nicht offenbart angesehene Elastizität der Federmembran (20) ist in der ursprünglichen Beschreibung Seite 7 f. nicht angesprochen. Daher stellt sie zunächst eine Einschränkung gegenüber der ursprünglich offenbarten Lehre dar. Die zusätzlich in den Patentanspruch 1 aufgenommenen Merkmale der Merkmalsgruppen 3 und 4 sind jedoch in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart. Dies folgt insbesondere aus der ursprünglich eingereichten Figur 10 und der Beschreibung, namentlich Seite 11. Diese Figur zeigt die Federmembran (nach der ursprünglichen Beschreibung Seiten 11, 13, 16, 17 "Membran"; Seiten 17, 19, 20 "Feder", "Blattfeder") (20), die über den Abschnitt 46 und das Abstandsstück 26 am Türrahmen 16 (mit der Grundplatte 32; vgl. ursprüngliche Unterlagen S. 11) befestigt ist. Dass die Federmembran zusammen mit den weiteren Abschnitten 44 und 46 kragarmartig vom Türrahmen vorspringt und eine zur Dichtfläche abgewinkelte Außenfläche aufweist, ist unmittelbar der Figur 10 jedenfalls dann zu entnehmen, wenn man die Membran 20 und die Abschnitte 44 und 46 als Einheit ansieht, was sich aus der Figur 10 allerdings nicht unmittelbar ergibt. Für einen Fachmann, einen Diplomingenieur des Maschinenbaus, folgt die Möglichkeit , diese Teile als Einheit auszubilden, nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen jedoch aus der ursprünglichen Offenbarung , wo es heißt, dass das Schneidelement so auf dem Hauptrahmen angeordnet ist, dass eine gleichmäßige Vorspannung entlang der gesamten Ausdehnung des dichtenden Kantenelements ausgeübt wird (S. 7 3. Abs.). Darüber , dass sich die Merkmale der Merkmalsgruppe 4 unmittelbar der Figur 10 entnehmen lassen, besteht kein Streit; der Senat ist hiervon auch überzeugt.

22
Darauf, ob sich Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung auch im Übrigen an das in den Figuren dargestellte Ausführungsbeispiel und an dessen Beschreibung auf Seite 10 ff. der Anmeldeunterlagen hält, kommt es für die Beurteilung der Erweiterung nicht an. Denn der Patentinhaber ist nicht gehalten, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufzunehmen , um eine zulässige Beschränkung herbeizuführen (Sen.Urt. v. 21.10.2003 - X ZR 220/99, Umdruck S. 21, unter Hinweis auf Sen.Beschl. v. 23.01.1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126= GRUR 1990, 432, 433 - Spleißkammer). Hierzu bestand vorliegend schon deshalb kein Anlass, weil die Offenbarung auf Seite 7 f. der ursprünglichen Unterlagen einen allgemeineren Gegenstand betraf. Mit der Gestaltungsfreiheit des Anmelders im Patenterteilungsverfahren wäre es unvereinbar, nur eine Einschränkung als zulässig anzusehen, bei der alle der Erfindung förderlichen Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufgenommen werden (vgl. Senat - Spleißkammer aaO).
23
bb) Eine Einschränkung des Inhalts, dass die ursprünglichen Unterlagen das Dichtelement als starres Element offenbarten, wie sie das Bundespatentgericht in den Mittelpunkt seiner Erörterungen gestellt hat, ist der ursprünglichen Offenbarung auf Seite 7 f. nicht zu entnehmen. Die Frage, ob das Ausführungsbeispiel ein starres Element betrifft, beschränkt den Offenbarungsgehalt der weiter gefassten ursprünglichen Unterlagen nicht. Wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt und bei seiner Anhörung nachdrücklich bestätigt hat, geht eine Differenzierung zwischen einem aus den Teilen mit den Bezugszeichen 46, 44 und 48 gebildeten festen Rahmen und einem federelastischen Element an der technischen Wirklichkeit vorbei. Mit Blick auf den Zweck der Vorrichtung müsse sich auch der Rahmen auf Grund der aufgewendeten Kräfte verformen, um eine hinreichende Abdichtung zu gewährleisten und bei Wegnahme der Kräfte in seinen Ausgangszustand zurück- kehren; der Sachverständige hat dies überzeugend als einen Vorgang der Elastizität im Gegensatz zu einer zu dauerhaften Veränderungen führenden Verformung bezeichnet.
24
Diesen erkennbar von Sachkunde getragenen Folgerungen des gerichtlichen Sachverständigen tritt der Senat bei. Auch sie entziehen der allein die Annahme der Erweiterung tragenden Feststellung des Bundespatentgerichts die Grundlage, dass die Dichtungsvorrichtung 18 nach den ursprünglich eingereichten Unterlagen eine relativ starre Konstruktion darstelle, während nach Patentanspruch 1 des erteilten Streitpatents die Dichtungsvorrichtung nicht mehr starr sei.
25
cc) Die Frage, ob auch eine Ausführungsform, bei der die Federmembran (20) mit dem Abschnitt 46 in einem einzigen Teil zusammenfällt, eine Benutzung des Streitpatents darstellt, betrifft allein die Prüfung der Patentverletzung und ist im Nichtigkeitsverfahren nicht zu erörtern.
26
V. Weitere Gesichtspunkte, aus denen sich ergeben könnte, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgehe, sind in der Berufungsverhandlung nicht mehr geltend gemacht worden und haben sich auch sonst nicht ergeben.
27
Sie folgen insbesondere nicht aus dem klägerischen Vortrag, dass der Begriff "Spannrahmen" in den ursprünglichen Unterlagen nicht enthalten sei. Die Aufnahme eines nicht ursprungsoffenbarten Begriffs stellt nämlich - anders als die Aufnahme eines nicht ursprünglich offenbarten technischen Merkmals - dann keine unzulässige Änderung dar, wenn die entsprechende technische Lehre selbst offenbart war.
28
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 91 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.11.2001 - 3 Ni 39/00 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 49/02 Verkündet am:
12. September 2006
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. September 2006 durch die Richter Scharen,
Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 18. Dezember 2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war Inhaberin des am 25. August 1986 angemeldeten, inzwischen infolge Ablaufs der Höchstschutzdauer erloschenen, im Beschwerdeverfahren vom Bundespatentgericht erteilten und von ihm im Einspruchsbeschwerdeverfahren aufrechterhaltenen deutschen Patents 36 28 763 (Streitpatents ), das eine Vorrichtung in Haushaltsbacköfen zur Auflage von Gargutträ- gern betrifft und 7 Patentansprüche umfasst. Die angegriffenen Patentansprüche 1, 2, 3 und 6 lauten wie folgt: "1. Vorrichtung in Haushalts-Backöfen zur Auflage von Gargutträgern , wie Back- und Bratbleche sowie Grillroste, wobei die in verschiedenen Ebenen in der Backofenmuffel lagerbaren Gargutträger unter Verwendung von Führungselementen aus der Backofenmuffel in eine im wesentlichen vor dieser liegende Position herausziehbar sind, dadurch gekennzeichnet, daß aus der Backofenmuffel herausnehmbare Teleskopauszüge (7, 27) an senkrecht an den Seitenwandungen (1, 21) der Backofenmuffel (2, 22) angeordneten Tragschienen (3, 23) befestigt sind, daß die beweglichen Schienen (9, 29) auf den ortsfesten Schienen (6, 26) der Teleskopauszüge (7, 27) über käfiggelagerte Kugeln (16’) geführt sind, daß die beweglichen Schienen (9, 29) und die ortsfesten Schienen (6, 26) gegeneinander wirkende Auszugsbegrenzungs -Vorrichtungen aufweisen und daß die beweglichen Schienen (9, 29) der Teleskopauszüge (7, 27) im Auflagebereich für die frei auflegbaren Gargutträger (12, 14) mit diesen zusammenwirkende Auszugsbegrenzungen (10, 11, 16, 30, 31) aufweisen. 2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Tragschienen (3, 23) an den Seitenwandungen (1, 21) der Backofenmuffel (2, 22) lösbar befestigt sind. 3. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet , daß zwischen den Tragschienen (3, 23) und den Seitenwandungen (1, 21) der Backofenmuffel (2, 22) katalytische Schutzwände (4, 24) herausnehmbar angeordnet sind. 6. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet , daß die der Backofentür der Backofenmuffel (2, 22) zugewandten Enden der beweglichen Teleskopauszugsschienen (9, 29) Auflaufflächen aufweisen, über die die beweglichen Teleskopauszugsschienen (9, 29) beim Schließen der Backofentür in den Backofenraum einschiebbar sind."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass der Gegenstand der angegriffenen Patentansprüche des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn u.a. die Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 75 07 245 (D1), die britische Patentschrift 776 123 (D6), die US-Patentschriften 3 059 634 (D8), 3 706 302 (D21) und 3 731 039 (D2), die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 91 666 (D12) sowie der Hettich-Katalog ’85 (D14) bildeten, nicht schutzfähig sei, und sich weiter auf die Nichtigkeitsgründe, dass das Patent die Erfindung nicht so offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und dass das Patent über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgehe, berufen. Sie hat beantragt, das Streitpatent im Umfang seiner Patentansprüche 1, 2 und 3 sowie seines Patentanspruchs 6, soweit dieser auf einen der Patentansprüche 1 bis 3 rückbezogen ist, für nichtig zu erklären. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent in dem beantragten Umfang für nichtig erklärt.
3
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent in erster Linie mit der Maßgabe verteidigt, dass in Patentanspruch 1 nach dem Wort "herausnehmbare" die Worte "jeweils paarweise in einer Ebene getrennt voneinander angeordnete" eingefügt werden, und die weiteren angegriffenen Patentansprüche auf Patentanspruch 1 in dieser Fassung zurückbezogen werden. Hilfsweise verteidigt sie Patentanspruch 1 mit dieser Änderung und den weiteren Maßgaben, dass im Eingang an die Stelle von "Gargutträgern, wie Back- und Bratbleche" die Formulierung "Gargutträgern in Form von Back- und Bratbleche(n)" tritt und am Ende des Patentanspruchs folgende Worte angefügt werden: "wobei die Tragschienen (3, 23) an den Seitenwandungen (1, 21) der Backofenmuffel lösbar befestigt sind und die ortsfesten Schienen (26) der Teleskopauszüge (27) mit den Tragschienen (23) eine im wesentlichen formstabile Einheit bilden"; hierauf sollen sich unter Wegfall von Patentanspruch 2 die Patentansprüche 3 und 6, letzterer soweit angegriffen, zurückbeziehen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen, auch soweit es die hilfsweise verteidigte Fassung des Streitpatents betrifft. Sie hat sich im Berufungsverfahren zusätzlich auf die Unterlagen der deutschen Gebrauchsmuster 79 32 277 (D24) und 83 07 357 (D25) berufen.
4
Im Auftrag des Senats hat Universitätsprofessor Dr.-Ing. E. G. W.
ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
6
I. Die Nichtigkeitsklage ist auch nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents weiterhin zulässig, weil die von der Beklagten in dem Verfahren 4 O 41/00 vor dem Landgericht Düsseldorf als Patentverletzerin in Anspruch genommene Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis an der Nichtigerklärung des Streitpatents im angegriffenen Umfang hat (st. Rspr.; vgl. Sen.Urt. v. 19.05.2005 - X ZR 188/01, GRUR 2005, 749 - Aufzeichnungsträger; v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316 - Koksofentür).
7
II. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang im Ergebnis zu Recht für nichtig erklärt, weil sein Gegenstand gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig ist (§§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Das gilt auch für die nunmehr in erster Linie verteidigte Fassung des Patentanspruchs 1, in dem die Beklagte zulässigerweise ein zumindest in den Zeichnungen als zur Erfindung gehörend offenbartes Merkmal eingefügt hat.
8
1. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung in Haushaltsbacköfen zur Auflage von Gargutträgern wie Back- und Bratblechen sowie Grillrosten. Die Beschreibung des Streitpatents führt dazu aus, in Haushaltsbacköfen seien die Gargutträger meist flachrandig ausgebildet und über ihre flachen Ränder in schlitzartigen Führungskanälen der Seitenwandungen des Backofens geführt. Anstelle dieser Kanäle seien auch an den Seitenwandungen angebrachte winkelförmige Auflageschienen oder Ausbuchtungen der Seitenwandungen bekannt , auf denen die aus dem Backrohr nach vorne herausziehbaren Gargutträger auflegbar seien. Um einen ganzflächigen Zugriff zu diesen Flächen oder Rosten zu ermöglichen, müssten sie herausgezogen und anderweitig abgestellt werden. Es sei auch bekannt, die Gargutträger mit dem eine Backwagentür tragenden Backwagen nach vorne herauszuziehen. Da hier sämtliche Gargutträger an der Innenseite der Tür eingehängt seien und mit dieser herausgezogen würden, sei nur der oberste Gargutträger frei zugänglich, der Zugang zu den darunterliegenden Trägern sei nur durch Wegnahme der oberen Träger möglich. Es sei weiter bekannt, Gargutträger selbst mit einem Teleskopauszug auszustatten, wodurch einzelne Gargutträger aus dem Backofenraum herausgezogen werden, aber dennoch an den Wandungen der Backofenmuffel in dieser Stellung gelagert werden könnten (Beschr. Sp. 1 Z. 6-38).
9
2. Das Streitpatent bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, eine Backofenmuffel dahingehend auszugestalten, dass durch einfache Maßnahmen übliche Gargutträger aus dem Backofenraum herausgezogen vor diesem gehalten werden können (Beschr. Sp. 1 Z. 39-43). Durch das Streitpatent soll damit nicht gelehrt werden, wie eine bisher nicht verwirklichte Funktionalität (Herausziehen und Halten vor dem Backofen) verwirklicht werden kann, sondern diese (als bekannt vorausgesetzte) Funktionalität soll durch einfache Maßnahmen und unter Verwendung üblicher Gargutträger erreicht werden.
10
3. Hierzu lehrt das Streitpatent nach seinem Patentanspruch 1 in seiner in erster Linie verteidigten Fassung eine Vorrichtung in Haushaltsbacköfen zur Auflage von Gargutträgern, die folgende Teile aufweist:
(1)
Tragschienen, (1.1) die senkrecht an den Seitenwandungen der Backofenmuffel angeordnet sind,
(2)
Teleskopauszüge, (2.1) die Führungselemente zum Herausziehen der Gargutträger bilden, (2.2) an den Tragschienen befestigt, (2.3) aus der Backofenmuffel herausnehmbar (2.4) und jeweils paarweise in einer Ebene getrennt voneinander angeordnet sind, (2.5) und bewegliche und ortsfeste Schienen (2.5.1) mit gegeneinander wirkenden Auszugsbegrenzungen aufweisen, (2.5.2) und die beweglichen Schienen (2.5.2.1) auf den ortsfesten Schienen geführt sind (2.5.2.1.1) über käfiggelagerte Kugeln, und (2.5.2.2) im Auflagebereich für die Gargutträger mit diesen zusammenwirkende Auszugsbegrenzungen aufweisen,
(3)
und so beschaffen sind, dass die Gargutträger (3.1) frei auflegbar sowie (3.2) in verschiedenen Ebenen in der Backofenmuffel lagerbar und (3.3) aus der Backofenmuffel in eine im wesentlichen vor dieser liegende Position herausziehbar sind.
11
4. Unter der Backofenmuffel im Sinn des Streitpatents ist dabei der Ofeninnenraum zu verstehen, der nach außen isoliert und an der Vorderseite über eine Tür zugänglich ist, die als im allgemeinen an der vorderen unteren Kante angeschlagene Klapptür oder in Form eines einschieb- und herausziehbaren Ausziehwagens ausgebildet sein kann. Die Einschübe (Gargutträger, nämlich Back- oder Bratbleche, Gitterroste o.ä.) werden herkömmlich entweder in Nuten der beiden seitlichen Muffelwände oder, und zwar insbesondere dann, wenn eine Halterung in den Nuten aus konstruktiven Gründen - etwa weil noch eine katalytische Reinigungsschicht eingebracht werden soll - nicht in Betracht kommt, in Gestellen gehalten, die üblicherweise einen teleskopartigen Ausziehmechanismus (Auszüge, ähnlich wie bei einer Schublade) aufweisen, der in der Ofenmuffel befestigt ist. Dieser Mechanismus ermöglicht es, die Einschübe relativ zur Muffel zu bewegen, d.h. einzuschieben oder herauszuziehen. Das Streitpatent beschränkt sich in seiner noch verteidigten Fassung auf eine Lösung, bei der ein Auszugspaar in einer Ebene getrennt voneinander angeordnet ist, also im Normalfall im Bereich der beiden Seitenwände je ein Auszug befestigt ist. Diese Auszüge werden bei der Ausführung nach dem Streitpatent im Betrieb durch den aufgelegten Gargutträger gekoppelt, sind aber sonst, etwa zu Reinigungs- oder Montagezwecken, einzeln und unabhängig voneinander betätigbar und herausnehmbar, während der Stand der Technik im wesentlichen eine Kopplung durch fest eingebaute, übergreifende Elemente aufweist (vgl. etwa die Schlittenlösung in den Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 75 07 245). Bei den Auszügen trägt ein Auszug den Gargutträger selbst; er besitzt ein ortsfestes und (mindestens) ein bewegliches Element. Ein Vorauszug kann dabei wahlweise vorgesehen werden. Tragelemente stellen Verbindungsglieder zwischen Auszug und Backofenmuffel dar (vgl. das schriftliche Gutachten Prof. W. S. 3 und S. 5). Ob und wieweit das System in Differenzialbauweise aus verschiedenen Einzelteilen oder in Integralbauweise hergestellt wird, richtet sich nach dem in Kauf genommenen Aufwand bei der Fertigung, beim Transport, bei Verpackung, Lagerung und Handhabung ; die Integralbauweise führt dabei in der Regel zu geringeren Kosten, die Differenzialbauweise zu höherer Servicefreundlichkeit, leichterer Wartung und Reparatur (schriftliches Gutachten Prof. W. S. 5). Dabei sind auch Zwischenformen möglich.
12
5. Eine Schrägansicht einer erfindungsgemäßen Backofenmuffel mit eingesetzten Teleskopauszügen und einem auf diese aufgelegten Gargutträger (Backblech) zeigt Figur 2 des Streitpatents:
13
Dabei bezeichnen die Bezugszeichen 1 die Seitenwandungen der Backofenmuffel , 2 die Backofenmuffel, 3 eine der Tragschienen, 4 herausnehmbare katalytische Schutzwände, die erst in Patentanspruch 3 genannt sind, 5 Aussparungen in den Tragschienen, 7 Teleskopauszüge (deren ortsfeste Schiene 6 und deren bewegliche Schiene 9 in Figur 2 nicht bezeichnet sind), 10 rückwärtige Anschläge und 11 Hemmanschläge, 12 das Backblech mit Ausschnitten 13, die mit den Hemmanschlägen 11 zusammenwirken (Beschreibung Sp. 2 Z. 41-58).
14
III. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist auch in seiner verteidigten Fassung neu (§ 3 Abs. 1 PatG). Hierüber besteht kein Streit.
15
IV. Mit dem sachkundig besetzten Bundespatentgericht kommt auch der Senat zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in seiner verteidigten Fassung sich für den Fachmann, einen erfahrenen , an einer Fachhochschule ausgebildeten Diplomingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, zum Anmeldezeitpunkt in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab und daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (§ 4 PatG). Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt nicht anders zu sehen, dass sich die im Streitpatent geschützte Lehre, wie die Berufung geltend macht, am Markt durchgesetzt hat. Sie war dem Fachmann am Anmeldetag nämlich aus den Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 75 07 245 (D1; De Dietrich) unter Heranziehung seines Fachwissens nahegelegt.
16
1. Das Gebrauchsmuster beschreibt eine herausziehbare Unterlage für Herd- und Einbaubacköfen, die sich aus einem in horizontalen Nuten in den Seitenwänden des Backofens einschiebbaren Tragrost und einem auf Schnurrollen geführten ausziehbaren Schlittengestell, das auf dem Tragrost verschiebbar ist, zusammensetzt. Das Schlittengestell dient als Auflage für Backroste und Backbleche, d.h. für Gargutträger im Sinn des Streitpatents. Tragrost und Schlittengestell bilden einen zweiseitig geführten Teleskopauszug. In Aussehen und Gestaltung unterscheidet er sich zwar deutlich von den beiden Teleskopauszügen , die in den Figuren des Streitpatents gezeigt sind und eine bevorzugte Ausführung der dort unter Schutz gestellten Lehre darstellen. Auf Grund der Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen hat der Senat jedoch keine Zweifel, dass der Fachmann, der sich zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents mit dem Gebrauchsmuster im Hinblick auf mögliche Verbesserungen beschäftigte, auch diese bekannte Schlittenführung als Teleskopauszüge erkannte. Denn hiernach sind dem Fachmann solche technischen Einrichtungen in mannigfaltiger Form bekannt, für die letztlich nur die Festlegung von mindestens zwei Elementen zueinander kennzeichnend ist, die allein eine Relativbewegung dieser Teile zueinander in Längsrichtung zulässt. Damit sind bei der Vorrichtung nach dem Gebrauchsmuster die Merkmale (2: Teleskopauszüge , die insbesondere im Möbelbereich gängige Elemente waren, aber auch in Backöfen bereits eingesetzt wurden), (2.1), (2.3), (2.5), (2.5.1), (2.5.2), (2.5.2.1), (3), (3.2; vgl. die Mehrzahl von Einschubnuten in der Beschreibung des Gebrauchsmusters Seite 1 2. Absatz und Seite 2 2. Absatz sowie die Darstellung der Nuten in der zugehörigen Figur) und (3.3; das Herausziehen in eine Lage im Wesentlichen vor der Muffel sieht der Senat dabei mit dem gerichtlichen Sachverständigen nicht als eine exakte Positionsbestimmung an) ohne weiteres verwirklicht. Hierüber besteht nach der mündlichen Verhandlung auch kein Streit mehr. Nicht verwirklicht sind dagegen die Merkmalsgruppe (1) mit dem aus dieser abzuleitenden Merkmal (2.2) und die Merkmale (2.4) und (2.5.2.1.1), während die Merkmale (2.5.2.2) und (3.1) einer näheren Betrachtung bedürfen (unten 3., 4.).
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2. Die beiden beim Gebrauchsmuster nicht verwirklichten Merkmalsgruppen , nämlich das Vorhandensein von Tragschienen zur Befestigung der Teleskopauszüge (Merkmalsgruppe (1) und Merkmal (2.2)) und die Führung über käfiggelagerte Kugeln (Merkmal 2.5.2.1.1) stellen dabei Änderungen (und, wie unterstellt werden kann, auch deutliche Verbesserungen) gegenüber der aus den Unterlagen des Gebrauchsmusters bekannten Lösung dar, die zwar jeweils erhebliche Vorteile mit sich bringen mögen, zur Verwirklichung des Ziels des Streitpatents, einen weitgehenden Auszug und damit eine gute Zugänglichkeit des Backofeninnenraums mit dem Gargutträger mit einfachen Mitteln und herkömmlichen Gargutträgern zu erreichen, jedoch nichts beitragen.
18
a) Die Befestigung von jedenfalls teleskopartigen Vorrichtungen an senkrechten Tragschienen war eine dem Fachmann auf dem hier interessierenden Gebiet der Technik geläufige Maßnahme. Die Gargutträger müssen in der Ofenmuffel gelagert werden. Hierfür bieten sich - wie es im Streitpatent auch angegeben ist - in gleicher Weise wie Schlitze in den Wandungen auch dort angebrachte Haltevorrichtungen an. Letztere sind sogar vorteilhaft, wenn auch katalytische Schutzwände eingebaut werden sollen. Obwohl das Gebrauchsmuster derartiges nicht beschreibt oder zeigt, war es deshalb allenfalls eine handwerkliche Maßnahme, die dort beanspruchte Teleskopvorrichtung an Halterungen der Merkmale 1 und 1.1 seitlich zu lagern. Ergänzend kann etwa auf die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 91 666 (D12; Zanussi) verwiesen werden, in der diese Maßnahme bereits gezeigt ist.
19
b) Vorstehendes gilt entsprechend für die Führung von Teleskopschienen über käfiggelagerte Kugeln. Wie bereits erwähnt, waren dem Fachmann für die Gestaltung von Teleskopauszügen mehrere Möglichkeiten bekannt. Hierzu gehörten insbesondere solche, die käfiggelagerte Kugeln zur Führung der Teleskopelemente einsetzen. Deren Verwendung war auch in Öfen bekannt, wie sich aus der im Jahr 1957 veröffentlichten britischen Patentschrift 776 123 (D6; General Motors; vgl. insbes. Fig. 8) ergibt, ganz abgesehen davon, dass Kugellager bei der Führung von Schubladen in Möbeln eingesetzt wurden (vgl. die Unterlagen der deutschen Gebrauchsmuster 79 32 277 und 83 07 357 (Schäfer GmbH; D24, D25)). Darauf, dass sich beim Einsatz in Backöfen hinsichtlich der Material- und der Schmiermittelwahl besondere thermische Anforderungen stellen , weisen bereits die Beschreibung des Gebrauchsmusters 75 07 245 (D1; S. 3 letzter Absatz) und der europäischen Patentanmeldung 91 666 (D12; S. 3 Z. 36-38) hin. Diese Anforderungen stellten für den Fachmann kein Hindernis dar, auf die bekannten käfiggelagerten Kugeln zurückzugreifen. Dem entspricht es, dass sich auch das Streitpatent insoweit näherer Erläuterungen enthält. Demnach ist auch im Vorsehen dieses Merkmals eine erfinderische Leistung nicht begründet.
20
3. Merkmal (3.1) gibt an, dass die Gargutträger frei auflegbar sind. Dies soll nach dem gerichtlichen Sachverständigen bedeuten (vgl. schriftliches Gutachten S. 78 f.), dass zum Auflegen des Gargutträgers (Backblech usw.) kein Werkzeug benötigt wird, dass der Gargutträger von einer Person und sowohl in der Ofenmuffel als auch bei herausgezogenen Auszügen auf seine Auflagefläche aufgelegt werden kann und dass der Gargutträger mit der Auflagefläche lediglich eine form- oder reibschlüssige, jederzeit ohne Einsatz von Werkzeug lösbare Verbindung eingehen darf. Folgt man dem, war das Merkmal bereits aus den Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 75 07 245 (Verbindung in Form einer jederzeit lösbaren Fixierung über die beiden Bolzen 10) bekannt. Wieweit der Gargutträger hierbei fixiert wird, hängt davon ab, wie dieser selbst ausgestaltet wird. Greift der Bolzen in ein Langloch, so bleibt der Gargutträger über die Länge des Langlochs verschiebbar, greift er in ein dem Bolzendurchmesser entsprechendes Loch, ist der Gargutträger allerdings fixiert. Es bedarf aber keiner Erörterung, ob - wie der Sachverständige es nachdrücklich vertreten hat - auch eine derartige Festlegung des Gargutträgers noch der Lehre des Streitpatents (insbesondere Merkmal 2.5.2.2) entspricht, weil das Gebrauchsmuster jedenfalls bei der entsprechenden Ausgestaltung des Gargutträgers mit einem Langloch die Möglichkeit schafft, den Gargutträger begrenzt auszuziehen , und die dadurch geschaffene Auflagemöglichkeit mithin der nach dem Streitpatent entspricht. Damit ist aber auch die "freie" Auflegbarkeit bereits nach dem Gebrauchsmuster verwirklicht.
21
4. Das mit der eingeschränkten Verteidigung neu hinzugekommene Merkmal (2.4) grenzt das Streitpatent insbesondere von der Schlittenlösung des Gebrauchsmusters, aber auch von der Lösung nach der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 91 666 (D12) ab, denn bei diesen sind der rechte und der linke Teleskopauszug körperlich verbunden. Auch deren getrennte Anordnung stand dem Fachmann jedoch als Alternative zur Verfügung. Durch das Auflegen des Gargutträgers werden beim Streitpatent die Bewegungen des linken und des rechten Teleskopauszugs miteinander synchronisiert (vgl. schriftliches Gutachten Prof. W. S. 84). Dies ist auch erforderlich, weil nur hierdurch der ungestörte Transport des Garguts in die Ofenmuffel oder aus dieser heraus gewährleistet wird. Liefen die beiden Teleskopauszüge mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, so müsste es nahezu unvermeidlich zu Schwierigkeiten beim Garguttransport, etwa durch Verkantungen des Gargutträgers , kommen. Angesichts der Qualifikation des maßgeblichen Fachmanns geht der Senat gestützt auf die dies bestätigenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen davon aus, dass dem Fachmann die dem zugrunde liegende Notwendigkeit der Synchronisierung geläufig war und für diesen den Grund dafür bildete, dass bei dem Gebrauchsmuster eine besondere durch die Backofenmuffel reichende Verbindung vorgesehen war. Ebenso erkennbar war aber, dass diese insbesondere im Hinblick auf Montage- und Reinigungszwecke störte. Angesichts der bereits erwähnten Gestaltungsmöglichkeiten, die dem Fachmann beim Teleskopauszug zur Verfügung standen, lag es dann aber nahe, auf die feste Verbindung zu verzichten und dem ohnehin aufzulegenden , üblicherweise von Seitenwand zu Seitenwand reichenden Gargutträger die Synchronisationsfunktion zu übertragen. Wird die beim Einschieben und Ausziehen erforderliche Kopplung durch den Gargutträger hergestellt, entfällt jede Notwendigkeit einer Verbindung durch konstruktive Maßnahmen. Deren Weglassen stellt daher, auch in Zusammenschau mit den übrigen Merkmalen des verteidigten Patentanspruchs 1, soweit diese geboten ist, keine erfinderische Leistung dar.
22
V. Der nunmehr auf den eingeschränkt verteidigten Patentanspruch 1 rückbezogene Patentanspruch 2 kennzeichnet die Befestigung der Tragschienen an den Seitenwandungen der Backofenmuffel als lösbar. Das ist eine nahezu zwangsläufige Folge der differenzialen Bauweise und kann schon von daher eine erfinderische Leistung nicht begründen. Zudem war die Lösbarkeit als solche bekannt; sie ist bereits in verschiedenen Vorveröffentlichungen beschrieben , so in der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 91 666 (D12) und in der US-Patentschrift 3 706 302 (D21; vgl. die dortige Figur 4: brackets 50, 52). Auch deren Kombination in den Merkmalen des Patentanspruchs 1 lag für den Fachmann nahe.
23
VI. Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der Patentansprüche 3 und 6 in Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 in seiner verteidigten Fassung ist weder geltend gemacht noch sonst für den Senat erkennbar.
24
VII. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag beschränkt zunächst die Gargutträger von den beispielshaft genannten Back- und Bratblechen auf diese, was sich bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zugunsten der Be- klagten auswirkt. Weiter übernimmt er die lösbare Befestigung der Tragschienen aus Patentanspruch 2 (hierzu unter V.) und fügt aus der Beschreibung das weitere Merkmal ein, dass die ortsfesten Schienen der Teleskopauszüge mit den Tragschienen eine im wesentlichen formstabile Einheit bilden. Diese konstruktive Ausgestaltung ergibt sich indessen unmittelbar daraus, dass sich der Fachmann für eine stärker integrierte Bauweise entscheidet; sie kann weder allein noch in Verbindung mit anderen Merkmalen eine erfinderische Leistung begründen. Entsprechendes gilt für die hilfsweise verteidigten Patentansprüche 3 und 6.

25
VIII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 ZPO.
Scharen Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 18.12.2001 - 3 Ni 26/00 -

(1) Die Wirkung des Patents tritt insoweit nicht ein, als die Bundesregierung anordnet, daß die Erfindung im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt benutzt werden soll. Sie erstreckt sich ferner nicht auf eine Benutzung der Erfindung, die im Interesse der Sicherheit des Bundes von der zuständigen obersten Bundesbehörde oder in deren Auftrag von einer nachgeordneten Stelle angeordnet wird.

(2) Für die Anfechtung einer Anordnung nach Absatz 1 ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig, wenn sie von der Bundesregierung oder der zuständigen obersten Bundesbehörde getroffen ist.

(3) Der Patentinhaber hat in den Fällen des Absatzes 1 gegen den Bund Anspruch auf angemessene Vergütung. Wegen deren Höhe steht im Streitfall der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen. Eine Anordnung der Bundesregierung nach Absatz 1 Satz 1 ist dem im Register (§ 30 Abs. 1) als Patentinhaber Eingetragenen vor Benutzung der Erfindung mitzuteilen. Erlangt die oberste Bundesbehörde, von der eine Anordnung oder ein Auftrag nach Absatz 1 Satz 2 ausgeht, Kenntnis von der Entstehung eines Vergütungsanspruchs nach Satz 1, so hat sie dem als Patentinhaber Eingetragenen davon Mitteilung zu machen.

(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist.

(2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Für Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, werden keine Patente erteilt; ein solcher Verstoß kann nicht allein aus der Tatsache hergeleitet werden, dass die Verwertung durch Gesetz oder Verwaltungsvorschrift verboten ist.

(2) Insbesondere werden Patente nicht erteilt für

1.
Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen;
2.
Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens;
3.
die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken;
4.
Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere.
Bei der Anwendung der Nummern 1 bis 3 sind die entsprechenden Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes maßgeblich.

(1) Patente werden nicht erteilt für

1.
Pflanzensorten und Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren und die ausschließlich durch solche Verfahren gewonnenen Pflanzen und Tiere;
2.
Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden. Dies gilt nicht für Erzeugnisse, insbesondere Stoffe oder Stoffgemische, zur Anwendung in einem der vorstehend genannten Verfahren.

(2) Patente können erteilt werden für Erfindungen,

1.
deren Gegenstand Pflanzen oder Tiere sind, wenn die Ausführung der Erfindung technisch nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist;
2.
die ein mikrobiologisches oder ein sonstiges technisches Verfahren oder ein durch ein solches Verfahren gewonnenes Erzeugnis zum Gegenstand haben, sofern es sich dabei nicht um eine Pflanzensorte oder Tierrasse handelt.
§ 1a Abs. 3 gilt entsprechend.

(3) Im Sinne dieses Gesetzes bedeuten:

1.
"biologisches Material" ein Material, das genetische Informationen enthält und sich selbst reproduzieren oder in einem biologischen System reproduziert werden kann;
2.
"mikrobiologisches Verfahren" ein Verfahren, bei dem mikrobiologisches Material verwendet, ein Eingriff in mikrobiologisches Material durchgeführt oder mikrobiologisches Material hervorgebracht wird;
3.
"im Wesentlichen biologisches Verfahren" ein Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren, das vollständig auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung oder Selektion beruht;
4.
"Pflanzensorte" eine Sorte im Sinne der Definition der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. EG Nr. L 227 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung.

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

(1) Für Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, werden keine Patente erteilt; ein solcher Verstoß kann nicht allein aus der Tatsache hergeleitet werden, dass die Verwertung durch Gesetz oder Verwaltungsvorschrift verboten ist.

(2) Insbesondere werden Patente nicht erteilt für

1.
Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen;
2.
Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens;
3.
die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken;
4.
Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere.
Bei der Anwendung der Nummern 1 bis 3 sind die entsprechenden Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes maßgeblich.

(1) Patente werden nicht erteilt für

1.
Pflanzensorten und Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren und die ausschließlich durch solche Verfahren gewonnenen Pflanzen und Tiere;
2.
Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden. Dies gilt nicht für Erzeugnisse, insbesondere Stoffe oder Stoffgemische, zur Anwendung in einem der vorstehend genannten Verfahren.

(2) Patente können erteilt werden für Erfindungen,

1.
deren Gegenstand Pflanzen oder Tiere sind, wenn die Ausführung der Erfindung technisch nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist;
2.
die ein mikrobiologisches oder ein sonstiges technisches Verfahren oder ein durch ein solches Verfahren gewonnenes Erzeugnis zum Gegenstand haben, sofern es sich dabei nicht um eine Pflanzensorte oder Tierrasse handelt.
§ 1a Abs. 3 gilt entsprechend.

(3) Im Sinne dieses Gesetzes bedeuten:

1.
"biologisches Material" ein Material, das genetische Informationen enthält und sich selbst reproduzieren oder in einem biologischen System reproduziert werden kann;
2.
"mikrobiologisches Verfahren" ein Verfahren, bei dem mikrobiologisches Material verwendet, ein Eingriff in mikrobiologisches Material durchgeführt oder mikrobiologisches Material hervorgebracht wird;
3.
"im Wesentlichen biologisches Verfahren" ein Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren, das vollständig auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung oder Selektion beruht;
4.
"Pflanzensorte" eine Sorte im Sinne der Definition der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. EG Nr. L 227 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung.

Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 210/98 Verkündet am:
23. Oktober 2001
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die
Richter Dr. Melullis, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 9. Juni 1998 verkündete Urteil des 4. Senats (Juristischen Beschwerdesenats und Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wie folgt neu gefaßt: 1. Das europäische Patent 0 429 230 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält : "Befestigungselement zum Befestigen von Isolationsplatten (2) an Bauteilen (A) mit einem großflächigen Kopf (3) und einem von diesem abragenden Schaft (4), wobei Kopf (3) und Schaft (4) von einer ein Widerlager (4a) für ein Montageelement (5) aufweisenden Ausnehmung (4b) durchsetzt sind, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß im kopfseitigen Mündungsbereich (4c) der Ausnehmung (4b) gegen deren Zentrum ragende, rechtwinklig zur Längsachse angeordnete, bieg- same Segmente (6) vorhanden sind, die Ausnehmung (4b) im kopfseitigen Mündungsbereich (4c) eine Erweiterung (4d) des Durchmessers um das Doppelte der Wandstärke eines Segmentes (6) aufweist und die sich vom kopfseitigen Ende erstrekkende Tiefe der Erweiterung (4d) wenigstens der freien Länge eines Segmentes (6) entspricht, wobei die dem Zentrum des Befestigungselementes zugewandten Flächen der umgebogenen Segmente eine Verlängerung der Ausnehmung und somit eine Verlängerung des Führungsbereiches für die Mündung des Setzgerätes bilden." 2. Die Patentansprüche 2 und 5 sind auf diesen so gefaûten Patentanspruch 1 zu lesen.
3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
4. Die Kosten der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten der Berufungsinstanz hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des am 7. Dezember 1991 unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Voranmeldung vom 24. Dezember 1990 angemeldeten, unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäische Patents 0 492 230 (Streitpatents), das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter Nr. 591 01 029 geführt wird. Es betrifft ein Befestigungselement für Isolationsplatten und umfaût fünf Patentansprüche. Verfahrenssprache ist Deutsch. Wegen des Wortlauts der Patentansprüche wird auf die Patentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat das Streitpatent im Umfang seiner Patentansprüche 1, 2 und 5 angegriffen.
Die Beklagte hat das Streitpatent in erster Instanz nur beschränkt dahingehend verteidigt, daû Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut erhält und die Patentansprüche 2 und 5 auf diesen so gefaûten Patentanspruch rückbezogen sind:
"Befestigungselement zum Befestigen von Isolationsplatten (2) an Bauteilen (A) mit einem groûflächigen Kopf (3) und einem von diesem abragenden Schaft (4), wobei Kopf (3) und Schaft (4) von einer ein Widerlager (4a) für ein Montageelement (5) aufweisenden Ausnehmung (4b) durchsetzt sind, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daû im kopfseitigen Mündungsbereich (4c) der Ausnehmung (4b) gegen deren Zentrum ra-
gende, rechtwinklig zur Längsachse angeordnete, biegsame Segmente (6) vorhanden sind, die Ausnehmung (4b) im kopfseitigen Mündungsbereich (4c) eine Erweiterung (4d) des Durchmessers um wenigstens das Doppelte der Wandstärke eines Segmentes (6) aufweist und die sich vom kopfseitigen Ende erstreckende Tiefe der Erweiterung (4d) wenigstens der freien Länge eines Segmentes (6) entspricht, wobei die dem Zentrum des Befestigungselementes zugewandten Flächen der umgebogenen Segmente eine Verlängerung der Ausnehmung und somit eine Verlängerung des Führungsbereiches für die Mündung des Setzgerätes bilden."
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, insbesondere sei ein dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents entsprechendes Befestigungselement bereits unter der Bezeichnung "Wind-Devil" in einem Katalog der Wind-lock Corporation Birdsboro mit Druckdatum 3/1988 und den dazu gehörenden Preislisten beschrieben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.
Sie hat beantragt,
das Streitpatent im Umfang seiner Patentansprüche 1, 2 und 5 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Demgegenüber hat die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent im verteidigten Umfang richtet.
Das Bundespatentgericht hat dem Streitpatent unter Abweisung der weitergehenden Klage die Fassung gegeben, in der es die Beklagte verteidigt hat.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie nunmehr geltend macht, die Selbstbeschränkung der Klägerin auf die durch das Urteil des Bundespatentgerichts bestätigte Fassung des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sei unzulässig, denn sie sei durch die Offenbarung des Streitpatents und der diesem zugrundeliegenden Patentanmeldung nicht gedeckt. In dieser Fassung sei der Gegenstand des Streitpatents auch nicht neu und beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Kostenverteilung durch das Bundespatentgericht entspreche im übrigen nicht dem wirklichen Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.
Die Klägerin beantragt,
das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig zu erklären, daû in Patentanspruch 1 das Wort "wenigstens" auf S. 4 Z. 3/4 der Streitpatentschrift vor den Worten "das Doppelte der Wandstärke" gestrichen wird und in dem Satzteil "wobei die dem Zentrum des Befestigungselementes zugewandten Flächen der umgebogenen Segmente eine Verlängerung der Ausnehmung und somit eine Verlängerung des Führungsbereiches für die Mündung des Setzgerätes bilden" zwischen dem
Wort "umgebogenen" und dem Wort "Segmente" die Worte "und zwischen der Mündung des Setzgeräts und der Erweiterung der Ausnehmung liegenden" hinzugefügt wird.
Hilfsweise beantragt sie,
das Patent in vollem Umfang der Ansprüche 1, 2 und 5 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hilfsweise beantragt sie,
das Streitpatent in der Weise aufrechtzuerhalten, daû das Wort "wenigstens" in Patentanspruch 1 auf S. 4 Z.3/4 der Streitpatentschrift vor den Worten "das Doppelte der Wandstärke" gestrichen wird.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Dr.-Ing. G. E. V. , - ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert hat.

Entscheidungsgründe:


Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung die teilweise Vernichtung von Patentanspruch 1 in dem Umfang der mit dem Hilfsantrag der Beklagten verteidigten Fassung erstrebt, ist sie zulässig und begründet.
I. Das mit dem Hauptantrag der Klägerin verfolgte Ziel der Berufung ist die teilweise Nichtigerklärung des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung. Die Klägerin strebt nicht eine bloûe Klarstellung des Patentanspruchs 1 an, die im Rahmen ihrer Nichtigkeitsklage unzulässig sein könnte (vgl. Sen.Urt. v. 23.02.1988 - X ZR 93/85, GRUR 1988, 757 ff., 760 - Düngerstreuer). Sie will vielmehr eine weitere Einschränkung des von der Klägerin in erster Linie verteidigten Patentanspruchs 1 erreichen, soweit dieser gegenüber dem ursprünglich Offenbarten eine unzulässige Erweiterung enthalte. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann der Patentinhaber sein Patent im Nichtigkeitsverfahren beschränken. Er ist aber gehindert, dessen Schutzbereich zu erweitern oder an die Stelle der ihm erteilten patentgeschützten Erfindung eine andere zu setzen (vgl. BGHZ 110, 82 - Spreizdübel; 110, 123 - Spleiûkammer; Sen.Urt. v. 22.02.2000 - X ZR 111/98; SchulteKartei , PatG 81-85, Nr. 262 - Positionierungsverfahren). Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, daû die verteidigte Fassung des Patentanspruchs 1 des Streitpatents eine in diesem Sinne unzulässige Umgestaltung enthalte.
Soweit Bedenken dagegen bestehen könnten, ob die Klägerin das Streitpatent in der Weise angreifen kann, daû sie die Beklagte als Patentinha-
berin durch die Fassung des Berufungsantrags auf eine von dieser nicht gewollte oder sogar ausdrücklich abgelehnte Fassung des angegriffenen Patentanspruchs festlegen will (vgl. dazu Sen.Urt. v. 24.10.1996 - X ZR 29/94, GRUR 1997, 272 f., 273 - Schwenkhebelverschluû), greifen solche Bedenken hier schon deswegen nicht durch, weil die Beklagte hilfsweise - um eine vollständige Vernichtung des Streitpatents zu vermeiden - den erteilten Patentanspruch mit ihrem Hilfsantrag in einer eingeschränkten Fassung verteidigt (vgl. dazu für das Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren BGHZ 105, 381 ff. - Verschluûvorrichtung für Gieûpfannen; Sen.Urt. v. 24.10.1996 - Schwenkhebelverschluû , aaO).
II. Das Streitpatent betrifft ein Befestigungselement für Isolationsplatten an Bauteilen mit einem groûflächigen Kopf und einem von diesem abragenden Schaft, wobei Kopf und Schaft von einer ein Widerlager für ein Montageelement aufweisenden Ausnehmung durchsetzt sind. Im kopfseitigen Mündungsbereich der Ausnehmung sind gegen deren Zentrum ragende rechtwinklig zur Längsachse angeordnete biegsame Segmente vorhanden. Diese ermöglichen das Einführen der Mündung eines Setzgerätes in die Ausnehmung des Schaftes und die Rückführung der Mündung nach Setzung eines Bolzens zur Befestigung des Elements. Bei vorbekannten Befestigungselementen dieser Art wird es nach der Beschreibung des Streitpatents als nachteilig angesehen, daû es entweder zu einem Eindringen von Putz in die Ausnehmung des Schaftes und damit zur Entstehung einer Kältebrücke kommen kann oder aber eine nachträglich die Befestigungselemente überziehende Putzschicht keine ausreichende Haftung findet. Hiervon ausgehend ist das zu lösende Problem nach der Beschreibung der Patentschrift in der erteilten Fassung darin zu sehen, ein Befestigungselement zu schaffen, das selbst bei der Verwendung eines in die
Ausnehmung eintauchenden Setzwerkzeuges ein selbsttätiges Verschlieûen der Ausnehmung nach dem Setzvorgang und die Befestigung einer Putzschicht im Bereich der Ausnehmung ermöglicht.
Zur Lösung dieses Problems wird nach der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 die nachfolgend aufgegliederte Merkmalskombination vorgeschlagen und unter Schutz gestellt:
1. Befestigungselement zum Befestigen von Isolationsplatten an Bauteilen.
2. Das Befestigungselement hat einen groûflächigen Kopf und einen von diesem abragenden Schaft.
3. Kopf und Schaft sind von einer Ausnehmung durchsetzt.
3.1 Die Ausnehmung weist ein Widerlager für ein Montageelement auf.
4. Im kopfseitigen Mündungsbereich (4c) der Ausnehmung (4b) sind Segmente (6) vorhanden.
4.1 Die Segmente sind gegen das Zentrum gerichtet, rechtwinklig zur Längsachse angeordnet und biegsam.
5. Die Ausnehmung (4b) weist im kopfseitigen Mündungsbereich (4c) eine Erweiterung (4d) des Durchmessers auf.

5.1 Die Erweiterung des Durchmessers beträgt wenigstens das Doppelte der Wandstärke eines Segmentes (6).
6. Die vom kopfseitigen Ende aus sich erstreckende Tiefe der Erweiterung (4d) entspricht wenigstens der freien Länge eines Segmentes (6).
In dieser Merkmalskombination kommt der in der Streitpatentschrift weiter angesprochene Gedanke einer Führung für die Mündung eines Setzgerätes , der nach Meinung des Bundespatentgerichts die Patentfähigkeit erst begründet , noch nicht zum Ausdruck. Nach ihr wird lediglich dafür Sorge getragen , daû die Mündung eines Setzgerätes durch ausreichendes Zurückweichen der Segmente eingeführt werden kann und daû die Ausnehmung nach Zurückziehen des Setzgerätes wieder selbsttätig geschlossen wird. Wie auch der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, muûte der Fachmann aus diesem Zusammenhang entnehmen, daû die Angaben zur Dimensionierung der Erweiterung (Merkmale 5, 5.1 und 6) lediglich einen ausreichenden Platz für die zurückgebogenen Segmente gewährleisten sollten. Insbesondere die Angabe zur Erweiterung des Durchmessers (Merkmal 5.1) ist daher als Mindestmaû zu verstehen, das auch beliebig vergröûert werden kann.
Es ist nach dem bereits in erster Instanz vorgelegten Stand der Technik offensichtlich und auch zwischen den Parteien nicht mehr streitig, daû ein lediglich durch die Kombination der Merkmale 1 bis 6 definierter Gegenstand im Hinblick auf eine Vielzahl vorbekannter vergleichbarer Verschluûvorrichtungen nicht mehr als erfinderisch und patentfähig angesehen werden kann. Die Be-
klagte hat daher das Streitpatent schon in der Vorinstanz nur noch eingeschränkt verteidigt in Kombination mit dem weiteren Merkmal:
7. Die dem Zentrum des Befestigungselementes zugewandten Flächen der umgebogenen Segmente bilden eine Verlängerung der Ausnehmung und somit eine Verlängerung des Führungsbereiches für die Mündung des Setzgerätes.
III. Mit der Hinzufügung des Merkmals 7 allein kann die Beklagte das Streitpatent nicht mit Erfolg verteidigen, da der hier angesprochene Gedanke der Führung des Setzgerätes eine unzulässige Erweiterung (Art. 123 Abs. 2 EPÜ) zum Gegenstand hat, solange nicht das Merkmal 5.1 durch Streichung des Wortes "mindestens" eingeengt und mit dem Gedanken der Führung in dem ursprünglich offenbarten Umfang in Übereinstimmung gebracht wird. Das entspricht der mit dem Hilfsantrag der Beklagten verteidigten Fassung.
1. Die in dem zusätzlichen Merkmal 7 formulierte Führung des Setzgerätes ist auf Seite 2 Zeilen 41-43 der Patentschrift und in dem damit übereinstimmenden Text der ursprünglichen Unterlagen offenbart. Dies ist allerdings in einem bestimmten Zusammenhang geschehen, nämlich anknüpfend an die unmittelbar voranstehende Aussage, daû bei der erfindungsgemäûen Lösung die Segmente bei Einführung des Setzgerätes nach innen gebogen sind und am inneren Umfang der Erweiterung anliegen. Die Führungsfunktion der Segmente wird damit nicht allein aus ihrem Umbiegen, sondern erst aus dem zusätzlichen Umstand abgeleitet, daû sie am inneren Umfang der Erweiterung anliegen, damit durch diesen abgestützt werden und so ihrerseits der eingeführten Mündung des Setzgerätes einen führenden Widerstand geben können.
Nur dies entspricht dem Verständnis des Durchschnittsfachmanns, wie sich in der mündlichen Verhandlung nach eingehender Befragung des gerichtlichen Sachverständigen und in Übereinstimmung mit seinem schriftlichen Gutachten zur Überzeugung des Senats ergeben hat. Dabei geht der Senat in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen davon aus, daû für den hier maûgeblichen Durchschnittsfachmann etwa ein abgeschlossenes Bauingenieurstudium an einer Fachhochschule und mehrjährige Erfahrungen mit der Konstruktion und Entwicklung von Befestigungstechniken und Befestigungselementen bei Bauwerken vorausgesetzt werden können. Ein solcher Fachmann konnte den ursprünglichen Unterlagen ebensowenig wie der Patentschrift entnehmen, daû die patentgemäûe Führungsfunktion der umgebogenen Segmente anders als durch Abstützung an dem inneren Umfang der Erweiterung erreicht werden sollte. Nur dies ist auch in den Patentzeichnungen dargestellt. Mit einem solchen Verständnis ist es aber unvereinbar, wenn andererseits nach dem zuvor erläuterten Verständnis des Merkmals 5.1 in der erteilten Fassung die Durchmesser-Erweiterung über das angegebene Mindestmaû hinaus beliebig ausgedehnt sein kann. Insbesondere ist der Patentschrift kein Hinweis darauf zu entnehmen, daû eine stützende und führende Wirkung der umgebogenen Segmente schon durch eine gewisse Eigensteifigkeit des Materials gewährleistet sein könnte.
2. Der Widerspruch zwischen der engen ursprünglichen Offenbarung einer Führung durch die umgebogenen Segmente in der Patentbeschreibung und dem weiteren Verständnis des Merkmals 5.1 in der erteilten Fassung bedarf der Auflösung.
Nach Meinung des Bundespatentgerichts im angefochtenen Urteil soll der Widerspruch dadurch aufgelöst werden, daû das Merkmal 5.1 im Hinblick auf das zusätzliche Merkmal 7 eingeschränkt ausgelegt wird. Das ist unzureichend und kann nicht überzeugen. Dies ergibt sich auch aus dem zwischenzeitlich im Verletzungsprozeû ergangenen (nicht rechtskräftigen) Urteil des Landgerichts Düsseldorf, dem ein abweichendes Verständnis zugrunde liegt.
Da das Merkmal 5.1 unverändert geblieben ist und die naheliegende Möglichkeit einer Streichung des Wortes "mindestens" gerade nicht genutzt wurde, liegt es fern, dieses Merkmal nunmehr so zu verstehen, als sei eine Streichung vorgenommen worden. Dies kann auch nicht aus dem hinzugefügten Merkmal 7 abgeleitet werden, welches über das Maû der Erweiterung (4 d) des Durchmessers keine Aussage enthält und gerade nicht den Hinweis der Beschreibung (S. 2 Z. 40/419 übernimmt, daû die umgebogenen Segmente am inneren Umfang der Erweiterung (4 d) anliegen. Der Patentanspruch 1 in der vom Bundespatentgericht aufrechterhaltenen und in erster Linie verteidigten Fassung ist daher so zu verstehen, daû die Durchmesser-Erweiterung (4 d) über die Offenbarung der ursprünglichen Unterlagen hinaus beliebig über die Wandstärke der Segmente hinausgehen kann.
3. Die unzulässige Erweiterung, zu der die in erster Linie verteidigte Fassung des Patentanspruchs führen würde, ist dadurch zu beseitigen, daû das Wort "mindestens" im Merkmal 5.1 gestrichen wird. Damit wird dem Gedanken Rechnung getragen, daû die Tiefe der Erweiterung (4 d) auf die Wandstärke der umgebogenen Segmente abgestimmt sein soll, um diese stützen und so eine zusätzliche Führung des Setzgerätes bewirken zu können.
In diesem Umfang ist die hilfsweise verteidigte Fassung des Patentanspruchs unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Erweiterung nicht zu beanstanden. Der von der Klägerin zusätzlich begehrten Einfügung im Rahmen des Merkmals 7 bedarf es nicht mehr.
IV. Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz noch eine weitergehende Nichtigkeitserklärung begehrt, ist die Klage nicht begründet.
Die Frage einer unzulässigen Erweiterung ist durch die Beschränkung auf die hilfsweise verteidigte Fassung des Patentanspruchs gegenstandslos geworden (vorstehend zu III.).
Der Nichtigkeitsgrund fehlender Neuheit oder mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Art. 138 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 52, 54, 56 EPÜ; Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG) ist ebenfalls nicht gegeben. Das im Berufungsverfahren allein noch entgegengehaltene Befestigungselement "Wind-Devil" der Windlock Corp. (E 7) ist für eine Befestigung durch Schrauben und Verwendung eines Schraubers konzipiert. Die Ausnehmung für die Einführung des Schraubers ist überdimensioniert und für eine unmittelbare oder mittelbare Führung der Mündung des Schraubers weder bestimmt noch geeignet, und zwar weder im Mündungsbereich noch im Fuûbereich. Sie bietet auch im Mündungsbereich reichlich Platz für ein Umbiegen der Verschluûsegmente. Insoweit ist weder eine Erweiterung der Ausnehmung noch ein Anliegen umgebogener Segmente und eine dadurch bedingte Führung vorgesehen. Die erfindungsgemäûe Ausgestaltung der Merkmale 5.1 und 7 in der hilfsweise verteidigten Fassung ist daher weder vorweggenommen noch nahegelegt. Das gleiche gilt erst recht für die verteidigte Gesamtkombination.

V. Die Unteransprüche 2 und 5 haben als besondere Ausgestaltungen des Patentanspruchs 1 in dessen eingeschränkter Fassung mit diesem Bestand.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84 Abs. 2, 110 Abs. 3 Satz 2 PatG in der nach Art. 29 Satz 2 des PatGÄndG vom 16. Juli 1998 auf den vorliegenden Fall noch anwendbaren früheren Fassung in Verbindung mit §§ 91, 92 und 97 ZPO. Der Senat hat dabei berücksichtigt, daû die Klägerin ihr in der Berufungsinstanz nur noch eingeschränkt verfolgtes Klageziel ungeachtet der abweichenden Formulierung in der Urteilsformel im wesentlichen erreicht hat.
Rogge Melullis Keukenschrijver
Mühlens Meier-Beck

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.