vorgehend
Amtsgericht Wedding, 8a C 10/10, 31.03.2011
Landgericht Berlin, 85 S 113/11, 20.09.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 127/11 Verkündet am:
7. Mai 2013
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (FluggastrechteVO) Art. 3 Abs. 1, Art. 7

a) Den Fluggästen eines verspäteten, nach Art. 3 Abs. 1 in den Anwendungsbereich
der Fluggastrechteverordnung fallenden Flugs steht ein Ausgleichsanspruch
nach Art. 7 zu, soweit sie infolge der Verspätung ihr individuelles
Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreichen.

b) Dies gilt auch, wenn die verspätete Ankunft am Endziel darauf beruht, dass
infolge der Flugverspätung ein selbst nicht in den Anwendungsbereich der
Verordnung fallender oder selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst
wird.
BGH, Urteil vom 7. Mai 2013 - X ZR 127/11 - LG Berlin
AG Wedding
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Mai 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die
Richterin Mühlens und die Richter Gröning, Hoffmann und Dr. Deichfuß

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 20. September 2011 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Wedding vom 31. März 2011 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.200 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2010 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht eines Mitreisenden auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 600 € nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (im Folgenden: Fluggastrechteverordnung) in Anspruch.
2
Die Reisenden buchten bei der Beklagten für den 20. Januar 2010 eine Flugreise von Berlin-Tegel über Madrid nach San José (Costa Rica). Der Start des von der Beklagten durchgeführten Fluges von Berlin nach Madrid erfolgte mit einer Verspätung von eineinhalb Stunden, was dazu führte, dass die Reisenden den Anschlussflug nach San José nicht mehr erreichten, weil der Einsteigevorgang bereits beendet war, als sie an dem betreffenden Ausgang ankamen. Sie wurden erst am folgenden Tag nach San José befördert.
3
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
5
I. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach Art. 4 Abs. 3, Art. 7 FluggastrechteVO wegen der Verspätung des Zubringerflugs und des dadurch bedingten Nichterreichens des Anschlussflugs verneint. Einem Fluggast, der einen Flug wegen eines verspäteten Zubringerflugs nicht erreiche, stehe kein Anspruch auf eine Ausgleichsleistung wegen Nichtbeförderung zu; Zubringerflug und Anschlussflug seien nach gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich isoliert zu betrachten. Ein Anspruch wegen einer Beförderungsverweigerung komme auch nicht deshalb in Betracht, weil die Beklagte die Reisenden in Madrid trotz der verspäteten Ankunft noch hätte an Bord nehmen müssen. Selbst wenn sich das Flugzeug nach San José, wie die Klägerin behaupte, noch in der Parkposition am Flugsteig befunden habe, als die Reisenden den Ausgang erreichten, habe eine Beförderungsverweigerung nicht vorgelegen, da sich die Reisenden erst nach Abschluss des Einsteigevorgangs am Ausgang eingefunden hätten. Dies sei nicht mehr rechtzeitig gewesen.
6
II. Diese Beurteilung hält zwar für sich genommen der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand, der Klägerin stehen jedoch die geltend gemachten Ansprüche wegen der durch die Verspätung des Zubringerfluges verursachten erheblichen Verspätung bei der Ankunft am Endziel der Flugreise zu.
7
1. Die Fluggastrechteverordnung ist anwendbar, da die Reisenden auf einem Flughafen in Deutschland einen Flug, nämlich den ersten gebuchten Flug von Berlin nach Madrid, angetreten haben (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO ).
8
2. Der verspätete Abflug dieses Flugs hat dazu geführt, dass die Reisenden ihr Endziel San José erst einen Tag nach der geplanten Ankunft erreicht haben. Dies begründet auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen den mit der Klage geltend gemachten Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c Satz 2 FluggastrechteVO; die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Buchst. c FluggastrechteVO für eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs liegen nicht vor.
9
a) Wie der Unionsgerichtshof in der Rechtssache C-402/07 (Urteil vom 19. November 2009, NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 - Sturgeon/Condor) auf die Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden und die Große Kammer mit Urteil vom 23. Oktober 2012 (C-581/10 - Nelson/Lufthansa) bestätigt hat, können nicht nur die Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch die Fluggäste verspäteter Flüge den in Art. 7 der Verordnung vorgesehenen Anspruch auf Ausgleich geltend machen, wenn sie infolge der Verspätung einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, weil sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftverkehrsunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Auf eine weitere Vorlage des Senats hat der Unionsgerichtshof mit Urteil vom 26. Februar 2013 (C-11/11 - Air France/Folkerts) ferner entschieden, dass dieser Anspruch nicht voraussetzt, dass die verspätete Erreichung des Endziels darauf beruht, dass sich der Abflug des verspäteten Flugs um die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a bis c FluggastrechteVO genannten Zeiten verzögert hat. Es genügt daher, dass der verspätete Abflug in Berlin dafür ursächlich war, dass die Reisenden den Anschlussflug von Madrid nach San José nicht mehr erreichen konnten und infolgedessen ihr Endziel erst mit eintägiger Verspätung erreicht haben.
10
b) Entgegen der Auffassung der Revision beruht dieses Ergebnis nicht darauf, dass die Flugreise von Berlin nach San José als ein einziger Flug anzusehen wäre. Flug im Sinne der Verordnung ist vielmehr, wie der Bundesgerichtshof im Einzelnen begründet hat, der Luftbeförderungsvorgang, mit dem ein Luftverkehrsunternehmen die Gesamtheit der Fluggäste dieses Luftbeförderungsvorgangs auf einer von ihm angebotenen und zur Buchung zur Verfügung gestellten Flugroute von dem Startflughafen zum Landeflughafen befördert (BGH, Urteil vom 13. November 2012 - X ZR 12/12, NJW 2013, 682 = RRa 2013, 19; Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743). Der Flug von Berlin nach Madrid ist mithin im Ausgangspunkt von dem (Anschluss-)Flug von Madrid nach San José zu unterscheiden. Hiervon geht auch das Urteil des Unionsgerichtshofs vom 26. Februar 2013 aus (s. nur Rn. 16, 18).
11
Die Selbständigkeit der Flüge ändert indessen nichts daran, dass nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO für die Beurteilung der Frage, ob die Verspätung den für eine Ausgleichszahlung vorausgesetzten Umfang erreicht hat und in welcher Höhe hierfür ein Ausgleich zu erbringen ist, nicht das Ziel des einzelnen Flugs, sondern der letzte Zielort oder (gleichbedeutend) das Endziel (Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO) maßgeblich ist, an dem der Fluggast infolge der Verspätung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt. Hiermit trägt die Verordnung dem Umstand Rechnung, dass die Annullierung oder Verspätung eines Flugs die einzelnen Fluggäste unterschiedlich stark beeinträchtigen kann, je nachdem, wie sie sich auf die Erreichung des individuel- len Endziels ihrer Flugreise auswirkt (BGH, Urteil vom 13. November 2012, aaO Rn. 15)
12
c) Den von der Klägerin geltend gemachten Ausgleichsansprüchen steht es auch nicht entgegen, dass der Anschlussflug von Madrid nach San José, dem Endziel der Flugreise, selbst nicht verspätet war.
13
Zwar hat der Unionsgerichtshof in seinem Urteil vom 26. Februar 2013 gemeint, dass die Fluggastrechteverordnung "zwei unterschiedliche Fälle der Verspätung eines Flugs" betreffe (aaO Rn. 28) und aus der Definition des Endziels gefolgert, dass es im Fall eines Fluges mit Anschlussflügen für die Zwecke der in Art. 7 FluggastrechteVO vorgesehenen Ausgleichszahlung allein auf die Verspätung ankomme, die gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel , d. h. dem Zielort des letzten Fluges des betreffenden Fluggasts, festgestellt werde (aaO Rn. 35). Er hat demgemäß in seiner Antwort auf die Vorlagefrage ausgeführt, dass die Zahlung nicht vom Vorliegen einer Verspätung beim Abflug und somit nicht von der Einhaltung der in Art. 6 FluggastrechteVO aufgeführten Voraussetzungen abhänge. Dies bedeutet jedoch nur, dass eine Abflugverspätung und insbesondere eine Abflugverspätung, die das in Art. 6 bezeichnete Ausmaß überschreitet, nicht notwendige Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs ist, und darf nicht dahin missverstanden werden, dass die Abflugverspätung den Ausgleichsanspruch nicht begründen könnte, wenn der Anschlussflug zum Endziel für sich genommen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt oder selbst nicht mit Verspätung ausgeführt worden ist. Vielmehr hat der Gerichtshof seine Rechtsprechung zum Ausgleichsanspruch bei Verspätung gerade für den Fall des infolge einer solchen Verspätung verpassten Anschlussflugs weiterentwickelt. Das Urteil vom 26. Februar 2013 ändert mithin nichts daran, dass Fluggäste, die auf einem Flughafen auf dem Gebiet eines Mitgliedstaats der Union einen Flug antreten, eine Ausgleichszahlung beanspruchen können, wenn der verspätete Abflug dieses Flugs zur Folge hat, dass das Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreicht wird.
Der gleiche Anspruch besteht, wenn der Flug zwar pünktlich abgeht, aber - etwa wegen einer außerplanmäßigen Zwischenlandung - gleichwohl unpünktlich ankommt und dies wiederum dazu führt, dass das Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreicht wird; auch dann liegt nach dem Urteil Air France/Folkerts ein verspäteter (Erst-)Flug vor. Hingegen kann eine Störung, die erst bei einem Anschlussflug auftritt, für den die Verordnung nach Art. 3 Abs. 1 nicht gilt, einen Ausgleichsanspruch auch dann nicht begründen, wenn sie dazu führt, dass das Endziel mit erheblicher Verspätung erreicht wird (BGH, Urteil vom 13. November 2012, aaO Rn. 17).
14
3. Der Einwand der Revisionsbeklagten, die Auslegung der Fluggastrechteverordnung durch die Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs sei von den der Europäischen Union zugewiesenen Kompetenzen nicht mehr gedeckt und deshalb von Verfassungs wegen nicht zu befolgen, führt zu keiner anderen Beurteilung.
15
a) Zunächst stellt sich im Streitfall nicht die Frage nach den Grenzen der Zuständigkeit der Europäischen Union, die hinsichtlich der Fluggastrechteverordnung und der in ihr geregelten Rechte und Pflichten der Luftverkehrsunternehmen und der Fluggäste außer Zweifel steht. Es ist auch nicht zweifelhaft, dass das Unionsrecht einen Ausgleichsanspruch für den Fall einer großen Verspätung vorsehen kann, so dass nicht in Betracht kommt, dass der Unionsgerichtshof durch die entsprechende Auslegung der Fluggastrechteverordnung in der Union nicht übertragene Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingegriffen haben könnte.
16
b) Der Senat könnte daher die Fluggastrechteverordnung nicht anders auslegen, ohne dem Unionsgerichtshof die Frage der Vereinbarkeit seiner Rechtsprechung mit dem Primärrecht der Europäischen Union vorzulegen. Hierzu besteht jedoch keine Veranlassung.
17
In ihrem Urteil vom 23. Oktober 2012 (C-581/10 - Nelson/Lufthansa) hat die Große Kammer des Gerichtshofs die Gleichstellung der durch große Verspätungen betroffenen Passagiere mit den Passagieren annullierter Flüge nochmals ausführlich begründet. Sie hat insbesondere darauf hingewiesen, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. iii der Verordnung dem Luftverkehrsunternehmen einen gewissen Spielraum einräume, dem Fluggast eines spät annullierten Fluges eine anderweitige Beförderung anbieten zu können, ohne ihm einen Ausgleich zahlen zu müssen. Auch wenn das Luftverkehrsunternehmen die ihm eingeräumten Möglichkeiten in vollem Umfang nutze, dürfe jedoch die Gesamtdauer der angebotenen anderweitigen Beförderung die planmäßige Dauer des annullierten Fluges nicht um drei Stunden oder mehr übersteigen; bei Überschreitung dieser Grenze seien dem Fluggast zwingend Ausgleichszahlungen zu leisten. Dagegen räume keine Bestimmung der Fluggastrechteverordnung ausdrücklich den Fluggästen verspäteter Flüge einen solchen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung ein, auch wenn sie ihr Endziel erst drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit und noch später erreichten. Der (primärrechtliche) Grundsatz der Gleichbehandlung verlange indessen, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht - wie hier nicht - objektiv gerechtfertigt sei (aaO Rn. 31-33).
18
Aus der - allerdings nicht maßgeblichen - Sicht des deutschen Rechts handelt es sich hierbei um eine durch das Primärrecht zusätzlich gestützte Analogie. Der Bundesgerichtshof hat es in seinem Vorlagebeschluss im Fall "Sturgeon" für möglich gehalten, dass eine erhebliche Verzögerung des Abflugs als Annullierung des Flugs anzusehen sein könne und den Ausgleichsanspruch wegen Annullierung auslöse, da eine nicht erkennbar vom Verordnungsgeber gewollte Schutzlücke aufträte, wenn auch eine erhebliche, im Vorlagefall mehr als 24 Stunden betragende Verspätung keinen Ausgleichsanspruch auslöse und es die Luftverkehrsunternehmen jedenfalls in gewissem Umfang in der Hand hätten, die Rechtsfolgen einer Annullierung durch - in der Dauer nicht begrenzte - Verschiebungen der Abflugzeit zu umgehen (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - X ZR 95/06, NJW 2007, 3437 Rn. 18 ff.). Diesem Ansatz ist der Unionsgerichtshof nicht gefolgt, weil die Verordnung eine zeitliche Grenze für Verspätungen nicht bestimmt hat, hat aber gleichwohl die Rechtsfolgen einer Annullierung in angepasster Form für anwendbar erklärt. Diese methodische Differenz ist nicht geeignet, den Vorwurf einer Missachtung der Bindung des Richters an das Gesetz zu begründen. Vielmehr hat sich der Unionsgerichtshof der richterlichen Aufgabe gestellt, diejenige Lücke zu füllen, die der Verordnungstext dadurch gelassen hat, dass er einerseits auch für erheblich verspätete Flüge keinen Ausgleichsanspruch vorsieht und andererseits kein objektives, dem Einfluss des betroffenen Luftverkehrsunternehmens entzogenes Kriterium dafür formuliert, wann eine Verspätung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Verordnung wie oder als eine Annullierung angesehen werden muss. Dementsprechend sieht nunmehr auch der Vorschlag der Kommission vom 13. März 2013 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats zur Änderung der Fluggastrechteverordnung (COM (2013) 130 final) vor, für große Verspätungen in Art. 6 Abs. 2 und für verpasste Anschlussflüge in einem neuen Art. 6a zeitliche Grenzen für die verzögerte Ankunft am Endziel zu bestimmen, jenseits deren ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 FluggastrechteVO bestehen soll.
19
Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, wenn der Unionsgerichtshof in seinem Urteil vom 26. Februar 2013 (C-11/11 - Air France/Folkerts) bei verspäteten Flügen für den Ausgleichsanspruch nur die verspätete Ankunft in den Blick nimmt. Mit der Schaffung eines von der Verordnung nicht vorgesehenen Tatbestands der Ankunftsverspätung hat dies nichts zu tun. Vielmehr entspricht es dem Regelungskonzept der Fluggastrechteverordnung, dass es bei einem erheblich verspäteten Flug für die am Abflugort zu erbringenden Unterstützungsleistungen nach den Art. 8 und 9 auf die Abflugzeit, beim Ausgleichs- anspruch aber - nicht anders als bei der Annullierung - auf die für das Maß der Beeinträchtigung maßgebliche Ankunftszeit ankommt.
20
III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 286 Abs. 1, 288 BGB, § 91 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Mühlens Gröning
Hoffmann Deichfuß
Vorinstanzen:
AG Wedding, Entscheidung vom 31.03.2011 - 8a C 10/10 -
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IM NAMEN DES VOLKES
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X ZR 12/12 Verkündet am:
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Anderer
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als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VO (EG) Nr. 261/2004 (FluggastrechteVO) Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 7
Abs. 1
Besteht eine Flugreise aus zwei oder mehr Flügen, die jeweils von einer
Fluggesellschaft unter einer bestimmten Flugnummer für eine bestimmte
Route angeboten werden, ist die Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung
für jeden Flug gesondert zu prüfen. Dies gilt auch dann, wenn die Flüge
von derselben Fluggesellschaft durchgeführt werden und als Anschlussverbindung
gemeinsam gebucht werden können (Bestätigung von BGH,
Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743).
BGH, Urteil vom 13. November 2012 - X ZR 12/12 - LG Frankfurt am Main
AG Frankfurt am Main
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 13. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens und die Richter Gröning,
Dr. Grabinski und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 5. Januar 2012 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten der Klägerinnen zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerinnen begehren - soweit im Revisionsverfahren noch von
1
Interesse - jeweils eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 € gemäß § 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/2001, ABl. Nr. L 46 S. 1 (nachfolgend: Fluggastrechteverordnung - FluggastrechteVO

).

Die Klägerinnen buchten bei der Beklagten, einem Luftverkehrsun2 ternehmen mit Sitz in Brasilien, einen Flug von Frankfurt am Main nach Belém (Bundesstaat Pará) über São Paulo und zurück. Der Hinflug von Frankfurt am Main nach São Paulo erfolgte planmäßig. Der Anschlussflug
nach Belém sollte als Direktflug mit der Flugnummer … um 10.55 Uhr ab São Paulo erfolgen; die Ankunft in Belém war für 14.25 Uhr vorgesehen. Tatsächlich erfolgte die Beförderung von São Paulo nach Belém nicht mit einem Direktflug, sondern über Fortaleza. Auch startete der Flug nach Fortaleza erst um 16.50 Uhr. Von dort erreichten die Klägerinnen Belém mit dem Flug … um 23.00 Uhr und damit etwa 8,5 Stunden später als geplant. Das Amtsgericht hat antragsgemäß erkannt. Auf die Berufung der
3
Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Klägerinnen die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung
4
im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Die internationale Zuständigkeit der deut5 schen Gerichtsbarkeit ergebe sich aus § 29 ZPO. Erfüllungsort im Sinne dieser Vorschrift für die geltend gemachten Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung sei nach dem Rechtsgedanken des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (ABl. EG 2001 Nr. L 12 S. 1) (nachfolgend: Brüssel-I-VO) auch der vereinbarte Abflugort in Frankfurt am Main. Dies gelte, auch wenn die Verspätung sich nicht am vertragsgemäßen Abflugort, sondern erst im Rahmen eines Anschlussflugs an einem anderen Ort ereignet habe.
6
Allerdings sei der Anspruch nicht begründet. Betrachte man den Flug von Frankfurt am Main nach São Paulo und den Anschlussflug nach Belém als einen einheitlichen Flug im Sinne der Fluggastrechteverordnung , sei diese zwar anwendbar, da der Flug in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union begonnen habe. Doch lägen dann die Voraussetzungen eines Anspruchs wegen einer Annullierung oder einer der Annullierung in den Folgen gleichzusetzenden Verspätung nicht vor, da es an einem verspäteten Abflug in Frankfurt am Main fehle, den der Anspruch voraussetze. Näher liege jedoch die Sichtweise, dass es sich bei dem Flug von Frankfurt am Main nach São Paulo einerseits und dem Flug von São Paulo nach Belém andererseits um zwei Flüge im Sinne der Verordnung handele. In diesem Fall bestehe der Anspruch ebenfalls nicht, da die Fluggastrechteverordnung dann auf den vorgesehenen innerbrasilianischen Flug von São Paulo nach Belém keine Anwendung finde.
7
II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. 1. Die auch vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfende
8
internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist mit dem Berufungsgericht zu bejahen. Sie ergibt sich in entsprechender Anwendung des § 39 ZPO jedenfalls daraus, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung die erhobene Rüge mangelnder internationaler Zuständigkeit ausdrücklich nicht aufrechterhalten und die Sachentscheidung des Berufungsgerichts verteidigt hat. 2. In der Sache hat das Berufungsgericht den Klägerinnen zu
9
Recht einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c FluggastrechteVO wegen der Annullierung oder Verspätung des gebuchten Flugs von São Paulo nach Belém versagt.

a) Ein Ausgleichsanspruch nach dieser Vorschrift steht den Flug10 gästen eines Flugs zu, wenn in einer anderen Vorschrift der Verordnung auf Art. 7 Bezug genommen wird (Art. 7 Abs. 1 Satz 1). Art 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO bestimmt insoweit, dass das ausführende Luftverkehrsunternehmen bei Annullierung eines Fluges den betroffenen Fluggästen grundsätzlich eine Ausgleichsleistung nach Art. 7 schuldet. Eine entsprechende Ausgleichsleistung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 - C-402/07, Slg. 2009, I-10923 = NJW 2010, 43 = RRa 2010, 93 - Sturgeon/Condor; Urteil vom 23. Oktober 2012 - C-581/10 - Nelson/ Lufthansa), der der Bundesgerichtshof beigetreten ist (BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 95/06, NJW 2010, 2281 = RRa 2010, 93), gegenüber den Fluggästen eines verspäteten Fluges zu erbringen, wenn diese infolge der Verspätung einen erheblichen Zeitverlust bei der Ankunft an ihrem letzten Zielort erleiden (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO).
b) Der Begriff des Fluges ist nicht nach nationalem Luftbeförde11 rungsrecht zu bestimmen, sondern wird von der Fluggastrechteverordnung autonom definiert. Sie enthält allerdings keine ausdrückliche Definition, insbesondere
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nicht in Art. 2, der die Bedeutung verschiedener Begriffe bestimmt. Die Definition des Flugs ist daher aus Sinn und Zweck der Fluggastrechteverordnung und insbesondere derjenigen Vorschriften der Verordnung zu entwickeln, die sich dieses Begriffs bedienen (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07, Slg. 2008 I-5252 = NJW 2008, 2697 = RRa 2008, 237 Rn. 28 - Emirates/Schenkel). Einen entscheidenden Hinweis darauf, was Flug im Sinne der Ver13 ordnung ist, gibt dabei bereits Art. 3 Abs. 1 FluggastrechteVO, der bestimmt , dass die Verordnung für Fluggäste gilt, die auf Flughäfen auf dem Gebiet der Europäischen Union einen Flug antreten oder die - sofern das ausführende Luftverkehrsunternehmen ein Luftverkehrsunternehmen der Gemeinschaft ist - von einem Flughafen eines Drittstaates einen Flug zu einem Flughafen auf dem Gebiet der Union antreten. Die Verordnung bezieht sich damit auf die (Gesamtheit der) Fluggäste eines Fluges, der von einem bestimmten Luftverkehrsunternehmen auf einer bestimmten Flugroute ausgeführt wird und mit dem die Fluggäste von einem Flughafen A zu einem Flughafen B befördert werden (BGH, Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den weiteren Sprachfassungen der Verordnung (so bereits EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07 Rn. 24 f. - Emirates/Schenkel), die zwar - etwa in der englischen oder französischen Fassung - in Art. 3 Abs. 1 selbst den Begriff des Fluges nicht erwähnen, jedoch in Art. 3 Abs. 2 auf ihn Bezug nehmen ("the flight concerned"; "le vol concerné"). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dies dahin ausgedrückt, dass es bei einem Flug im Sinne der Verordnung im Wesentlichen um einen Luftbeförderungsvorgang handele, der in gewisser Weise eine "Einheit" dieser Beförderung darstelle, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt werde, das die entsprechende Flugroute festlege (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07 Rn. 40 - Emirates/Schenkel). Eine einheitliche Buchung wirkt sich auf die Eigenständigkeit zweier Flüge nicht aus (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07 Rn. 51 - Emirates/Schenkel). Den individuellen Reiseplan des einzelnen Fluggastes und den von
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ihm abgeschlossenen Beförderungsvertrag nimmt die Verordnung nicht in den Blick, sondern betrachtet die Fluggäste eines Flugs sozusagen als Kollektiv, dessen Mitgliedern bei einem in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Flug bestimmte Rechte eingeräumt werden, die grundsätzlich unabhängig davon sind, ob die einzelnen Fluggäste nur diesen Flug oder auch weitere, dem betreffenden Flug vorangehende oder sich an ihn anschließende Flüge gebucht haben und von welchem Luftverkehrsunternehmen diese weiteren Flüge durchgeführt werden. Die Verordnung spricht deswegen auch regelmäßig nicht von (individuellen) Ansprüchen des einzelnen Fluggastes, sondern von Rechten der Fluggäste. Auch inhaltlich sind diese Rechte auf die Gesamtheit der Fluggäste eines Fluges, bezogen, wie etwa Art. 5 deutlich macht, nach dem bei Annullierung eines Flugs gegenüber den Fluggästen dieses Flugs, d.h. denjenigen , die - wie immer ihr individueller Reiseplan aussehen mag - über eine bestätigte Buchung für die unter einer bestimmten Flugnummer von einem bestimmten Luftverkehrsunternehmen auszuführende "Luftbeförderungseinheit" verfügen, Unterstützungsleistungen nach Art. 8 und Betreuungsleistungen nach Art. 9 der Verordnung sowie Ausgleichszahlungen zu erbringen sind. Ähnliches gilt nach Art. 6 im Verspätungsfall. Die Verpflichtung zu Betreuungsleistungen nach Art. 9 knüpft daran an, dass für ein ausführendes Luftverkehrsunternehmen vernünftigerweise absehbar ist, dass sich der Abflug gegenüber der planmäßigen Abflugzeit erheblich verzögern wird. Sie kann nicht anders verstanden werden als eine Verpflichtung gegenüber der Gesamtheit der von der Abflugverspätung eines konkreten Fluges betroffenen Fluggäste. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass die Verordnung davon ausgehe, dass die Störungen des vorgesehenen Flugablaufs , an die die Verpflichtungen des Luftverkehrsunternehmens anknüpfen , bei einem Flug nur einmal auftreten könnten, und die Fluggäste deshalb den ihnen gewährten Schutz nur einmal in Anspruch nehmen könnten (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07 Rn. 36 - Emirates/ Schenkel); auch dazu stünde es in Widerspruch, wenn bei einer Anschlussverbindung die Verspätungen des Erst- und des Zweitfluges als zwei Verspätungen ein- und desselben Flugs gewertet würden oder die zweite Verspätung als nicht den Abflug eines einheitlichen Flugs betreffend außer Betracht gelassen werden müsste.
Für Ausgleichszahlungen gilt nichts anderes. Der Ausgleichsan15 spruch knüpft ebenso wie die anderen Fluggastrechte an den Flug an, der annulliert oder verspätet durchgeführt worden ist oder auf dem Fluggästen die Beförderung verweigert worden ist. Lediglich bei der Höhe der Ausgleichszahlung berücksichtigt die Verordnung (in pauschalierter Weise), dass die einzelnen Fluggäste durch die Annullierung eines Fluges oder durch die Verweigerung der Beförderung in unterschiedlicher Weise betroffen sein können, je nachdem, wie sich diese Maßnahme auf die Erreichung ihres individuellen Endziels auswirkt. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO wird deshalb bei der Ermittlung der für die Höhe der Ausgleichszahlung maßgeblichen Entfernung der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast (hier und nur hier verwendet die Verordnung im erörterten Zusammenhang den Singular) infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt. Der Senat kann diese Auslegung seiner Entscheidung zugrunde le16 gen, ohne eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Der Gerichtshof hat zwar ausdrücklich nur entschieden, dass bei einer einheitlichen Buchung eines Hin- und Rückflugs zwei Flüge im Sinne der Verordnung vorliegen. Die hierfür vom Gerichtshof gegebene Begründung gilt jedoch gleichermaßen für eine Flugreise, die sich aus zwei unterschiedlichen Flügen im Sinne von jeweils von einem Luftverkehrsunternehmen unter einer bestimmten Flugnummer auf einer bestimmten Route durchgeführten Luftbeförderungsvorgängen zusammensetzt , und entspricht, wie ausgeführt, dem Grundkonzept der Verordnung, zu dem die Zusammenfassung zweier oder mehrerer Flüge zu einem aus der Sicht des einzelnen Fluggastes und seiner Reiseroute definierten einzigen "Flug" in einen unheilbaren Widerspruch träte.

c) Danach hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen,
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dass den Klägerinnen ein Ausgleichsanspruch nicht zusteht. Dem Anwendungsbereich der Verordnung unterfällt nur der Flug von Frankfurt am Main nach São Paulo. Er wurde weder annulliert, noch war er verspätet oder wurde den Klägerinnen die Beförderung verweigert. Auf den annullierten oder verspäteten innerbrasilianischen Flug von São Paulo nach Belém kann die Verordnung hingegen weder nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a noch nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b FluggastrechteVO angewendet werden.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Mühlens Gröning
Grabinski Hoffmann
Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 29.04.2011 - 29 C 102/11 (46) -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.01.2012 - 2-24 S 133/11 -
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b) Für die Behandlung einer besonders belastenden Verzögerung und insbesondere einer besonders langen Verzögerung als Annullierung könnte die Schutzlücke sprechen, die sich anderenfalls auftun würde.

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(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.