Bundesgerichtshof Urteil, 09. Dez. 2008 - X ZR 124/05

published on 09/12/2008 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 09. Dez. 2008 - X ZR 124/05
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Bundespatentgericht, 1 Ni 7/04, 19/04/2005

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 124/05 Verkündet am:
9. Dezember 2008
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Lagerregal
Allein aus dem Fehlen eines Merkmals in einer Zeichnung einer Patentschrift kann
nicht geschlossen werden, dass es zur patentgemäßen Lehre gehört, dass dieses
Merkmal nicht vorhanden ist.
BGH, Urt. v. 9. Dezember 2008 - X ZR 124/05 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Dezember 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Asendorf
und Gröning

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 19. April 2005 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist Inhaber des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 588 394 (Streitpatents), das am 27. Juli 1993 unter Inanspruchnahme der Priorität der italienischen Patentanmeldung IT VI 920 135 vom 18. September 1992 angemeldet worden ist. Das Streitpatent betrifft ein Lagerregal mit beweglichen Gestellen und umfasst sechs Patentansprüche. Das Streitpatent ist im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt mit geänderten Patentansprüchen aufrechterhalten worden.
2
In der Verfahrenssprache Französisch lautet Patentanspruch 1: "1. Magasin pour le stockage de plaques planes en verre, du type comprenant une série de châssis (1) inclinés, mobiles par rapport à un bâti-support (2), qui sont agencés pour permettre l'appui des plaques en verre à stocker, dans lequel les châssis (1) disposés inclinés tous dans le même sens sont montés sur des chariots (3) du type monobloc, les chariots (3) comprennent des galets roulants (4) qui portent les châssis (1) et par lesquels les châssis (1) sont mobiles transversalement, c'est-à-dire perpendiculairement à leur plan, sur le bâti-support (2) aussi du type monobloc, pour permettre l'extraction des plaques en verre contenues dans chaque châssis (1) en éloignant ledit châssis (1) par rapport aux suivants, le bâti-support (2) comprend deux supports en double T parallèles l'un à l'autre à chacun desquels sont associés deux galets roulants (4), agencés l'un derrière l'autre en direction de déplacement, de l'un des charios (3), chacun des supports en double T étant agencés de telle sorte que des traverses du support en double T parallèles les unex aux autres s'étendent dans l'horizontale, et dans lequel
i) soit il est prévu deux axes respectifs (16) associés aux deux galets roulants (4) sur le chariot (3) pour chaque support en double T, axes qui sont agencés de façon excentrique par rapport aux galets roulants (4) et sur lesquels est monté un tambour tournant respectif, l'un des tambours tournants étant agencé à l'extrémité antérieure en direction de déplacement et l'autre tambour tournant étant agencé à l'extrémité postérieure en direction de déplacement du chariot (3), et la traverse supérieure du support en double T associé se situant immédiatement au-dessus des tambours tournants; ii) soit les deux galets roulants (4) sont agencés entre les traverses parallèles les unes aux autres du support en double T associé, et la traverse supérieure du support en double T associé se situe immédiatement au-dessus des deux galets roulants (4)."
3
Wegen der übrigen Patentansprüche wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
4
Die Klägerin hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Alternative i des Patentanspruchs 1 sei durch die japanische Patentveröffentlichung JP Hei 5-699 68 A vorweggenommen. Die Alternative ii des Patentanspruchs 1 beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
5
Sie hat beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
6
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, Patentanspruch 1 des Streitpatents in der Fassung zweier Hilfsanträge aufrechtzuerhalten.
7
Dem ist die Klägerin entgegengetreten.
8
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent teilweise dadurch für nichtig erklärt, dass im Patentanspruch 1 die Alternative i gestrichen worden ist und sich die Patentansprüche 2 bis 6 auf den so geänderten Wortlaut des Patentanspruchs 1 rückbeziehen.
9
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der dieser in erster Linie die vollständige Abweisung der Nichtigkeitsklage beantragt. Hilfsweise beantragt er, das Streitpatent nur insoweit für nichtig zu erklären, als Patentanspruch 1 über die folgende Fassung hinausgeht, an die sich die erteilten weiteren Patentansprüche anschließen sollen.
Hilfsantrag 1
"Lagerregal für die Lagerung von flachen Scheiben aus Glas des Typs, der eine Reihe von geneigten Gestellen (1) enthält, die in Bezug auf einen Tragrahmen (2) beweglich sind, und die so angeordnet sind, dass sie das Abstützen der zu lagernden Glasscheiben gestatten, wobei die Gestelle (1), die alle in gleicher Richtung geneigt angeordnet sind, auf Einblock-Fahrgestellen (3) montiert sind, wobei die Fahrgestelle (3) Laufrollen (4) aufweisen, welche die Gestelle (1) tragen und durch welche die Gestelle (1) quer, d.h. senkrecht zu
ihrer Lagerebene, auf dem ebenfalls in einem Block ausgebildeten Tragrahmen (2) verfahrbar sind, um das Herausnehmen der in jedem Gestell (1) enthaltenen Glasscheiben durch Verschieben eines Gestells (1) relativ zu dem jeweils nächstfolgenden zu gestatten, wobei die ebene Lagerfläche der Gestelle (1) durch einen Verbund von in einer Ebene angeordneten Längs- und Querstreben gebildet ist, der ohne auf der Rückseite der Lagerfläche vorgesehene Stützen stehend mit dem Fahrgestell verbunden ist, wobei der Tragrahmen (2) zwei sich parallel zueinander erstreckende Doppel-T-Träger umfasst, denen jeweils zwei in Verfahrrichtung hintereinander angeordnete Laufrollen (4) eines der Fahrgestelle (3) zugeordnet sind, wobei jeder der Doppel-T-Träger derart angeordnet ist, dass parallel zueinander verlaufende Querstege des Doppel -T-Trägers sich in der Horizontalen erstrecken und wobei
i) entweder an dem Fahrgestell (3) zu jedem Doppel-T-Träger zwei den beiden Laufrollen (4) jeweils zugeordnete Achsen (16) vorgesehen sind, die exzentrisch zu den Laufrollen (4) angeordnet sind und auf denen jeweils eine Drehtrommel angeordnet ist, wobei eine der Drehtrommeln an dem in Verfahrrichtung vorderen und die andere Drehtrommel an dem in Verfahrrichtung hinteren Ende des Fahrgestells (3) angeordnet ist und wobei sich der obere Quersteg des zugeordneten Doppel-T-Trägers unmittelbar oberhalb der Drehtrommel befindet; ii) oder die beiden Laufrollen (4) zwischen den sich parallel zueinander erstreckenden Querstegen des zugeordneten Doppel-TTrägers angeordnet sind und sich der obere Quersteg des zugeordneten Doppel-T-Trägers unmittelbar oberhalb der beiden Laufrollen (4) befindet."
Hilfsantrag 2
"Lagerregal für die Lagerung von flachen Scheiben aus Glas des Typs, der eine Reihe von geneigten Gestellen (1) enthält, die in Bezug auf einen Tragrahmen (2) beweglich sind, und die so angeordnet sind, dass sie das Abstützen der zu lagernden Glasscheiben gestatten, wobei die Gestelle (1), die alle in gleicher Richtung geneigt angeordnet sind, auf Einblock-Fahrgestellen (3) montiert sind, derart, dass je ein Gestell (1) auf je einem Einblock-Fahrgestell (3) frei in geneigter Richtung von diesem abragend getragen ist, wobei die Fahrgestelle (3) Laufrollen (4) aufweisen, welche die Gestelle (1) tragen und durch welche die Gestelle (1) quer, d.h. senkrecht zu ihrer Lagerebene, auf dem ebenfalls in einem Block ausgebildeten Tragrahmen (2) verfahrbar sind, um das Herausnehmen der in jedem Gestell (1) enthaltenen Glasscheiben durch Verschieben eines Gestells (1) relativ zu dem jeweils Nächstfolgenden zu gestatten, wobei der Tragrahmen (2) zwei sich parallel zueinander erstreckende Doppel-T-Träger umfasst, denen jeweils zwei in Verfahrrichtung hintereinander angeordnete Laufrollen (4) eines der Fahrgestelle (3) zugeordnet sind, wobei jeder der Doppel-T-Träger derart angeordnet ist, dass parallel zueinander verlaufende Querstege des Doppel -T-Trägers sich in der Horizontalen erstrecken und wobei
i) entweder an dem Fahrgestell (3) zu jedem Doppel-T-Träger zwei den beiden Laufrollen (4) jeweils zugeordnete Achsen (16) vorgesehen sind, die exzentrisch zu den Laufrollen (4) angeordnet sind und auf denen jeweils eine Drehtrommel angeordnet ist, wobei eine der Drehtrommeln an dem in Verfahrrichtung vorde-
ren und die andere Drehtrommel an dem in Verfahrrichtung hinteren Ende des Fahrgestells (3) angeordnet ist und wobei sich der obere Quersteg des zugeordneten Doppel-T-Trägers unmittelbar oberhalb der Drehtrommeln befindet; ii) oder die beiden Laufrollen (4) zwischen den sich parallel zueinander erstreckenden Querstegen des zugeordneten Doppel-TTrägers angeordnet sind und sich der obere Quersteg des zugeordneten Doppel-T-Trägers unmittelbar oberhalb der beiden Laufrollen (4) befindet."
Hilfsantrag 3
"Lagerregal für die Lagerung von flachen Scheiben aus Glas des Typs, der eine Reihe von geneigten Gestellen (1) enthält, die in Bezug auf einen Tragrahmen (2) beweglich sind, und die so angeordnet sind, dass sie das Abstützen der zu lagernden Glasscheiben gestatten, wobei die Gestelle (1), die alle in gleicher Richtung geneigt angeordnet sind, auf Einblock-Fahrgestellen (3) montiert sind, derart, dass je ein Gestell (1) auf je einem Einblock-Fahrgestell (3) frei in geneigter Richtung von diesem abragend getragen ist, derart, dass die Gestelle (1) keine an der Rückseite ihrer Lagerfläche vorgesehene Stütze aufweisen und aus miteinander verbundenen Profilstäben bestehen, wobei die Fahrgestelle (3) Laufrollen (4) aufweisen, welche die Gestelle (1) tragen und durch welche die Gestelle (1) quer, d.h. senkrecht zu ihrer Lagerebene, auf dem ebenfalls in einem Block ausgebildeten Tragrahmen (2) verfahrbar sind, um das Herausnehmen der in je-
dem Gestell (1) enthaltenen Glasscheiben durch Verschieben eines Gestells (1) relativ zu dem jeweils Nächstfolgenden zu gestatten, wobei der Tragrahmen (2) zwei sich parallel zueinander erstreckende Doppel-T-Träger umfasst, denen jeweils zwei in Verfahrrichtung hintereinander angeordnete Laufrollen (4) eines der Fahrgestelle (3) zugeordnet sind, wobei jeder der Doppel-T-Träger derart angeordnet ist, dass parallel zueinander verlaufende Querstege des Doppel -T-Trägers sich in der Horizontalen erstrecken und wobei
i) entweder an dem Fahrgestell (3) zu jedem Doppel-T-Träger zwei den beiden Laufrollen (4) jeweils zugeordnete Achsen (16) vorgesehen sind, die exzentrisch zu den Laufrollen (4) angeordnet sind und auf denen jeweils eine Drehtrommel angeordnet ist, wobei eine der Drehtrommeln an dem in Verfahrrichtung vorderen und die andere Drehtrommel an dem in Verfahrrichtung hinteren Ende des Fahrgestells (3) angeordnet ist und wobei sich der obere Quersteg des zugeordneten Doppel-T-Trägers unmittelbar oberhalb der Drehtrommeln befindet; ii) oder die beiden Laufrollen (4) zwischen den sich parallel zueinander erstreckenden Querstegen des zugeordneten Doppel-TTrägers angeordnet sind und sich der obere Quersteg des zugeordneten Doppel-T-Trägers unmittelbar oberhalb der beiden Laufrollen (4) befindet."
10
Die Klägerin, die das Urteil des Bundespatentgerichts nicht angegriffen hat, tritt dem Rechtsmittel der Beklagten in vollem Umfang entgegen.
11
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. B. K. , , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


12
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
13
I. Das Streitpatent betrifft ein Regal mit beweglichen Gestellen. Es dient zum Lagern von flachen Gegenständen wie Scheiben aus Glas und weist geneigte bewegliche Gestelle zum Lagern dieser Gegenstände auf. Die Streitpatentschrift bezeichnet Regale als z.B. aus der IT A 213 199 bekannt, bei denen sämtliche Gestelle in gleicher Richtung geneigt sind, um Auflagenflächen für die Glasplatten zu schaffen und wobei die Gestelle in Bezug auf einen Tragrahmen verschiebbar sind. Die Streitpatentschrift sieht ebenfalls in dieser Weise geneigte Gestelle vor und bezeichnet es als Besonderheit des erfindungsgemäßen Lagerregals gegenüber den bekannten Lagerregalen, dass es mit einer Stützrahmenstruktur ausgerüstet sei, die den mobilen Grundgestellen eine Verschiebung senkrecht zu ihrer Ebene gestatte, um die Entnahme oder das Einsetzen zu lagernder Gegenstände aus den bzw. in die Gestelle zu ermöglichen (deutsche Übers. Rdn. 2). Das Lagerregal nach der Streitpatentschrift weist nach der Aufgliederung des Bundespatentgerichts folgende Merkmale auf: M1 Lagerregal für die Lagerung von flachen Scheiben aus Glas des Typs, der eine Reihe von geneigten Gestellen (1) enthält. M2 Die Gestelle (1) sind in Bezug auf einen Tragrahmen (2) beweglich. M3 Die Gestelle (1) sind so angeordnet, dass die das Abstützen der zu lagernden Glasscheiben gestatten. M4 Die Gestelle sind alle in gleicher Richtung geneigt angeordnet. M5 Die Gestelle sind auf Einblockfahrgestellen (3) montiert. M6 Die Einblockfahrgestelle weisen Laufrollen auf, die die Gestelle tragen. M7 Durch die Laufrollen sind die Gestelle auf dem Tragrahmen verfahrbar und zwar quer, d.h. senkrecht zur Lagerebene, um das Herausnehmen der in jedem Gestell enthaltenen Glasscheiben durch Verschieben eines Gestells relativ zum Nächsten zu gestatten. M8 Der Tragrahmen (2) ist ebenfalls in einem Block ausgebildet und umfasst zwei, sich parallel zueinander erstreckende Doppel -T-Träger. M9 Den Doppel-T-Trägern sind jeweils in Verfahrrichtung hintereinander angeordnete Laufrollen (4) eines der Fahrgestelle (3) zugeordnet. M10 Jeder der Doppel-T-Träger ist derart angeordnet, dass parallel zueinander verlaufende Querstege des Doppel-T-Trägers sich in der Horizontalen erstrecken. Und entweder: i) M11 An den Fahrgestellen (3) sind zu jedem Doppel-T-Träger zwei den beiden Laufrollen (4) jeweils zugeordnete Achsen (16) vorgesehen.
M12 Die Achsen (16) sind exzentrisch zu den Laufrollen (4) angeordnet. M13 Auf den Achsen (16) ist jeweils eine Drehtrommel angeordnet. M14 Eine der Drehtrommeln ist an dem in Verfahrrichtung vorderen Ende des Fahrgestells (3) angeordnet. M15 Die andere der Drehtrommeln ist an dem in Verfahrrichtung hinteren Ende des Fahrgestells (3) angeordnet. M16 Der obere Quersteg des zugeordneten Doppel-T-Trägers befindet sich unmittelbar oberhalb der Drehtrommeln. oder: ii) M17 Die beiden Laufrollen (4) sind zwischen den sich parallel zueinander erstreckenden Querstegen des zugeordneten Doppel -T-Trägers angeordnet. M18 Der obere Quersteg des zugeordneten Doppel-T-Trägers befindet sich unmittelbar oberhalb der beiden Laufrollen (4).
14
Von den beiden Alternativen ist nach der rechtskräftigen Abweisung der Klage im Übrigen allein noch die durch die Merkmale M11 bis M16 bestimmte im Streit.
15
Die Lehre des Streitpatents besteht demnach darin, einerseits leicht angeschrägte Gestelle als Auflageflächen für die nahezu senkrecht stehenden Glasplatten zur Verfügung zu stellen und andererseits das Verschieben der Gestelle auch relativ zueinander zu ermöglichen, wobei verhindert wird, dass die Gestelle bei dieser Bewegung kippen.
16
Die Streitpatentschrift unterscheidet chariots (3), in der deutschen Übersetzung als Fahrgestell bezeichnet, und châssis (1), in der deutschen Übersetzung als Gestell bezeichnet. Nach Patentanspruch 1 sind die Gestelle auf "Einblock-Fahrgestellen" so montiert, dass sie auf einem Tragrahmen, der ebenfalls in einem Block ausgebildet ist, verfahrbar sind. Die Fahrgestelle weisen Laufrollen auf, die die Gestelle tragen und damit die Gewichtskräfte von Gestell und Glasscheibe aufnehmen. Ihrer Funktion nach sollen sie keine größeren Bewegungen auf dem Boden ausführen. Die Laufrollen sind so angeordnet , dass die Gestelle auf dem Tragrahmen senkrecht zu ihrer Lagerebene verfahrbar sind.
17
Über die Gestelle sagt die Streitpatentschrift aus, dass sie eine Fußplatte aufweisen, die von dem Fahrgestell getragen wird (deutsche Übers. Rdn. 23), und rigidifié (versteift) sind mit seitlichen Abdeckungen, die geöffnet werden können und als Sicherungsvorrichtung dienen (deutsche Übers. Rdn. 18).
18
Die Gestelle sind in gleicher Richtung geneigt angeordnet. Hierzu gibt die Streitpatentschrift an, dass damit geneigte Anlageflächen für die Glasplatten geschaffen werden sollen (deutsche Übers. Rdn. 1). Über die Ausgestaltung der Rückseite der Anlageflächen macht die Streitpatentschrift ebenso wenig Angaben wie über weitere mit der Schrägstellung der Gestelle möglicherweise anzustrebende oder einhergehende Vorteile, etwa eine platzsparende Anordnung der Gestelle.
19
Ebenso sagt die Streitpatentschrift nichts über das Vorhandensein oder das Fehlen einer Stütze an der Rückseite der Lagerfläche aus. Eine solche Stütze ist allerdings in der Figur 10 der Streitpatentschrift nicht vorhanden. Allein daraus, dass in der zeichnerischen Darstellung eine solche Stütze nicht zu erkennen ist, kann jedoch nicht auf das (negative) Merkmal geschlossen werden , dass sie bei dem patentgemäßen Gestell nicht vorhanden sein soll oder gar nicht vorhanden sein darf. Für ein derartiges Verständnis der streitpatentgemäßen Lehre wären jedenfalls weitere Anhaltspunkte erforderlich, die in diese Richtung weisen. Der gerichtliche Sachverständige hat dazu jedoch dargelegt , dass der Fachmann auch bei der Ausgestaltung der Lagerfläche gemäß der Lehre des Streitpatents im Gegenteil das Vorhandensein einer Stütze eher erwarte. Als ein solcher Fachmann ist ein Maschinenbauingenieur mit Fachhochschulbildung und mit Erfahrung in der Konstruktion von Vorrichtungen auf dem Gebiet der Lagertechnik anzusehen. Ohne dass die Streitpatentschrift ihm entsprechende Hinweise gibt, wird ein solcher Fachmann allein aus der Skizze nicht schließen, dass bei dem Lagerregal nach der Streitpatentschrift eine Stütze nicht vorhanden sein soll. Ein solcher Hinweis ist der Streitpatentschrift jedoch an keiner Stelle zu entnehmen.
20
Zu den Begriffen "Einblock-Fahrgestell" und "in einem Block ausgebildeter Tragrahmen" enthält die Streitpatentschrift keine weiteren Angaben. Beide Begriffe sagen - wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargelegt hat - ohne weitere Erläuterung für den Fachmann nicht mehr aus, als dass die Bestandteile von Fahrgestell und Tragrahmen nicht ohne weiteres trennbar, sondern z.B. durch Verschweißen oder Verschrauben zu einer Einheit zusammengefügt sind, mithin einen homogenen Block bilden.
21
Bei der Erörterung der Figuren 7, 8 und 10 der Streitpatentschrift gibt die Beschreibung für die allein noch streitbefangene Variante i an, dass, um dem Kippmoment entgegenzuwirken, exzentrische Achsen vorgesehen sind, auf denen Drehtrommeln verkeilt sind, um das Zurückprallen der Fahrgestelle, die jedes Gestell tragen, zu vermeiden, falls dieses in Schräglage arbeitet (deutsche Übers. Rdn. 28). Hiervon unterscheidet sich die Variante ii dadurch, dass bei dieser die beiden Laufrollen eines Fahrgestells zwischen den sich parallel zueinander erstreckenden Querstegen des zugeordneten Doppel-T-Trägers angeordnet sind und sich der obere Quersteg des zugeordneten Doppel-TTrägers unmittelbar oberhalb der beiden Laufrollen befindet. Durch diese Anordnung werden die Laufrollen auch zur Abstützung von Kräften genutzt, die entstehen, wenn das Gestell beim Verfahren zu kippen droht.
22
Die Figuren 7 bis 10 und die dazu gehörige Beschreibung waren nicht Teil der Prioritätsunterlagen, wie auch der Beklagte nicht in Zweifel zieht.
23
II. Die Priorität der italienischen Voranmeldung vom 18. September 1992 kann für den erteilten Patentanspruch 1 nur teilweise, nämlich insoweit in Anspruch genommen werden, als es um die Alternative ii des Patentanspruchs 1 geht. Die Alternative i ist in der italienischen Voranmeldung nicht als zur angemeldeten Erfindung gehörend offenbart. Zur Beurteilung dieser Frage ist der Gesamtinhalt dieser Voranmeldung zu ermitteln. Über das dort Beschriebene hinaus ist nach der Rechtsprechung des Senats auch das offenbart, was der Fachmann als selbstverständlich oder nahezu unerlässlich ergänzt oder was er bei aufmerksamer Lektüre ohne weiteres erkennt oder in Gedanken ohne weitere Überlegung gleich mitliest. Eine Lehre zum technischen Handeln geht dagegen über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, wenn die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen nicht erkennen lässt, dass sie als Gegenstand von dem mit der Anmeldung verfolgten Schutzbegehren umfasst sein soll (BGHZ 128, 270, 277 - Elektrische Steckverbindung; BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Sen.Beschl. v. 05.10. 2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140,141 - Zeittelegramm). Abwandlungen hingegen, mögen sie auch naheliegend sein, gehören nicht zum Offenbarten (Benkard/Melullis, EPÜ, Art. 54 Rdn. 68; PatG 10. Aufl., § 3 Rdn. 35; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 3 Rdn. 100).
24
In diesem Sinne konnte ein Fachmann der italienischen Voranmeldung auch die Alternative i nicht entnehmen. In der italienischen Patentanmeldung wird die Kippsicherung nicht ausdrücklich erwähnt. Erreicht wird sie allerdings durch die den Figuren 4 und 5 zu entnehmende Anordnung, bei der die Laufrollen den Zwischenraum zwischen den Querstegen des Doppel-T-Trägers im Wesentlichen ausfüllen. Selbst wenn der Leser dieser Schrift erkannte, dass die Laufrollen einerseits der rollenden Lagerung der Fahrgestelle dienten und andererseits als Kippsicherung mit dem oberen Steg des Doppel-T-Trägers zusammenwirkten , so bedurfte es weitergehender Überlegungen, um zu der Alternative i zu gelangen. Für die Verwirklichung der Variante i war die Einführung weiterer in der Patentschrift weder dargestellter noch in ihrer Funktion angesprochener Elemente erforderlich; auch sonst finden sich keine Hinweise auf alternative Lösungen für das nicht behandelte Problem. Diese mögen nahegelegen haben, insbesondere ohne erfinderisches Bemühen aufzufinden gewesen sein; unmittelbarer Bestandteil der dargestellten Lösung sind sie damit jedoch nicht. Die Priorität der italienischen Patentanmeldung kann daher nur hinsichtlich der Alternative ii in Anspruch genommen werden.
25
III. Zu Recht hat das Bundespatentgericht festgestellt, dass die durch Patentanspruch 1 geschützte Lehre mit der Alternative i durch die japanische Patentveröffentlichung JP Hei 5-699 68 A (D 5) offenbart und deshalb nicht neu ist. Diese Schrift ist am 23. März 1993 veröffentlicht worden, mithin vor dem maßgeblichen Zeitrang der Anmeldung des Streitpatents (27. Juli 1993). Die japanische Schrift betrifft eine Vorrichtung zur Zufuhr von Flachglas zu einer Verarbeitungsmaschine. Die Flachgläser sind in Rahmengestellen (19) stehend angeordnet (Übers. S. 2 letzter Abs.), die wie Figur 6 zeigt, geneigt angeordnet sind. Die Beschreibung gibt an, dass die Rahmengestelle (19) so ausgeführt sind, dass Räder (21) auf Schienen (20) laufen, die parallel zum waagerechten Element (4) verlaufen (Rdn. 18).
26
Die Figur 6 zeigt unter diesen Rädern Elemente, die nicht in der Beschreibung erwähnt werden. Diese weisen Drehtrommeln auf, die von Achsen getragen sind, die exzentrisch zu den Laufrollen angeordnet sind. Dies entspricht der Alternative i des Patentanspruchs 1 des Streitpatents. Soweit der Beklagte geltend macht, dass der japanischen Schrift keine Hinweise auf das Zusammenwirken zwischen den Drehtrommeln und dem oberen Steg des Doppel -T-Trägers zu entnehmen seien, ergibt sich solches auch nicht aus der Streitpatentschrift. Die Streitpatentschrift gibt zu dieser Ausführungsform nur an, dass damit das Zurückprallen der Fahrgestelle vermieden werde. Diese Funktion ist aber auch bei der japanischen Schrift die einzig sinnvolle Auslegung der dargestellten Elemente.
27
Die Parteien streiten nicht darüber, dass das Regal nach der japanischen Schrift alle Merkmale der obigen Merkmalsgliederung aufweist mit Ausnahme der Merkmale M1, M4, M5 und M8. Die Übereinstimmung in diesen Merkmalen bedarf hier deshalb keiner weiteren Begründung. Zu den Merkmalen M1, M4, M5 und M8 macht der Beklagte geltend, das Regal nach der japanischen Schrift zeige keine in gleicher Richtung geneigten Gestelle (Merkmal M1, M4). Die Fahrgestelle seien bei dem Regal nach der japanischen Schrift keine EinblockFahrgestelle (Merkmal M5). Auch sei der Tragrahmen nicht in einem Block ausgebildet (Merkmal M8).
28
Die japanische Schrift geht von einem Stand der Technik aus, bei dem Flachgläser stehend in Rahmengestellen angeordnet sind (deutsche Übers. Rdn. 2). Figur 6 dieser Schrift zeigt, dass das Rahmengestell geneigt angeord- net ist. Die Beschreibung (deutsche Übers. Rdn. 17) gibt weiter an, dass die beladenen Rahmengestelle so aneinandergereiht sind, dass sie parallel zur Laufrichtung liegen. Dazu müssen die Gestelle in gleicher Richtung geneigt sein. Wie oben dargestellt, gibt die Streitpatentschrift nichts zur Ausgestaltung der Rückseite der Auflageflächen an. Entscheidend ist daher ausschließlich, dass die Auflageflächen geneigt sind. Dies aber ist in der japanischen Schrift in Figur 6 dargestellt.
29
Wie bei der Auslegung der Lehre des Streitpatents bereits ausgeführt, ist den Begriffen "Einblock-Fahrgestell" und "in einem Block ausgebildeter Tragrahmen" , nicht mehr zu entnehmen, als dass diese Bestandteile des Regals aus Elementen zu einer Einheit zusammengefügt sind. In diesem Sinne sind diese Merkmale auch bei dem Regal nach der japanischen Schrift verwirklicht.
30
Damit offenbart diese Schrift vollständig die Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der Alternative i. Demnach ist eine der in Patentanspruch 1 genannten Alternativen für die Ausgestaltung der Kippsicherung nicht neu, weshalb das Bundespatentgericht das Streitpatent im Umfang der Alternative i des Patentanspruchs 1 zu Recht für nichtig erklärt hat. Dies gilt ebenso für die nachgeordneten Unteransprüche 2 bis 6 in der Rückbeziehung auf diese Alternative.
31
IV. Auch in der Fassung des Hilfsantrags 1 ist Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner Alternative i nicht patentfähig. Diese unterscheidet sich durch das Hinzufügen der Merkmale, dass - die ebene Lagerfläche der Gestelle durch einen Verbund von in einer Ebene angeordneten Längs- und Querstreben gebildet wird, - der Verbund von in einer Ebene angeordneten Längs- und Querstreben ohne auf der Rückseite der Lagerfläche vorgesehene Stützen stehend mit dem Fahrgestell verbunden ist.
32
Das erste dieser Merkmale beruht auch in Zusammenschau mit den weiteren Merkmalen jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Lagerfläche aus in einer Ebene angeordneten Längs- und Querstreben ist, wie das Bundespatentgericht zu Recht ausgeführt hat, die nächstliegende Möglichkeit, ein Rahmengestell zu konstruieren. Das Fehlen der Stütze ist - wie oben bei der Auslegung des Patentanspruchs 1 des Streitpatents bereits ausgeführt - kein (negatives ) Merkmal der Lehre des Streitpatents; das Fehlen einer solchen Stütze ist daher in der Patentschrift nicht als Teil der beanspruchten Lehre offenbart. Mit dieser Ergänzung kann Patentanspruch 1 des Streitpatents demgemäß nicht aufrechterhalten werden. Dies gilt gleichermaßen für den Hilfsantrag 3, bei dem ebenfalls auf das Fehlen der Stütze an der Rückseite der Lagerfläche abgestellt wird.
33
Die in Hilfsantrag 2 vorgenommene Ergänzung besteht darin, dass je ein Gestell auf je einem Einblock-Fahrgestell frei in geneigter Richtung von diesem abragend getragen wird. Auch dies wird durch die japanische Vorveröffentlichung vorweggenommen. Auch dort handelt es sich um ein einheitliches Fahrgestell , auf dem der Tragrahmen nach oben gerichtet und geneigt angeordnet ist.
34
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.04.2005 - 1 Ni 7/04 (EU) -
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4 Referenzen - Gesetze

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.
3 Referenzen - Urteile
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published on 05/10/2000 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 184/98 Verkündet am: 5. Oktober 2000 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein Zeittelegramm
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published on 19/07/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 25/09 Verkündet am: 19. Juli 2011 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtsho
published on 29/09/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 109/08 Verkündet am: 29. September 2011 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:
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Annotations

Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)