Bundesgerichtshof Urteil, 17. Apr. 2013 - VIII ZR 246/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines "Aktionsbonus" aus einem Stromlieferungsvertrag.
- 2
- Der Kläger bezog von der Beklagten Strom aufgrund eines Vertrages, der am 1. Dezember 2009 begann. Die in das Vertragsverhältnis einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Stand: September 2009) enthalten in Ziffer 7.3 folgende Regelung: "Wenn Sie als Neukunde einen Vertrag mit F. [Beklagte] schließen , gewährt Ihnen F. einen einmaligen Bonus. Dieser wird nach 12 Monaten Belieferungszeit fällig und spätestens mit der ersten Jahresrechnung verrechnet. Neukunde ist, wer in den letzten 6 Monaten vor Vertragsschluss in seinem Haushalt nicht von F. beliefert wurde. Der Bonus entfällt bei Kündigung innerhalb des ersten Belieferungsjahres , es sei denn die Kündigung wird erst nach Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam."
- 3
- Das Vertragsverhältnis endete aufgrund fristgerechter Kündigung des Klägers nach einem Jahr Belieferung mit Ablauf des 30. November 2010. In der Schlussrechnung vom 17. Dezember 2010 berücksichtigte die Beklagte nicht den der Höhe nach unstreitigen Bonus von 110 €.
- 4
- Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung des Bonus von 110 € sowie vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 19 €, jeweils nebst Zinsen. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat Erfolg.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 7
- Aus der Klausel in Ziffer 7.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergebe sich, dass dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung des Aktionsbonus in Höhe von 110 € nicht zustehe, weil er die Kündigung bereits mit Wirkung zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr ausgesprochen habe und die Kündigung damit nicht erst nach Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam geworden sei.
- 8
- Unter Zugrundelegung des Empfängerhorizonts eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners ergebe die Auslegung der Klausel , dass der Kunde einen Anspruch auf Zahlung des Bonus dann nicht erhalte, wenn der Vertrag - wie hier - mit Ablauf des ersten Vertragsjahres ende. Dies folge aus der einschränkenden Formulierung in Ziffer 7.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Die Formulierung "nach Ablauf" beschreibe im Unterschied zu den Formulierungen "zum Ablauf" oder "mit Ablauf" einen Zeitpunkt, der zeitlich nicht mehr innerhalb des ersten Vertragsjahres liege. Im konkreten Fall hätte dieser Zeitpunkt damit nach 24.00 Uhr des 30. November 2010 liegen müssen, um den Bonus nicht entfallen zu lassen. Ein solcher Zeitpunkt nach 24.00 Uhr des 30. November 2010 liege aber notwendig innerhalb des Folgetages und damit auch innerhalb des auf das erste Vertragsjahr folgenden Vertragsjahres. Zu einem solchen Zeitpunkt "nach Ablauf" des ersten Vertragsjahres sei hier jedoch nicht gekündigt worden. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass dies - von Sonderkündigungsrechten abgesehen - zu einer tatsächlichen Vertragslaufzeit von 24 Monaten geführt hätte, wenn sich der Kläger den Bonus hätte erhalten wollen.
II.
- 9
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 10
- 1. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Klauselauslegung unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung, da bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen ungeachtet der Frage, ob sie über den räumlichen Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung finden, ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung besteht (Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 29; vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 Rn. 11 mwN). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners - einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO, und 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09, aaO Rn. 12). Dabei sind sie unabhängig von der Gestaltung des Einzelfalls sowie dem Willen und den Belangen der jeweils konkreten Vertragspartner nach ihrem typischen Sinn auszulegen. Ansatzpunkt für die bei einem Formularvertrag gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut (st. Rspr.; Senatsurteil vom 8. April 2009 - VIII ZR 233/08, NJW-RR 2009, 1021 Rn. 19 mwN).
- 11
- 2. Hieran gemessen hält die Auslegung der vorliegenden Klausel durch das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Berufungsgerichts und einiger Instanzgerichte (vgl. LG Berlin, Urteil vom 13. Januar 2012 - 56 S 58/11, juris; AG Coburg, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 15 C 1176/11, juris; AG Linz, Urteil vom 14. Dezember 2010 - 21 C 640/10, juris), wonach der Wortlaut der Klausel eindeutig in dem Sinne sei, dass ein Anspruch auf den Bonus nur bestehe , wenn der Stromlieferungsvertrag länger als ein Jahr bestanden habe. Vielmehr kann die Formulierung der vorliegenden Klausel für einen juristisch nicht vorgebildeten Kunden ohne weiteres dahin verstanden werden, dass ein Anspruch auf den Bonus bereits dann besteht, wenn der Vertrag mindestens ein Jahr bestanden hat (vgl. LG Heidelberg, Urteil vom 29. Dezember 2010 - 12 O 76/10 KfH, juris; AG Tiergarten, Urteil vom 17. Januar 2011 - 3 C 355/10, juris; AG Bonn, Urteil vom 30. April 2012 - 111 C 253/11, juris). Die Klausel ist deshalb nach § 305c Abs. 2 BGB in diesem Sinne auszulegen. Das Vorbringen der Beklagten in der Revisionserwiderung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Auslegung, nach der für den Bonusanspruch erforderlich sei, dass der Vertrag länger als ein Jahr bestanden habe, mag auch möglich sein, beseitigt aber nicht die bestehenden Auslegungszweifel.
III.
- 12
- Da die Revision begründet ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Da der Stromlieferungsvertrag zwischen den Parteien - wie von Ziffer 7.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gefordert - ein volles Jahr bestand, hat derKläger Anspruch auf Zahlung desder Höhe nach unstreitigen Aktionsbonus sowie der ebenfalls unstreitigen Rechtsverfolgungskosten. Der Klage ist daher stattzugeben.
Vorinstanzen:
AG Paderborn, Entscheidung vom 20.03.2012 - 55 C 210/11 -
LG Paderborn, Entscheidung vom 28.06.2012 - 5 S 35/12 -
Annotations
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.