Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juni 2013 - VIII ZR 7/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines "Aktionsbonus" aus einem Stromlieferungsvertrag.
- 2
- Der Kläger bezog von der Beklagten Strom aufgrund eines Vertrages, dessen Laufzeit am 1. Februar 2010 begann. Die in das Vertragsverhältnis einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthalten in Ziffer 7.3 folgende Regelung: "Wenn Sie als Neukunde einen Vertrag mit F. [Beklagte] schließen , gewährt Ihnen F. einen einmaligen Bonus. Dieser wird nach 12 Monaten Belieferungszeit fällig und spätestens mit der ersten Jahresrechnung verrechnet. Neukunde ist, wer in den letzten 6 Monaten vor Vertragsschluss in seinem Haushalt nicht von F. beliefert wurde. Der Bonus entfällt bei Kündigung innerhalb des ersten Belieferungsjahres , es sei denn die Kündigung wird erst nach Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam."
- 3
- Das Vertragsverhältnis endete aufgrund fristgerechter Kündigung des Klägers nach einem Jahr Belieferung mit Ablauf des 31. Januar 2011. In der Schlussrechnung vom 3. Mai 2011 berücksichtigte die Beklagte nicht den der Höhe nach unstreitigen Bonus von 95 €.
- 4
- Mit seiner Klage begehrt der Kläger Zahlung des Bonus von 95 € nebst Zinsen sowie Auslagen in Höhe von 10 €. Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich des Bonus nebst Zinsen stattgegeben und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Der Kläger begehrt mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.).
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
- 7
- Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung des Aktionsbonus in Höhe von 95 € gegen die Beklagte nach deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu, weil er die Kündigung bereits zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr ausgesprochen habe. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Klausel in ihrer Auslegung eindeutig. Unter Zugrundelegung des Empfängerhorizonts eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners ergebe die Auslegung der Klausel, dass der Kunde einen Anspruch auf Zahlung des Bonus erst dann erhalte, wenn er länger als zwölf Monate Strom von der Beklagten bezogen habe.
II.
- 8
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Wie der Senat bereits entschieden hat, teilt er nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach der Wortlaut der Klausel eindeutig in dem Sinne sei, dass ein Anspruch auf den Bonus nur bestehe, wenn der Stromlieferungsvertrag länger als ein Jahr bestanden habe. Vielmehr kann die Formulierung der vorliegenden Klausel für einen juristisch nicht vorgebildeten Kunden ohne weiteres dahin verstanden werden, dass ein Anspruch auf den Bonus bereits dann besteht, wenn der Vertrag - wie hier - mindestens ein Jahr bestanden hat. Die Klausel ist deshalb nach § 305c Abs. 2 BGB in diesem Sinne auszulegen (Senatsurteile vom 17. April 2013 - VIII ZR 225/12, juris Rn. 10, und VIII ZR 246/12, juris Rn. 11).
III.
- 9
- Da die Revision begründet ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Da der Stromlieferungsvertrag zwischen den Parteien - wie von Ziffer 7.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gefordert - ein volles Jahr bestand, hat der Kläger, wie das Amtsgericht zutreffend entschieden hat, Anspruch auf Zahlung des der Höhe nach unstreitigen Aktionsbonus. Die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Amtsgerichts ist daher zurückzuweisen. Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger
AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 10.08.2012 - 9 C 87/12 -
LG Berlin, Entscheidung vom 07.12.2012 - 56 S 67/12 -
Annotations
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.