Bundesgerichtshof Urteil, 25. Feb. 2010 - VII ZR 64/09
BGH, Urteil vom 25.02.2010 - VII ZR 64/09
Die konkludente Abnahme der Tragwerksplanung kann darin liegen, dass der Besteller nach Fertigstellung der Leistung, Bezahlung der Rechnung des Tragwerkplaners und mehrere Monate nach Einzug in das nahezu fertig gestellte Bauwerk keine Mängel der Tragwerksplanung rügt.
Auch bei einer konkludenten Abnahme kommt es gemäß § 640 Abs. 2 BGB zu einem Rechtsverlust, wenn der Besteller sich die Rechte wegen der ihm bekannten Mängel nicht vorbehält.
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 6. März 2009 wird zurückgewiesen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Erfüllung eines Statikervertrages.
Die Klägerin und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann schlossen am 17. Oktober 2001 mit dem Architekturbüro R. einen Einheitsarchitektenvertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses. Am gleichen Tag beauftragten die Bauherren den Beklagten mit der Erstellung der Tragwerksplanung für das Bauwerk auf der Grundlage der Pläne des Architekturbüros.
Das von dem Beklagten in Rechnung gestellte Honorar bezahlte die Klägerin am 15. November 2001.
Am 3. November 2001 kam es wegen des Baugrundes zu einem Gespräch auf der Baustelle, an dem die Bauherren, der Architekt, der beklagte Statiker, das ausführende Bauunternehmen und ein Bodengrundsachverständiger teilnahmen. Der Ablauf des Termins und die Ergebnisse sind zwischen den Parteien streitig.
Das in der Folge errichtete Bauwerk weicht von den ursprünglichen Architektenplänen gemäß dem Auftrag vom 17. Oktober 2001 ab. Unter anderem wurden die Innenwände im Dachgeschoss in Trockenbauweise statt in Massivbauweise erstellt, die Balkonanlage wurde verkürzt, das Bauwerk höher gegründet und die Kellerhöhe um ca. 7 cm niedriger als ursprünglich vorgesehen ausgeführt. Diese Abweichungen beruhen nach der Darstellung des Beklagten auf dem Ergebnis der Besprechung vom 3. November 2001. Ob sie von der Klägerin beauftragt oder gebilligt wurden, ist zwischen den Parteien streitig.
Die Leistungen des ausführenden Bauunternehmens wurden mit Teilabnahmen vom 19. Dezember 2001 und 8. Mai 2002 abgenommen. Eine Gesamtabnahme der Leistung erfolgte nicht. Die Klägerin zog im Sommer 2002 in das zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig fertiggestellte Haus ein.
Im Sommer 2003 übergab der Beklagte der Klägerin eine statische Berechnung vom 30. Oktober 2001. Ferner erhielt die Klägerin von dem Beklagten mit Schreiben vom 11. September 2003 mehrere, ihr bis zu diesem Zeitpunkt noch fehlende Positionspläne zur Statik. Sie war damit im Besitz der gesamten Tragwerksplanung, die als Grundlage für die tatsächliche Bauausführung diente.
Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe seine Herausgabepflicht nicht vollständig erfüllt, weil die vorgelegte Statik nicht auf der Grundlage der Architektenpläne erstellt worden sei, die dem Vertrag zugrunde gelegen hätten.
Das Amtsgericht hat die auf Herausgabe der vollständigen vertragsgemäßen Statik einschließlich der Planzeichnungen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
Die Revision ist statthaft gemäß § 543 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Zwar fehlt es angesichts der auf die Umstände des Einzelfalles abstellenden Entscheidung des Berufungsgerichts an einem Zulassungsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO; ein solcher wird vom Berufungsgericht auch nicht benannt. Der Senat ist an die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht aber gebunden, § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Das Berufungsgericht führt aus, der Klägerin stünden infolge einer stillschweigenden Abnahme der übergebenen Tragwerksplanung des Beklagten spätestens mit Ablauf des Jahres 2003 keine Erfüllungsansprüche mehr zu.
Mit Einzug der Klägerin in das noch nicht vollständig fertiggestellte Haus im Sommer 2002 sei die Prüfungsfrist für eine stillschweigende Abnahme der Tragwerksplanung, nachdem der Beklagte seine Leistung abgeschlossen und die Klägerin den geschuldeten Werklohn gezahlt habe, in Gang gesetzt worden. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klägerin spätestens im September 2003 im Besitz der Planungsleistung des Beklagten in Form der schriftlichen Ausarbeitungen gewesen sei und sie keine Mängelrügen erhoben habe, sei spätestens mit Ablauf des Jahres 2003 von einer stillschweigenden Abnahme auszugehen.
Nachdem sich die Klägerin im Zusammenhang mit der erfolgten Abnahme Rechte wegen offensichtlicher Mängel nicht vorbehalten habe, würden auch Nacherfüllungsansprüche ausscheiden.
So sei der Klägerin bereits im August 2002 die Höhergründung des Bauwerks und die um ca. 7 cm niedrigere Kellergeschosshöhe positiv bekannt gewesen. Auch dass die Balkonanlage kleiner als ursprünglich geplant zur Ausführung gelangen würde, sei für die Klägerin ersichtlich gewesen. Hinsichtlich der Wände im Dachgeschoss sei schließlich darauf hinzuweisen, dass die Klägerin selbst die Ausführung in Trockenbauweise durch eine dritte Firma vor 2003 in Auftrag gegeben habe.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Klägerin stünden gegen den Beklagten keine Erfüllungsansprüche mehr zu, sie könne nicht die Fertigung und Herausgabe einer den ursprünglichen Architektenplänen entsprechenden Statik verlangen, weil sie die tatsächlich erstellte Tragwerksplanung spätestens zum Ende des Jahres 2003 konkludent als im Wesentlichen vertragsgerecht abgenommen habe, ist nicht zu beanstanden.
Ein Vertrag über die Leistungen des bei einem Bauvorhaben zugezogenen Statikers ist nach Werkvertragsrecht zu beurteilen.
Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Klägerin die Tragwerksplanung des Beklagten spätestens zum Ende des Jahres 2003 konkludent als im Wesentlichen vertragsgerecht abgenommen hat.
Eine Abnahme kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent, d.h. durch schlüssiges Verhalten des Auftraggebers, erklärt werden. Konkludent handelt der Auftraggeber, wenn er dem Auftragnehmer gegenüber ohne ausdrückliche Erklärung erkennen lässt, dass er dessen Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß billigt. Erforderlich ist ein tatsächliches Verhalten des Auftraggebers, das geeignet ist, seinen Abnahmewillen dem Auftragnehmer gegenüber eindeutig und schlüssig zum Ausdruck zu bringen. Ob eine konkludente Abnahme vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalles. Beim Werk eines Statikers liegt eine konkludente Abnahme vor, wenn der Besteller dessen Pläne entgegennimmt und ihm gegenüber zu erkennen gibt, er wolle die Leistung als in der Hauptsache dem Vertrag entsprechend billigen. Eine konkludente Abnahme wird im Regelfall allerdings erst nach einer angemessenen Prüfungsfrist angenommen werden können, vor deren Ablauf eine Billigung des Werks redlicherweise nicht erwartet werden kann.
Die vom Berufungsgericht auf dieser Grundlage vorgenommene Würdigung des Verhaltens der Klägerin ist nicht zu beanstanden.
Unstreitig war die Klägerin seit September 2003 im Besitz der vom Beklagten gefertigten Tragwerksplanung und hatte ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit zur Überprüfung. Gegen die Länge der vom Berufungsgericht als angemessen angesehenen Prüfungsfrist von drei Monaten wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler lässt diese Würdigung im Hinblick darauf, dass die Klägerin das Bauwerk schon längere Zeit bewohnte, nicht erkennen.
Die Klägerin hat die Pläne auch tatsächlich überprüft. Nachdem sie zunächst die ihr noch fehlenden Pläne mit Schreiben vom 7. September 2003 bei dem Beklagten angefordert und diese mit Schreiben vom 11. September 2003 übersandt erhalten hatte, hatte sie die Abweichungen in der Ausführung des Bauwerks von der ursprünglichen Planung positiv erkannt und daraufhin mit Schreiben vom 21. September 2003 den Beklagten insoweit um Auskunft gebeten. Der Beklagte hat in seinem Schreiben vom 5. Oktober 2003 die Klägerin davon in Kenntnis gesetzt, dass die statischen Berechnungen gerade nicht im Oktober fertiggestellt worden seien und dass in die verwendeten Pläne vom 5. November 2001 die Ergebnisse der notwendigen Bodengrunduntersuchung vom 3. November 2001, bei der die Klägerin unstreitig selbst zugegen war, mit den Festlegungen des Baugrundgutachters eingearbeitet worden seien.
Das Berufungsgericht geht fehlerfrei davon aus, dass die Klägerin bis zum Ablauf des Jahres 2003 dem Beklagten gegenüber keine Mängel der Tragwerksplanung gerügt hat. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich eine Mängelrüge nicht aus dem Schreiben der Klägerin vom 21. September 2003. In diesem Schreiben, das der Senat selbst auslegen kann, weil keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind, weist die Klägerin zwar auf nicht genehmigte Änderungen gegenüber den Plänen hin, die dem Vertrag und der Bauanzeige zugrunde gelegen haben. Der Beklagte durfte dieses Schreiben jedoch so verstehen, dass die Klägerin die Verantwortung für diese Abweichung nicht beim ihm, sondern - wie es auch nahe lag - bei ihrem Architekten suchte. Denn sie hat dem Beklagten gegenüber keine Mängelrüge erhoben, sondern lediglich um die Veränderungsanzeige des Planungsbüros des Architekten gebeten, die ihn veranlasst habe, eine abweichende Statik zu erstellen. Auch nachdem der Beklagte die abweichende Statik im Schreiben vom 5. Oktober 2003 erläutert hat, hat sie zunächst keine Beanstandungen erhoben. Der Beklagte konnte ihr Verhalten insgesamt dahin verstehen, dass sie gegen die Statik auf der Grundlage veränderter Architektenpläne, in denen die Ergebnisse der Baugrunduntersuchung berücksichtigt waren, keine Bedenken hatte und sie als vertragsgerecht akzeptierte.
Unbegründet ist danach auch die Rüge, das Berufungsgericht, habe eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen, weil es zunächst einen Hinweis erteilt habe, dass es auf die "Abnahme und damit auf die Frage der Beweislast nicht entscheidungserheblich" ankomme, seine Entscheidung davon abweichend jedoch auf eine konkludent erfolgte Abnahme gestützt habe. Es kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht einen Hinweis auf seine geänderte Rechtsauffassung hätte erteilen müssen. Denn ein eventueller Verfahrensverstoß wäre jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Die Klägerin hätte, wie sie in der Revision vorträgt, nach erfolgtem Hinweis lediglich auf das Schreiben vom 21. September 2003 hingewiesen. Dieser Hinweis hätte - wie dargelegt - eine andere Entscheidung des Berufungsgerichts nicht gerechtfertigt.
Der Beklagte konnte somit nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) mit dem Ablauf der dreimonatigen Prüfungsfrist Ende des Jahres 2003 von einer Billigung der Leistung durch die Klägerin ausgehen. Durch diese Abnahme konkretisiert sich seine Leistungsverpflichtung auf das hergestellte Werk. Der Erfüllungsanspruch der Klägerin besteht nun nicht mehr schlechthin, sondern geht dahin, dass der Beklagte Mängel des abgenommenen konkreten Werkes abzustellen hat. Der Klägerin stehen nur noch die Gewährleistungsrechte aus den §§ 633 - 635 BGB zu.
Nachbesserung nach § 633 Abs. 2 BGB hinsichtlich der von ihr behaupteten vertragswidrigen Abweichungen von der ursprünglichen Planung kann die Klägerin jedenfalls deshalb nicht verlangen, weil sie sich diese ihr bekannten Mängel bei der Abnahme nicht vorbehalten hat.
Nimmt der Besteller das Werk im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Abnahme gemäß § 640 Abs. 1 Satz 1 BGB ab, läuft er Gefahr, einen Rechtsverlust zu erleiden, wenn er nicht die bei der Abnahme notwendigen Vorbehalte hinsichtlich bekannter Mängel erklärt. Da es sich bei der konkludenten Abnahme um eine rechtsgeschäftliche Abnahme im Sinne von § 640 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt, ist zur Rechtswahrung auch hier die Erklärung eines Vorbehalts hinsichtlich bekannter Mängel notwendig.
Die Feststellungen des Berufungsgerichts, die Klägerin habe positive Kenntnis hinsichtlich der Abweichungen in der Ausführung der Gründung des Bauwerks, der Kellerhöhe, der Balkonanlage sowie der Innenwände im Dachgeschoss und damit von den Abweichungen der zugrunde liegenden Tragwerksplanung gehabt, sind nicht zu beanstanden.
Die von der Revision dagegen vorgebrachten Verfahrensrügen sind unbegründet. Im Ergebnis fehl geht insbesondere die Rüge, das Berufungsgericht habe denkfehlerhaft verkannt, dass aus der Kenntnis von einer vom Architektenplan abweichenden Bauausführung nicht zwingend geschlossen werden könne, es liege auch eine Kenntnis von einer entsprechend abweichenden Statik vor. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe aus der ihr bekannten, von den ursprünglichen Plänen abweichenden Bauausführung den Schluss gezogen, auch die Tragwerksplanung sei verändert worden, ist jedenfalls für den maßgeblichen Zeitraum ab Oktober 2003 gerechtfertigt. Denn nach dem Schreiben des Beklagten vom 5. Oktober 2003 hat die Klägerin erkannt, dass nicht nur die Bauausführung, sondern auch die Tragwerksplanung von den ursprünglichen Plänen abgewichen ist. Auch die weitere Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe übersehen, dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, eine von dem ursprünglichen Plan abweichende Tragwerksplanung im Dachgeschoss zu erkennen, hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.