Bundesgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2004 - V ZR 262/03

bei uns veröffentlicht am30.01.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 262/03 Verkündet am:
30. Januar 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGBGB Art. 233 § 3

a) Zum Inhalt eines dinglichen Nutzungsrechts gehört auch seine Entgeltlichkeit
oder Unentgeltlichkeit. Dafür sind neben den Bestimmungen über die Verleihung
von Nutzungsrechten auch die Bestimmungen über die Nichterhebung von Nutzungsentgelten
etwa nach der Eigenheimverordnung maßgeblich.

b) Auch nach 1970 waren dingliche Nutzungsrechte an volkseigenen Grundstücken
in der Regel unentgeltlich. Deshalb kann ein Entgelt bei solchen Rechten nur
verlangt werden, wenn der Nutzer ausnahmsweise nicht von einem Entgelt befreit
war.
BGH, Urt. v. 30. Januar 2004 - V ZR 262/03 - LG Stendal
AG Burg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Januar 2004 durch die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke,
Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 1 des Landgerichts Stendal vom 27. August 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Dem Beklagten und seiner Ehefrau wurde am 27. April 1983 mit Wirkung zum 1. September 1978 ein Nutzungsrecht an dem damals volkseigenen Grundstück L. -Str. in B. verliehen. In der hierüber erteilten Nutzungsrechtsurkunde hieß es unter anderem:
„Das Entgelt für die Nutzung des volkseigenen Grund und Bodens wird vom Rat der Stadt bzw. Gemeinde festgesetzt.“
Am 10. April 2000 wurde das Grundstück der Klägerin mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 als Eigentum zugeordnet. Am 18. August 2000 verkaufte es die Klägerin dem Beklagten.
Mit ihrer am 8. November 2002 eingegangenen Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten für den Zeitraum vom 29. November 1993 bis zum Ablauf des 31. März 1995 eine Nutzungsentschädigung von 169,67 den Zeitraum vom 1. April 1995 bis zum 17. August 2000 eine Nutzungsentschädigung von 2.754,25
Das Amtsgericht und das Landgericht haben die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die von dem Landgericht zugelassene Revision, mit der die Klägerin eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der beantragten Nutzungsentschädigung weiterverfolgt. Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe


I.


Das Landgericht hält den Anspruch für unbegründet. Auf Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 4 oder 8 EGBGB lasse er sich nicht stützen. Für die Zeit vor dem 1. April 1995 sei der Anspruch verjährt, weil die Klage bis zum Ablauf des 7. November 2002 habe eingereicht werden müssen. Danach scheitere der Anspruch daran, daß die Klägerin kein Bereinigungsverfahren beantragt oder eingeleitet habe. Aus dem Nutzungsrecht selbst könne die Klägerin keine Festsetzungsbefugnis ableiten. Ein Entgelt habe vor dem 2. Oktober 1990 festgesetzt
werden können. Dies sei aber nicht geschehen und könne jetzt nicht mehr nachgeholt werden. Eine entsprechende Anwendung von § 315 BGB scheide aus, weil die Festsetzung seinerzeit hoheitlich habe erfolgen müssen und die dafür erforderliche Rechtsgrundlage entfallen sei.

II.


Dieses Ergebnis tragen die bisher getroffenen Feststellungen nicht.
1. Einen Anspruch aus Art. 233 § 2a Abs. 1 EGBGB haben die Vorinstanzen indes zu Recht verneint. Für die Zeit vom 29. November 1993 bis zum Ablauf des 31. März 1995 ist der Anspruch verjährt, weil er bis zum Ablauf des 7. November 2002 hätte geltend gemacht werden müssen, die Klage aber erst am 8. November 2002 bei Gericht eingegangen ist. Für die Zeit vom 1. April 1995 bis zum Ablauf des 17. August 2000 scheitert der Anspruch daran, daß die Klägerin kein Bereinigungsverfahren eingeleitet hat. Beides wird von der Revision nicht angegriffen.
2. Auch auf das dingliche Nutzungsrecht läßt sich der Anspruch nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht stützen.

a) Das ergibt sich indes entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht schon daraus, daß die Entgeltpflicht nach § 3 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken (14. Dezember 1970, GBl. I S. 372 – im Folgenden: Nutzungsrechtsgesetz 1970) und § 288 Abs. 3 Satz 1 ZGB nicht näher ausgestaltet worden wäre. Dem Be-
rufungsgericht ist einzuräumen, daß die Grundsätze zur Festlegung von Entgelten für die Nutzung volkseigener Grundstücke nach § 3 Abs. 4 Satz 3 Nutzungsrechtsgesetz nicht von den örtlichen Räten, sondern vom Ministerrat festzulegen waren. Es spricht auch manches dafür, daß die Entgeltpflichtigkeit ohne die Festlegung solcher Grundsätze nicht umgesetzt werden konnte. Diese Festlegung hat der Ministerrat aber am 15. Dezember 1970 vorgenommen. An diesem Tag hat er die „Grundsätze zur Festsetzung von Entgelten für die Nutzung volkseigener Grundstücke für Eigenheime“ (nicht veröffentlicht, jetzt abgedruckt in Bundesministerium der Justiz [Hrsg.], Sammlung von Rechtsvorschriften , internen Anweisungen und Erläuterungen zum Grundstücksrecht der ehemaligen DDR, Geschäftszeichen 3440/4-140596/95 – im Folgenden: BMJSammlung –, Nr. 70.12.15.4). Nach Nr. 5 dieser Grundsätze sollte das Entgelt je Grundstück monatlich 10 Mark/DDR nicht unter- und monatlich 30 Mark/DDR nicht überschreiten. Ausnahmen nach „territorialen Besonderheiten“ waren danach zulässig. Damit war die Entgeltpflicht umsetzbar.

b) Der Anspruch der Klägerin scheitert entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht von vornherein daran, daß die Entgelte „hoheitlich festzulegen“ gewesen und hierfür heute keine Ermächtigung gegeben sei.
Richtig ist allerdings, daß die geschuldeten Nutzungsentgelte nach Nr. 5.8 der „Hinweise und Erläuterungen zur Durchführung des Gesetzes vom 14. 12. 1970 über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken (GBl. I S. 372)“ des Ministeriums der Finanzen der DDR vom 4. Juni 1971 (unveröffentlicht, verfügbar in BMJ-Sammlung Nr. 71.06.04) bei Verleihung des Nutzungsrechts durch einen (gleichzeitig zuzustellenden) gesonderten Bescheid festzusetzen waren. Die Passage in den nach Nr. 9. 2. der
vorgenannten Hinweise und Erläuterungen für die Verleihung des Nutzungsrechts zu verwendenden amtlichen Vordrucken, wonach das Entgelt vom Rat der Stadt bzw. Gemeinde festgesetzt wird, ist deshalb auch nur als Hinweis auf diesen ggf. zu erteilenden gesonderten Bescheid zu verstehen, nicht aber als Festsetzung des Entgelts dem Grunde nach. Eine solche (gesonderte) Festsetzung durch Bescheid würde jedenfalls heute auch einer besonderen Rechtsgrundlage bedürfen (vgl. dazu: BVerwG, NJW 1977, 1838, 1839), an der es fehlt.
Das Fehlen einer solchen Regelung bedeutet aber zunächst nur, daß ein geschuldetes Nutzungsentgelt statt durch Leistungsbescheid durch Klage durchzusetzen ist. Die Möglichkeit einer klageweisen Durchsetzung hängt wiederum davon ab, ob ein materiellrechtlicher Anspruch auf Zahlung eines Nutzungsentgelts besteht. Das wäre nach Art. 233 § 3 Abs. 1 Satz 1 EGBGB grundsätzlich der Fall. Danach bestehen beschränkte dingliche Rechte an Grundstücken in den neuen Bundesländern mit ihrem bisherigen Rang und Inhalt fort. Zu diesen dinglichen Rechten gehören ungeachtet ihrer Begründung durch Verwaltungsakt auch dingliche Nutzungsrechte an ehemals volkseigenen Grundstücken. Der Entgeltanspruch bestünde deshalb grundsätzlich fort, wenn die Entgeltlichkeit eines Nutzungsrechts zu seinem Inhalt gehört. Dies läßt sich nicht mit dem Hinweis darauf in Zweifel ziehen, daß das Entgelt durch Bescheid festgesetzt werden sollte. Dieser Bescheid sollte nämlich die Entgeltpflicht nach der Konzeption des Nutzungsrechtsgesetzes 1970 und des § 288 Abs. 3 ZGB nicht erst begründen, sondern eine kraft Gesetzes auf Grund der Verleihung des Nutzungsrechts schon bestehende Entgeltpflicht in dem durch die Grundsätze festgelegten Rahmen konkretisieren. Bei einem Erbbaurecht, dem dingliche Nutzungsrechte in einiger Beziehung ähneln, wäre das Entgelt
auch bei dinglicher Ausgestaltung allerdings nicht Inhalt des Erbbaurechts, sondern eine Belastung desselben. Bei dinglichen Nutzungsrechten ist das indes anders. Sie sind ursprünglich in bewußter Abkehr vom Modell des Erbbaurechts (Rhode, (Hrsg.) Lehrbuch des Bodenrechts, 1976, S. 293 ff.) als Rechte konzipiert worden, zu deren Inhalt es gehörte, daß die Nutzung unentgeltlich erfolgen soll (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Eigenheime und Siedlungshäuser vom 15. September 1954, GBl. I S. 784, § 3 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Gesetzes über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken vom 3. April 1959, GBl. I S. 277). Das Nutzungsrechtsgesetz gibt zwar die Unentgeltlichkeit auf, behält aber die Konzeption des Nutzungsrechts ansonsten bei. Die neue Ausrichtung auf die Entgeltlichkeit erfolgte wie bisher im inhaltlichen Kontext des „Umfangs“ des Nutzungsrechts (§ 3 Nutzungsrechtsgesetz 1970). Genauso liegt es bei § 288 ZGB. Die Unentgeltlichkeit oder Entgeltlichkeit der Nutzung gehört deshalb zum Inhalt eines dinglichen Nutzungsrechts (MünchKom-BGB/v. Oefele, 3. Aufl., Art 233 § 4 EGBGB Rdn. 31; Staudinger/Rauscher, BGB, 12. Aufl., Art. 233 § 3 Rdn. 14). Einem Fortbestehen des Anspruchs steht nicht entgegen, daß eine Entgeltpflicht anhand der Grundsätze vom 15. Dezember 1970 konkretisiert werden muß. Denn eine solche Konkretisierung wäre mit zivilrechtlichen Mitteln möglich. Dazu kommt die von der Klägerin angesprochene entsprechende Anwendung von § 315 BGB in Betracht. Eine solche Bestimmung muß auch nicht daran scheitern, daß die Festlegung den örtlichen Räten übertragen war, die mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 (GBl. I S. 255) untergegangen sind. Denn mit der Zuordnung des Grundstücks an die Klägerin sind nach §§ 1a Abs. 1, 11 Abs. 2 VZOG nicht nur die aus dem fortbestehenden dinglichen Nutzungsrecht fol-
genden Verpflichtungen, sondern auch die Rechte auf die Klägerin übergegangen , die aus diesem Recht abgeleitet werden können.

c) Die Klägerin hat aber bisher nicht dargelegt, daß im Fall des Beklagten für die Nutzung volkseigenen Bodens zu Eigenheimzwecken ein Entgelt erhoben werden durfte. Dies war vielmehr nur ausnahmsweise der Fall; worin die Ausnahme im Fall des Beklagten liegt, hat die Klägerin bislang nicht dargelegt.
aa) Die Möglichkeit, von der Erhebung eines Entgelts abzusehen, war ausdrücklich nur in § 288 Abs. 3 Satz 2 ZGB geregelt. Das hier zu beurteilende dingliche Nutzungsrecht ist aber nicht auf Grund von § 287 Abs. 1 ZGB, sondern auf Grund § 2 Abs. 1 Nutzungsrechtsgesetz 1970 verliehen worden. Dies war möglich, weil dieses Gesetz bei Einführung des ZGB nicht aufgehoben wurde, sondern bestehen blieb, soweit es dem ZGB nicht widersprach (§ 13 Abs. 2 EGZGB). In § 3 Abs. 4 Nutzungsrechtsgesetz 1970 ist die Möglichkeit einer unentgeltlichen Nutzung volkseigener Grundstücke auf Grund von dinglichen Nutzungsrechten nicht ausdrücklich vorgesehen. Das bedeutete aber nicht, daß eine Freistellung dinglicher Nutzungsrechte von der Verpflichtung zur Zahlung eines Nutzungsentgelts nicht möglich war. Tatsächlich waren dingliche Nutzungsrechte nach dem Nutzungsrechtsgesetz 1970 in großem Umfang unentgeltlich. Grundlage war die Verordnung über die Förderung des Baus von Eigenheimen vom 24. November 1971 (GBl. II S. 709), nach deren § 8 Abs. 5 ein Entgelt für die Nutzung volkseigener Grundstücke für Eigenheime nicht zu erheben war, die nach dieser Verordnung finanziert wurden. Diese und ihre Nachfolgevorschriften wurden als die wesentlichen Rechtsvorschriften angesehen , die mit § 288 Abs. 3 Satz 2 ZGB angesprochen werden sollten (Mini-
sterium der Justiz [Hrsg.] Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR und zum Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch, 2. Aufl., § 288 Anm. 3). Dies bedarf hier indes keiner Vertiefung. Jedenfalls für den hier maßgeblich Zeitraum nach dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuchs der DDR am 1. Januar 1976 kam ein anderes Verständnis des § 3 Abs. 4 Nutzungsrechtsgesetz 1970 nicht mehr in Betracht. Ein etwa engeres Verständnis dieser Vorschrift würde nämlich § 288 Abs. 3 ZGB widersprechen. Dies hätte nach § 13 Abs. 2 EGZGB zur Folge, daß die Vorschrift durch § 288 Abs. 3 ZGB ersetzt worden wäre.
bb) Von seiner Ermächtigung, Inhaber dinglicher Nutzungsrechte nach dem Nutzungsrechtsgesetz 1970 von der Zahlung eines Nutzungsentgelts freizustellen , hat der Gesetz- und Verordnungsgeber der DDR nie in vollem Umfang Gebrauch gemacht. Es gab bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 immer eine wenn auch kleine Zahl von Inhabern solcher Nutzungsrechte, die nicht freigestellt waren und ein solches Entgelt zu zahlen hatten und auch zahlten (Bericht des Bundesministeriums der Justiz „Nutzungsrecht und Eigentum an Grund und Boden in den neuen Ländern und im Ostteil Berlins“ vom 28. Oktober 1991, Geschäftszeichen 3440/4-6, abgedruckt in: SchmidtRäntsch /Rühl/Baeyens, Grundeigentum und Investitionen in den neuen Bundesländern , 1994, S. 957, 960; Schmidt-Räntsch, Eigentumszuordnung, Rechtsträgerschaft und Nutzungsrechte an Grundstücken, 2. Aufl., S. 110; MünchKom-BGB/v. Oefele, Art. 233 § 4 EGBGB Rdn. 31). Ob der Beklagte zu dieser kleinen Zahl entgeltpflichtiger oder zur großen Zahl der von einem Entgelt befreiten Inhaber dinglicher Nutzungsrechte gehörte, bestimmt sich entgegen der Ansicht der Revision aber weder nach den bei der Erstverleihung des Nutzungsrechts am 27. April 1983 geltenden noch nach den Vorschriften, die am 1. September 1978 galten, zu dem das dem Beklagten seinerzeit verliehe-
ne Nutzungsrecht wirksam werden sollte. Für die Freistellung kam es nämlich nach §§ 1, 12 Abs. 2 der Eigenheimverordnung vom 31. August 1978 (GBl. I S. 425) in Verbindung mit zunächst § 9 Abs. 5 der Durchführungsbestimmung zur Eigenheimverordnung vom 31. August 1978 (GBl. I S. 428), vom 1. Oktober 1987 an in Verbindung mit § 11 Abs. 5 der Durchführungsbestimmung zur Verordnung über den Neubau, die Modernisierung und Instandsetzung von Eigenheimen vom 18. August 1987 (GBl. I S. 215) nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt das Nutzungsrecht verliehen wurde, sondern darauf, ob der Eigenheimbau nach der Eigenheimverordnung finanziert war. Maßgeblich ist deshalb die bei Ablauf des 2. Oktober 1990 geltende Regelung, also § 11 Abs. 5 der Durchführungsbestimmung vom 18. August 1987. Danach war ein Nutzungsentgelt von Arbeitern, Angestellten, Angehörigen der bewaffneten Organe, Mitgliedern sozialistischer Genossenschaften und kinderreichen sowie Familien mit drei Kindern nicht zu erheben, die das Eigenheim errichteten, modernisierten , instandsetzten oder seinen Kauf finanzierten.
cc) Die Erhebung eines Nutzungsentgelts für den Zeitraum vom 29. November 1993 bis zum 17. August 2000 kam deshalb nur in Betracht, wenn der Inhaber des Nutzungsrechts bei Ablauf des 2. Oktober 1990 zu den wenigen Bürgern gehörte, die danach von der Zahlung des Entgelts nicht befreit waren. Diese eingeschränkte Möglichkeit, ein Entgelt zu erheben, gehört zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Nutzungsentgelt aus einem dinglichen Nutzungsrecht. Der Klägerin ist einzuräumen, daß die Zahlung von Nutzungsentgelt nach dem Wortlaut sowohl des Nutzungsrechtsgesetzes 1970 als auch des § 288 Abs. 3 ZGB die Regel und die Befreiung die Ausnahme ist. Käme es hierauf an, könnte die Klägerin von der Möglichkeit der Entgelterhebung ausgehen ; der Beklagte müßte dann das Vorliegen eines Befreiungstatbestandes
darlegen und erforderlichenfalls beweisen. Das ursprünglich vorgesehene Regel -Ausnahme-Verhältnis ist aber praktisch nie Wirklichkeit geworden. Das Nutzungsrechtsgesetz 1970 selbst erhielt die Unentgeltlichkeit für alle bis zu seinem Inkrafttreten verliehenen Nutzungsrechte aufrecht. Für danach verliehen Nutzungsrechte wurde aber schon ein Jahr später eine weitreichende Befreiung von der Entgeltpflicht erlassen, nämlich durch § 8 Abs. 5 der Verordnung über die Förderung des Baus von Eigenheimen vom 24. November 1971 (GBl. II S. 709). Diese Befreiung ist auf Grund der Eigenheimverordnung vom 31. August 1978 auf weitere Teile der Bevölkerung ausgedehnt worden. Hinzu kam, daß die dinglichen Nutzungsrechte auf Grund von § 291 ZGB und seinen Vorgängervorschriften immer unentgeltlich geblieben waren. Bei dieser Sachlage war die Unentgeltlichkeit die Regel und die Entgeltlichkeit die seltene Ausnahme (Heuer, Grundzüge des Bodenrechts der DDR 1949-1990, S. 42 Rdn. 48). Daß im Fall des Beklagten und seiner Ehefrau ein Entgelt nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen nicht festgesetzt worden ist, entsprach dieser Regel. Deshalb muß die Klägerin darlegen und erforderlichenfalls auch beweisen, daß der Beklagte abweichend von der Regel nicht von der Entgeltpflicht befreit war und ein Entgelt überhaupt erhoben werden durfte.
dd) Dieser Gesichtspunkt ist im bisherigen Verfahren nicht gesehen worden, deshalb fehlen Feststellungen hierzu. Verwertbare Erkenntnisse hierzu haben sich auch in der Revisionsinstanz nicht ergeben. Die Sache ist deshalb nicht entscheidungsreif. Die Klägerin wird in der neuen Verhandlung vor dem Berufungsgericht Gelegenheit haben, unter Berücksichtigung der streitig gebliebenen Einlassungen des Beklagten im Einzelnen darzulegen, daß der Beklagte und seine Ehefrau zu den Inhabern von Nutzungsrechten gehörte, bei den ein Nutzungsentgelt ausnahmsweise zu erheben war. Sie wird sich dazu
nicht auf die vom Beklagten bestrittene Behauptung beschränken können, der Beklagte und seine Ehefrau hätten jedenfalls 1978 keine Kinder gehabt. Denn auch kinderlose Inhaber von dinglichen Nutzungsrechten waren regelmäßig von der Pflicht zur Zahlung eines Entgelts befreit. Ein Entgelt konnte vielmehr nur erhoben werden, wenn weder der Erwerb noch die Instandsetzung oder Modernisierung eines Eigenheims ganz oder teilweise finanziert oder auch nur bezuschußt (§ 11 der Durchführungsbestimmung vom 18. August 1987) wurde oder wenn der Beklagte nicht zu den in § 12 Abs. 2 der Eigenheimverordnung vom 31. August 1978 genannten Bevölkerungsgruppen gehörte. Zu klären sein wird auch, ob die Klägerin ein Nutzungsentgelt auch noch nach Abschluß des Kaufvertrags über das Grundstück und für einen längere Zeit zurück liegenden Zeitraum, in dem sie untätig blieb, verlangen konnte.
Tropf Krüger Lemke Gaier Schmidt-Räntsch

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(1) Vermögensgegenstände im Sinne dieses Gesetzes sind bebaute und unbebaute Grundstücke sowie rechtlich selbständige Gebäude und Baulichkeiten (Grundstücke und Gebäude), Nutzungsrechte und dingliche Rechte an Grundstücken und Gebäuden, bewegliche Sa

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(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

(1) Vermögensgegenstände im Sinne dieses Gesetzes sind bebaute und unbebaute Grundstücke sowie rechtlich selbständige Gebäude und Baulichkeiten (Grundstücke und Gebäude), Nutzungsrechte und dingliche Rechte an Grundstücken und Gebäuden, bewegliche Sachen, gewerbliche Schutzrechte sowie Unternehmen. Dazu gehören ferner Verbindlichkeiten, Ansprüche sowie Rechte und Pflichten aus Schuldverhältnissen, soweit sie Gegenstand der Zuteilung nach den in § 1 bezeichneten Vorschriften sind.

(2) Wenn Bürger nach Maßgabe von § 310 Abs. 1 des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik ihr Eigentum an einem Grundstück oder Gebäude aufgegeben haben und dieser Verzicht genehmigt worden ist, so bilden die betreffenden Grundstücke oder Gebäude Vermögen im Sinne dieses Gesetzes und der in § 1 Abs. 1 bezeichneten Vorschriften. § 310 Abs. 2 des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik gilt für diese Grundstücke nicht. Vorschriften, nach denen ein Verzicht auf Eigentum rückgängig gemacht werden kann, bleiben auch dann unberührt, wenn das Grundstück nach Maßgabe dieses Gesetzes zugeordnet ist oder wird.

(3) Absatz 2 gilt sinngemäß, wenn nach anderen Vorschriften durch staatliche Entscheidung ohne Eintragung in das Grundbuch vor dem Wirksamwerden des Beitritts Volkseigentum entstanden ist, auch wenn das Grundbuch noch nicht berichtigt ist.

(4) Zur Wohnungswirtschaft genutztes volkseigenes Vermögen, das sich nicht in der Rechtsträgerschaft der ehemals volkseigenen Betriebe der Wohnungswirtschaft befand, diesen oder der Kommune aber zur Nutzung sowie zur selbständigen Bewirtschaftung und Verwaltung übertragen worden war, steht nach Maßgabe des Artikels 22 Abs. 1 des Einigungsvertrages im Eigentum der jeweiligen Kommune. Artikel 22 Abs. 4 Satz 2 bis 6 des Einigungsvertrages gilt entsprechend. Ein Grundstück gilt als zur Wohnungswirtschaft genutzt im Sinne des Satzes 1 oder des Artikels 22 Abs. 4 des Einigungsvertrages auch dann, wenn es mit Gebäuden bebaut ist, die ganz oder überwiegend Wohnzwecken dienen und am 3. Oktober 1990 nicht nur vorübergehend leerstanden, jedoch der Wohnnutzung ganz oder teilweise wieder zugeführt werden sollen.