Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2007 - IX ZR 157/06

bei uns veröffentlicht am25.10.2007
vorgehend
Landgericht Ravensburg, 3 O 361/05, 15.12.2005
Oberlandesgericht Stuttgart, 3 U 14/06, 12.07.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 157/06
Verkündet am:
25. Oktober 2007
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Stellt der Pfändungsgläubiger die Verfügungsmacht des Schuldners über
sein Geschäftskonto durch eine Erklärung gegenüber dem Drittschuldner
zeitweise wieder her, beruht eine nachfolgende Überweisung des Schuldners
auf dessen Rechtshandlung im Sinne der Vorsatzanfechtung (Anschluss an
BGHZ 162, 143).

b) Zur Gläubigerbenachteiligung nach Zustellung einer Pfändungsverfügung.
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2007 - IX ZR 157/06 - OLG Stuttgart
LG Ravensburg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter
Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Juli 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der R. GmbH (i.F.: Schuldnerin), das auf Antrag der Schuldnerin vom 30. September 2003 am 16. Oktober 2003 eröffnet wurde.
2
Am 11. April 2003 erließ das Finanzamt wegen Lohn- und Umsatzsteuerforderungen in Höhe von 221.984,72 € eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung , die die Ansprüche der Schuldnerin aus der Geschäftsbeziehung mit der Bank betraf. Erfasst wurden unter anderem alle Ansprüche aus allen Konten auf Durchführung von Überweisungen. Diese Verfügung wurde der Drittschuldnerin am 14. April 2003 zugestellt. Das Finanzamt schränkte die Einziehungsanordnung unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs dahin ein, dass die Drittschuldnerin ermächtigt wurde, bis zu einer bestimmten Frist direkt an die Schuldnerin zu zahlen. Darauf veranlasste diese in der Zeit vom 16. April bis zum 10. Juni 2003 Überweisungen der Drittschuldnerin von ihrem Geschäftskonto an das Finanzamt in Höhe von insgesamt 120.697,27 €.
3
Die auf Rückgewähr dieser Zahlungen gerichtete Anfechtungsklage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5
Das Berufungsgericht hat gemeint, es liege keine Rechtshandlung der Schuldnerin im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO vor. Dem beklagten Land habe zudem ein Absonderungsrecht nach § 50 InsO zugestanden. Auch fehle es an einer Gläubigerbenachteiligung.

II.

6
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend prüfen, ob das Berufungsgericht zu Recht einen Anfechtungsanspruch des Klägers aus §§ 133, 143 Abs. 1 InsO verneint hat.
8
1. Das Berufungsgericht hat die für jede Insolvenzanfechtung erforderliche Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) verneint. Aus seinen Feststellungen ergibt sich jedoch nicht, ob die Zahlungen der Schuldnerin sich im Rahmen einer ihr von der Drittschuldnerin eingeräumten Kreditlinie (oder eines Guthabens) gehalten haben oder ob die Drittschuldnerin lediglich Kontoüberziehungen geduldet hatte. Den Vortrag des Klägers, das gepfändete Geschäftskonto sei in der Zeit zwischen der Zustellung der Pfändungsverfügung und der Insolvenzantragstellung debitorisch gewesen, hat das beklagte Land nach dem vom Berufungsgericht einschränkungslos in Bezug genommenen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils bestritten.
9
a) Wenn die von der Anfechtung erfassten Überweisungen aus einem Guthaben erfolgt sein sollten, fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung. Diese tritt ein, wenn die spätere Masse durch eine Rechtshandlung verkürzt wird, so dass sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGHZ 124, 76, 78 f; 155, 75, 80 f). Anders verhält es sich jedoch, wenn der Anfechtungsgegner aufgrund eines Pfändungspfandrechts zur abgesonderten Befriedigung (§ 50 Abs. 1 InsO) aus dem überwiesenen Guthaben bei der Drittschuldnerin berechtigt war (BGH, Urt. v. 21. März 2000 - IX ZR 138/99, ZIP 2000, 898; v. 20. März 2003 - IX ZR 166/02, ZIP 2003, 808, 809). So liegt es hier; der Beklagte hat durch seine Vollstreckungsmaßnahme gegen die Schuld- nerin ein insolvenzbeständiges Absonderungsrecht erlangt. Dahinstehen kann, ob der Kläger das Pfändungspfandrecht angefochten hat. Die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit der Pfändung einer künftigen Forderung richtet sich gemäß § 140 Abs. 1 InsO nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung (BGHZ 135, 140, 148; BGH, Urt. v. 30. Januar 1997 - IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513, 514; v. 20. März 2003 - IX ZR 166/02, ZIP 2003, 808, 809). Hier ist die im Voraus gepfändete Forderung noch vor der gesetzlichen Krise entstanden, so dass das Pfändungspfandrecht nicht als inkongruente Deckung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO anfechtbar ist.
10
Im Falle von Überweisungen aus einem Guthaben überschritten diese den Wert des in der Zeit vor dem Beginn des Dreimonatszeitraums entstandenen Pfandrechts nicht. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt daher nicht vor (vgl. BGHZ 157, 350, 355; BGH, Urt. v. 21. März 2000 - IX ZR 138/99, ZIP 2000, 898).
11
b) Im Ergebnis nicht anders verhält es sich, wenn die Zahlungen aus lediglich geduldeten Überziehungen erfolgt sind. Wird ein Gläubiger mit Mitteln befriedigt, die der Schuldner aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpft, kann die Deckung in der Insolvenz des Schuldners in der Regel mangels Gläubigerbenachteiligung nicht angefochten werden (BGH, Urt. v. 11. Januar 2007 - IX ZR 31/05, ZIP 2007, 435, z.V.b. in BGHZ). Die in dem vorgenannten Urteil offen gebliebene Frage einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung (aaO S. 436) bedarf auch hier keiner Entscheidung; dafür, dass die Drittschuldnerin für ihren Darlehensrückzahlungsanspruch über (bessere) Sicherheiten verfügt habe, ergeben die Feststellungen des Berufungsgerichts nichts.
12
c) Anders kann der Fall liegen, wenn die Überweisungen sich im Rahmen einer ungekündigten Kreditlinie gehalten haben.
13
Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte überhaupt in die offene Kreditlinie gepfändet hat. Ist dies zu verneinen, wäre die Zahlung an das beklagte Land erfolgt, ohne dass diesem ein Pfändungspfandrecht zugestanden hätte; dann stünde die Gläubigerbenachteiligung nicht infrage.
14
An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn man die Pfändungsverfügung dahin auslegt, dass diese auch die offene Kreditlinie erfasst hat (vgl. BGHZ 93, 315, 321 ff). Eine Verkürzung der Masse ist grundsätzlich auch in Fällen zu bejahen, in denen der Schuldner mit den Mitteln eines ihm zuvor zur Disposition gestellten Kredits einen Gläubiger befriedigt hat (BGH, Urt. v. 7. Juni 2001 - IX ZR 195/00, ZIP 2001, 1248 f; v. 7. Februar 2002 - IX ZR 115/99, ZIP 2002, 489, 490); der Anspruch auf Auszahlung eines zugesagten Darlehens ist mit dessen Abruf pfändbar (BGHZ 147, 193, 195 ff). Beim Dispositionskredit geht der Auszahlungshandlung der Bank stets der Abruf durch den Kunden voraus, mit dem das Darlehensangebot angenommen und damit der Anspruch auf Auszahlung begründet wird (BGHZ 147, 193, 195). In diesem Fall besteht - möglicherweise nur für kurze Zeit - ein Darlehensanspruch von Rechts wegen und die Pfändung, die mit dem Abruf als vorgenommen gilt (BGHZ 157, 350, 355 f; BGH, Urt. v. 17. Februar 2004 - IX ZR 318/01, WM 2004, 669, 670), kann Wirkung entfalten.
15
Der Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Pfändungspfandrechts richtet sich jedoch nach § 140 Abs. 1 InsO. Es entsteht, da zunächst eine zukünftige Forderung gepfändet worden ist, mit dem Abruf (BGHZ 157, 350, 353 ff). Bis zum Zeitpunkt der Überweisung stand dem Beklagten folglich kein insolvenzfestes Pfändungspfandrecht zu. Ein solches kann daher eine Gläubigerbenachteiligung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht hindern.
16
2. Im Falle einer Überweisung aus der offenen Kreditlinie kann die für den Anfechtungstatbestand des § 133 Abs. 1 InsO erforderliche Rechtshandlung des Schuldners nicht zweifelhaft sein; die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts beruht auf einem Missverständnis des Senatsurteils vom 10. Februar 2005 (BGHZ 162, 143). Zwar fehlt es an einer Rechtshandlung des Schuldners, wenn dieser nur noch die Wahl hat, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung zu dulden (BGHZ 162, 143, 147 ff). So liegt es hier jedoch nicht. Der für die Pfändbarkeit der Darlehensforderung erforderliche Abruf der Kreditmittel ist höchstpersönlicher Natur und unzweifelhaft eine vom Willen des Schuldners getragene Handlung; dieser hätte die Überweisungen ohne weiteres auch unterlassen können.

III.

17
Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), muss sie an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 563 Abs. 1 ZPO).
18
Das Berufungsgericht wird die zum Stand des Geschäftskontos im Zeitpunkt der angefochtenen Überweisungen erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Gegebenenfalls wird es den Vortrag der Parteien zu der Frage, ob die Schuldnerin mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelte und der Beklagte dies wusste, zu würdigen haben. Dabei kann der Frage, ob ein ernsthafter Sanierungsversuch vorlag, Bedeutung zukommen (vgl. etwa HambKommInsO /Rogge, InsO 2. Aufl. § 133 Rn. 18, 41 m.w.N.).
19
Für den Fall einer Zahlung aus einem ungenehmigten Überziehungskredit haben die Parteien zugleich Gelegenheit, zu der nach dem Senatsurteil vom 11. Januar 2007 (IX ZR 31/05, ZIP 2007, 435, 437 f, z.V.b. in BGHZ) entscheidungserheblichen Frage einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung infolge von Banksicherheiten vorzutragen. Dr. Fischer Raebel Vill Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
LG Ravensburg, Entscheidung vom 15.12.2005 - 3 O 361/05 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 12.07.2006 - 3 U 14/06 -

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(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Tei

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(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten. (2) Eine Unterlassung steht einer Rechts

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(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, 1. wenn die Handlung im letzten Monat

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(1) Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht, ein durch Pfändung erlangtes Pfandrecht oder ein gesetzliches Pfandrecht haben, sind nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 für Hauptforderung, Zinsen und Kosten

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(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.

(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

(1) Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht, ein durch Pfändung erlangtes Pfandrecht oder ein gesetzliches Pfandrecht haben, sind nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 für Hauptforderung, Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung aus dem Pfandgegenstand berechtigt.

(2) Das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters oder Verpächters kann im Insolvenzverfahren wegen der Miete oder Pacht für eine frühere Zeit als die letzten zwölf Monate vor der Eröffnung des Verfahrens sowie wegen der Entschädigung, die infolge einer Kündigung des Insolvenzverwalters zu zahlen ist, nicht geltend gemacht werden. Das Pfandrecht des Verpächters eines landwirtschaftlichen Grundstücks unterliegt wegen der Pacht nicht dieser Beschränkung.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.

(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.

(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

(1) Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht, ein durch Pfändung erlangtes Pfandrecht oder ein gesetzliches Pfandrecht haben, sind nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 für Hauptforderung, Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung aus dem Pfandgegenstand berechtigt.

(2) Das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters oder Verpächters kann im Insolvenzverfahren wegen der Miete oder Pacht für eine frühere Zeit als die letzten zwölf Monate vor der Eröffnung des Verfahrens sowie wegen der Entschädigung, die infolge einer Kündigung des Insolvenzverwalters zu zahlen ist, nicht geltend gemacht werden. Das Pfandrecht des Verpächters eines landwirtschaftlichen Grundstücks unterliegt wegen der Pacht nicht dieser Beschränkung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 138/99 Verkündet am:
21. März 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
KO § 30 Nr. 2
Die Pfändung und Überweisung einer Forderung einerseits und die Zahlung
durch den Drittschuldner andererseits sind selbständige Rechtshandlungen.
BGH, Urteil vom 21. März 2000 - IX ZR 138/99 - OLG Frankfurt a. M.
LG Frankfurt a. M.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die
Richter Dr. Kreft, Kirchhof, Dr. Fischer und Dr. Ganter

für Recht erkannt:
Auf die Revision des verklagten Landes wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, 8. Zivilsenat, vom 2. März 1999, berichtigt durch Beschluß vom 16. März 1999, aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Das verklagte Land erließ am 27. September 1996 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen die F. GmbH (im folgenden: GmbH oder Gemeinschuldnerin ) wegen einer fälligen Steuernachforderung in Höhe von 12.877.260,91 DM. Am 4. Oktober 1996 stellte die GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit Konkursantrag, von dem das Land am 28. Oktober 1996 erfuhr. Am 11. Februar 1997 wurde das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt. Zwischen dem 18. April und dem 16. Oktober 1997
erhielt das Land auf die gepfändeten Forderungen von Drittschuldnern 259.081,91 DM.
Der Kläger hat das Land, gestützt auf die Vorschriften der Konkursanfechtung , auf Auskehr dieses Betrages verklagt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 72.608,41 DM stattgegeben. Die Berufung des Landes, das die vollständige Klageabweisung erstrebte, hatte keinen Erfolg. Dagegen wendet sich das Land mit seiner Revision.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.


Das Oberlandesgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:
Die Zahlungen des Drittschuldners in Höhe von 72.608,41 DM stellten Rechtshandlungen dar, die nach Stellung des Konkursantrags vorgenommen worden seien. Zwar sei die Pfändungs- und Überweisungsverfügung ergangen, bevor das verklagte Land Kenntnis vom Konkursantrag erhalten habe. Darauf komme es jedoch nicht an. Die Pfändung und Überweisung der Ansprüche stelle zusammen mit der daraus erfolgten Zahlung einen mehraktigen Er-
werbstatbestand dar. Für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Stellung des Konkursantrags komme es auf den letzten Teilakt an. Das sei hier die Zahlung. In dem betreffenden Zeitpunkt habe das verklagte Land die Kenntnis gehabt. Die Anfechtungsfrist des § 41 KO sei rechtzeitig unterbrochen worden, weil ihr Lauf erst mit Zahlungseingang begonnen habe.

II.


Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat in den Entscheidungsgründen nicht deutlich gemacht, welchen Anfechtungstatbestand es für gegeben hält. Die Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil im Tatbestand läßt aber darauf schließen, daß ihm die Vorschrift des § 30 Nr. 1 Halbs. 2 KO vor Augen gestanden hat.
2. Den dort verwendeten Begriff der "Rechtshandlung" hat das Berufungsgericht verkannt. Läßt ein Gläubiger eine Forderung des Schuldners pfänden und sich zur Einziehung überweisen (§§ 828, 835 ZPO) oder erläßt ein - hierzu befugter - Gläubiger eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung (§§ 309 ff AO) und zahlt der Drittschuldner hernach auf die gepfändete Forderung an den Gläubiger, so liegt kein einheitlicher - mehraktiger - Erwerbstatbestand vor. Vielmehr sind einerseits die Pfändung und Überweisung und andererseits die Zahlung jeweils selbständige Rechtshandlungen. Durch die Pfändung und Überweisung erwirbt der pfändende Gläubiger ein Pfändungspfandrecht , also eine dingliche Sicherheit, die ihm im Konkurs ein Absonderungs-
recht an der ihm überwiesenen Forderung verschafft (§ 49 Abs. 1 Ziff. 2 KO). Durch die Zahlung des Drittschuldners erlangt der Gläubiger in entsprechender Höhe Befriedigung für seine Forderung, derentwegen er vollstreckt. Mit einem Grundstückserwerb - bei dem für den Erwerb einer und derselben Sache mehrere Vorgänge (Einigung und Eintragung) erforderlich sind - ist dies, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, nicht vergleichbar. Sowohl die Erlangung des Pfändungspfandrechts als auch die Befriedigung können jeweils selbständig angefochten werden. Die Anfechtung der Befriedigung ist aber nicht erfolgversprechend , wenn die Pfändung und Überweisung wirksam und insolvenzbeständig sind. Denn in diesem Falle wird die Gläubigergesamtheit durch die Erlangung der Befriedigung nicht benachteiligt. Der Pfändungspfandgläubiger erhält dadurch nur das, was ihm bereits aufgrund des Pfändungspfandrechts zusteht (vgl. BGHZ 64, 312, 314 f; 118, 171, 179; BGH, Urt. v. 11. Juli 1991 - IX ZR 230/90, ZIP 1991, 1014, 1017 unter C 2 a m.w.N.).
3. Das Berufungsgericht hätte deshalb nicht auf die Zahlung, sondern auf die vorausgegangene Pfändung abstellen müssen. Dahin ging auch der Prozeßvortrag der Parteien. Ob die Pfändung anfechtbar ist, hat das Berufungsgericht nicht geprüft.

III.


Das angefochtene Urteil läßt sich auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten (§ 563 ZPO). Aufgrund der bisherigen Sach- und Rechtslage
kann insbesondere nicht abschließend beurteilt werden, ob die Pfändungsverfügung vom 27. September 1996 anfechtbar ist oder nicht.
Es ist nicht festgestellt, wann diese Pfändungsverfügung zugestellt worden ist. Dieser Zeitpunkt ist für das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen maßgeblich. Falls die Zustellung vor dem 4. Oktober 1996 erfolgte, ist die Pfändung vor dem Konkurseröffnungsantrag wirksam geworden. Damit steht indes - entgegen der Ansicht der Revision - die Unanfechtbarkeit der Pfändung noch nicht fest. Diese ist nicht nach § 30 Nr. 1 Halbs. 2, sondern nach § 30 Nr. 2 KO zu beurteilen, weil es sich bei der Pfändung um eine Maßnahme der "Sicherung" handelte, die das verklagte Land "nicht... zu beanspruchen" hatte. Die Pfändung ist gemäß § 30 Nr. 2 KO anfechtbar, wenn die GmbH zu dem genannten Zeitpunkt ihre Zahlungen eingestellt hatte oder sie binnen zehn Tagen danach einstellte und das verklagte Land nicht beweist, daß ihm zur Zeit der Pfändung (d.h. deren Zustellung) die Zahlungseinstellung nicht bekannt und es überzeugt war, das Vermögen der GmbH reiche zur vollständigen Befriedigung aller ihrer Gläubiger aus oder sie werde die dafür erforderlichen Mittel in absehbarer Zeit erhalten (vgl. BGHZ 128, 196, 202).
Wann die Gemeinschuldnerin ihre Zahlungen eingestellt hat, steht nicht fest. Auch ist nicht festgestellt, welche Vorstellungen das Land bei Zustellung der Pfändung über die finanzielle Lage der Gemeinschuldnerin hatte.

IV.


Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit festgestellt wird, ob die Pfändungsverfügung anfechtbar ergangen ist.
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht überdies Gelegenheit, sich nochmals mit der Frage zu befassen, ob der Kläger die Ausschluß-(nicht: Verjährungs-)Frist des § 41 Abs. 1 Satz 1 KO gewahrt hat. Ist die Masse zur Tragung der Kosten des Anfechtungsprozesses außerstande, wird zwar die Frist des § 41 Abs. 1 Satz 1 KO durch ein rechtzeitig gestelltes, ordnungsgemäß begründetes und vollständiges Prozeßkostenhilfegesuch gehemmt im Sinne von § 203 Abs. 2 BGB (BGHZ 70, 235, 237; BGH, Urt. v. 8. März 1989 - IVa ZR 221/87, NJW 1989, 3149). Diese Vorschrift ist auf die Anfechtungsfrist entsprechend anwendbar (§ 41 Abs. 1 Satz 2 KO). Indes hat der Kläger innerhalb der - seit der Verfahrenseröffnung zu rechnenden - Jahresfrist nur den Prozeßkostenhilfeantrag vom 29. Januar 1998 gestellt. Damit sollte eine Klage auf Auskehr eines Betrages von 16.400 DM vorbereitet werden. Es erscheint fraglich, ob damit die Anfechtung der Pfändungs- und Überweisungsverfügung hinreichend deutlich geltend gemacht worden ist. Zwar muß die Anfechtung nicht als solche besonders erklärt oder geltend gemacht werden (BGHZ 135, 140, 149). Genügend - aber auch erforderlich - ist der Vortrag eines Sachverhalts , der die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands erfüllt. Daran könnte es im vorliegenden Fall fehlen, weil im Prozeßkostenhilfegesuch vom 29. Januar 1998 nur vorgetragen war, das Finanzamt O. habe wegen fruchtloser Vollstreckungsmaßnahmen Konkursantrag gestellt und verwahre einen bei ihm eingegangenen, nicht näher zuzuordnenden Betrag von 16.400 DM, den es im Hinblick auf Rechte Dritter nicht an den Kläger herausgeben wolle.
Falls das zur Geltendmachung der Anfechtung nicht ausreichen sollte, könnte der Vortrag des Klägers erheblich werden, das verklagte Land sei gemäß § 242 BGB gehindert, sich auf den Ablauf der Anfechtungsfrist zu berufen (zur Anwendbarkeit des § 242 BGB in diesem Falle vgl. Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 41 Rdnr. 41), weil es dem Kläger in vorwerfbarer Weise die von ihm
benötigten Informationen vorenthalten habe. Auch dazu können - jedenfalls nach weiterer Substantiierung des klägerischen Vorbringens - Feststellungen erforderlich werden.
Paulusch Kreft Kirchhof Fischer Ganter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 166/02
Verkündet am:
20. März 2003
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Die Pfändung einer künftigen Forderung gilt anfechtungsrechtlich in dem Zeitpunkt
als vorgenommen, in dem die Forderung entsteht. Die Entstehung der Forderung ist
keine Bedingung der Pfändung.
BGH, Urteil vom 20. März 2003 - IX ZR 166/02 - OLG Jena
LG Gera
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Kirchhof, Raebel, Kayser und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 17. Juni 2002 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte (Finanzamt Jena) erließ am 22. August 2000 eine Verfügung , mit welcher wegen vollstreckbarer Steueransprüche gegen die S. & P. GmbH (fortan: Schuldnerin) von insgesamt 68.625,51 DM gegenwärtige und künftige Guthaben der Schuldnerin bei der C. AG, Zweigstelle H. , gepfändet und eingezogen wurden. Die Verfügung wurde der C. am nächsten Tage zugestellt.
Am 20. Oktober 2000 setzte das Finanzamt die Pfändungsverfügung unter doppelter Bedingung und mit dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs aus. Die Aussetzung sollte nur in Kraft treten, wenn ein Betrag von 45.000 DM überwiesen wurde. Sie sollte außer Kraft treten, sobald ein Dritter Anspruch auf die gepfändete Forderung erhob. Der genannte Betrag wurde unter dem Datum
des 20. Oktober 2000 zu Lasten des gepfändeten Kontos von der Schuldnerin an die Finanzkasse überwiesen.
Am 8. November 2000 widerrief das Finanzamt die Aussetzung seiner Pfändungsverfügung. Am 15. November 2000 setzte es die Pfändungsverfügung abermals auf einen Monat mit den bisherigen Nebenbestimmungen aus, wobei als aufschiebende Bedingung diesmal indes die sofortige Überweisung von 35.000 DM bezeichnet wurde. Die Schuldnerin überwies der Finanzkasse diesen Betrag von dem gepfändeten Konto mit Datum vom selben Tage.
Auf Antrag der AOK in G. , der bei dem Insolvenzgericht am 30. November 2000 einging, wurde am 15. Januar 2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit der Klage verlangt er die Rückgewähr der überwiesenen Beträge von 45.000 DM und 35.000 DM zur Masse.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Rückgewähr von 35.000 DM nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers gegen die Teilabweisung der Klage hatte Erfolg. Die Anschlußberufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat die Überweisungen der Gemeinschuldnerin vom 20. Oktober und 15. November 2000 als inkongruente Deckungen gewertet , da sie unter dem Druck der ausgebrachten bzw. wieder in Vollzug gesetzten Pfändung erfolgt seien. Die Überweisungen seien unmittelbar gläubigerbenachteiligend gewesen, da sie das Aktivvermögen der Schuldnerin sogleich entsprechend verringerten. Die angefochtenen Rechtshandlungen seien, auch wenn man auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten nebst Widerruf der Aussetzung abstelle, innerhalb der Anfechtungszeiträume des § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO vorgenommen worden. Gemäß § 140 Abs. 1 InsO gelte eine mehraktige Rechtshandlung bei Eintritt ihrer rechtlichen Wirkung als vorgenommen. Das sei grundsätzlich der Zeitpunkt des letzten Teilaktes. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten einerseits und das Entstehen der hiervon ergriffenen Forderungen der Gemeinschuldnerin gegen die Drittschuldnerin durch die Gutschriften auf dem zunächst debitorischen Konto andererseits hätten zeitlich weit auseinandergelegen. Ebenso wie die Vorausabtretung werde auch die Pfändung einer künftigen Forderung erst mit deren Entstehung wirksam. Aus § 140 Abs. 3 InsO ergebe sich entgegen der Meinung des Landgerichts nichts anderes.

II.


Diese Erwägungen des Berufungsgerichts sind rechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Überweisung der Schuldnerin vom 15. November 2000 grundsätzlich nach
§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO, die vorausgegangene Überweisung vom 20. Oktober 2000 nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar ist.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine während der "kritischen" Zeit im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung als inkongruent anzusehen. Das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip wird durch das System der insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln eingeschränkt, wenn für die Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr die Aussicht besteht, aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann tritt die Befugnis des Gläubigers, sich mit Hilfe hoheitlicher Zwangsmittel eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung der eigenen fälligen Forderungen zu verschaffen, hinter den Schutz der Gläubigergesamtheit zurück (BGHZ 136, 309, 311 ff; BGH, Urt. v. 11. April 2002 - IX ZR 211/01, WM 2002, 1193, 1194 m.w.N.).
Der Forderungseinziehung kraft hoheitlicher Anordnung (§ 314 Abs. 1 AO) stehen anfechtungsrechtlich Verfügungen des Schuldners über ein gepfändetes Bankguthaben zugunsten des Pfändungsgläubigers gleich (vgl. BGH, Urt. v. 26. September 2002 - IX ZR 66/99, WM 2003, 59, 60).

b) Die angefochtenen Überweisungen der Schuldnerin an die Finanzkasse gingen zu Lasten ihres gepfändeten Bankguthabens; sie benachteiligten deshalb im Grundsatz die Insolvenzgläubiger (§ 129 InsO). Eine Ausnahme hätte nur dann vorgelegen, wenn der Beklagte aufgrund seines Pfändungspfandrechts (§ 804 Abs. 1 und 2 ZPO) zur abgesonderten Befriedigung (§ 50 Abs. 1 InsO) aus dem überwiesenen Guthaben bei der Drittschuldnerin berechtigt gewesen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juli 1991 - IX ZR 230/90, WM 1991, 1570, 1574; v. 21. März 2000 - IX ZR 138/99, WM 2000, 1071, 1072 m.w.N.).
Der Beklagte hat jedoch durch seine Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Schuldnerin kein insolvenzbeständiges Absonderungsrecht erlangt.
2. Die auch gegen die anfechtungsrechtlich selbständige (vgl. BGH, Urt. v. 21. März 2000 - IX ZR 138/99, aaO) Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten vom 22. August 2000 gerichtete Anfechtung des Klägers greift nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO durch. Die hierdurch erlangte Sicherung ist inkongruent (siehe oben 1. a). Der Beklagte kann sie nach § 143 InsO der Anfechtung der Überweisungen nicht entgegenhalten.

a) Die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit der Pfändung eines künftigen Bankguthabens hängt davon ab, ob sie bereits mit ihrer Bewirkung (§ 309 Abs. 2 Satz 1 AO; § 829 Abs. 3 ZPO) als vorgenommen gilt, wie der Beklagte annimmt, oder ob § 140 Abs. 1 InsO auf die Entstehung des Guthabens abstellt. Der Bundesgerichtshof hat die anfechtungsrechtlich entscheidende Wirkung bei der Vorausabtretung, der Vorausverpfändung und der Pfändung einer künftigen Forderung nicht schon in der Verfügung, sondern erst in der Entstehung der Forderung gesehen (BGH, Urt. v. 24. Oktober 1996 - IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080, 2082 - Vorausverpfändung; v. 30. Januar 1997 - IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513, 514 - Vorausabtretung; jeweils zu § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO; BGHZ 135, 140, 148 - Pfändung künftiger Forderung, zu § 30 Nr. 2 KO). Denn die anfechtungsrechtlich entscheidende Gläubigerbenachteiligung kann sich nur und erst dann äußern, wenn die Forderung entstanden ist, über die der Schuldner rechtsgeschäftlich oder im Wege der Zwangsvollstreckung vorausverfügt hat. Daran hat sich unter der Geltung von § 140 Abs. 1 InsO gegenüber der älteren Rechtslage nichts geändert.
Entsteht die im voraus abgetretene, verpfändete oder gepfändete Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so erwirbt der Gläubiger bzw. Pfandgläubiger zu Lasten der Masse nach § 91 Abs. 1 InsO kein Forderungs - und kein Absonderungsrecht mehr (vgl. BGH, Urt. v. 5. Januar 1955 - IV ZR 154/54, NJW 1955, 544 und BGHZ 135, 140, 145 zu § 15 KO; MünchKomm -InsO/Ganter, vor §§ 49 bis 52 Rn. 23). Entsteht eine Forderung in anfechtbarer Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist die gläubigerbenachteiligende Wirkung einer Vorausverfügung nicht anfechtungsfest. Das gilt für Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung nicht anders als für rechtsgeschäftliche Verfügungen.

b) Zu Recht und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht der Ansicht des Landgerichts widersprochen, daß auf die vorliegende Fallgestaltung § 140 Abs. 3 InsO anzuwenden sei. Schon die vom Landgericht angeführte Entscheidung des Reichsgerichts (RGZ 135, 139, 141) hat zutreffend betont, daß die Pfändung einer künftigen Forderung "bedingungslos" ist. § 140 Abs. 3 InsO betrifft nur Fälle rechtsgeschäftlicher Bedingungen. Die Entstehung der im voraus gepfändeten Forderung ist keine Bedingung im Sinne der §§ 158 ff BGB und insolvenzrechtlich nicht in gleicher Weise wie die in § 140 Abs. 3 InsO geregelten Fälle schutzwürdig.

c) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht ausreichende Feststellungen dazu getroffen, wann die Pfändung des Beklagten in das zunächst debitorisch geführte Konto der Schuldnerin Guthaben ergriffen hat und damit im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO vorgenommen worden ist.
Das Berufungsgericht ist dem als unstreitig gewerteten Vortrag des Klägers gefolgt, daß eine Gutschrift auf dem gepfändeten Konto vom 19. Oktober
2000 für ein Guthaben gesorgt habe, welches den am 20. Oktober 2000 überwiesenen Betrag von 45.000 DM überstieg. Zu der Überweisung vom 15. November 2000 hat es festgestellt, daß eine entsprechende Kontogutschrift nach dem 8. November 2000 und damit innerhalb eines Monats vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sei. Gegen diese Feststellungen sind Verfahrensrügen nicht erhoben worden.
3. Die Anfechtung der Überweisung vom 15. November 2000 und des nach dem 8. November 2000 entstandenen Pfändungspfandrechts des Beklagten hat daher bereits nach § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 143 InsO Erfolg.
Das ältere Pfändungspfandrecht und die Überweisung vom 20. Oktober 2000 unterliegen der Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Ohne Erfolg wendet sich die Revision deswegen mit Verfahrensrügen gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Schuldnerin sei nach § 17 Abs. 2 InsO zahlungsunfähig gewesen. Diese Rügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird gemäß § 564 ZPO insoweit abgesehen.
Ein Rechtsfehler des Berufungsgerichts in der Auslegung und Anwendung von § 17 Abs. 2 InsO ist nicht ersichtlich. Die Berechtigung von Verbindlichkeiten der Schuldnerin hat der Beklagte nicht bestritten, so daß es im Anfechtungsprozeß keiner näheren Prüfung bedurfte, ob sämtliche Verbindlichkeiten anzuerkennen sind (vgl. BGH, Urt. v. 17. Mai 2001 - IX ZR 188/98,
WM 2001, 1225, 1226). Auf die Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfä- higkeit der Schuldnerin kommt es bei dem Anfechtungstatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht an.
Kreft Richter am Bundesgerichtshof Raebel Kirchhof ist wegen urlaubsbedingter Abwesenheit verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Kreft
Kayser Bergmann

(1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten.

(2) Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Ist der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf die Rechtsänderung gestellt worden, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, daß dieser Antrag an die Stelle des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung tritt.

(3) Bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 166/02
Verkündet am:
20. März 2003
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Die Pfändung einer künftigen Forderung gilt anfechtungsrechtlich in dem Zeitpunkt
als vorgenommen, in dem die Forderung entsteht. Die Entstehung der Forderung ist
keine Bedingung der Pfändung.
BGH, Urteil vom 20. März 2003 - IX ZR 166/02 - OLG Jena
LG Gera
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Kirchhof, Raebel, Kayser und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 17. Juni 2002 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte (Finanzamt Jena) erließ am 22. August 2000 eine Verfügung , mit welcher wegen vollstreckbarer Steueransprüche gegen die S. & P. GmbH (fortan: Schuldnerin) von insgesamt 68.625,51 DM gegenwärtige und künftige Guthaben der Schuldnerin bei der C. AG, Zweigstelle H. , gepfändet und eingezogen wurden. Die Verfügung wurde der C. am nächsten Tage zugestellt.
Am 20. Oktober 2000 setzte das Finanzamt die Pfändungsverfügung unter doppelter Bedingung und mit dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs aus. Die Aussetzung sollte nur in Kraft treten, wenn ein Betrag von 45.000 DM überwiesen wurde. Sie sollte außer Kraft treten, sobald ein Dritter Anspruch auf die gepfändete Forderung erhob. Der genannte Betrag wurde unter dem Datum
des 20. Oktober 2000 zu Lasten des gepfändeten Kontos von der Schuldnerin an die Finanzkasse überwiesen.
Am 8. November 2000 widerrief das Finanzamt die Aussetzung seiner Pfändungsverfügung. Am 15. November 2000 setzte es die Pfändungsverfügung abermals auf einen Monat mit den bisherigen Nebenbestimmungen aus, wobei als aufschiebende Bedingung diesmal indes die sofortige Überweisung von 35.000 DM bezeichnet wurde. Die Schuldnerin überwies der Finanzkasse diesen Betrag von dem gepfändeten Konto mit Datum vom selben Tage.
Auf Antrag der AOK in G. , der bei dem Insolvenzgericht am 30. November 2000 einging, wurde am 15. Januar 2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit der Klage verlangt er die Rückgewähr der überwiesenen Beträge von 45.000 DM und 35.000 DM zur Masse.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Rückgewähr von 35.000 DM nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers gegen die Teilabweisung der Klage hatte Erfolg. Die Anschlußberufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat die Überweisungen der Gemeinschuldnerin vom 20. Oktober und 15. November 2000 als inkongruente Deckungen gewertet , da sie unter dem Druck der ausgebrachten bzw. wieder in Vollzug gesetzten Pfändung erfolgt seien. Die Überweisungen seien unmittelbar gläubigerbenachteiligend gewesen, da sie das Aktivvermögen der Schuldnerin sogleich entsprechend verringerten. Die angefochtenen Rechtshandlungen seien, auch wenn man auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten nebst Widerruf der Aussetzung abstelle, innerhalb der Anfechtungszeiträume des § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO vorgenommen worden. Gemäß § 140 Abs. 1 InsO gelte eine mehraktige Rechtshandlung bei Eintritt ihrer rechtlichen Wirkung als vorgenommen. Das sei grundsätzlich der Zeitpunkt des letzten Teilaktes. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten einerseits und das Entstehen der hiervon ergriffenen Forderungen der Gemeinschuldnerin gegen die Drittschuldnerin durch die Gutschriften auf dem zunächst debitorischen Konto andererseits hätten zeitlich weit auseinandergelegen. Ebenso wie die Vorausabtretung werde auch die Pfändung einer künftigen Forderung erst mit deren Entstehung wirksam. Aus § 140 Abs. 3 InsO ergebe sich entgegen der Meinung des Landgerichts nichts anderes.

II.


Diese Erwägungen des Berufungsgerichts sind rechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Überweisung der Schuldnerin vom 15. November 2000 grundsätzlich nach
§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO, die vorausgegangene Überweisung vom 20. Oktober 2000 nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar ist.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine während der "kritischen" Zeit im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung als inkongruent anzusehen. Das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip wird durch das System der insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln eingeschränkt, wenn für die Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr die Aussicht besteht, aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann tritt die Befugnis des Gläubigers, sich mit Hilfe hoheitlicher Zwangsmittel eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung der eigenen fälligen Forderungen zu verschaffen, hinter den Schutz der Gläubigergesamtheit zurück (BGHZ 136, 309, 311 ff; BGH, Urt. v. 11. April 2002 - IX ZR 211/01, WM 2002, 1193, 1194 m.w.N.).
Der Forderungseinziehung kraft hoheitlicher Anordnung (§ 314 Abs. 1 AO) stehen anfechtungsrechtlich Verfügungen des Schuldners über ein gepfändetes Bankguthaben zugunsten des Pfändungsgläubigers gleich (vgl. BGH, Urt. v. 26. September 2002 - IX ZR 66/99, WM 2003, 59, 60).

b) Die angefochtenen Überweisungen der Schuldnerin an die Finanzkasse gingen zu Lasten ihres gepfändeten Bankguthabens; sie benachteiligten deshalb im Grundsatz die Insolvenzgläubiger (§ 129 InsO). Eine Ausnahme hätte nur dann vorgelegen, wenn der Beklagte aufgrund seines Pfändungspfandrechts (§ 804 Abs. 1 und 2 ZPO) zur abgesonderten Befriedigung (§ 50 Abs. 1 InsO) aus dem überwiesenen Guthaben bei der Drittschuldnerin berechtigt gewesen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juli 1991 - IX ZR 230/90, WM 1991, 1570, 1574; v. 21. März 2000 - IX ZR 138/99, WM 2000, 1071, 1072 m.w.N.).
Der Beklagte hat jedoch durch seine Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Schuldnerin kein insolvenzbeständiges Absonderungsrecht erlangt.
2. Die auch gegen die anfechtungsrechtlich selbständige (vgl. BGH, Urt. v. 21. März 2000 - IX ZR 138/99, aaO) Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten vom 22. August 2000 gerichtete Anfechtung des Klägers greift nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO durch. Die hierdurch erlangte Sicherung ist inkongruent (siehe oben 1. a). Der Beklagte kann sie nach § 143 InsO der Anfechtung der Überweisungen nicht entgegenhalten.

a) Die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit der Pfändung eines künftigen Bankguthabens hängt davon ab, ob sie bereits mit ihrer Bewirkung (§ 309 Abs. 2 Satz 1 AO; § 829 Abs. 3 ZPO) als vorgenommen gilt, wie der Beklagte annimmt, oder ob § 140 Abs. 1 InsO auf die Entstehung des Guthabens abstellt. Der Bundesgerichtshof hat die anfechtungsrechtlich entscheidende Wirkung bei der Vorausabtretung, der Vorausverpfändung und der Pfändung einer künftigen Forderung nicht schon in der Verfügung, sondern erst in der Entstehung der Forderung gesehen (BGH, Urt. v. 24. Oktober 1996 - IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080, 2082 - Vorausverpfändung; v. 30. Januar 1997 - IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513, 514 - Vorausabtretung; jeweils zu § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO; BGHZ 135, 140, 148 - Pfändung künftiger Forderung, zu § 30 Nr. 2 KO). Denn die anfechtungsrechtlich entscheidende Gläubigerbenachteiligung kann sich nur und erst dann äußern, wenn die Forderung entstanden ist, über die der Schuldner rechtsgeschäftlich oder im Wege der Zwangsvollstreckung vorausverfügt hat. Daran hat sich unter der Geltung von § 140 Abs. 1 InsO gegenüber der älteren Rechtslage nichts geändert.
Entsteht die im voraus abgetretene, verpfändete oder gepfändete Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so erwirbt der Gläubiger bzw. Pfandgläubiger zu Lasten der Masse nach § 91 Abs. 1 InsO kein Forderungs - und kein Absonderungsrecht mehr (vgl. BGH, Urt. v. 5. Januar 1955 - IV ZR 154/54, NJW 1955, 544 und BGHZ 135, 140, 145 zu § 15 KO; MünchKomm -InsO/Ganter, vor §§ 49 bis 52 Rn. 23). Entsteht eine Forderung in anfechtbarer Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist die gläubigerbenachteiligende Wirkung einer Vorausverfügung nicht anfechtungsfest. Das gilt für Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung nicht anders als für rechtsgeschäftliche Verfügungen.

b) Zu Recht und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht der Ansicht des Landgerichts widersprochen, daß auf die vorliegende Fallgestaltung § 140 Abs. 3 InsO anzuwenden sei. Schon die vom Landgericht angeführte Entscheidung des Reichsgerichts (RGZ 135, 139, 141) hat zutreffend betont, daß die Pfändung einer künftigen Forderung "bedingungslos" ist. § 140 Abs. 3 InsO betrifft nur Fälle rechtsgeschäftlicher Bedingungen. Die Entstehung der im voraus gepfändeten Forderung ist keine Bedingung im Sinne der §§ 158 ff BGB und insolvenzrechtlich nicht in gleicher Weise wie die in § 140 Abs. 3 InsO geregelten Fälle schutzwürdig.

c) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht ausreichende Feststellungen dazu getroffen, wann die Pfändung des Beklagten in das zunächst debitorisch geführte Konto der Schuldnerin Guthaben ergriffen hat und damit im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO vorgenommen worden ist.
Das Berufungsgericht ist dem als unstreitig gewerteten Vortrag des Klägers gefolgt, daß eine Gutschrift auf dem gepfändeten Konto vom 19. Oktober
2000 für ein Guthaben gesorgt habe, welches den am 20. Oktober 2000 überwiesenen Betrag von 45.000 DM überstieg. Zu der Überweisung vom 15. November 2000 hat es festgestellt, daß eine entsprechende Kontogutschrift nach dem 8. November 2000 und damit innerhalb eines Monats vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sei. Gegen diese Feststellungen sind Verfahrensrügen nicht erhoben worden.
3. Die Anfechtung der Überweisung vom 15. November 2000 und des nach dem 8. November 2000 entstandenen Pfändungspfandrechts des Beklagten hat daher bereits nach § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 143 InsO Erfolg.
Das ältere Pfändungspfandrecht und die Überweisung vom 20. Oktober 2000 unterliegen der Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Ohne Erfolg wendet sich die Revision deswegen mit Verfahrensrügen gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Schuldnerin sei nach § 17 Abs. 2 InsO zahlungsunfähig gewesen. Diese Rügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird gemäß § 564 ZPO insoweit abgesehen.
Ein Rechtsfehler des Berufungsgerichts in der Auslegung und Anwendung von § 17 Abs. 2 InsO ist nicht ersichtlich. Die Berechtigung von Verbindlichkeiten der Schuldnerin hat der Beklagte nicht bestritten, so daß es im Anfechtungsprozeß keiner näheren Prüfung bedurfte, ob sämtliche Verbindlichkeiten anzuerkennen sind (vgl. BGH, Urt. v. 17. Mai 2001 - IX ZR 188/98,
WM 2001, 1225, 1226). Auf die Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfä- higkeit der Schuldnerin kommt es bei dem Anfechtungstatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht an.
Kreft Richter am Bundesgerichtshof Raebel Kirchhof ist wegen urlaubsbedingter Abwesenheit verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Kreft
Kayser Bergmann

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,

1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.

(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 138/99 Verkündet am:
21. März 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
KO § 30 Nr. 2
Die Pfändung und Überweisung einer Forderung einerseits und die Zahlung
durch den Drittschuldner andererseits sind selbständige Rechtshandlungen.
BGH, Urteil vom 21. März 2000 - IX ZR 138/99 - OLG Frankfurt a. M.
LG Frankfurt a. M.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die
Richter Dr. Kreft, Kirchhof, Dr. Fischer und Dr. Ganter

für Recht erkannt:
Auf die Revision des verklagten Landes wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, 8. Zivilsenat, vom 2. März 1999, berichtigt durch Beschluß vom 16. März 1999, aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Das verklagte Land erließ am 27. September 1996 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen die F. GmbH (im folgenden: GmbH oder Gemeinschuldnerin ) wegen einer fälligen Steuernachforderung in Höhe von 12.877.260,91 DM. Am 4. Oktober 1996 stellte die GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit Konkursantrag, von dem das Land am 28. Oktober 1996 erfuhr. Am 11. Februar 1997 wurde das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt. Zwischen dem 18. April und dem 16. Oktober 1997
erhielt das Land auf die gepfändeten Forderungen von Drittschuldnern 259.081,91 DM.
Der Kläger hat das Land, gestützt auf die Vorschriften der Konkursanfechtung , auf Auskehr dieses Betrages verklagt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 72.608,41 DM stattgegeben. Die Berufung des Landes, das die vollständige Klageabweisung erstrebte, hatte keinen Erfolg. Dagegen wendet sich das Land mit seiner Revision.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.


Das Oberlandesgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:
Die Zahlungen des Drittschuldners in Höhe von 72.608,41 DM stellten Rechtshandlungen dar, die nach Stellung des Konkursantrags vorgenommen worden seien. Zwar sei die Pfändungs- und Überweisungsverfügung ergangen, bevor das verklagte Land Kenntnis vom Konkursantrag erhalten habe. Darauf komme es jedoch nicht an. Die Pfändung und Überweisung der Ansprüche stelle zusammen mit der daraus erfolgten Zahlung einen mehraktigen Er-
werbstatbestand dar. Für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Stellung des Konkursantrags komme es auf den letzten Teilakt an. Das sei hier die Zahlung. In dem betreffenden Zeitpunkt habe das verklagte Land die Kenntnis gehabt. Die Anfechtungsfrist des § 41 KO sei rechtzeitig unterbrochen worden, weil ihr Lauf erst mit Zahlungseingang begonnen habe.

II.


Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat in den Entscheidungsgründen nicht deutlich gemacht, welchen Anfechtungstatbestand es für gegeben hält. Die Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil im Tatbestand läßt aber darauf schließen, daß ihm die Vorschrift des § 30 Nr. 1 Halbs. 2 KO vor Augen gestanden hat.
2. Den dort verwendeten Begriff der "Rechtshandlung" hat das Berufungsgericht verkannt. Läßt ein Gläubiger eine Forderung des Schuldners pfänden und sich zur Einziehung überweisen (§§ 828, 835 ZPO) oder erläßt ein - hierzu befugter - Gläubiger eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung (§§ 309 ff AO) und zahlt der Drittschuldner hernach auf die gepfändete Forderung an den Gläubiger, so liegt kein einheitlicher - mehraktiger - Erwerbstatbestand vor. Vielmehr sind einerseits die Pfändung und Überweisung und andererseits die Zahlung jeweils selbständige Rechtshandlungen. Durch die Pfändung und Überweisung erwirbt der pfändende Gläubiger ein Pfändungspfandrecht , also eine dingliche Sicherheit, die ihm im Konkurs ein Absonderungs-
recht an der ihm überwiesenen Forderung verschafft (§ 49 Abs. 1 Ziff. 2 KO). Durch die Zahlung des Drittschuldners erlangt der Gläubiger in entsprechender Höhe Befriedigung für seine Forderung, derentwegen er vollstreckt. Mit einem Grundstückserwerb - bei dem für den Erwerb einer und derselben Sache mehrere Vorgänge (Einigung und Eintragung) erforderlich sind - ist dies, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, nicht vergleichbar. Sowohl die Erlangung des Pfändungspfandrechts als auch die Befriedigung können jeweils selbständig angefochten werden. Die Anfechtung der Befriedigung ist aber nicht erfolgversprechend , wenn die Pfändung und Überweisung wirksam und insolvenzbeständig sind. Denn in diesem Falle wird die Gläubigergesamtheit durch die Erlangung der Befriedigung nicht benachteiligt. Der Pfändungspfandgläubiger erhält dadurch nur das, was ihm bereits aufgrund des Pfändungspfandrechts zusteht (vgl. BGHZ 64, 312, 314 f; 118, 171, 179; BGH, Urt. v. 11. Juli 1991 - IX ZR 230/90, ZIP 1991, 1014, 1017 unter C 2 a m.w.N.).
3. Das Berufungsgericht hätte deshalb nicht auf die Zahlung, sondern auf die vorausgegangene Pfändung abstellen müssen. Dahin ging auch der Prozeßvortrag der Parteien. Ob die Pfändung anfechtbar ist, hat das Berufungsgericht nicht geprüft.

III.


Das angefochtene Urteil läßt sich auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten (§ 563 ZPO). Aufgrund der bisherigen Sach- und Rechtslage
kann insbesondere nicht abschließend beurteilt werden, ob die Pfändungsverfügung vom 27. September 1996 anfechtbar ist oder nicht.
Es ist nicht festgestellt, wann diese Pfändungsverfügung zugestellt worden ist. Dieser Zeitpunkt ist für das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen maßgeblich. Falls die Zustellung vor dem 4. Oktober 1996 erfolgte, ist die Pfändung vor dem Konkurseröffnungsantrag wirksam geworden. Damit steht indes - entgegen der Ansicht der Revision - die Unanfechtbarkeit der Pfändung noch nicht fest. Diese ist nicht nach § 30 Nr. 1 Halbs. 2, sondern nach § 30 Nr. 2 KO zu beurteilen, weil es sich bei der Pfändung um eine Maßnahme der "Sicherung" handelte, die das verklagte Land "nicht... zu beanspruchen" hatte. Die Pfändung ist gemäß § 30 Nr. 2 KO anfechtbar, wenn die GmbH zu dem genannten Zeitpunkt ihre Zahlungen eingestellt hatte oder sie binnen zehn Tagen danach einstellte und das verklagte Land nicht beweist, daß ihm zur Zeit der Pfändung (d.h. deren Zustellung) die Zahlungseinstellung nicht bekannt und es überzeugt war, das Vermögen der GmbH reiche zur vollständigen Befriedigung aller ihrer Gläubiger aus oder sie werde die dafür erforderlichen Mittel in absehbarer Zeit erhalten (vgl. BGHZ 128, 196, 202).
Wann die Gemeinschuldnerin ihre Zahlungen eingestellt hat, steht nicht fest. Auch ist nicht festgestellt, welche Vorstellungen das Land bei Zustellung der Pfändung über die finanzielle Lage der Gemeinschuldnerin hatte.

IV.


Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit festgestellt wird, ob die Pfändungsverfügung anfechtbar ergangen ist.
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht überdies Gelegenheit, sich nochmals mit der Frage zu befassen, ob der Kläger die Ausschluß-(nicht: Verjährungs-)Frist des § 41 Abs. 1 Satz 1 KO gewahrt hat. Ist die Masse zur Tragung der Kosten des Anfechtungsprozesses außerstande, wird zwar die Frist des § 41 Abs. 1 Satz 1 KO durch ein rechtzeitig gestelltes, ordnungsgemäß begründetes und vollständiges Prozeßkostenhilfegesuch gehemmt im Sinne von § 203 Abs. 2 BGB (BGHZ 70, 235, 237; BGH, Urt. v. 8. März 1989 - IVa ZR 221/87, NJW 1989, 3149). Diese Vorschrift ist auf die Anfechtungsfrist entsprechend anwendbar (§ 41 Abs. 1 Satz 2 KO). Indes hat der Kläger innerhalb der - seit der Verfahrenseröffnung zu rechnenden - Jahresfrist nur den Prozeßkostenhilfeantrag vom 29. Januar 1998 gestellt. Damit sollte eine Klage auf Auskehr eines Betrages von 16.400 DM vorbereitet werden. Es erscheint fraglich, ob damit die Anfechtung der Pfändungs- und Überweisungsverfügung hinreichend deutlich geltend gemacht worden ist. Zwar muß die Anfechtung nicht als solche besonders erklärt oder geltend gemacht werden (BGHZ 135, 140, 149). Genügend - aber auch erforderlich - ist der Vortrag eines Sachverhalts , der die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands erfüllt. Daran könnte es im vorliegenden Fall fehlen, weil im Prozeßkostenhilfegesuch vom 29. Januar 1998 nur vorgetragen war, das Finanzamt O. habe wegen fruchtloser Vollstreckungsmaßnahmen Konkursantrag gestellt und verwahre einen bei ihm eingegangenen, nicht näher zuzuordnenden Betrag von 16.400 DM, den es im Hinblick auf Rechte Dritter nicht an den Kläger herausgeben wolle.
Falls das zur Geltendmachung der Anfechtung nicht ausreichen sollte, könnte der Vortrag des Klägers erheblich werden, das verklagte Land sei gemäß § 242 BGB gehindert, sich auf den Ablauf der Anfechtungsfrist zu berufen (zur Anwendbarkeit des § 242 BGB in diesem Falle vgl. Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 41 Rdnr. 41), weil es dem Kläger in vorwerfbarer Weise die von ihm
benötigten Informationen vorenthalten habe. Auch dazu können - jedenfalls nach weiterer Substantiierung des klägerischen Vorbringens - Feststellungen erforderlich werden.
Paulusch Kreft Kirchhof Fischer Ganter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 31/05
Verkündet am:
11. Januar 2007
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja (zu Teil I. und II.)
BGHR: ja
Wird ein Gläubiger mit Mitteln befriedigt, die der Schuldner aus einer lediglich
geduldeten Kontoüberziehung schöpft, kann die Deckung in der Insolvenz des
Schuldners in der Regel mangels Gläubigerbenachteiligung nicht angefochten
werden.
BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - IX ZR 31/05 - OLG Stuttgart
LG Ellwangen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter
Raebel, Dr. Kayser und Cierniak und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Januar 2005 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 20. August 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt als Verwalter in dem am 24. September 2002 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. GmbH (i. F.: Schuldnerin) von der Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückgewähr einer Scheckzahlung.
2
Am 10. Juni 2002 übergab der Geschäftsführer der Schuldnerin zur Abwendung der Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Sozialversicherungs- beiträge dem von der Beklagten beauftragten Vollziehungsbeamten einen auf den 24. Juni 2002 vordatierten Scheck über 13.869,16 €, der dem Konto der Schuldnerin bei der H. Sparkasse am 25. Juni 2002 belastet wurde. Das Konto, für das ein vertraglicher Dispositionskredit bis 102.000 € eingeräumt war, befand sich bei der Abbuchung mit 155.953,80 € im Soll. Am 22. Juli 2002 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag.
3
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 13.869,16 € nebst Zinsen gerichtete Anfechtungsklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Erkenntnisses.

I.


5
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in ZInsO 2005, 942 abgedruckt ist, hat ausgeführt, der Kläger könne die Scheckzahlung an die Beklagte nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechten. Die zur Vermeidung der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgte Übergabe des Schecks innerhalb der Dreimonatsfrist vor Stellung des Insolvenzantrags stelle eine inkongruente Deckung dar. Die anfechtbare Rechtshandlung sei im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag vorgenommen worden. Es komme dabei nach § 140 Abs. 1 InsO nicht auf die Übergabe des Schecks, sondern auf die Belastung des Schuldnerkontos an, weil die bezogene Sparkasse keine Einlösungspflicht gehabt habe. Die Zahlung von dem debitorisch geführten Schuldnerkonto habe die Insolvenzgläubiger benachteiligt, auch wenn vorher kein dafür ausreichender Kreditrahmen vereinbart worden sei. Der Fall sei nicht anders zu beurteilen, als hätte der Schuldner die Forderung eines späteren Insolvenzgläubigers mit Mitteln aus einem Dispositionskredit erfüllt. Es könne davon ausgegangen werden , dass das Schuldnervermögen nicht ausreichen werde, um alle Forderungen zu befriedigen. Sozialversicherungsträger seien in der Insolvenz des Beitragsschuldners nicht anders zu behandeln als sonstige Insolvenzgläubiger.

II.


6
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
7
1. Die zur Abwendung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erbrachte Leistung des späteren Insolvenzschuldners bewirkt innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag eine inkongruente Deckung im Sinne des § 131 InsO (BGHZ 136, 309, 311 f; 155, 75, 80 ff; 157, 350, 353; BGH, Urt. v. 7. Februar 2002 - IX ZR 115/99, WM 2002, 561, 564; v. 15. Mai 2003 - IX ZR 194/02, WM 2003, 1278 f; st. Rspr.). Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch für Zahlungen des Schuldners als Arbeitgeber auf die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung (vgl. BGHZ 149, 100, 105 ff; BGH, Urt. v. 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02, WM 2003, 1776, 1777; BGH, Urt. v. 9. Juni 2005 - IX ZR 152/03, ZIP 2005, 1243; v. 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01, WM 2006, 190 ff). Der Ansicht der Revision, Zwangsvollstre- ckungsmaßnahmen oder deren Ankündigung durch Sozialversicherungsträger könnten nicht inkongruent sein, weil diese Zwangsgläubiger des Schuldners und als solche gesetzlich zur Einziehung und notfalls zwangsweisen Beitreibung der Beiträge verpflichtet seien, ist der Senat bereits mehrfach entgegen getreten. Zu einer nochmaligen Auseinandersetzung mit dieser Frage gibt der Streitfall keinen Anlass.
8
2. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis auch zutreffend davon ausgegangen , die angefochtene Rechtshandlung sei innerhalb des letzten Monats vor Stellung des Insolvenzantrags vorgenommen worden.
9
a) Die Ausstellung eines Schecks und dessen Einlösung durch die bezogene Bank sind keine Teilakte eines einheitlichen Vorgangs, sondern anfechtungsrechtlich voneinander zu trennen (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 140 Rn. 9, § 129 Rn. 57 f; HK-InsO/Kreft, 4. Aufl. § 129 Rn. 12; Uhlenbruck/Hirte, InsO 12. Aufl. § 129 Rn. 70). Bei mehreren Rechtshandlungen ist grundsätzlich jede Handlung auf ihre Anfechtbarkeit zu prüfen (BGH, Urt. v. 21. März 2000 - IX ZR 138/99, NZI 2000, 310; v. 7. Februar 2002, aaO, 563).
10
b) Eine Rechtshandlung gilt grundsätzlich als in dem Zeitpunkt vorgenommen , in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO). Diese Wirkungen treten ein, sobald eine Rechtsposition begründet worden ist, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beachtet werden müsste (Begründung zu § 159 des Regierungsentwurfs einer Insolvenzordnung, BTDrucks. 12/2443, S. 166), weil sie zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt hat (vgl. BGHZ 156, 350, 357; BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998 – IX ZR 337/97, ZIP 1998, 2008, 2009; G. Fischer ZIP 2004, 1679, 1680). Die Hingabe eines Schecks stellt nach § 364 Abs. 2 BGB eine Leistung erfüllungshalber dar, mit der der Schuldner zur Befriedigung des Gläubigers eine neue Verbindlichkeit übernimmt (vgl. BGHZ 44, 178, 179; 83, 96, 101). Ob für die Anfechtung wegen der Haftung des Ausstellers nach Art. 12 Satz 1 ScheckG bereits der Ausstellungszeitpunkt maßgeblich sein kann (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof aaO; einschränkend § 129 Rn. 145; HmbKomm-InsO/Rogge, § 129 Rn. 83; Spliedt EWiR 2005, 479), oder ob auf den Zeitpunkt der Einlösung abzustellen ist, weil der Schecknehmer vorher regelmäßig noch keine feste Rechtsposition besitzt (vgl. FK-InsO/Dauernheim, 4. Aufl. § 140 Rn. 8; Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 819; wohl auch Uhlenbruck/Hirte, aaO § 140 Rn. 5; Kübler/Prütting /Paulus, InsO § 140 Rn. 4), kann offen bleiben, weil sich die verschärfte Haftung des Scheckausstellers vorliegend nicht ausgewirkt hat. Die Beklagte hätte den Scheck zwar ungeachtet der Vordatierung nach Art. 28 Abs. 2 ScheckG sofort zur Einlösung vorlegen können. Mit der Annahme einer Leistung erfüllungshalber ist aber in der Regel eine Stundung der ursprünglichen Forderung verbunden, die entweder mit der Erfüllung oder dadurch endet, dass der Versuch der anderweitigen Befriedigung misslingt (vgl. BGHZ 96, 182, 193 zum Wechsel; BGHZ 116, 278, 282; Palandt/Grüneberg, BGB 66. Aufl. § 364 Rn. 9). Das gilt bei der Annahme eines Schecks jedenfalls dann, wenn dieser vom Aussteller mit einem späteren Datum versehen wird (vgl. Staudinger/ Olzen, BGB Neubearbeitung 2006 § 364 Rn. 60 m.w.N.). Eine Stundung der ursprünglichen Forderung, der die Beklagte hier auch Rechnung getragen hat, ist aber als solche nicht gläubigerbenachteiligend (vgl. BGH, Urt. v. 2. Februar 2006 - IX ZR 67/02, WM 2006, 621, 625 zur Wechselbegebung).
11
3. Mit den Feststellungen des Berufungsgerichts kann eine Gläubigerbenachteiligung nicht bejaht werden. Wird ein Gläubiger mit Mitteln befriedigt, die der Schuldner aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpft, kann die Deckung in der Insolvenz des Schuldners in der Regel mangels Gläubiger- benachteiligung nicht angefochten werden. Für eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist in diesem Fall nur Raum, wenn der Anspruch der Bank auf Rückzahlung des Kredits, auf dessen Gewährung der Schuldner keinen Anspruch hatte (Überziehungskredit), für die Insolvenzmasse ungünstiger ist als der Anspruch des befriedigten Gläubigers, insbesondere weil die Bank für ihren Darlehensrückzahlungsanspruch über (bessere) Sicherheiten verfügt (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 129 Rn. 108, 123, 144). Vorliegend bedarf die letztgenannte Frage indes aus prozessualen Gründen keiner Entscheidung.
12
Gläubigerbenachteiligung a) tritt ein, wenn die Insolvenzmasse durch eine Rechtshandlung verkürzt wird, so dass sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGHZ 124, 76, 78 f; 155, 75, 80 f; HKInsO /Kreft, aaO § 129 Rn. 36). Eine solche Verkürzung der Masse ist grundsätzlich auch in Fällen zu bejahen, in denen der Schuldner mit den Mitteln eines ihm zuvor zur Disposition gestellten Kredits einen Gläubiger befriedigt hat (vgl. BGH, Urt. v. 7. Juni 2001 - IX ZR 195/00, WM 2001, 1476, 1477; v. 7. Februar 2002 - IX ZR 115/99, WM 2002, 561). Der Anspruch auf Auszahlung eines zugesagten Darlehens ist mit dessen Abruf pfändbar (vgl. BGHZ 147, 193, 195 ff) und daher vom Insolvenzbeschlag erfasst. Durch die isoliert auf ihre gläubigerbenachteiligende Folge zu prüfende Tilgung der Gläubigerforderung mit den gewährten Darlehensmitteln wird das Aktivvermögen des Schuldners grundsätzlich zu Lasten der übrigen Insolvenzgläubiger verringert, wenn die Masse im eröffneten Verfahren nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht und der Gläubiger einer Insolvenzforderung nicht lediglich unmittelbar durch einen anderen , nicht besser gesicherten gleichartigen Gläubiger ersetzt wird (vgl. Urt. v. 7. Februar 2002 aaO, 562 f).
13
b) Eine Verfügung des Schuldners über Gegenstände, die aus Rechtsgründen nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, weil sie nicht gepfändet werden können, bewirkt indes keine Gläubigerbenachteiligung, weil sie zur Gläubigerbefriedigung von vornherein ungeeignet sind und nicht zur Insolvenzmasse im Sinn der §§ 35 f InsO gehören (vgl. BGHZ 123, 183, 185 zur Gläubigeranfechtung ; BGHZ 155, 75, 82; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 129 Rn. 84; HK-InsO/Kreft, aaO § 129 Rn. 50; Uhlenbruck/Hirte, aaO § 129 Rn. 98; Kübler /Prütting/Paulus, aaO § 129 Rn. 29). So liegt der Fall auch bei Tilgung von Gläubigerforderungen mit Mitteln aus einer ungenehmigten Kontoüberziehung.
14
aa) Die bloße Duldung einer Kontoüberziehung gibt dem Kunden gegen die Bank keinen Anspruch auf Kredit und schafft damit keine pfändbare Forderung (vgl. BGHZ 93, 315, 325; 147, 193, 202). Dagegen ist eingewendet worden , bei der geduldeten Überziehung werde schon "eine juristische (oder: logische ) Sekunde" vor der Ausführung der Zahlungsanweisung durch das Kreditinstitut ein Darlehensvertrag und somit ein pfändbarer Anspruch des Kunden auf Auszahlung der Darlehensvaluta begründet (vgl. Grunsky JZ 1985, 490, 491; Wagner ZIP 1985, 849, 853; Baßlsperger Rpfleger 1985, 177, 180; Peckert ZIP 1986, 1232, 1234; Gaul KTS 1989, 3, 7; Jungmann ZInsO 1999, 64, 71 f; Spliedt aaO, 480; Henkel ZInsO 2005, 468, 469; Zeller, Die Vollstreckung in offene Kreditlinien, 2006, S. 288 ff; im Ansatz auch Bitter WM 2004, 1109, 1110 sowie Lwowski/Bitter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch 2. Aufl. Bd. I § 33 Rn. 53, welche die Pfändbarkeit aber aus anderen Gründen ablehnen). Dieser Anspruch unterliege dann auch dem Insolvenzbeschlag (vgl. Vendolsky ZIP 2005, 786, 788; Stiller ZInsO 2005, 72, 73 f; Blank ZInsO 2004, 983). Aus insolvenzrechtlicher Sicht wird - so auch seitens des Berufungsgerichts - weiterhin zu bedenken gegeben, es mache wirtschaftlich keinen Unterschied und führe zu Zufallsergebnissen, wenn die Anfechtbarkeit von Zahlungen davon abhinge, ob der Schuldner in der Krise Bargeld, Guthabensbestände oder Kreditmittel welcher Art auch immer zur Befriedigung eines Gläubigers einsetze. Die meisten Zahlungen in dieser Situation würden durch weitere Belastungen eines debitorisch geführten Bankkontos erbracht. Eine Zahlung sei ohne weiteres anfechtbar, wenn der Schuldner diese nach Abhebung von einem debitorisch geführten Konto, auch außerhalb einer bewilligten Kreditlinie, in bar leiste. Bei mehreren Bankverbindungen des Schuldners käme es darauf an, ob er für eine bargeldlose Zahlung ein im Haben oder im Soll geführtes Konto wähle. Auch könne es dann einen Unterschied machen, ob auf einem Konto zunächst eine Gutschrift erfolge, so dass die angefochtene Zahlung aus einem Guthaben vorgenommen werde, oder ob die Zahlung aus einem Konto im Debet stattfinde, und diesem Konto erst dann etwas gutgebracht werde (vgl. OLG Hamburg ZIP 2002, 1360, 1364). Schließlich könnten Schuldner , die ausgewählte Einzelgläubiger vorrangig befriedigen wollten, die Durchsetzung von anfechtungsrechtlichen Rückgewähransprüchen durch Zahlungen im Rahmen einer nur geduldeten Überziehung ihrer Bankkonten unterlaufen (vgl. Stiller aaO, 74).
15
bb) Der Senat hält an seiner Auffassung auch für die Insolvenzanfechtung fest. § 488 Abs. 1 BGB n.F., wonach der Darlehensvertrag ein Konsensualvertrag ist, steht dem nicht entgegen. Beim Dispositionskredit geht der Auszahlungshandlung der Bank stets der Abruf durch den Kunden voraus, mit dem das Darlehensangebot angenommen und damit der Anspruch auf Auszahlung begründet wird (vgl. BGHZ 147, 193, 195; 157, 350, 355). Hier besteht - möglicherweise nur für kurze Zeit - ein Darlehensanspruch von Rechts wegen und die Pfändung, die mit dem Abruf als vorgenommen gilt (BGHZ 157, 350, 355 f; BGH, Urt. v. 17. Februar 2004 - IX ZR 318/01, WM 2004, 669, 670), kann Wirkung entfalten. Bei der ungenehmigten Kontoüberziehung besteht dagegen vor der im Belieben der Bank stehenden Durchführung der Zahlungsanweisung - die zugleich die konkludente Annahme des Kundenangebots auf Abschluss des Darlehensvertrages darstellt (vgl. Ganter in Horn/Krämer, Bankrecht (2002), S. 135, 141; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB Neubearbeitung 2004 § 493 Rn. 33) - kein Anspruch auf den Kredit, sondern nur eine Chance, dass die Bank die Überziehung duldet. Die zusätzliche Liquidität, die der Schuldner durch eine geduldete Kontoüberziehung erhält, ist damit auch kein den Insolvenzgläubigern haftendes Vermögen, solange der fragliche Betrag nicht an ihn ausbezahlt oder auf ein im pfändbaren Bereich geführtes Konto übertragen wird. Was für die Einzelzwangsvollstreckung gilt, muss im Bereich der Insolvenzanfechtung ebenfalls Beachtung finden. Dass mehrere einem Schuldner zu Gebote stehende wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten unterschiedliche anfechtungsrechtliche Konsequenzen haben können, ist dabei grundsätzlich hinzunehmen. Der Senat hat zwar auch einen zweckgebundenen Darlehensanspruch , der möglicherweise unpfändbar war, dem Insolvenzbeschlag unterworfen , weil die Zweckbindung nicht den Interessen des Schuldners, sondern denen der Bank und des mit dem Darlehen befriedigten Gläubigers diente (vgl. BGH, Urt. v. 7. Juni 2001 aaO). Der vorliegende Sachverhalt liegt jedoch rechtlich anders, weil hier kein Anspruch auf das Darlehen begründet worden ist.
16
c) Von einer konkludenten Einigung über eine Erweiterung der Kreditlinie (vgl. dazu BGH, Urt. v. 17. Juni 1999 - IX ZR 62/98, WM 1999, 1577, 1578 m.w.N.; Ganter aaO, 141 f, 151, 157) kann im Streitfall nicht ausgegangen werden , weil Vortrag des Klägers hierzu fehlt und das Berufungsgericht keine entsprechenden Feststellungen getroffen hat. Offen bleiben kann daher, ob und unter welchen Voraussetzungen die konkludente Vereinbarung einer erhöhten Kreditlinie in Betracht kommt, wenn die Bank eine an sich vertragswidrige Überziehung über einen längeren Zeitraum zulässt.

III.


17
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist unbegründet. Das weitere Vorbringen des Klägers zur Begründung seines Anspruchs muss nach § 531 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt bleiben, so dass eine Zurückweisung zwecks weiterer Feststellungen hierzu nicht in Betracht kommt.
18
1. Der Kläger hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil des Landgerichts ergangen ist, erstmals vorgetragen, dass die H. Sparkasse für ihre Forderungen durch eine Globalzession sowie durch vorrangige Grundschulden an einem Grundstück der Schuldnerin gesichert gewesen sei und deshalb in der Insolvenz des Schuldners ein durchsetzbares Absonderungsrecht erworben habe. Diesen Vortrag hat das Landgericht ohne Rechtsfehler als verspätet unberücksichtigt gelassen (§ 296a ZPO). Vertagung oder eine Schriftsatzfrist gemäß § 139 Abs. 5 ZPO zur Erklärung auf den in der Güteverhandlung erteilten Hinweis des Gerichts auf die Unschlüssigkeit der bisherigen Klagebegründung hat der Kläger nicht beantragt. Eine Pflicht des Gerichts zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung von Amts wegen (§ 156 Abs. 2 ZPO) bestand nicht. Danach ist - von dem Sonderfall eines Wiederaufnahmegrundes abgesehen - die Wiedereröffnung nur dann geboten, wenn sich aus dem nicht nachgelassenen Vorbringen ergibt, dass es aufgrund eines nicht prozessordnungsgemäßen Verhaltens des Gerichts, insbesondere einer Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht rechtzeitig in den Rechtsstreit eingeführt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 28. Oktober 1999 - IX ZR 341/98, NJW 2000, 142, 143 m.w.N.). Hierfür ist im gegenwärtigen Rechtsstreit nichts ersichtlich, vielmehr beruhte das verspätete Vorbringen allein auf der Nachlässigkeit der Klagepartei. Das Vorbringen durfte nach dem im Fall des § 296a ZPO anwendbaren § 531 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 10. Juli 1979 - VI ZR 223/78, NJW 1979, 2109, 2110; v. 10. März 1983 - VII ZR 135/82, NJW 1983, 2030, 2031 jeweils zu § 528 Abs. 2 ZPO a.F.) im Berufungsverfahren und folglich auch bei einer ersetzenden Entscheidung in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden. Die Tatsache, dass das Berufungsgericht die Frage der Banksicherheiten nicht erörtert hat, weil es sie - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht für erheblich hielt, ändert daran nichts.
19
2. Das in der Berufungsbegründung wiederholte Vorbringen zu den Sicherheiten der H. Sparkasse war in zweiter Instanz auch nicht deshalb zu berücksichtigen, weil es als unstreitig hätte gewertet werden müssen (zur Berücksichtigung unstreitiger Noven in der Berufung vgl. BGHZ 161, 138, 142; BGH, Urt. v. 6. Dezember 2004 - II ZR 394/02, WM 2005, 295, 296). Die Beklagte hat im Einzelnen bestritten, dass die Sparkasse aus den behaupteten Sicherheiten Befriedigung erlangen konnte.
Fischer Raebel Kayser
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
LG Ellwangen, Entscheidung vom 20.08.2004 - 3 O 299/04 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 13.01.2005 - 2 U 164/04 -

(1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten.

(2) Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Ist der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf die Rechtsänderung gestellt worden, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, daß dieser Antrag an die Stelle des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung tritt.

(3) Bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 31/05
Verkündet am:
11. Januar 2007
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja (zu Teil I. und II.)
BGHR: ja
Wird ein Gläubiger mit Mitteln befriedigt, die der Schuldner aus einer lediglich
geduldeten Kontoüberziehung schöpft, kann die Deckung in der Insolvenz des
Schuldners in der Regel mangels Gläubigerbenachteiligung nicht angefochten
werden.
BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - IX ZR 31/05 - OLG Stuttgart
LG Ellwangen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter
Raebel, Dr. Kayser und Cierniak und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Januar 2005 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 20. August 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt als Verwalter in dem am 24. September 2002 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. GmbH (i. F.: Schuldnerin) von der Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückgewähr einer Scheckzahlung.
2
Am 10. Juni 2002 übergab der Geschäftsführer der Schuldnerin zur Abwendung der Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Sozialversicherungs- beiträge dem von der Beklagten beauftragten Vollziehungsbeamten einen auf den 24. Juni 2002 vordatierten Scheck über 13.869,16 €, der dem Konto der Schuldnerin bei der H. Sparkasse am 25. Juni 2002 belastet wurde. Das Konto, für das ein vertraglicher Dispositionskredit bis 102.000 € eingeräumt war, befand sich bei der Abbuchung mit 155.953,80 € im Soll. Am 22. Juli 2002 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag.
3
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 13.869,16 € nebst Zinsen gerichtete Anfechtungsklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Erkenntnisses.

I.


5
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in ZInsO 2005, 942 abgedruckt ist, hat ausgeführt, der Kläger könne die Scheckzahlung an die Beklagte nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechten. Die zur Vermeidung der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgte Übergabe des Schecks innerhalb der Dreimonatsfrist vor Stellung des Insolvenzantrags stelle eine inkongruente Deckung dar. Die anfechtbare Rechtshandlung sei im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag vorgenommen worden. Es komme dabei nach § 140 Abs. 1 InsO nicht auf die Übergabe des Schecks, sondern auf die Belastung des Schuldnerkontos an, weil die bezogene Sparkasse keine Einlösungspflicht gehabt habe. Die Zahlung von dem debitorisch geführten Schuldnerkonto habe die Insolvenzgläubiger benachteiligt, auch wenn vorher kein dafür ausreichender Kreditrahmen vereinbart worden sei. Der Fall sei nicht anders zu beurteilen, als hätte der Schuldner die Forderung eines späteren Insolvenzgläubigers mit Mitteln aus einem Dispositionskredit erfüllt. Es könne davon ausgegangen werden , dass das Schuldnervermögen nicht ausreichen werde, um alle Forderungen zu befriedigen. Sozialversicherungsträger seien in der Insolvenz des Beitragsschuldners nicht anders zu behandeln als sonstige Insolvenzgläubiger.

II.


6
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
7
1. Die zur Abwendung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erbrachte Leistung des späteren Insolvenzschuldners bewirkt innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag eine inkongruente Deckung im Sinne des § 131 InsO (BGHZ 136, 309, 311 f; 155, 75, 80 ff; 157, 350, 353; BGH, Urt. v. 7. Februar 2002 - IX ZR 115/99, WM 2002, 561, 564; v. 15. Mai 2003 - IX ZR 194/02, WM 2003, 1278 f; st. Rspr.). Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch für Zahlungen des Schuldners als Arbeitgeber auf die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung (vgl. BGHZ 149, 100, 105 ff; BGH, Urt. v. 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02, WM 2003, 1776, 1777; BGH, Urt. v. 9. Juni 2005 - IX ZR 152/03, ZIP 2005, 1243; v. 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01, WM 2006, 190 ff). Der Ansicht der Revision, Zwangsvollstre- ckungsmaßnahmen oder deren Ankündigung durch Sozialversicherungsträger könnten nicht inkongruent sein, weil diese Zwangsgläubiger des Schuldners und als solche gesetzlich zur Einziehung und notfalls zwangsweisen Beitreibung der Beiträge verpflichtet seien, ist der Senat bereits mehrfach entgegen getreten. Zu einer nochmaligen Auseinandersetzung mit dieser Frage gibt der Streitfall keinen Anlass.
8
2. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis auch zutreffend davon ausgegangen , die angefochtene Rechtshandlung sei innerhalb des letzten Monats vor Stellung des Insolvenzantrags vorgenommen worden.
9
a) Die Ausstellung eines Schecks und dessen Einlösung durch die bezogene Bank sind keine Teilakte eines einheitlichen Vorgangs, sondern anfechtungsrechtlich voneinander zu trennen (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 140 Rn. 9, § 129 Rn. 57 f; HK-InsO/Kreft, 4. Aufl. § 129 Rn. 12; Uhlenbruck/Hirte, InsO 12. Aufl. § 129 Rn. 70). Bei mehreren Rechtshandlungen ist grundsätzlich jede Handlung auf ihre Anfechtbarkeit zu prüfen (BGH, Urt. v. 21. März 2000 - IX ZR 138/99, NZI 2000, 310; v. 7. Februar 2002, aaO, 563).
10
b) Eine Rechtshandlung gilt grundsätzlich als in dem Zeitpunkt vorgenommen , in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO). Diese Wirkungen treten ein, sobald eine Rechtsposition begründet worden ist, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beachtet werden müsste (Begründung zu § 159 des Regierungsentwurfs einer Insolvenzordnung, BTDrucks. 12/2443, S. 166), weil sie zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt hat (vgl. BGHZ 156, 350, 357; BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998 – IX ZR 337/97, ZIP 1998, 2008, 2009; G. Fischer ZIP 2004, 1679, 1680). Die Hingabe eines Schecks stellt nach § 364 Abs. 2 BGB eine Leistung erfüllungshalber dar, mit der der Schuldner zur Befriedigung des Gläubigers eine neue Verbindlichkeit übernimmt (vgl. BGHZ 44, 178, 179; 83, 96, 101). Ob für die Anfechtung wegen der Haftung des Ausstellers nach Art. 12 Satz 1 ScheckG bereits der Ausstellungszeitpunkt maßgeblich sein kann (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof aaO; einschränkend § 129 Rn. 145; HmbKomm-InsO/Rogge, § 129 Rn. 83; Spliedt EWiR 2005, 479), oder ob auf den Zeitpunkt der Einlösung abzustellen ist, weil der Schecknehmer vorher regelmäßig noch keine feste Rechtsposition besitzt (vgl. FK-InsO/Dauernheim, 4. Aufl. § 140 Rn. 8; Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 819; wohl auch Uhlenbruck/Hirte, aaO § 140 Rn. 5; Kübler/Prütting /Paulus, InsO § 140 Rn. 4), kann offen bleiben, weil sich die verschärfte Haftung des Scheckausstellers vorliegend nicht ausgewirkt hat. Die Beklagte hätte den Scheck zwar ungeachtet der Vordatierung nach Art. 28 Abs. 2 ScheckG sofort zur Einlösung vorlegen können. Mit der Annahme einer Leistung erfüllungshalber ist aber in der Regel eine Stundung der ursprünglichen Forderung verbunden, die entweder mit der Erfüllung oder dadurch endet, dass der Versuch der anderweitigen Befriedigung misslingt (vgl. BGHZ 96, 182, 193 zum Wechsel; BGHZ 116, 278, 282; Palandt/Grüneberg, BGB 66. Aufl. § 364 Rn. 9). Das gilt bei der Annahme eines Schecks jedenfalls dann, wenn dieser vom Aussteller mit einem späteren Datum versehen wird (vgl. Staudinger/ Olzen, BGB Neubearbeitung 2006 § 364 Rn. 60 m.w.N.). Eine Stundung der ursprünglichen Forderung, der die Beklagte hier auch Rechnung getragen hat, ist aber als solche nicht gläubigerbenachteiligend (vgl. BGH, Urt. v. 2. Februar 2006 - IX ZR 67/02, WM 2006, 621, 625 zur Wechselbegebung).
11
3. Mit den Feststellungen des Berufungsgerichts kann eine Gläubigerbenachteiligung nicht bejaht werden. Wird ein Gläubiger mit Mitteln befriedigt, die der Schuldner aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpft, kann die Deckung in der Insolvenz des Schuldners in der Regel mangels Gläubiger- benachteiligung nicht angefochten werden. Für eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist in diesem Fall nur Raum, wenn der Anspruch der Bank auf Rückzahlung des Kredits, auf dessen Gewährung der Schuldner keinen Anspruch hatte (Überziehungskredit), für die Insolvenzmasse ungünstiger ist als der Anspruch des befriedigten Gläubigers, insbesondere weil die Bank für ihren Darlehensrückzahlungsanspruch über (bessere) Sicherheiten verfügt (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 129 Rn. 108, 123, 144). Vorliegend bedarf die letztgenannte Frage indes aus prozessualen Gründen keiner Entscheidung.
12
Gläubigerbenachteiligung a) tritt ein, wenn die Insolvenzmasse durch eine Rechtshandlung verkürzt wird, so dass sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGHZ 124, 76, 78 f; 155, 75, 80 f; HKInsO /Kreft, aaO § 129 Rn. 36). Eine solche Verkürzung der Masse ist grundsätzlich auch in Fällen zu bejahen, in denen der Schuldner mit den Mitteln eines ihm zuvor zur Disposition gestellten Kredits einen Gläubiger befriedigt hat (vgl. BGH, Urt. v. 7. Juni 2001 - IX ZR 195/00, WM 2001, 1476, 1477; v. 7. Februar 2002 - IX ZR 115/99, WM 2002, 561). Der Anspruch auf Auszahlung eines zugesagten Darlehens ist mit dessen Abruf pfändbar (vgl. BGHZ 147, 193, 195 ff) und daher vom Insolvenzbeschlag erfasst. Durch die isoliert auf ihre gläubigerbenachteiligende Folge zu prüfende Tilgung der Gläubigerforderung mit den gewährten Darlehensmitteln wird das Aktivvermögen des Schuldners grundsätzlich zu Lasten der übrigen Insolvenzgläubiger verringert, wenn die Masse im eröffneten Verfahren nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht und der Gläubiger einer Insolvenzforderung nicht lediglich unmittelbar durch einen anderen , nicht besser gesicherten gleichartigen Gläubiger ersetzt wird (vgl. Urt. v. 7. Februar 2002 aaO, 562 f).
13
b) Eine Verfügung des Schuldners über Gegenstände, die aus Rechtsgründen nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, weil sie nicht gepfändet werden können, bewirkt indes keine Gläubigerbenachteiligung, weil sie zur Gläubigerbefriedigung von vornherein ungeeignet sind und nicht zur Insolvenzmasse im Sinn der §§ 35 f InsO gehören (vgl. BGHZ 123, 183, 185 zur Gläubigeranfechtung ; BGHZ 155, 75, 82; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 129 Rn. 84; HK-InsO/Kreft, aaO § 129 Rn. 50; Uhlenbruck/Hirte, aaO § 129 Rn. 98; Kübler /Prütting/Paulus, aaO § 129 Rn. 29). So liegt der Fall auch bei Tilgung von Gläubigerforderungen mit Mitteln aus einer ungenehmigten Kontoüberziehung.
14
aa) Die bloße Duldung einer Kontoüberziehung gibt dem Kunden gegen die Bank keinen Anspruch auf Kredit und schafft damit keine pfändbare Forderung (vgl. BGHZ 93, 315, 325; 147, 193, 202). Dagegen ist eingewendet worden , bei der geduldeten Überziehung werde schon "eine juristische (oder: logische ) Sekunde" vor der Ausführung der Zahlungsanweisung durch das Kreditinstitut ein Darlehensvertrag und somit ein pfändbarer Anspruch des Kunden auf Auszahlung der Darlehensvaluta begründet (vgl. Grunsky JZ 1985, 490, 491; Wagner ZIP 1985, 849, 853; Baßlsperger Rpfleger 1985, 177, 180; Peckert ZIP 1986, 1232, 1234; Gaul KTS 1989, 3, 7; Jungmann ZInsO 1999, 64, 71 f; Spliedt aaO, 480; Henkel ZInsO 2005, 468, 469; Zeller, Die Vollstreckung in offene Kreditlinien, 2006, S. 288 ff; im Ansatz auch Bitter WM 2004, 1109, 1110 sowie Lwowski/Bitter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch 2. Aufl. Bd. I § 33 Rn. 53, welche die Pfändbarkeit aber aus anderen Gründen ablehnen). Dieser Anspruch unterliege dann auch dem Insolvenzbeschlag (vgl. Vendolsky ZIP 2005, 786, 788; Stiller ZInsO 2005, 72, 73 f; Blank ZInsO 2004, 983). Aus insolvenzrechtlicher Sicht wird - so auch seitens des Berufungsgerichts - weiterhin zu bedenken gegeben, es mache wirtschaftlich keinen Unterschied und führe zu Zufallsergebnissen, wenn die Anfechtbarkeit von Zahlungen davon abhinge, ob der Schuldner in der Krise Bargeld, Guthabensbestände oder Kreditmittel welcher Art auch immer zur Befriedigung eines Gläubigers einsetze. Die meisten Zahlungen in dieser Situation würden durch weitere Belastungen eines debitorisch geführten Bankkontos erbracht. Eine Zahlung sei ohne weiteres anfechtbar, wenn der Schuldner diese nach Abhebung von einem debitorisch geführten Konto, auch außerhalb einer bewilligten Kreditlinie, in bar leiste. Bei mehreren Bankverbindungen des Schuldners käme es darauf an, ob er für eine bargeldlose Zahlung ein im Haben oder im Soll geführtes Konto wähle. Auch könne es dann einen Unterschied machen, ob auf einem Konto zunächst eine Gutschrift erfolge, so dass die angefochtene Zahlung aus einem Guthaben vorgenommen werde, oder ob die Zahlung aus einem Konto im Debet stattfinde, und diesem Konto erst dann etwas gutgebracht werde (vgl. OLG Hamburg ZIP 2002, 1360, 1364). Schließlich könnten Schuldner , die ausgewählte Einzelgläubiger vorrangig befriedigen wollten, die Durchsetzung von anfechtungsrechtlichen Rückgewähransprüchen durch Zahlungen im Rahmen einer nur geduldeten Überziehung ihrer Bankkonten unterlaufen (vgl. Stiller aaO, 74).
15
bb) Der Senat hält an seiner Auffassung auch für die Insolvenzanfechtung fest. § 488 Abs. 1 BGB n.F., wonach der Darlehensvertrag ein Konsensualvertrag ist, steht dem nicht entgegen. Beim Dispositionskredit geht der Auszahlungshandlung der Bank stets der Abruf durch den Kunden voraus, mit dem das Darlehensangebot angenommen und damit der Anspruch auf Auszahlung begründet wird (vgl. BGHZ 147, 193, 195; 157, 350, 355). Hier besteht - möglicherweise nur für kurze Zeit - ein Darlehensanspruch von Rechts wegen und die Pfändung, die mit dem Abruf als vorgenommen gilt (BGHZ 157, 350, 355 f; BGH, Urt. v. 17. Februar 2004 - IX ZR 318/01, WM 2004, 669, 670), kann Wirkung entfalten. Bei der ungenehmigten Kontoüberziehung besteht dagegen vor der im Belieben der Bank stehenden Durchführung der Zahlungsanweisung - die zugleich die konkludente Annahme des Kundenangebots auf Abschluss des Darlehensvertrages darstellt (vgl. Ganter in Horn/Krämer, Bankrecht (2002), S. 135, 141; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB Neubearbeitung 2004 § 493 Rn. 33) - kein Anspruch auf den Kredit, sondern nur eine Chance, dass die Bank die Überziehung duldet. Die zusätzliche Liquidität, die der Schuldner durch eine geduldete Kontoüberziehung erhält, ist damit auch kein den Insolvenzgläubigern haftendes Vermögen, solange der fragliche Betrag nicht an ihn ausbezahlt oder auf ein im pfändbaren Bereich geführtes Konto übertragen wird. Was für die Einzelzwangsvollstreckung gilt, muss im Bereich der Insolvenzanfechtung ebenfalls Beachtung finden. Dass mehrere einem Schuldner zu Gebote stehende wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten unterschiedliche anfechtungsrechtliche Konsequenzen haben können, ist dabei grundsätzlich hinzunehmen. Der Senat hat zwar auch einen zweckgebundenen Darlehensanspruch , der möglicherweise unpfändbar war, dem Insolvenzbeschlag unterworfen , weil die Zweckbindung nicht den Interessen des Schuldners, sondern denen der Bank und des mit dem Darlehen befriedigten Gläubigers diente (vgl. BGH, Urt. v. 7. Juni 2001 aaO). Der vorliegende Sachverhalt liegt jedoch rechtlich anders, weil hier kein Anspruch auf das Darlehen begründet worden ist.
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c) Von einer konkludenten Einigung über eine Erweiterung der Kreditlinie (vgl. dazu BGH, Urt. v. 17. Juni 1999 - IX ZR 62/98, WM 1999, 1577, 1578 m.w.N.; Ganter aaO, 141 f, 151, 157) kann im Streitfall nicht ausgegangen werden , weil Vortrag des Klägers hierzu fehlt und das Berufungsgericht keine entsprechenden Feststellungen getroffen hat. Offen bleiben kann daher, ob und unter welchen Voraussetzungen die konkludente Vereinbarung einer erhöhten Kreditlinie in Betracht kommt, wenn die Bank eine an sich vertragswidrige Überziehung über einen längeren Zeitraum zulässt.

III.


17
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist unbegründet. Das weitere Vorbringen des Klägers zur Begründung seines Anspruchs muss nach § 531 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt bleiben, so dass eine Zurückweisung zwecks weiterer Feststellungen hierzu nicht in Betracht kommt.
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1. Der Kläger hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil des Landgerichts ergangen ist, erstmals vorgetragen, dass die H. Sparkasse für ihre Forderungen durch eine Globalzession sowie durch vorrangige Grundschulden an einem Grundstück der Schuldnerin gesichert gewesen sei und deshalb in der Insolvenz des Schuldners ein durchsetzbares Absonderungsrecht erworben habe. Diesen Vortrag hat das Landgericht ohne Rechtsfehler als verspätet unberücksichtigt gelassen (§ 296a ZPO). Vertagung oder eine Schriftsatzfrist gemäß § 139 Abs. 5 ZPO zur Erklärung auf den in der Güteverhandlung erteilten Hinweis des Gerichts auf die Unschlüssigkeit der bisherigen Klagebegründung hat der Kläger nicht beantragt. Eine Pflicht des Gerichts zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung von Amts wegen (§ 156 Abs. 2 ZPO) bestand nicht. Danach ist - von dem Sonderfall eines Wiederaufnahmegrundes abgesehen - die Wiedereröffnung nur dann geboten, wenn sich aus dem nicht nachgelassenen Vorbringen ergibt, dass es aufgrund eines nicht prozessordnungsgemäßen Verhaltens des Gerichts, insbesondere einer Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht rechtzeitig in den Rechtsstreit eingeführt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 28. Oktober 1999 - IX ZR 341/98, NJW 2000, 142, 143 m.w.N.). Hierfür ist im gegenwärtigen Rechtsstreit nichts ersichtlich, vielmehr beruhte das verspätete Vorbringen allein auf der Nachlässigkeit der Klagepartei. Das Vorbringen durfte nach dem im Fall des § 296a ZPO anwendbaren § 531 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 10. Juli 1979 - VI ZR 223/78, NJW 1979, 2109, 2110; v. 10. März 1983 - VII ZR 135/82, NJW 1983, 2030, 2031 jeweils zu § 528 Abs. 2 ZPO a.F.) im Berufungsverfahren und folglich auch bei einer ersetzenden Entscheidung in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden. Die Tatsache, dass das Berufungsgericht die Frage der Banksicherheiten nicht erörtert hat, weil es sie - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht für erheblich hielt, ändert daran nichts.
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2. Das in der Berufungsbegründung wiederholte Vorbringen zu den Sicherheiten der H. Sparkasse war in zweiter Instanz auch nicht deshalb zu berücksichtigen, weil es als unstreitig hätte gewertet werden müssen (zur Berücksichtigung unstreitiger Noven in der Berufung vgl. BGHZ 161, 138, 142; BGH, Urt. v. 6. Dezember 2004 - II ZR 394/02, WM 2005, 295, 296). Die Beklagte hat im Einzelnen bestritten, dass die Sparkasse aus den behaupteten Sicherheiten Befriedigung erlangen konnte.
Fischer Raebel Kayser
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
LG Ellwangen, Entscheidung vom 20.08.2004 - 3 O 299/04 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 13.01.2005 - 2 U 164/04 -