Bundesgerichtshof Urteil, 20. Okt. 2011 - III ZR 251/10

bei uns veröffentlicht am20.10.2011
vorgehend
Landgericht Baden-Baden, 3 O 278/08, 20.05.2009
Oberlandesgericht Karlsruhe, 19 U 189/09, 14.12.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 251/10
Verkündet am:
20. Oktober 2011
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 133 C, 157 Ga, 280 Abs. 1
Die Aufhebung einer auf Antrag des Spielers erteilten Spielsperre durch die
Spielbank stellt eine Verletzung des Spielsperrvertrags dar, wenn nicht der
Spielbank zuvor der hinreichend sichere Nachweis erbracht wird, dass der
Schutz des Spielers vor sich selbst dem nicht mehr entgegensteht, mithin keine
Spielsuchtgefährdung mehr vorliegt und der Spieler zu einem kontrollierten
Spiel in der Lage ist.
BGH, Urteil vom 20. Oktober 2011 - III ZR 251/10 - OLG Karlsruhe
LG Baden-Baden
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Oktober 2011 durch den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter
Dr. Herrmann, Hucke, Seiters und Tombrink

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Dezember 2010 im Kostenpunkt - mit Ausnahme der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten - und insoweit aufgehoben , als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Baden-Baden vom 20. Mai 2009 zurückgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht Ansprüche auf Schadensersatz mit der Begründung geltend, die Beklagte habe ihren Ehemann in der Zeit von Oktober 2006 bis März 2008 pflichtwidrig am Glücksspiel (Roulette) teilnehmen lassen. Die Beklagte begehrt im Wege der Widerklage und Drittwi- derklage die Feststellung, dass der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten (Ehemann; fortan Zedent) keine über den Klaganspruch hinausgehenden Ansprüche zustehen.
2
Der Zedent nahm von 1996 bis Anfang 2004 am Roulette-Spiel in der Spielbank der Beklagten in S. teil. Mit Schreiben vom 3. Februar 2004 bat er die Beklagte, ihn mit sofortiger Wirkung deutschlandweit in Spielbanken zu sperren. Mit Antwortschreiben vom gleichen Tag verhängte die Beklagte gegen den Zedenten eine Spielsperre für sieben Jahre. Unter dem 28. September 2006 wandte sich der Zedent per E-Mail an die Beklagte und bat um Aufhebung der Sperre. Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft der Creditreform ein, wonach dieser Beanstandungen der Zahlungsweise des Zedenten nicht bekannt seien und deshalb die Geschäftsverbindung als zulässig angesehen werde. Daraufhin hob die Beklagte die Sperre auf. Der Zedent nahm bis März 2008 wieder am Roulettespiel teil, wobei ihm nach der Behauptung der Klägerin durch Spielverluste und Finanzierungskosten ein Schaden in Höhe von 247.702,20 € entstanden sein soll.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage - unter Abweisung der Drittwiderklage als unzulässig - stattgegeben. Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten haben keinen Erfolg gehabt. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Revision führt im tenorierten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist zwischen der Beklagten und dem Zedenten ein sogenannter Spielsperrvertrag zustande gekommen, durch den die Beklagte eine vertragliche Bindung gegenüber dem Zedenten zu dem Zweck eingegangen ist, ihn vor wirtschaftlichen Schäden durch das Glücksspiel zu bewahren. Der Vertrag sei jedoch auf Wunsch des Zedenten später wieder aufgehoben worden. Hierin liege weder eine Verletzung der ursprünglichen Vereinbarung durch die Beklagte noch sei die Aufhebung deshalb unwirksam, weil die Vertragsparteien diese von bestimmten, hier nicht vorliegenden Voraussetzungen abhängig gemacht hätten. Zwar könne sich aus einem Sperrvertrag - auch ohne ausdrückliche Regelung hierzu - der übereinstimmende Wille ergeben, dass dieser nur unter bestimmten Bedingungen (vorzeitig ) aufgehoben werden dürfe. Eine am vernünftigen Willen der Vertragsparteien und am Schutzzweck der Sperre orientierte Auslegung ergebe daher, dass eine Aufhebung nicht zeitnah und auch nicht formlos beziehungsweise konkludent erfolgen könne. Welche Mindestanforderungen insoweit zu gelten hätten, lasse sich nur schwer sagen. Anhaltspunkte könnten etwa die (Mindest-) Dauer einer Spielsuchttherapie oder gesetzliche Wertungen sein. Nach § 8 Abs. 1 Satz 4 des am 8. März 2008 in Kraft getretenen baden-württembergischen Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland sei die Aufhebung einer Spielsperre frühestens nach einem Jahr und nur auf schriftlichem Antrag des Spielers möglich. Es liege nahe, diese Beschränkungen im Wege der Auslegung in den vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossenen Sperrvertrag zu "implementieren". Eine darüber hinausgehende Vereinbarung der Parteien, wonach die Sperre erst aufgehoben werden dürfe, wenn sich die Beklagte davon überzeugt habe, dass der Zedent nunmehr zum kontrollierten Spiel in der Lage sei, könne dagegen nicht festgestellt werden. Der früheren Sperre liege nur die damalige - von der Beklagten nicht zu überprüfende - Einschätzung des Zedenten zugrunde, dass er des Schutzes vor sich selbst bedürfe. Dies lege nahe, dass die Beklagte, wenn der Zedent später (nach Ablauf von mindestens einem Jahr) zum Ausdruck bringe, nicht mehr schutzbedürftig zu sein, auch dies nicht zu überprüfen habe. Jedenfalls erscheine eine Auslegung zu weitgehend, wonach der Beklagten selbst dann eine Prüfpflicht obliege, wenn sie - außer dem früheren Wunsch nach einer Sperre - über keine konkreten Kenntnisse verfüge, die auf eine Spielsucht oder Spielsuchtgefährdung schließen lassen. Denn dies komme der Übernahme von Betreuungspflichten nahe, entspreche nicht dem Grundsatz, dass jede geschäftsfähige Partei die in ihrer Sphäre liegenden Vertragsrisiken selbst zu übernehmen habe und schränke die Privatautonomie im Zeitpunkt des Aufhebungsvertrags unverhältnismäßig ein.

II.


6
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.
7
1. Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass zwischen dem Zedenten und der Beklagten ein Spielsperrvertrag zustande gekommen ist. Diese Bewertung entspricht der Rechtsprechung des Senats (Ur- teile vom 15. Dezember 2005 - III ZR 65/05, BGHZ 165, 276, 280 f und vom 22. November 2007 - III ZR 9/07, BGHZ 174, 255 Rn. 7, 10) und wird von der Beklagten zu Recht nicht mit einer Revisionsgegenrüge angegriffen.
8
a) Zweck des Antrags eines Spielers auf Verhängung einer sogenannten Eigen- oder Selbstsperre ist der Schutz vor sich selbst. Der Spieler will sich den für ihn als gefahrenträchtig erkannten Zugang zur Spielbank mit deren Hilfe verstellen. Dem liegt die kritische Selbsterkenntnis eines durch Spielsucht gefährdeten Spielers in einer Phase zugrunde, in der er zu einer solchen Einschränkung und Selbstbeurteilung fähig ist. Auf Seiten der Spielbank wird diese Einsicht akzeptiert, indem sie erklärt, ihn vom Spiel auszuschließen und keine Spielverträge mehr abzuschließen. Eine in Kenntnis dieser Interessenlage abgegebene Erklärung der Spielbank, dem Antrag stattzugeben, hat eine andere rechtliche Qualität, als wenn die Spielbank die Sperre einseitig von sich aus verhängt, um einen unliebsamen Kunden fern zu halten. Anders als bei der einseitigen Sperre der Spielbank geht es bei einer solchen auf Antrag des Spielers nicht nur um die Geltendmachung des Hausrechts der Spielbank, die lediglich als Reflex zugunsten des Kunden wirken mag, sondern darum, dass die Spielbank dem von ihr als berechtigt erkannten Individualinteresse des Spielers entsprechen will. Die Spielbank geht daher mit der Annahme des Antrags eine vertragliche Bindung gegenüber dem Spieler ein, die auch und gerade dessen Vermögensinteresse schützt, ihn vor den aufgrund seiner Spielsucht zu befürchtenden wirtschaftlichen Schäden zu bewahren (Senat, aaO)
9
b) Ihrem Inhalt nach ist diese vertragliche Verpflichtung darauf gerichtet, zukünftig das Zustandekommen von Spielverträgen mit dem gesperrten Spieler zu verhindern. Die Spielbank muss deshalb alle ihr möglichen und zumutbaren Anstrengungen - etwa sorgfältige Personenkontrollen mit anschließender Zu- rückweisung des Spielers - unternehmen, um eine erneute Teilnahme des Spielers am Glücksspiel zu verhindern. Anderenfalls macht sie sich schadensersatzpflichtig , ungeachtet dessen, dass die unter Verstoß gegen den Sperrvertrag zustande gekommenen Spielverträge für sich genommen grundsätzlich wirksam sind (Senat, Urteil vom 15. Dezember 2005, aaO S. 281). Dass bei insoweit pflichtwidrigem Verhalten der Spielbank die Teilnahme am Glücksspiel gerade dem Wunsch und Willen des Spielers entspricht, ist nach dem Sinn des Sperrvertrags irrelevant, ändert deshalb weder etwas an der Pflichtverletzung der Spielbank noch ist dies als haftungsminderndes oder -ausschließendes Mitverschulden des Spielers zu bewerten (Senat, Urteile vom 15. Dezember 2005, aaO S. 282 f und vom 22. November 2007, aaO Rn. 16).
10
c) Soweit der Sperrvertrag damit zu einer Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit führen kann - der Spieler möchte spielen, die Spielbank darf ihn aber nicht spielen lassen, ohne sich ersatzpflichtig zu machen - und letztlich damit der Übernahme von Betreuungspflichten der Bank zugunsten des Spielers nahe kommt, ist dies nur eine folgerichtige Konsequenz des Sperrvertrags und - anders als dies in der Entscheidung des Berufungsgerichts anklingt - keine unverhältnismäßige Einschränkung der Privatautonomie. Der Grundsatz, dass es regelmäßig Sache der (geschäftsfähigen) Vertragspartei ist, selbst darüber zu befinden, ob der beabsichtigte Vertrag für sie von Vorteil ist oder nicht, gilt hier gerade nicht. Zwar ist es untypisch, dass Parteien eines Vertrags sichdarüber einigen, dass in Zukunft Verträge bestimmter Art zwischen ihnen nicht mehr geschlossen werden sollen und einer der Vertragspartner schadensersatzpflichtig wird, wenn er sich auf den Wunsch der anderen Seite auf Abschluss eines neuen Vertrags einlässt. Das Ungewöhnliche der von der Spielbank akzeptierten Eigensperre ergibt sich aber aus der Besonderheit der rechtlichen Verhältnisse , die aus der Zulassung des öffentlich-rechtlich konzessionierten Glücks- spiels und aus dessen spezifischen Gefährdungstatbeständen folgen. Der Betrieb einer Spielbank ist angesichts der damit verbundenen Gefahren eine an sich unerwünschte Tätigkeit, deren staatliche Konzessionierung ihre Legitimität nur durch die öffentliche Aufgabe erhält, das illegale Glücksspiel einzudämmen, dem nicht zu unterdrückenden Spieltrieb des Menschen staatlich überwachte Betätigungsmöglichkeiten zu verschaffen und dadurch die natürliche Spielleidenschaft vor strafbarer Ausbeutung zu schützen (BVerfGE 28, 119, 148; 102, 197, 215 f; Senat, Urteile vom 7. Juli 1994 - III ZR 137/93, ZIP 1994, 1274, 1276 und 15. Dezember 2005 - III ZR 65/05, BGHZ 165, 276, 278 f; vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - C-347/09, juris Rn. 48, 63). Insoweit liegt der innere Grund für die polizei- und ordnungsrechtliche Beschränkung des Glücksspiels auch in der Gefahr der hoffnungslosen Überschuldung Einzelner, die nach allgemeinem traditionellen Erfahrungswissen dem Glücksspiel immanent ist und der vorgebeugt werden soll (OLG Hamm NJW-RR 2003, 971, 972). Hauptzweck der staatlichen Begrenzung und Ordnung des Wett- und Glücksspielwesens ist somit die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht (vgl. BVerfGE 115, 276, 304), denn Glücksspiele können nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung zu krankhaftem Suchtverhalten führen, wobei das Suchtpotential von Automaten- und Casinospielen besonders hoch liegt (vgl. BVerfG aaO S. 304 f). Insoweit ist die Gewichtung der Privatautonomie im Verhältnis zwischen Spielbank und Spieler von vorneherein eine andere als im klassischen rechtsgeschäftlichen Verkehr. Dient letzterer grundsätzlich dazu, den Vertragsparteien gegenseitig vorteilhafte Geschäfte nach ihren Präferenzen zu ermöglichen , ist die Freiheit des Glücksspiels eine zweckgebundene Freiheit, die mit dem Ziel gewährt wird, noch größeren Schaden durch einen illegalen Spielbetrieb zu verhindern. Diese durch die Eigenheiten des Glücksspiels und die limitierte Existenzberechtigung von Spielbanken geprägten Besonderheiten sind der Grund, warum es dem Casinobetreiber zugemutet wird, sich "paternalistisch" vor den Spielwunsch seiner besten Kunden zu stellen.
11
2. Ist Zweck des Sperrvertrags aber der Schutz des Spielers vor sich selbst und übernimmt insoweit die Spielbank die vertragliche Verpflichtung, den Spieler auch gegen seinen Willen nicht mehr zum Spiel zuzulassen, hat dies notwendigerweise Auswirkungen auf die Beurteilung der Frage, ob die Spielbank ihre Schutzpflichten dadurch verletzt, dass sie dem Spielwunsch ihres Vertragspartners unter Aufhebung der Sperre nachgibt. Denn der Sperrvertrag würde - wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt - leer laufen und wäre sinnlos, wenn die Spielbank zwar die Pflicht hätte, sich dem Spielwunsch zu verweigern, aber dem Wunsch, die Sperre aufzuheben, um anschließend spielen zu können, jederzeit stattgeben dürfte, ohne dabei irgendwelchen Überprüfungs - oder Kontrollpflichten zu unterliegen. Bei einer Aufhebung des Sperrvertrags muss deshalb gewährleistet sein, dass sich nicht gerade die Risiken verwirklichen , die durch dessen Abschluss ausgeschlossen werden sollten. Insoweit stellt die Aufhebung einer Eigensperre durch die Spielbank eine Verletzung des Sperrvertrags dar, wenn nicht der Spielbank zuvor - zum Beispiel anhand einer vom Spieler vorgelegten sachverständigen Begutachtung oder Bescheinigung einer fachkundigen Stelle - der hinreichend sichere Nachweis erbracht wird, dass die Gründe, die zu ihrer Beantragung geführt haben, nicht mehr vorliegen.
12
3. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Auffassung des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft, der Sperrvertrag stehe einer Aufhebung nicht entgegen , wenn der Spieler diese mehr als ein Jahr nach Vertragsschluss beantrage und der Spielbank außer dem früheren Wunsch des Spielers nach einer Eigensperre keine weiteren Erkenntnisse über dessen Spielsuchtgefährdung vorlä- gen. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 15. Dezember 2005, aaO S. 280 und vom 22. November 2007, aaO Rn. 10) liegt dem Antrag auf Eigensperre gerade die kritische Selbsterkenntnis eines durch Spielsucht gefährdeten Spielers in einer Phase zugrunde, in der er zu einer solchen Einschränkung und Selbstbeurteilung fähig ist. In einem solchen Fall darf die Spielbank die gewünschte Aufhebung der Sperre nicht vornehmen, ohne sich davon überzeugt zu haben, dass der Schutz des Spielers vor sich selbst dem nicht mehr entgegensteht. Die Beklagte konnte aber zum Zeitpunkt der Aufhebung der Sperre mangels vom Zedenten vorgelegter Nachweise oder eigener Nachforschungen weder wissen noch ausschließen, ob dieser weiterhin eines Schutzes vor sich selbst bedurfte. Allein der Zeitablauf besagte hierzu nichts Entscheidendes. Auch der Umstand, dass der Zedent in seiner E-Mail vom 28. September 2006 die Aufhebung unter Hinweis auf eine Normalisierung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse erbeten hatte, entlastete die Beklagte nicht, wobei dahinstehen kann, ob die von der Beklagten eingeholte Auskunft der Creditreform zur Überprüfung dieser Behauptung überhaupt geeignet war. Denn die wirtschaftlichen Verhältnisse sind bei einer Selbstsperre nicht der Kern des Problems. Kann sich jemand aus finanziellen Gründen das Glücksspiel nicht (mehr) leisten, wird er normalerweise nicht (weiter) spielen. Die Eigensperre macht aber deutlich, dass der Spieler sich selbst gerade nicht zutraut , er könne sich durch bloße Willenskraft spielabstinent halten oder jedenfalls immer dann rechtzeitig aufhören, wenn er nur noch verliert und ihn weiteres Spielen gegebenenfalls sogar in den finanziellen Ruin treibt. Insoweit kann sich eine Spielbank auch nicht darauf berufen, in dem Wunsch des Spielers, ihn unter Aufhebung der Sperre wieder spielen zu lassen, liege eine ihre Schutz- pflichten suspendierende Erklärung, nicht mehr spielsüchtig zu sein. Vielmehr bedarf es hierzu hinreichend sicherer Nachweise, dass eine Spielsuchtgefährdung nicht mehr besteht und der Spieler zu einem kontrollierten Spiel in der Lage ist.
13
4. Dieser Wertung stehen nicht die Regelungen des 2007 abgeschlossenen Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV; vgl. dazu das baden-württembergische Zustimmungsgesetz vom 11. Dezember 2007, GBl. BW S. 571) und des Baden-Württembergischen Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag vom 4. März 2008 (GBl. BW S. 81) entgegen. § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 des Ausführungsgesetzes bestimmen - in Anlehnung an § 8 Abs. 2 GlüStV -, dass die Spielbanken des Landes diejenigen Personen sperren, die dies für sich beantragen (Selbstsperre) oder von denen sie aufgrund der Wahrnehmung ihres Personals oder aufgrund von Meldungen Dritter wissen oder aufgrund sonstiger tatsächlicher Anhaltspunkte annehmen müssen, dass sie spielsuchtgefährdet oder überschuldet sind, ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen oder Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen oder Vermögen stehen (Fremdsperre). Eine Aufhebung der Sperre ist frühestens nach einem Jahr und nur auf schriftlichen Antrag des Spielers möglich (§ 9 Abs. 1 Satz 4 des Ausführungsgesetzes; § 8 Abs. 5 Satz 1 GlüStV). Diesen Bestimmungen lässt sich zunächst schon nicht entnehmen, dass dem Wunsch eines Spielers auf Aufhebung einer Selbstsperre nach Ablauf eines Jahres ohne weiteres stattzugeben ist. Denn liegt dem Antrag auf Selbstsperre die kritische Selbsterkenntnis eines durch Spielsucht gefährdeten Spielers in einer Phase zugrunde, in der er zu einer solchen Einschränkung und Selbstbeurteilung fähig ist (Senat aaO), liegt es nahe, davon auszugehen, dass die Spielbank mit dem Antrag zugleich tatsächliche Anhaltspunkte für eine Spielsuchtgefährdung im Sinne von § 8 Abs. 2 GlüStV erhält, deren Bedeutung nicht ohne weiteres allein durch den Zeitablauf von einem Jahr entfällt. Dies entspricht im Übrigen - was das Berufungsgericht bei seiner Auslegung nicht hinreichend berücksichtigt - auch der eigenen Einschätzung der Beklagten, die die Sperre auf insgesamt sieben Jahre festgelegt hat. Letztlich ist, abgesehen davon, dass der Glücksspielstaatsvertrag und das Ausführungsgesetz zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Verträge noch nicht in Kraft waren, festzuhalten, dass das Spielbankenrecht als Teil des Rechts der öffentlichen Sicherung und Ordnung (BVerfGE 28, 119, 147) lediglich die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Spielbankenbetreiber regelt und deshalb unmittelbar nichts darüber aussagt, welche (weitergehenden) Schutzpflichten sich aus einer privatrechtlichen vertraglichen Bindung gegenüber dem gesperrten Spieler ergeben (vgl. Senat, Urteil vom 22. November 2007, aaO Rn. 14).
14
5. Indem die Beklagte den Sperrvertrag aufgehoben hat, ohne sich zuvor davon überzeugt zu haben, dass der Schutz des Zedenten vor sich selbst einer solchen Aufhebung nicht mehr entgegenstand, hat sie gegen ihre Pflichten aus dem Sperrvertrag verstoßen. Sie hat den Zedenten im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn der Sperrvertrag aufrechterhalten worden wäre und die Beklagte pflichtgemäß für die Einhaltung der Sperre Sorge getragen hätte. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch notwendigen weiteren Feststellungen getroffen werden können.
Schlick Herrmann Hucke
Seiters Tombrink
Vorinstanzen:
LG Baden-Baden, Entscheidung vom 20.05.2009 - 3 O 278/08 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 14.12.2010 - 19 U 189/09 -

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

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Bundesgerichtshof Urteil, 22. Nov. 2007 - III ZR 9/07

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Bundesgerichtshof Urteil, 15. Dez. 2005 - III ZR 65/05

bei uns veröffentlicht am 15.12.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 65/05 Verkündet am: 15. Dezember 2005 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB §§ 157 C, 1
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Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 16. Okt. 2014 - 5 K 13.1706

bei uns veröffentlicht am 16.10.2014

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger begehrt die Auf

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 65/05
Verkündet am:
15. Dezember 2005
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 157 C, 133 B

a) Eine wunschgemäß erteilte Spielsperre kann Ansprüche auf Ersatz
von Spielverlusten begründen, wenn die Spielbank die Sperre nicht
durch ausreichende Kontrollen durchsetzt.

b) Eine Spielbank kann bei einer antragsgemäß - im Gegensatz zu
einer einseitig - verhängten Spielsperre Schutzpflichten haben, die
auf Wahrnehmung der Vermögensinteressen ihrer Gäste gerichtet
sind (Abweichung von BGH, Urteil vom 31. Oktober 1995 - XI ZR
6/95 = BGHZ 131, 136).
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 65/05 - LG Münster
AG Münster
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 24. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Beklagte Die betreibt öffentlich-rechtlich konzessionierte Spielcasinos, unter anderem in Bad Oeynhausen und Dortmund-Hohensyburg. Der Ehemann der Klägerin, der nach deren Vorbringen spielsüchtig ist und nach eigenen Angaben im Laufe seiner "Spielerkarriere" insgesamt 100.000 bis 150.000 DM verloren hat, unterzeichnete am 21. Januar 1997 einen an das Spielcasino Bad Oeynhausen gerichteten formularmäßigen "Antrag auf Selbstsperre" für unbefristete Zeit vom 21. Januar 1997 an für das Spielcasino Bad Oeynhausen, für alle anderen Casinos der Beklagten sowie für alle anderen deutschen und österreichischen Spielbanken. Der Antrag enthielt folgenden Hinweis: "Mir ist weiterhin bekannt, dass diese Selbstsperre nur für das 'Große Spiel' vorgemerkt wird und für das Automatenspiel nicht berücksichtigt werden kann, weil meine persönlichen Daten im Automatenspiel nicht registriert werden und damit keine Überwachungsmöglichkeit besteht".
2
Am 16. Dezember 1997 suchte der Ehemann trotz der Sperre das von der Beklagten betriebene Spielcasino Dortmund-Hohensyburg auf. Dort befinden sich neben dem abgesperrten und Personenkontrollen unterliegenden Bereich des "Großen Spiels" auch Automatenspielsäle ("Kleines Spiel"), die ohne Personenkontrolle betreten werden können. An den Eingängen zu den Sälen sind Schilder angebracht, wonach minderjährigen, gesperrten oder nicht zum Spiel zugelassenen Personen der Zutritt zum Spielsaal/Automatensaal nicht gestattet ist und im Falle eines Spielverlustes für diese Personen kein Anspruch auf Rückerstattung der Spieleinsätze, im Falle eines Gewinns weder ein Anspruch auf Rückerstattung der Spieleinsätze noch auf Auszahlung der Gewinne besteht. In dem Bereich, der keiner Personenkontrolle unterliegt, befinden sich sogenannte Telecash-Geräte, mit deren Hilfe Besucher Geld von ihren Konten abheben können. Die Bedienung der Telecash-Geräte erfolgt in der Weise, dass den Mitarbeitern der Beklagten eine Scheckkarte übergeben wird, die sodann nach Eingabe der entsprechenden PIN-Nummer durch den Spieler den gewünschten Betrag an diesen auszahlen. Der Ehemann der Klägerin hob am 16. Dezember 1997 von zweien dieser Geräte insgesamt 20 mal je 500 DM ab, die dem Konto der Klägerin und ihres Ehemanns belastet wurden. Der Ehemann der Klägerin verspielte den Gesamtbetrag von 10.000 DM an den aufgestellten Automaten.
3
Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 9.750 DM (4.985,19 €) nebst Zinsen gegen die Beklagte geltend gemacht. Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt; deren Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe


4
Die Revision ist nicht begründet.
5
Vorinstanzen Die haben - in Übereinstimmung mit dem Rechtsstandpunkt der Klägerin und in Anlehnung an das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm NJW-RR 2003, 971 - die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich durch die Annahme des Antrags auf Eigensperre vom 21. Januar 1997 gegenüber dem Ehemann der Klägerin rechtsgeschäftlich verpflichtet, keine wirksamen Spielverträge mit ihm abzuschließen. Die Automatenspielverträge vom 16. Dezember 1997 seien daher unwirksam mit der Folge, dass gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung der Einsätze des Zedenten gegen die Beklagte bestehe.
6
Dies hält im Ergebnis der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
7
1. a) Allerdings hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs durch Urteil vom 31. Oktober 1995 (XI ZR 6/95 = BGHZ 131, 136 = NJW 1996, 248) entschieden , dass eine wunschgemäß erteilte Spielsperre grundsätzlich keine Ansprüche auf Ersatz von Spielverlusten begründe, wenn die Spielbank die Sperre nicht durch ausreichende Kontrollen durchsetze, und dass eine Spielbank auch bei einer verhängten Spielsperre keine Schutzpflichten habe, die auf Wahrnehmung der Vermögensinteressen ihrer Gäste gerichtet seien. Daran hält der er- kennende Senat indessen - auch unter dem Eindruck der in Rechtsprechung (OLG Hamm aaO) und Schrifttum (Peters JR 2002, 177 ff; Grunsky EWiR § 157 BGB 1/96, 11, 12) geäußerten Kritik - nicht mehr in vollem Umfang fest.
8
b) Die Beklagte betreibt ihre Spielbanken und -casinos als privatwirtschaftliches Unternehmen und tritt deshalb mit Vertragspartnern auf zivilrechtlicher Grundlage in rechtliche Beziehungen. Der Betrieb einer Spielbank ist eine an sich unerwünschte Tätigkeit, die der Staat gleichwohl erlaubt, um das illegale Glücksspiel einzudämmen, dem nicht zu unterdrückenden Spieltrieb des Menschen staatlich überwachte Betätigungsmöglichkeiten zu verschaffen und dadurch die natürliche Spielleidenschaft vor strafbarer Ausbeutung zu schützen (BVerfGE 102, 197, 215 = NVwZ 2001, 790, 793). Deswegen ist das Betreiben einer öffentlichen Spielbank, solange diese Tätigkeit privaten Unternehmen zugänglich und nicht gesetzlich verboten ist, Ausübung eines Berufs im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfG aaO). Die einzelnen abgeschlossenen Spielverträge unterfallen daher, soweit sie sich im Bereich des gesetzlich Zulässigen halten, dem Schutz der Rechtsordnung.
9
c) Die Betreiberin einer Spielbank unterliegt in Bezug auf den eröffneten Spielbetrieb keinem Kontrahierungszwang, ist also frei in ihrer Entscheidung, mit wem sie Spielverträge abschließen will. Sie kann deshalb auch den Zutritt zu ihren Spielsälen ohne Angabe von Gründen untersagen (vgl. dazu Senatsurteil vom 7. Juli 1994 - III ZR 137/93 = ZIP 1994, 1274, 1275 f) und bestimmten Personen eine Spielsperre erteilen. Diese - einseitige - Spielsperre erklärt eine Spielbank im eigenen Interesse, um Gäste, die den Spielbetrieb stören oder auch charakterlich nicht für eine Teilnahme daran geeignet sind, vom Spiel fernzuhalten und auf diese Weise Rufschädigungen zu vermeiden. Dagegen erwachsen dem Betroffenen aus einer derartigen - einseitigen - Spielsperre kei- nerlei Rechte (BGHZ 131, 136, 139; insoweit zustimmend Peters aaO S. 182 bei Fn. 65). Bei dieser rechtlichen Beurteilung hat es uneingeschränkt zu verbleiben.
10
d) Wie der XI. Zivilsenat (aaO) weiter ausführt, soll sich daran nichts dadurch ändern, dass eine Spielbank auf Anregung oder auf ausdrücklichen Wunsch eines potentiellen Spielers eine Spielsperre ausspricht. In einem solchen Fall nehme die Spielbank die Anregung, der grundsätzlich keine rechtsgeschäftliche Bedeutung zukomme, zum Anlass, eine Spielsperre zu erteilen, die sie ohne diesen Wunsch nicht ausgesprochen hätte. Auch damit sei nicht die Begründung von Rechten für den Betroffenen verbunden. Die Spielbank mache lediglich wunschgemäß von ihrem Hausrecht Gebrauch und baue zur Motivation des Betroffenen strafbewehrte Hürden gegen dessen Verweilen in den Spielsälen auf. Sie übernehme keinerlei Pflicht zur Betreuung des Vermögens des Betroffenen und keinerlei Schadensersatzverpflichtung für den Fall, dass der Betroffene sich trotz der Spielsperre Zugang zu den Spielsälen verschaffe und beim Spiel Verluste erleide.
11
e) Der erkennende Senat gewichtet das dem Antrag des Spielers auf "Eigensperre" zugrunde liegende Interesse anders als der XI. Zivilsenat. Sinn der Abrede ist der Schutz des Spielers vor sich selbst (Grunsky aaO). Der Spieler will sich selbst mit Hilfe der Spielbank den für ihn als gefahrträchtig erkannten Zugang verstellen (OLG Hamm aaO S. 972). Dem liegt die kritische Selbsterkenntnis eines durch Spielsucht gefährdeten Spielers in einer Phase zugrunde , in der er zu einer solchen Einschränkung und Selbstbeurteilung fähig ist. Auf Seiten der Spielbank wird diese Einsicht des Spielers akzeptiert, indem sie erklärt, ihn vom Spiel auszuschließen und keine Spielverträge mehr abzuschließen. Der Senat pflichtet dem Oberlandesgericht Hamm (aaO) darin bei, dass eine in Kenntnis dieser Interessenlage abgegebene Erklärung der Spielbank , dem Antrag des Spielers stattzugeben, eine andere rechtliche Qualität haben muss, als wenn die Spielbank die Sperre einseitig von sich aus verhängt, um einen unliebsamen Kunden fernzuhalten (Grunsky aaO). Anders als bei einer einseitigen Sperre geht es bei einer solchen auf Antrag des Spielers nicht nur um die Geltendmachung des Hausrechts der Spielbank, die lediglich als Reflex zugunsten des Kunden wirken mag, sondern darum, dass die Spielbank dem von ihr als berechtigt erkannten Individualinteresse des Spielers entsprechen will. Die Spielbank geht daher mit der Annahme des Antrags eine vertragliche Bindung gegenüber dem Antragsteller ein, die auch und gerade dessen Vermögensinteresse schützt, ihn vor den aufgrund seiner Spielsucht zu befürchtenden wirtschaftlichen Schäden zu bewahren.
12
2. Ihrem Inhalt nach war die von der Beklagten übernommene vertragliche Verpflichtung darauf gerichtet, in ihren Betrieben das Zustandekommen von Spielverträgen mit dem gesperrten Spieler zu verhindern. Diese Verpflichtung bestand allerdings nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren. In diesem Sinne ist der im Antrag enthaltene Hinweis auf mangelnde Überwachungsmöglichkeiten beim Automatenspiel als ein solcher auf diese Grenzen der von der Beklagten übernommenen Vertragspflichten zu verstehen. Er besagt dementsprechend nicht etwa, dass der gesperrte Spieler uneingeschränkt zum Automatenspiel zugelassen werde. Gleiches ergab sich aus den am Automatenspielsaal aufgestellten Verbotsschildern. Deshalb stand die Einschränkung einer Überwachungspflicht dort nicht entgegen, wo eine solche Überwachung ohne Weiteres möglich und zumutbar war.
13
3. Wird diese Überwachungspflicht schuldhaft verletzt, hat die Bank nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung (jetzt: § 280 Abs. 1 BGB) Schadensersatz zu leisten.
14
Die vom Berufungsgericht - im Anschluss an das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (aaO S. 972, 974) - vertretene Auffassung, der Vertrag über die Selbstsperre sei so auszulegen, dass die mit einem Spieler, der sich trotz der bestehenden Sperre den Zugang zur Spielbank verschafft, geschlossenen Spielverträge als nichtig zu behandeln seien und der Spieler demzufolge nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen Herausgabe des verlorenen Spieleinsatzes verlangen könne, wird demgegenüber den berechtigten Interessen der Bank nicht gerecht. Denn auf der Grundlage dieses Lösungsansatzes wäre eine Zahlungspflicht der Bank auch dann zu bejahen, wenn sie ihrer Kontrollpflicht nachgekommen wäre und der gesperrte Spieler sich etwa unter Verwendung gefälschter Ausweispapiere den Zugang zur Bank erschlichen hätte. Dass in einem solchen Falle die Bank im Gegenzuge auch einen etwaigen ausgezahlten Spielgewinn zurückfordern könnte, wäre kein angemessener Ausgleich; denn es liegt nahe, dass nur der Spieler, der Verluste erleidet, sich der Bank gegenüber offenbart, während der Spielgewinner bestrebt sein dürfte, die Spielbank unter Mitnahme des Gewinns unerkannt zu verlassen. Darüber hinaus wäre ein solch "überschießendes" Fehlverhalten des Spielers (s. aber unter 5) ein Umstand, den die Bank dem Spieler jedenfalls nach § 254 BGB entgegenhalten könnte.
15
4. Die dargestellten Haftungsgrundsätze gelten vorliegend uneingeschränkt für das Große Spiel. Hier ist eine Personenkontrolle nicht nur möglich und zumutbar , sondern in § 3 Abs. 1 der für die Beklagte gültigen Spielordnung (Bekanntmachung des Innenministers vom 19. Juni 1985, MBl. NRW. S. 970, zu- letzt geändert durch Bekanntmachung vom 25. Oktober 2001, MBl. NRW. S. 1391 ) ausdrücklich vorgeschrieben. Ob und inwieweit die Beklagte sich ihrer für den "Selbstsperrevertrag" essentiellen Vertragspflicht, die Einhaltung der Sperre im Interesse des Spielers zu überwachen, für den Bereich der Automatenspiele deswegen entziehen konnte, weil hier unter Abwägung der berechtigten Interessen beider Vertragspartner die Durchführung einer - durchaus möglichen (§ 3 Abs. 1 der Spielordnung sieht hier lediglich vor, dass die Spielbankleitung für den ausschließlichen Zutritt zu dem in gesonderten Räumen veranstalteten Automatenspiel von einer Personenkontrolle absehen kann) - Kontrolle nicht zumutbar ist, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn das Berufungsgericht hat in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung festgestellt, dass zumindest bei den hier in Rede stehenden Telecash-Abhebungen für die zuständigen Mitarbeiter der Beklagten hinreichender Anlass bestanden hätte, eine Kontrolle durchzuführen, ob der Ehemann der Klägerin zu den gesperrten Spielern zählte. Auch die technischen Möglichkeiten hierfür haben, wie das Berufungsgericht weiter feststellt, bestanden .
16
5. Aufgrundderübernomm enen vertraglichen Schutzpflicht hat die Beklagte den Zedenten daher so zu stellen, wie wenn diese Kontrolle ordnungsgemäß durchgeführt und er daraufhin vom Automatenspiel ausgeschlossen worden wäre. Der Schadensersatzpflicht der Beklagten steht der an den Eingängen zu den Automatenspielverträgen angebrachte Hinweis, dass für gesperrte Spieler im Falle eines Spielverlustes kein Anspruch auf Rückerstattung der Spieleinsätze bestehe, nicht entgegen. Eine solche Aussage könnte allenfalls als Allgemeine Geschäftsbedingung rechtliche Verbindlichkeit erzeugen. Als solche wäre sie aber wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG (jetzt: § 307 Abs. 1 und 2 BGB ) unwirksam, da sich die Beklagte, wenn und soweit sie - wie hier - ihre Kardinal- pflicht, die Einhaltung der Spielsperre zu überwachen, verletzt hat, nicht von ihrer Haftung freizeichnen kann.
17
Aus der Natur des Selbstsperrevertrags ergibt sich weiter, dass die wegen Verletzung ihrer Kontrollpflichten haftbare Spielbank dem gesperrten Spieler nicht dessen "einfaches" Fehlverhalten (s. aber oben 3 a.E.) haftungsmindernd (§ 254 BGB) entgegenhalten kann, er habe zur Befriedigung seiner "Spielsucht" das Hausrecht der Bank verletzt (so zutreffend Peters aaO S. 182).
18
Dementsprechend ist die Beklagte mit Recht zur Erstattung der mittels Telecash abgehobenen Geldbeträge verurteilt worden, die der Ehemann bei den hier in Rede stehenden Spielen verloren hat.
19
6. Die von der Beklagten in den Vorinstanzen erhobene und im Revisionsrechtszug weiterverfolgte Einrede der Verjährung ist vom Landgericht mit zutreffender Begründung zurückgewiesen worden; insoweit verweist der Senat auf das Berufungsurteil.
20
7. Einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen (§ 132 GVG) bedurfte es nicht. Zwar weicht der erkennende Senat von der Entscheidung des XI. Zivilsenats in BGHZ 131, 136 ab. Indessen ist der III. Zivilsenat infolge der zwischenzeitlichen Änderung der Geschäftsverteilung für das hier in Rede stehende Rechtsgebiet nunmehr zuständig (vgl. BGHZ 28, 16, 28 ff; Zöller/Gummer , ZPO 25. Aufl. 2005, § 132 GVG Rn. 4).
Schlick Wurm Streck Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
AG Münster, Entscheidung vom 11.02.2004 - 55 C 3513/03 -
LG Münster, Entscheidung vom 24.02.2005 - 8 S 81/04 -
7
1. Der Senat hat durch Urteil vom 15. Dezember 2005 (III ZR 65/05 = BGHZ 165, 276) - in teilweiser Abkehr vom Urteil des XI. Zivilsenats vom 31. Oktober 1995 (XI ZR 6/95 = BGHZ 131, 136) - entschieden, dass eine wunschgemäß erteilte Spielsperre Ansprüche auf Ersatz von Spielverlusten begründen kann, wenn die Spielbank die Sperre nicht durch ausreichende Kontrollen durchsetzt. Eine Spielbank hat bei einer antragsgemäß - im Gegensatz zu einer einseitig - verhängten Spielsperre Schutzpflichten, die auf Wahrnehmung der Vermögensinteressen ihrer Gäste gerichtet sind. Dies wird auch von der Revision der Beklagten nicht mehr grundsätzlich in Abrede gestellt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 65/05
Verkündet am:
15. Dezember 2005
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 157 C, 133 B

a) Eine wunschgemäß erteilte Spielsperre kann Ansprüche auf Ersatz
von Spielverlusten begründen, wenn die Spielbank die Sperre nicht
durch ausreichende Kontrollen durchsetzt.

b) Eine Spielbank kann bei einer antragsgemäß - im Gegensatz zu
einer einseitig - verhängten Spielsperre Schutzpflichten haben, die
auf Wahrnehmung der Vermögensinteressen ihrer Gäste gerichtet
sind (Abweichung von BGH, Urteil vom 31. Oktober 1995 - XI ZR
6/95 = BGHZ 131, 136).
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 65/05 - LG Münster
AG Münster
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 24. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Beklagte Die betreibt öffentlich-rechtlich konzessionierte Spielcasinos, unter anderem in Bad Oeynhausen und Dortmund-Hohensyburg. Der Ehemann der Klägerin, der nach deren Vorbringen spielsüchtig ist und nach eigenen Angaben im Laufe seiner "Spielerkarriere" insgesamt 100.000 bis 150.000 DM verloren hat, unterzeichnete am 21. Januar 1997 einen an das Spielcasino Bad Oeynhausen gerichteten formularmäßigen "Antrag auf Selbstsperre" für unbefristete Zeit vom 21. Januar 1997 an für das Spielcasino Bad Oeynhausen, für alle anderen Casinos der Beklagten sowie für alle anderen deutschen und österreichischen Spielbanken. Der Antrag enthielt folgenden Hinweis: "Mir ist weiterhin bekannt, dass diese Selbstsperre nur für das 'Große Spiel' vorgemerkt wird und für das Automatenspiel nicht berücksichtigt werden kann, weil meine persönlichen Daten im Automatenspiel nicht registriert werden und damit keine Überwachungsmöglichkeit besteht".
2
Am 16. Dezember 1997 suchte der Ehemann trotz der Sperre das von der Beklagten betriebene Spielcasino Dortmund-Hohensyburg auf. Dort befinden sich neben dem abgesperrten und Personenkontrollen unterliegenden Bereich des "Großen Spiels" auch Automatenspielsäle ("Kleines Spiel"), die ohne Personenkontrolle betreten werden können. An den Eingängen zu den Sälen sind Schilder angebracht, wonach minderjährigen, gesperrten oder nicht zum Spiel zugelassenen Personen der Zutritt zum Spielsaal/Automatensaal nicht gestattet ist und im Falle eines Spielverlustes für diese Personen kein Anspruch auf Rückerstattung der Spieleinsätze, im Falle eines Gewinns weder ein Anspruch auf Rückerstattung der Spieleinsätze noch auf Auszahlung der Gewinne besteht. In dem Bereich, der keiner Personenkontrolle unterliegt, befinden sich sogenannte Telecash-Geräte, mit deren Hilfe Besucher Geld von ihren Konten abheben können. Die Bedienung der Telecash-Geräte erfolgt in der Weise, dass den Mitarbeitern der Beklagten eine Scheckkarte übergeben wird, die sodann nach Eingabe der entsprechenden PIN-Nummer durch den Spieler den gewünschten Betrag an diesen auszahlen. Der Ehemann der Klägerin hob am 16. Dezember 1997 von zweien dieser Geräte insgesamt 20 mal je 500 DM ab, die dem Konto der Klägerin und ihres Ehemanns belastet wurden. Der Ehemann der Klägerin verspielte den Gesamtbetrag von 10.000 DM an den aufgestellten Automaten.
3
Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 9.750 DM (4.985,19 €) nebst Zinsen gegen die Beklagte geltend gemacht. Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt; deren Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe


4
Die Revision ist nicht begründet.
5
Vorinstanzen Die haben - in Übereinstimmung mit dem Rechtsstandpunkt der Klägerin und in Anlehnung an das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm NJW-RR 2003, 971 - die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich durch die Annahme des Antrags auf Eigensperre vom 21. Januar 1997 gegenüber dem Ehemann der Klägerin rechtsgeschäftlich verpflichtet, keine wirksamen Spielverträge mit ihm abzuschließen. Die Automatenspielverträge vom 16. Dezember 1997 seien daher unwirksam mit der Folge, dass gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung der Einsätze des Zedenten gegen die Beklagte bestehe.
6
Dies hält im Ergebnis der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
7
1. a) Allerdings hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs durch Urteil vom 31. Oktober 1995 (XI ZR 6/95 = BGHZ 131, 136 = NJW 1996, 248) entschieden , dass eine wunschgemäß erteilte Spielsperre grundsätzlich keine Ansprüche auf Ersatz von Spielverlusten begründe, wenn die Spielbank die Sperre nicht durch ausreichende Kontrollen durchsetze, und dass eine Spielbank auch bei einer verhängten Spielsperre keine Schutzpflichten habe, die auf Wahrnehmung der Vermögensinteressen ihrer Gäste gerichtet seien. Daran hält der er- kennende Senat indessen - auch unter dem Eindruck der in Rechtsprechung (OLG Hamm aaO) und Schrifttum (Peters JR 2002, 177 ff; Grunsky EWiR § 157 BGB 1/96, 11, 12) geäußerten Kritik - nicht mehr in vollem Umfang fest.
8
b) Die Beklagte betreibt ihre Spielbanken und -casinos als privatwirtschaftliches Unternehmen und tritt deshalb mit Vertragspartnern auf zivilrechtlicher Grundlage in rechtliche Beziehungen. Der Betrieb einer Spielbank ist eine an sich unerwünschte Tätigkeit, die der Staat gleichwohl erlaubt, um das illegale Glücksspiel einzudämmen, dem nicht zu unterdrückenden Spieltrieb des Menschen staatlich überwachte Betätigungsmöglichkeiten zu verschaffen und dadurch die natürliche Spielleidenschaft vor strafbarer Ausbeutung zu schützen (BVerfGE 102, 197, 215 = NVwZ 2001, 790, 793). Deswegen ist das Betreiben einer öffentlichen Spielbank, solange diese Tätigkeit privaten Unternehmen zugänglich und nicht gesetzlich verboten ist, Ausübung eines Berufs im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfG aaO). Die einzelnen abgeschlossenen Spielverträge unterfallen daher, soweit sie sich im Bereich des gesetzlich Zulässigen halten, dem Schutz der Rechtsordnung.
9
c) Die Betreiberin einer Spielbank unterliegt in Bezug auf den eröffneten Spielbetrieb keinem Kontrahierungszwang, ist also frei in ihrer Entscheidung, mit wem sie Spielverträge abschließen will. Sie kann deshalb auch den Zutritt zu ihren Spielsälen ohne Angabe von Gründen untersagen (vgl. dazu Senatsurteil vom 7. Juli 1994 - III ZR 137/93 = ZIP 1994, 1274, 1275 f) und bestimmten Personen eine Spielsperre erteilen. Diese - einseitige - Spielsperre erklärt eine Spielbank im eigenen Interesse, um Gäste, die den Spielbetrieb stören oder auch charakterlich nicht für eine Teilnahme daran geeignet sind, vom Spiel fernzuhalten und auf diese Weise Rufschädigungen zu vermeiden. Dagegen erwachsen dem Betroffenen aus einer derartigen - einseitigen - Spielsperre kei- nerlei Rechte (BGHZ 131, 136, 139; insoweit zustimmend Peters aaO S. 182 bei Fn. 65). Bei dieser rechtlichen Beurteilung hat es uneingeschränkt zu verbleiben.
10
d) Wie der XI. Zivilsenat (aaO) weiter ausführt, soll sich daran nichts dadurch ändern, dass eine Spielbank auf Anregung oder auf ausdrücklichen Wunsch eines potentiellen Spielers eine Spielsperre ausspricht. In einem solchen Fall nehme die Spielbank die Anregung, der grundsätzlich keine rechtsgeschäftliche Bedeutung zukomme, zum Anlass, eine Spielsperre zu erteilen, die sie ohne diesen Wunsch nicht ausgesprochen hätte. Auch damit sei nicht die Begründung von Rechten für den Betroffenen verbunden. Die Spielbank mache lediglich wunschgemäß von ihrem Hausrecht Gebrauch und baue zur Motivation des Betroffenen strafbewehrte Hürden gegen dessen Verweilen in den Spielsälen auf. Sie übernehme keinerlei Pflicht zur Betreuung des Vermögens des Betroffenen und keinerlei Schadensersatzverpflichtung für den Fall, dass der Betroffene sich trotz der Spielsperre Zugang zu den Spielsälen verschaffe und beim Spiel Verluste erleide.
11
e) Der erkennende Senat gewichtet das dem Antrag des Spielers auf "Eigensperre" zugrunde liegende Interesse anders als der XI. Zivilsenat. Sinn der Abrede ist der Schutz des Spielers vor sich selbst (Grunsky aaO). Der Spieler will sich selbst mit Hilfe der Spielbank den für ihn als gefahrträchtig erkannten Zugang verstellen (OLG Hamm aaO S. 972). Dem liegt die kritische Selbsterkenntnis eines durch Spielsucht gefährdeten Spielers in einer Phase zugrunde , in der er zu einer solchen Einschränkung und Selbstbeurteilung fähig ist. Auf Seiten der Spielbank wird diese Einsicht des Spielers akzeptiert, indem sie erklärt, ihn vom Spiel auszuschließen und keine Spielverträge mehr abzuschließen. Der Senat pflichtet dem Oberlandesgericht Hamm (aaO) darin bei, dass eine in Kenntnis dieser Interessenlage abgegebene Erklärung der Spielbank , dem Antrag des Spielers stattzugeben, eine andere rechtliche Qualität haben muss, als wenn die Spielbank die Sperre einseitig von sich aus verhängt, um einen unliebsamen Kunden fernzuhalten (Grunsky aaO). Anders als bei einer einseitigen Sperre geht es bei einer solchen auf Antrag des Spielers nicht nur um die Geltendmachung des Hausrechts der Spielbank, die lediglich als Reflex zugunsten des Kunden wirken mag, sondern darum, dass die Spielbank dem von ihr als berechtigt erkannten Individualinteresse des Spielers entsprechen will. Die Spielbank geht daher mit der Annahme des Antrags eine vertragliche Bindung gegenüber dem Antragsteller ein, die auch und gerade dessen Vermögensinteresse schützt, ihn vor den aufgrund seiner Spielsucht zu befürchtenden wirtschaftlichen Schäden zu bewahren.
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2. Ihrem Inhalt nach war die von der Beklagten übernommene vertragliche Verpflichtung darauf gerichtet, in ihren Betrieben das Zustandekommen von Spielverträgen mit dem gesperrten Spieler zu verhindern. Diese Verpflichtung bestand allerdings nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren. In diesem Sinne ist der im Antrag enthaltene Hinweis auf mangelnde Überwachungsmöglichkeiten beim Automatenspiel als ein solcher auf diese Grenzen der von der Beklagten übernommenen Vertragspflichten zu verstehen. Er besagt dementsprechend nicht etwa, dass der gesperrte Spieler uneingeschränkt zum Automatenspiel zugelassen werde. Gleiches ergab sich aus den am Automatenspielsaal aufgestellten Verbotsschildern. Deshalb stand die Einschränkung einer Überwachungspflicht dort nicht entgegen, wo eine solche Überwachung ohne Weiteres möglich und zumutbar war.
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3. Wird diese Überwachungspflicht schuldhaft verletzt, hat die Bank nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung (jetzt: § 280 Abs. 1 BGB) Schadensersatz zu leisten.
14
Die vom Berufungsgericht - im Anschluss an das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (aaO S. 972, 974) - vertretene Auffassung, der Vertrag über die Selbstsperre sei so auszulegen, dass die mit einem Spieler, der sich trotz der bestehenden Sperre den Zugang zur Spielbank verschafft, geschlossenen Spielverträge als nichtig zu behandeln seien und der Spieler demzufolge nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen Herausgabe des verlorenen Spieleinsatzes verlangen könne, wird demgegenüber den berechtigten Interessen der Bank nicht gerecht. Denn auf der Grundlage dieses Lösungsansatzes wäre eine Zahlungspflicht der Bank auch dann zu bejahen, wenn sie ihrer Kontrollpflicht nachgekommen wäre und der gesperrte Spieler sich etwa unter Verwendung gefälschter Ausweispapiere den Zugang zur Bank erschlichen hätte. Dass in einem solchen Falle die Bank im Gegenzuge auch einen etwaigen ausgezahlten Spielgewinn zurückfordern könnte, wäre kein angemessener Ausgleich; denn es liegt nahe, dass nur der Spieler, der Verluste erleidet, sich der Bank gegenüber offenbart, während der Spielgewinner bestrebt sein dürfte, die Spielbank unter Mitnahme des Gewinns unerkannt zu verlassen. Darüber hinaus wäre ein solch "überschießendes" Fehlverhalten des Spielers (s. aber unter 5) ein Umstand, den die Bank dem Spieler jedenfalls nach § 254 BGB entgegenhalten könnte.
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4. Die dargestellten Haftungsgrundsätze gelten vorliegend uneingeschränkt für das Große Spiel. Hier ist eine Personenkontrolle nicht nur möglich und zumutbar , sondern in § 3 Abs. 1 der für die Beklagte gültigen Spielordnung (Bekanntmachung des Innenministers vom 19. Juni 1985, MBl. NRW. S. 970, zu- letzt geändert durch Bekanntmachung vom 25. Oktober 2001, MBl. NRW. S. 1391 ) ausdrücklich vorgeschrieben. Ob und inwieweit die Beklagte sich ihrer für den "Selbstsperrevertrag" essentiellen Vertragspflicht, die Einhaltung der Sperre im Interesse des Spielers zu überwachen, für den Bereich der Automatenspiele deswegen entziehen konnte, weil hier unter Abwägung der berechtigten Interessen beider Vertragspartner die Durchführung einer - durchaus möglichen (§ 3 Abs. 1 der Spielordnung sieht hier lediglich vor, dass die Spielbankleitung für den ausschließlichen Zutritt zu dem in gesonderten Räumen veranstalteten Automatenspiel von einer Personenkontrolle absehen kann) - Kontrolle nicht zumutbar ist, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn das Berufungsgericht hat in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung festgestellt, dass zumindest bei den hier in Rede stehenden Telecash-Abhebungen für die zuständigen Mitarbeiter der Beklagten hinreichender Anlass bestanden hätte, eine Kontrolle durchzuführen, ob der Ehemann der Klägerin zu den gesperrten Spielern zählte. Auch die technischen Möglichkeiten hierfür haben, wie das Berufungsgericht weiter feststellt, bestanden .
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5. Aufgrundderübernomm enen vertraglichen Schutzpflicht hat die Beklagte den Zedenten daher so zu stellen, wie wenn diese Kontrolle ordnungsgemäß durchgeführt und er daraufhin vom Automatenspiel ausgeschlossen worden wäre. Der Schadensersatzpflicht der Beklagten steht der an den Eingängen zu den Automatenspielverträgen angebrachte Hinweis, dass für gesperrte Spieler im Falle eines Spielverlustes kein Anspruch auf Rückerstattung der Spieleinsätze bestehe, nicht entgegen. Eine solche Aussage könnte allenfalls als Allgemeine Geschäftsbedingung rechtliche Verbindlichkeit erzeugen. Als solche wäre sie aber wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG (jetzt: § 307 Abs. 1 und 2 BGB ) unwirksam, da sich die Beklagte, wenn und soweit sie - wie hier - ihre Kardinal- pflicht, die Einhaltung der Spielsperre zu überwachen, verletzt hat, nicht von ihrer Haftung freizeichnen kann.
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Aus der Natur des Selbstsperrevertrags ergibt sich weiter, dass die wegen Verletzung ihrer Kontrollpflichten haftbare Spielbank dem gesperrten Spieler nicht dessen "einfaches" Fehlverhalten (s. aber oben 3 a.E.) haftungsmindernd (§ 254 BGB) entgegenhalten kann, er habe zur Befriedigung seiner "Spielsucht" das Hausrecht der Bank verletzt (so zutreffend Peters aaO S. 182).
18
Dementsprechend ist die Beklagte mit Recht zur Erstattung der mittels Telecash abgehobenen Geldbeträge verurteilt worden, die der Ehemann bei den hier in Rede stehenden Spielen verloren hat.
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6. Die von der Beklagten in den Vorinstanzen erhobene und im Revisionsrechtszug weiterverfolgte Einrede der Verjährung ist vom Landgericht mit zutreffender Begründung zurückgewiesen worden; insoweit verweist der Senat auf das Berufungsurteil.
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7. Einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen (§ 132 GVG) bedurfte es nicht. Zwar weicht der erkennende Senat von der Entscheidung des XI. Zivilsenats in BGHZ 131, 136 ab. Indessen ist der III. Zivilsenat infolge der zwischenzeitlichen Änderung der Geschäftsverteilung für das hier in Rede stehende Rechtsgebiet nunmehr zuständig (vgl. BGHZ 28, 16, 28 ff; Zöller/Gummer , ZPO 25. Aufl. 2005, § 132 GVG Rn. 4).
Schlick Wurm Streck Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
AG Münster, Entscheidung vom 11.02.2004 - 55 C 3513/03 -
LG Münster, Entscheidung vom 24.02.2005 - 8 S 81/04 -