Bundesgerichtshof Urteil, 23. Juli 2024 - II ZR 222/22

published on 01/08/2024 18:36
Bundesgerichtshof Urteil, 23. Juli 2024 - II ZR 222/22
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

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Amtliche Leitsätze

Die Aufnahme eines durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreits über eine Insolvenzforderung zur Beseitigung eines Schuldnerwiderspruchs (§ 184 Abs. 1 Satz 2 InsO) oder zu dessen Verfolgung (§ 184 Abs. 2 Satz 1 InsO) setzt eine wirksame Forderungsanmeldung voraus.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 23. Juli 2024

Az.: II ZR 222/22

 

 

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerin und der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 27. Juni 2022 aufgehoben.

Der Rechtsstreit ist weiterhin unterbrochen.

Von Rechts wegen

 
Tatbestand


Die Klägerin nimmt die Beklagte als Alleinerbin des früheren Geschäftsführers mehrerer Vertriebsgesellschaften der sogenannten "P.  -Gruppe" (im Folgenden: Erblasser) wegen fünf Seefrachtcontainer-Anlagen auf Schadensersatz in Anspruch.
 
Zu der im Jahr 1975 von     R.   gegründeten "P.  -Gruppe" gehörten in Deutschland vier Vertriebsgesellschaften in der Rechtsform der GmbH, die P.  AG und die in der Schweiz ansässige P.                     Corp.

Unternehmensgegenstand der deutschen Vertriebsgesellschaften waren der Vertrieb und die Verwaltung von Containern. Dazu erwarben die Gesellschaften neue oder gebrauchte Seefrachtcontainer, die sie an Leasinggesellschaften oder Reedereien vermieteten. Daneben schlossen sie mit einer Vielzahl von Anlegern Kauf- und Verwaltungsverträge. Mit diesen Verträgen kauften die Anleger von der jeweiligen Vertriebsgesellschaft eine bestimmte Anzahl von Seefrachtcontainern, sollten das Eigentum an diesen erwerben und schlossen zugleich einen Verwaltungsvertrag mit der Gesellschaft über eine Laufzeit von in der Regel fünf Jahren, während der sie einen garantierten Mietzins erhalten sollten. Zum Ende der Laufzeit war zum Teil vereinbart, dass die jeweilige Gesellschaft zum Rückkauf der Container bereit sei und ein Kaufangebot unterbreiten werde.

Ab dem Jahr 2007 geriet das P.  -Modell in eine Schieflage. Die Ansprüche der Anleger konnten nicht mehr vollständig aus den Mitteln und der Liquidität der P.                    Corp. erfüllt werden. Es wurde versucht, die auftretenden Liquiditätslücken mit neuem Anlegerkapital zu decken, welches von den Vertriebsgesellschaften an die P.                    Corp. weitergeleitet wurde. Dadurch entstand ein System, bei dem die Gelder neuer Anleger nicht mehr für den Kauf von Containern verwendet wurden (sogenanntes Schneeballsystem). Zu Beginn des Jahres 2018 brach das System zusammen, weil nicht mehr ausreichend neue Anlegergelder zur Befriedigung der Altanleger eingeworben werden konnten. Auf Eigenanträge der Vertriebsgesellschaften von März/April 2018 wurde am 24. Juli 2018 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet.

Der Erblasser war vom 20. Februar 2013 bis 27. Juni 2016 Geschäftsführer von drei sowie vom 3. April 2013 bis 8. Juli 2016 Geschäftsführer auch der vierten Vertriebsgesellschaft. Nach seiner Abberufung bei den ersten drei Gesellschaften im Juni 2016 übernahm     R.   wieder deren alleinige Geschäftsführung. Am 13. Juni 2018 verstarb der Erblasser.

Die Klägerin schloss von September 2014 bis Juni 2017 insgesamt fünf Anlageverträge mit drei Vertriebsgesellschaften, drei davon vor und zwei nach der Abberufung des Erblassers als Geschäftsführer. Sie zahlte insgesamt einen Kaufpreis in Höhe von 167.325 € und erhielt aus den Verträgen Mietzahlungen in Höhe von insgesamt 29.351,96 €.

Die Klägerin hat die Beklagte als Alleinerbin des Erblassers wegen Insolvenzverschleppung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO), wegen sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) und aus Delikt wegen Betrugs (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB) auf Schadensersatz in Höhe von 137.973,04 € (Investitionsbeträge abzüglich erhaltener Mietzahlungen) nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Abtretung ihrer Rechte aus den fünf Anlageverträgen und auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren in Anspruch genommen. Außerdem hat sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie von jeglichen Zahlungen im Zusammenhang mit den Anlageverträgen, insbesondere von Zahlungsansprüchen des Insolvenzverwalters, freizustellen und sich mit der Annahme der angebotenen Zug-um-Zug-Leistung in Verzug befindet.

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der drei vor der Abberufung des Erblassers als Geschäftsführer geschlossenen Anlageverträge geltend gemachten Ansprüche stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Nach Berufungseinlegung beider Parteien hat das Insolvenzgericht im Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers am 17. Juni 2020 einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und der Beklagten ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt. In dem am 20. Oktober 2020 eröffneten Nachlassinsolvenzverfahren hat die Klägerin eine Forderung in Höhe von 167.325 € angemeldet, die unter Nr. 189 als "Forderung aus Schadensersatzanspruch" in die Tabelle eingetragen worden ist. Der Insolvenzverwalter hat die Forderung bestritten und die Beklagte hat ihr im Prüfungstermin widersprochen.

Mit Schriftsatz vom 6. April 2021 hat die Beklagte unter Verweis auf § 184 Abs. 2 InsO die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens erklärt. Das Berufungsgericht hat das Verfahren fortgesetzt und das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Beklagten dahingehend abgeändert, dass es ihr hinsichtlich ihrer Verurteilung bezüglich der ersten drei Anlageverträge die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass vorbehalten hat. Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen.
 

Mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen verfolgen die Parteien ihre Berufungsanträge, soweit sie vom Berufungsgericht zurückgewiesen wurden, weiter.

 

Entscheidungsgründe


Die Revisionen führen bereits deshalb zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil die Parteien den Rechtsstreit nicht wirksam aufgenommen haben. Die in der Berufungsinstanz eingetretene Unterbrechung des Rechtsstreits dauert an.
 

I.
Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - angenommen, dass die Parteien das gemäß § 240 ZPO unterbrochene Verfahren wirksam aufgenommen hätten. Es habe daher in der Sache entscheiden können. Die Aufnahme des Verfahrens richte sich nach der Insolvenzordnung, ihre Form nach § 250 ZPO. Voraussetzung für die Aufnahme des Rechtsstreits sei nach § 179 Abs. 1 und 2, § 180 Abs. 2 InsO zunächst, dass die Forderung zur Tabelle angemeldet, geprüft und bestritten worden sei. Die Beklagte sei zwar nur Erbin des Insolvenzschuldners; sie gelte aber für das Nachlassinsolvenzverfahren - mit Ausnahme der Beschränkungen, die an das Verhalten oder die Vermögensverhältnisse des den Insolvenzgrund setzenden Erblassers anknüpfen - als Schuldnerin. Nach dem Vortrag der Beklagten habe die Klägerin im Nachlassinsolvenzverfahren unter Nr. 189 eine Forderung in Höhe von 167.325 € angemeldet. Die Beklagte habe im Prüftermin die Forderung bestritten; als Insolvenzschuldnerin sei sie daher zur Aufnahme befugt und habe den Rechtsstreit ordnungsgemäß aufgenommen.
 

II.
Das hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Mit Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Rechtsstreit durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters für den Nachlass des Erblassers und die Verhängung eines allgemeinen Verfügungsverbots gegen die Beklagte am 17. Juni 2020 gemäß § 240 Satz 1 und 2 ZPO i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO insgesamt unterbrochen worden ist, da es sich bei sämtlichen von der Klägerin geltend gemachten Forderungen um Nachlassverbindlichkeiten im Sinn von § 1967 BGB handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2008 - IX ZR 150/05, ZIP 2008, 1943 Rn. 1 mwN; OLG Köln MDR 2003, 526; Hk-ZPO/Wöstmann, ZPO, 10. Aufl., § 240 Rn. 6; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 240 Rn. 7 aE). Hierzu gehören alle vererblichen Schulden des Erblassers, die schon vor dem Erbfall in seiner Person entstanden bzw. begründet waren (vgl. Erman/Horn, BGB, 17. Aufl., § 1967 Rn. 3; Grüneberg/Weidlich, BGB, 83. Aufl., § 1967 Rn. 2 mwN). Erfasst sind weiter Ansprüche, die zwar erst nach dem Erbfall entstehen, deren wesentliche Entstehungsgrundlage aber schon vor dem Erbfall gegeben war (vgl. Erman/Horn, BGB, 17. Aufl., § 1967 Rn. 3a mwN; siehe auch Staudinger/Kunz, BGB, Neubearbeitung 2020, § 1967 Rn. 64: dem Erblasser zuzurechnende Schulden). Dazu gehören auch außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zur Verfolgung einer Nachlassverbindlichkeit, selbst wenn die anwaltliche Hilfe erst nach dem Tod des Erblassers in Anspruch genommen wurde.
 

2. Die Parteien haben den Rechtsstreit nicht wirksam aufgenommen. Zwar haben Klägerin und Beklagte die Aufnahme des Rechtsstreits formwirksam erklärt (§ 250 ZPO). Es fehlt jedoch - was das Berufungsgericht übersehen hat - an der für eine wirksame Aufnahme erforderlichen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 47/19, ZIP 2020, 1561 Rn. 11 ff mwN) wirksamen Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle. Dies gilt auch, soweit es der Beklagten als Schuldnerin gemäß § 184 Abs. 2 Satz 1 InsO obliegt, ihren Widerspruch binnen einer Frist von einem Monat zu verfolgen.
 

a) Gemäß § 240 Satz 1 ZPO kommt die Aufnahme eines nach dieser Vorschrift unterbrochenen Verfahrens ausschließlich nach §§ 85, 86, 180 Abs. 2 InsO in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2023 - IX ZR 21/22, ZIP 2023, 923 Rn. 16 mwN). Dies gilt in gleicher Weise für einen durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreit. Die Fortsetzung eines Rechtsstreits zur Weiterverfolgung einer Insolvenzforderung im Sinne von § 87 InsO ist mithin nur unter den Voraussetzungen der §§ 174 ff., 179, 180 Abs. 2 InsO möglich (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2023 - IX ZR 21/22, ZIP 2023, 923 Rn. 32 mwN), d.h. der Gläubiger kann den Rechtsstreit erst aufnehmen, wenn die Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet und geprüft worden und bestritten geblieben ist oder der Schuldner ihr widersprochen hat (§ 179 Abs. 1, § 184 Abs. 1 Satz 2, § 180 Abs. 2 InsO). Liegt für die Forderung bereits ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, obliegt die Aufnahme dem Bestreitenden (§ 179 Abs. 2, § 184 Abs. 2 InsO). Dieses Erfordernis des insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahrens ist auch bei der Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits eine zwingende Sachurteilsvoraussetzung (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2014 - IX ZR 261/12, ZIP 2014, 1503 Rn. 9 f.; Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 47/19, ZIP 2020, 1561 Rn. 10), die vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2023 - IX ZR 21/22, ZIP 2023, 923 Rn. 34).

Dabei setzt eine wirksame Aufnahme nicht nur voraus, dass die Forderung in einem Prüfungstermin geprüft worden ist. Unwirksam ist die Aufnahme eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Prozesses auch, wenn es an einer wirksamen Anmeldung der Forderung fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 47/19, ZIP 2020, 1561 Rn. 11). Voraussetzung für eine wirksame Aufnahme des Rechtsstreits ist danach insbesondere, dass die Forderungsanmeldung den Anforderungen des § 174 InsO entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 47/19, ZIP 2020, 1561 Rn. 12; Urteil vom 16. Februar 2023 - IX ZR 21/22, ZIP 2023, 923 Rn. 36).
 

§ 180 Abs. 2 InsO ordnet an, dass die Feststellung einer Insolvenzforderung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben ist, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig war. Die Bestimmung dient dazu, den Kosten- und Zeitaufwand eines selbständigen Insolvenzfeststellungsprozesses zu vermeiden, die bisherigen Prozessergebnisse zu erhalten und den anhängigen Prozess zu einem Ende zu bringen (BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 47/19, ZIP 2020, 1561 Rn. 12 mwN). Aus dieser Zielsetzung folgt, dass die Bestimmungen über das insolvenzrechtliche Feststellungsverfahren - soweit sie insbesondere hinsichtlich der Anmeldung der Forderung und der Prüfung der Forderung im Prüfungstermin Sachurteilsvoraussetzungen sind - zugleich Voraussetzungen für die wirksame Aufnahme eines gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Prozesses sind. Andernfalls käme es entgegen der Zielsetzung des Gesetzes dazu, dass bisherige Prozessergebnisse allein wegen Mängeln des insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahrens verloren gingen. Dies widerspräche gerade bei behebbaren Mängeln der Prozessökonomie (BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 47/19, aaO).
 

b) Diese Grundsätze zur wirksamen Aufnahme eines Rechtsstreits gelten - nach Abstimmung mit dem für das Insolvenzrecht zuständigen IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs - unabhängig davon, wer die Forderung des anmeldenden Gläubigers bestreitet und wem die Verfolgung des Widerspruchs obliegt. Sie betreffen daher in der Nachlassinsolvenz auch die Rechtsverfolgung gegen den noch nicht unbeschränkt haftenden Erben (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2004 - V ZR 100/04, ZIP 2004, 2345, 2346; MünchKommInsO/Siegmann/Scheuing, 4. Aufl., § 325 Rn. 11).

aa) Soweit gemäß § 184 Abs. 1 Satz 2 InsO der Gläubiger einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängigen Rechtsstreit über die Forderung gegen den Schuldner aufnehmen kann, wenn der Schuldner die Forderung bestritten hat, beruht diese Regelung auf der gleichen Zielsetzung wie § 180 Abs. 2 InsO (Pape/Schaltke in Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand Januar 2017, § 184 Rn. 26). Auch bei der Aufnahme des Rechtsstreits gegen den Schuldner stellt die wirksame Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle eine zwingende Sachurteilsvoraussetzung dar (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2013 - IX ZR 151/12, BGHZ 197, 186 Rn. 9; Urteil vom 9. Januar 2014 - IX ZR 103/13, WM 2014, 270 Rn. 8; Beschluss vom 21. März 2024 - IX ZB 56/22, ZIP 2024, 827 Rn. 29; vgl. auch Pape/Schaltke in Prütting/Bork/Jacoby, InsO, Stand Januar 2017, Rn. 12). Fehlt es an einer wirksamen Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle, ist die gemäß § 184 InsO erhobene Feststellungsklage als unzulässig abzuweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2024 - IX ZB 56/22, ZIP 2024, 827 Rn. 50); damit gingen bei der Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits gegen den Schuldner die bisherigen Prozessergebnisse allein wegen Mängeln des insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahrens verloren.
 

bb) Dies gilt in gleicher Weise, wenn es dem Schuldner gemäß § 184 Abs. 2 Satz 1 InsO obliegt, den Widerspruch zu verfolgen. Dass der Widerspruch des Schuldners gemäß § 184 Abs. 2 Satz 2 InsO nach fruchtlosem Ablauf der in § 184 Abs. 2 Satz 1 InsO bestimmten Frist als nicht erhoben gilt, erfordert nach Abstimmung mit dem für das Insolvenzrecht zuständigen IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nicht, dass der Schuldner in der Lage sein muss, einen unterbrochenen Rechtsstreit auch ohne wirksame Anmeldung der Forderung zur Tabelle wirksam aufzunehmen.
 

Die Sachurteilsvoraussetzung einer wirksamen Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle gilt unabhängig davon, ob für die Forderung des Gläubigers - ganz oder teilweise - ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt. § 184 Abs. 2 InsO soll dem Gläubiger, der im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon einen (auch nur vorläufig vollstreckbaren) Titel hinsichtlich der später angemeldeten Forderung in Händen hält, die Last erneuter Prozessführung abnehmen und ihn vor der damit einhergehenden Gefahr schützen, seine Kostenerstattungsansprüche wegen der wirtschaftlichen Situation des Schuldners nicht oder nur schwer durchsetzen zu können (vgl.BT-Drucks. 16/3227, S. 21). Dieser Zielsetzung liefe es zuwider, wenn der Schuldner einen unterbrochenen Prozess zur Verfolgung seines Widerspruchs auch bei nicht ordnungsgemäßer Forderungsanmeldung wirksam aufnehmen könnte. Denn dann wäre die Klage des Gläubigers allein wegen der fehlenden Sachurteilsvoraussetzung einer wirksamen Forderungsanmeldung durch Prozessurteil abzuweisen. Dies liefe dem Ziel des § 184 Abs. 2 InsO zuwider.
 

§ 184 Abs. 2 Satz 2 InsO ändert daran nichts. Der Schuldner genügt seiner Obliegenheit, seinen Widerspruch zu verfolgen, schon dadurch, dass er innerhalb der Frist des § 184 Abs. 2 Satz 1 InsO die Aufnahme eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Prozesses formwirksam erklärt. Stellt das Gericht im Zwischenstreit durch Zwischenurteil fest, dass der Rechtsstreit mangels wirksamer Forderungsanmeldung weiter unterbrochen ist, treten die Wirkungen des § 184 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht ein. Da der Widerspruch des Schuldners somit nicht beseitigt ist, greift auch § 201 Abs. 2 InsO nicht ein. Damit ist der Schuldner durch die form- und fristgerechte Aufnahmeerklärung ausreichend geschützt.
 

c) Im Streitfall fehlt es an einer wirksamen Anmeldung der im Rechtsstreit verfolgten Forderungen. Die Forderungsanmeldung der Klägerin genügt den von § 174 Abs. 2 InsO gestellten Anforderungen nicht.

aa) Nach dieser Vorschrift sind bei der Anmeldung der Grund und der Betrag sowie Tatsachen für eine Qualifizierung der Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO anzugeben. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 2 InsO sind erfüllt, wenn die Forderung ausreichend individualisiert, d.h. der Streitgegenstand bestimmt ist. Danach erfordert die Angabe des Grundes der Forderung die bestimmte Angabe des Lebenssachverhalts, aus dem die Forderung nach der Behauptung des Gläubigers entspringt. Eine Sammelanmeldung, bei der mehrere Forderungen zusammengefasst werden, ohne Grund und Betrag der einzelnen Forderung jeweils ausreichend bestimmt zu bezeichnen, ist unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - IX ZR 3/08, WM 2009, 468 Rn. 11). Eine schlüssige Darlegung der Forderung ist dagegen nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 47/19, WM 2020, 1443 Rn. 19 ff). Maßgeblich für die Prüfung der Voraussetzungen des § 174 InsO ist allein die Anmeldung der Forderung; wie der Insolvenzverwalter die Forderung in die Tabelle eingetragen hat, ist dagegen unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 - IX ZR 315/14, BGHZ 213, 362 Rn. 37).
 

bb) Eine diesen Anforderungen genügende Forderungsanmeldung der Klägerin liegt nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt nicht vor. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem von der Beklagten im Rechtsstreit vorgelegten Tabellenauszug ergibt sich nur, dass die Klägerin eine Forderung von 167.325 € angemeldet hat, die als "Forderung aus Schadensersatzanspruch" in die Tabelle eingetragen worden ist. Eine Individualisierung der angemeldeten Forderung durch Angaben zu dem ihr zugrundeliegenden Lebenssachverhalt ist dem nicht zu entnehmen, geschweige denn eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Anlageverträgen der Klägerin. Dass der angemeldete Betrag der Gesamtinvestitionssumme der Klägerin entspricht, reicht dafür nicht aus.
 

Die von der Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingereichte Forderungsanmeldung vom 3. Dezember 2020 gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Es kann dahinstehen, ob dieses Vorbringen im Revisionsverfahren nicht schon gemäß § 555 Abs. 1 Satz 1, § 296a ZPO ausgeschlossen ist, nachdem die Beklagte sich bereits im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auf diesen Gesichtspunkt berufen und der Senat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass es nach dem bisherigen Vortrag an einer hinreichenden Individualisierung der angemeldeten Forderung fehle und insbesondere die Forderungsanmeldung der Klägerin nicht vorgelegt wurde, ohne dass die Klägerin einen Antrag auf Gewährung eines Schriftsatznachlasses gestellt hat (vgl. Hk-ZPO/Wöstmann, 10. Aufl., § 139 Rn. 10; BeckOK ZPO/von Selle, Stand 1.12.2023, § 139 Rn. 48 ff. jeweils mwN). Denn auch die nachgereichten Unterlagen reichen für eine hinreichende Individualisierung nicht aus. In der formularmäßigen Forderungsanmeldung vom 3. Dezember 2020 wird zum Grund und zur näheren Erläuterung der angemeldeten Gesamtforderung von 167.325 € "Schadensersatz aus Containerverkauf" angegeben und auf eine "anliegende Forderungsbegründung nebst Anlagen" verwiesen. Beigefügt sind weitere Anmeldungsformulare mit Datum vom 15. bzw. 16. August 2018, in denen zwar die Vertragsnummern der ebenfalls beigefügten fünf Kauf- und Verwaltungs-/Mietverträge der Klägerin angegeben sind, aber Forderungsbeträge angemeldet werden, die sich mit der angemeldeten Gesamtforderung von 167.325 € nicht in Einklang bringen lassen (Hauptforderungen wegen ausgebliebener Rückkaufsangebote und Mieten in Höhe von insgesamt 167.769,95 € sowie Zinsen in Höhe von insgesamt 25,03 €). Welcher Forderungsbetrag als Schadensersatzforderung konkret aus welchem Anlagevertrag mit der Gesamtforderung von 167.325 € angemeldet werden sollte, war damit auch diesen Unterlagen nicht mit hinreichender Bestimmtheit zu entnehmen (anders als bei einem ersichtlichen Schreibversehen, vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2018 - II ZR 314/16, WM 2018, 1270 Rn. 18 zum Mahnbescheidsantrag).
 

III.
Da die nach § 240 ZPO eingetretene Verfahrensunterbrechung deshalb insgesamt fortdauert, durfte das Berufungsgericht keine Sachentscheidung fällen. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 ZPO). Da der Zwischenstreit über die wirksame Aufnahme des Verfahrens zur Entscheidung reif ist, hat der Senat hierüber durch Zwischenurteil (§ 303 ZPO) selbst zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2023 - IX ZR 21/22, WM 2023, 779 Rn. 31) und auszusprechen, dass das Verfahren weiter unterbrochen ist.

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