Bundesgerichtshof Urteil, 23. Okt. 2006 - II ZR 192/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin macht mit der Klage - nunmehr unstreitige - Werklohnforderungen aus verschiedenen Bauvorhaben in Höhe von 34.769,50 € geltend, die Beklagte rechnet mit einer Saldoforderung aus der Abrechnung einer Arbeitsgemeinschaft auf.
- 2
- Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Klägerin) und die Beklagte gründeten mit Vertrag vom 11. September 1995 eine bauwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft (im Folgenden: ARGE), um gemeinsam einen Auftrag der zuständigen Autobahndirektion zur Erneuerung und Verstärkung der Fahr- bahndecke auf einem Teilabschnitt der BAB A 6 Heilbronn - Nürnberg durchzuführen. Die Arbeiten wurden 1995 abgenommen, im Jahr 2001 wurde die Schlusszahlung an die ARGE geleistet. Die Klägerin, in deren - vertraglich festgelegte - Zuständigkeit als kaufmännische Geschäftsführerin die Aufstellung der Schlussbilanz fiel, kam dieser Verpflichtung zunächst nicht nach. Schließlich erstellten beide Parteien unterschiedliche Abrechnungen und legten im Verlauf des Rechtsstreits inhaltlich abweichende Schlussbilanzen vor. Nach der Rechnung der Klägerin ergab sich zu Gunsten der Beklagten ein Saldo in einer dem noch vorhandenen Bankguthaben der ARGE nahezu entsprechenden Höhe; die Beklagte errechnete für sich ein - die Klageforderung erheblich übersteigendes - Auseinandersetzungsguthaben. Mit diesem hat sie gegen die Klageforderung aufgerechnet und mit der Widerklage von der Klägerin Zustimmung zur Auszahlung des Bankguthabens verlangt.
- 3
- Das Landgericht hat der Klage (34.769,15 €) stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zum Ausgleich des - nach ihrer Schlussbilanz - der Beklagten noch zustehenden Betrages das vorhandene Bankguthaben der ARGE an die Beklagte überwiesen. Die sich - nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Widerklageforderung - gegen ihre Verurteilung richtende Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer - vom erkennenden Senat zugelassenen - Revision.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 5
- I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
- 6
- Die Beklagte dürfe gegen die Klageforderung nicht aufrechnen, weil die von ihr geltend gemachte Forderung aus der Auseinandersetzung der ARGE nicht fällig sei. Der Anspruch eines Gesellschafters auf das Auseinandersetzungsguthaben werde erst fällig, wenn die Schlussabrechnung von den Gesellschaftern festgestellt und über ihren Inhalt Einigkeit erzielt sei. Dies sei angesichts der offensichtlichen Uneinigkeit der Parteien über die in die Bilanz einzustellenden Positionen nicht der Fall. Im Übrigen stünden der Fälligkeit eines Auseinandersetzungsanspruchs der Beklagten auch die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien entgegen.
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- II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 8
- 1. Im Ausgangspunkt noch zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass nach Auflösung der ARGE - einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - ein Zahlungsanspruch grundsätzlich nur hinsichtlich des Saldos der abschließenden Auseinandersetzungsrechnung geltend gemacht werden kann (st.Rspr. z.B. Sen.Urt. v. 24. Oktober 1994 - II ZR 231/93, ZIP 1994, 1846; v. 10. Mai 1993 - II ZR 111/92, ZIP 1993, 919 f.). Das Berufungsgericht hat Feststellungen zu den Einwendungen der Beklagten gegen die - von der Klägerin aufgestellte - Schlussbilanz nicht getroffen. Für das Revisionsverfahren ist deshalb zu unterstellen, dass sich das von der Beklagten ermittelte, die Klageforderung übersteigende Auseinandersetzungsguthaben zu ihren Gunsten ergibt.
- 9
- 2. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist der Anspruch der Beklagten auf Auszahlung dieses Auseinandersetzungsguthabens fällig.
- 10
- a) Nach der Rechtsprechung des Senats bedarf es zur Geltendmachung des Auseinandersetzungsguthabens einer - von den Gesellschaftern festgestellten - Auseinandersetzungsbilanz nicht, wenn kein zu liquidierendes Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist (Sen.Urt. v. 5. Juli 1993 - II ZR 234/92, ZIP 1993, 1307, 1309; v. 21. November 2005 - II ZR 17/04, ZIP 2006, 232 Tz. 10 f.). Aus den von beiden Parteien vorgelegten Schlussbilanzen geht hervor , dass die ARGE - nach Auszahlung des zu ihren Gunsten noch vorhandenen Bankguthabens an die Beklagte - nicht über weiteres Gesellschaftsvermögen verfügt. In diesem Fall kann der Gesellschafter, der für sich ein Guthaben beansprucht, dieses ausnahmsweise unmittelbar gegen den ausgleichspflichtigen Gesellschafter geltend machen; Streitpunkte über die Richtigkeit der Schlussrechnung sind in diesem Prozess zu entscheiden (Sen.Urt. v. 5. Juli 1993 aaO; v. 21. November 2005 aaO).
- 11
- b) Von diesen Grundsätzen Abweichendes ist - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - in § 8.6 Satz 5 bis 7 des - nach der Vereinbarung der Parteien maßgeblichen - (Muster-) Arbeitsgemeinschaftsvertrags der Deutschen Bauindustrie, Fassung 1987, nicht geregelt. Diese Klausel behandelt allein die Fragen, wie nach Abwicklung aller Geschäftsvorfälle der ARGE zu verfahren, dass eine Schlussbilanz zu erstellen ist und in welcher Form und Frist Einwendungen gegen diese erhoben werden können, trifft aber über die Fälligkeit des Auseinandersetzungsanspruchs keine eigenständige Aussage (vgl. auch Mielicki/Burchardt in Burchardt/Pfülb, ARGE-Kommentar 4. Aufl. § 8 Rdn. 102).
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- 3. Das Berufungsurteil kann auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden (§ 561 ZPO).
- 13
- Die Beklagte ist mit ihren Einwendungen gegen die Schlussbilanz der Klägerin nicht nach § 8.6 Satz 7 des (Muster-) Arbeitsgemeinschaftsvertrags ausgeschlossen, weil sie es - wie die Revisionserwiderung geltend macht - versäumt habe, diese innerhalb der in § 8.6 Satz 6 des Mustervertrags vorgesehenen Frist von drei Monaten vorzubringen. Aus den tatrichterlich einwandfrei getroffenen und von der Revisionserwiderung nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich das Gegenteil.
- 14
- 4. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die Höhe eines etwaigen - von der Beklagten auf der Grundlage der Schlussbilanz der Klägerin noch näher darzulegenden - Zahlungsanspruchs klären kann. Dabei ist es an seine - unter dem Blickpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärung - nach § 91 a ZPO getroffene Teilkostenentscheidung gebunden (Sen.Urt. v. 18. April 2005 - II ZR 55/03, ZIP 2005, 1368 m.w.Nachw.).
- 15
- Der - von der Klägerin angeregte, auch ohne Antrag mögliche - Erlass eines Vorbehaltsurteils (§ 302 ZPO) zu Gunsten der Klägerin kommt jedenfalls auf Grund der hier gegebenen Umstände in dritter Instanz nicht in Betracht.
Goette Kraemer Strohn
Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Memmingen, Entscheidung vom 29.12.2004 - 1 HO 969/03 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 08.06.2005 - 27 U 68/05 -
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Annotations
(1) Nach der Auflösung der Gesellschaft findet in Ansehung des Gesellschaftsvermögens die Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern statt, sofern nicht über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist.
(2) Für die Beendigung der schwebenden Geschäfte, für die dazu erforderliche Eingehung neuer Geschäfte sowie für die Erhaltung und Verwaltung des Gesellschaftsvermögens gilt die Gesellschaft als fortbestehend, soweit der Zweck der Auseinandersetzung es erfordert. Die einem Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag zustehende Befugnis zur Geschäftsführung erlischt jedoch, wenn nicht aus dem Vertrag sich ein anderes ergibt, mit der Auflösung der Gesellschaft; die Geschäftsführung steht von der Auflösung an allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu.
Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(1) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so kann, wenn nur die Verhandlung über die Forderung zur Entscheidung reif ist, diese unter Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung ergehen.
(2) Enthält das Urteil keinen Vorbehalt, so kann die Ergänzung des Urteils nach Vorschrift des § 321 beantragt werden.
(3) Das Urteil, das unter Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung ergeht, ist in Betreff der Rechtsmittel und der Zwangsvollstreckung als Endurteil anzusehen.
(4) In Betreff der Aufrechnung, über welche die Entscheidung vorbehalten ist, bleibt der Rechtsstreit anhängig. Soweit sich in dem weiteren Verfahren ergibt, dass der Anspruch des Klägers unbegründet war, ist das frühere Urteil aufzuheben, der Kläger mit dem Anspruch abzuweisen und über die Kosten anderweit zu entscheiden. Der Kläger ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist. Der Beklagte kann den Anspruch auf Schadensersatz in dem anhängigen Rechtsstreit geltend machen; wird der Anspruch geltend gemacht, so ist er als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen.