Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2018 - 5 StR 584/17
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Februar 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt – in der Verhandlung – Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung –
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Wohnungseinbruchdiebstahl (Tat II.5.) sowie in vier Fällen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln (Taten II.1. bis 4.) zu einer zweijährigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und 850 EUR eingezogen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft greift zu Ungunsten des Angeklagten allein die Strafzumessung an. Sie hat – insofern vom Generalbundesanwalt vertreten – nur im tenorierten Umfang Erfolg.
- 2
- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte von März bis September 2016 in vier Fällen Amphetamin (einmal 30 g mit 2,1 g Amphetaminbase, dreimal 50 g mit jeweils 3,5 g Amphetaminbase), das er teils verkaufte, teils gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin konsumierte.
- 3
- Darüber hinaus (Tat II.5.) stieg der Angeklagte am 4. September 2016 durch ein Fenster in die Wohnung seines Lieferanten ein und nahm 255 g Amphetamin (19 g Amphetaminbase) mit sich, um es zu verkaufen und durch den Erlös unter anderem seine Lebensgefährtin vor einer Ersatzfreiheitsstrafe zu bewahren. Als er zwei Tage später auf dem Weg zu Abnehmern war, befand sich in seinem Rucksack neben dem Amphetamin ein Messer mit einhändig feststellbarer Klinge, das er gegebenenfalls zur Selbstverteidigung einsetzen wollte. Der Rucksack wurde nebst Inhalt durch die Polizei sichergestellt.
- 4
- Der mehrfach (auch einschlägig) vorbestrafte Angeklagte handelte in allen Fällen gewerbsmäßig. Er war bereits im Ermittlungsverfahren umfassend geständig und hat hierbei seinen Amphetaminlieferanten benannt.
- 5
- 2. Das Landgericht hat deshalb die Voraussetzungen des § 31 BtMG bejaht. Es hat die Tat II.5. unter Heranziehung dieses vertypten Milderungsgrundes als minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet (§ 30a Abs. 3 BtMG) und – bei Annahme auch eines minder schweren Falls gemäß § 29a Abs. 2 BtMG und nach Verneinung der Regelwirkung des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG – mit der Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sanktioniert. Auch für die übrigen Taten hat es diese Regelwirkung mit Blick auf die vom Angeklagten ge- leistete Aufklärungshilfe als widerlegt angesehen und die Freiheitsstrafen von sechs (Tat II.1.) sowie jeweils acht Monaten (Taten II. 2. bis 4.) dem Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG entnommen.
- 6
- 3. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Strafaussprüche beschränkt. Sie führt zur Aufhebung der für die Tat II.5. festgesetzten Strafe sowie der Gesamtstrafe.
- 7
- a) Hinsichtlich der Tat II.5. hat das Landgericht seine Strafrahmenwahl nicht hinreichend begründet. Es ist nicht erkennbar, dass es bei diesem Zumessungsschritt in Betracht gezogen hat, den für bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgesehenen Normalstrafrahmen (§ 30a Abs. 1 und 2 BtMG) gemäß § 31 BtMG nach § 49 Abs. 1 StGB mit der Folge einer Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren zu mildern. Hierzu wäre das Tatgericht jedoch verpflichtet gewesen. Denn kommen im konkreten Fall mehrere Strafrahmen in Frage, so müssen die Urteilsgründe regelmäßig ersehen lassen, dass sich das Tatgericht der unterschiedlichen Möglichkeiten bewusst war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 387/08, NStZ-RR 2009, 9; vom 4. Juni 2015 – 5 StR 201/15, BGHR StGB § 50 Mehrfachmilderung
4) und weswegen es sich für die angewendete entschieden hat (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 933). Ein sogenannter Evidenzfall, in dem einer der in Betracht zu ziehenden Strafrahmen derart fernliegt, dass es ausnahmsweise seiner Erörterung nicht bedarf, ist schon angesichts der Vorstrafen des Angeklagten und des tateinheitlich verwirklichten Wohnungseinbruchdiebstahls nicht gegeben.
- 8
- Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht den nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30a Abs. 1 und 2 BtMG zugrunde gelegt hätte, wäre es sich dessen bewusst gewesen, und mithin zu einer höheren Freiheitsstrafe gelangt wäre. Denn es besteht keine Verpflichtung , von mehreren möglichen den für den Angeklagten jeweils günstigeren Strafrahmen anzuwenden (BGH, aaO, mwN).
- 9
- b) In Bezug auf die Taten II.1. bis 4. besteht ein vergleichbares Begründungsdefizit , weil das Landgericht wegen der vom Angeklagten geleisteten Aufklärungshilfe die Regelwirkung des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG verneint und den Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG angewendet hat, ohne eine Milderung des für den besonders schweren Fall angedrohten Strafrahmens über § 49 Abs. 1 StGB auch nur zu erwägen. Mit dem Generalbundesanwalt vermag der Senat aber insofern auszuschließen, dass die festgesetzten Strafen anders, namentlich höher ausgefallen wären, wäre das Landgericht von der dann dreimonatigen Mindestfreiheitsstrafe ausgegangen.
- 10
- c) Der Wegfall der für die Tat II.5. verhängten Einsatzstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Die jeweils zugrundeliegenden Feststellungen können bestehen bleiben, da die Strafen lediglich wegen eines Erörterungsmangels aufgehoben werden.
Berger Mosbacher
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Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter
- 1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder - 2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, - 2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt, - 3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein, - 4.
(weggefallen) - 5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt, - 6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel - a)
verschreibt, - b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
- 6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt, - 6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht, - 7.
entgegen § 13 Absatz 2 - a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke, - b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
- 8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt, - 9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen, - 10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet, - 11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt, - 12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind, - 13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt, - 14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt, - 2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.
(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter
- 1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder - 2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
BUNDESGERICHTSHOF
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Der Strafausspruch hält hingegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 3
- a) Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten (§ 21 StGB) zum Tatzeitpunkt ausgegangen. Das Vorliegen eines Regelbeispiels nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB hat es – ebenfalls rechtsfehlerfrei – bejaht, bei der Bemessung der Strafe jedoch den Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt. Hierzu hat es ausgeführt : Zwar habe der Angeklagte das Tatopfer vergewaltigt, so dass in der Regel eine Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren verwirkt sei. Im Hinblick auf den zu Gunsten des Angeklagten anzunehmenden Alkoholisierungsgrad und die daraus resultierende Minderung seiner Steuerungsfähigkeit entfalle jedoch die Regelwirkung des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB und komme der Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB zur Geltung. Von einer weiteren Milderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB sei abzusehen, „weil eine daraus resultierende doppelte Berücksichtigung zu Gunsten des Angeklagten unangemessen gewesen wäre“.
- 4
- b) Dies begegnet rechtlichen Bedenken. Zwar kann das Vorliegen eines vertypten Milderungsgrundes Anlass geben, trotz Vorliegens eines Regelbeispiels einen besonders schweren Fall zu verneinen (st. Rspr.; vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 46 Rn. 92 m.w.N.). Das Landgericht hat jedoch nicht bedacht, dass der nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten) für den Angeklagten günstiger ist als der des § 177 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren). Dies zwingt hier zur Aufhebung des Strafausspruchs (vgl. auch BGH, NStZ-RR 2000, 43). Der Senat kann nicht ausschließen , dass bei Zugrundelegung des nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilder- ten Strafrahmens des § 177 Abs. 2 StGB auf eine mildere Strafe erkannt worden wäre, zumal die Strafkammer bei der Bemessung der verhängten Strafe ausdrücklich darauf abgestellt hat, dass sie die Festsetzung einer Freiheitsstrafe „deutlich im unteren Bereich des Strafrahmens“ für ausreichend erachtet.
- 5
- 2. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit zur Prüfung haben, ob die Dauer des Ermittlungsverfahrens sowie des weiteren Verfahrens die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung rechtfertigt (zur etwaigen Kompensation vgl. BGH – GSSt – NJW 2008, 860). Ungeachtet dessen weist der Senat darauf hin, dass auch im Rahmen der Strafzumessung Belastungen des Angeklagten durch eine überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer ebenso wie ein langer zeitlicher Abstand zwischen Tat und Urteil regelmäßig strafmildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13; BGH – GSSt – NJW 2008, 860, 865).
Solin-Stojanović Ernemann
BUNDESGERICHTSHOF
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 15. Mai 2015 bemerkt der Senat: Das Tatgericht ist zwar bei der Strafrahmenwahl verpflichtet, in einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob es den nach § 49 StGB gemilderten Regelstrafrahmen oder denjenigen eines minder schweren Falls anwendet (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 1987 – 3 StR 341/87, BGHR StGB vor § 1 minder schwerer Fall Strafrahmenwahl 4). Es ist indes nicht verpflichtet, den jeweils für den Angeklagten günstigeren Strafrahmen zugrunde zu legen; es unterliegt vielmehr seiner pflichtgemäßen Entscheidung, welchen Strafrahmen es wählt (vgl. BGH, Urteile vom 3. Mai 1966 – 5 StR 173/66, BGHSt 21, 57, 59; vom 19. Januar 1982 – 1 StR 734/81, NStZ 1982, 200; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 50 Rn. 2; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung , 5. Aufl., Rn. 933; aA Theune in LK-StGB, 12. Aufl., § 50 Rn. 15 f.; Horn/Wolters, SK-StGB, 8. Aufl., § 50 Rn. 5; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 50 Rn. 5). Der Zweifelssatz findet insofern keine Anwendung.
Sander Schneider Dölp König Feilcke
Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, - 2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt, - 3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein, - 4.
(weggefallen) - 5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt, - 6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel - a)
verschreibt, - b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
- 6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt, - 6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht, - 7.
entgegen § 13 Absatz 2 - a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke, - b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
- 8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt, - 9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen, - 10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet, - 11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt, - 12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind, - 13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt, - 14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt, - 2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.
(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.