Bundesgerichtshof Urteil, 01. Feb. 2005 - 5 StR 529/04

bei uns veröffentlicht am01.02.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 529/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 1. Februar 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Februar
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. April 2004 werden verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels, der Staatskasse fallen die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zur Last.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe (Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren) und wegen Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Waffe (Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die mit der Sachrüge begründet ist und vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat ebensowenig Erfolg wie die gleichfalls mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten.
1. Der Angeklagte hat seine frühere Intimpartnerin getötet, die sich von ihm getrennt hatte. Anschließend unternahm er einen Selbsttötungsversuch mit schwersten bleibenden Folgeschäden.

a) Der 1971 geborene Angeklagte lernte etwa 1999 in seiner Heimatstadt Waren/Müritz die später Getötete We kennen, die dort eine Gaststätte eröffnet hatte. Er verliebte sich in die elf Jahre ältere Frau, half ihr bei ihrem Umzug von Berlin nach Waren und zog in ihre Wohnung mit ein. Es war die erste feste Partnerschaft des Angeklagten. Nach Scheitern des Gaststättenbetriebs siedelte We Anfang 2001 nach Berlin zurück , der Angeklagte zog mit ihr um. Er hatte mittlerweile seine Arbeit als Fernfahrer verloren. Die Beziehung war bereits Ende 2000 in eine Krise geraten. Ein Grund hierfür war die vom Landgericht ohne weiteren Beleg als grundlos bezeichnete Eifersucht des Angeklagten. Im Mai 2001 vollzog M We gegen den Willen des Angeklagten die Trennung. Der Angeklagte zog nach Waren zurück, konnte sich jedoch mit der Trennung nicht abfinden. Er wurde depressiv und lebte zurückgezogen. Angehörige befürchteten aufgrund seines Verhaltens, er hege Selbstmordabsichten. Der Angeklagte übte gegen seine frühere Partnerin und auch gegen deren Eltern anschließend massiven „Telefonterror“ aus; zudem stand er oft stundenlang vor M s Wohnung. We Er drohte ihr mit dem Tode, weil sie sein Leben ruiniert habe; er werde keinen anderen Mann an ihrer Seite dulden. Die Frau empfand erhebliche Furcht vor dem Angeklagten; im Sommer 2001 zeigte sie ihn wegen einer letztlich ungeklärten Bedrohungsaktion an.

b) Am Tattag, dem 3. Mai 2002, befand sich der Angekl agte zum Besuch eines Bekannten in Berlin. Spätestens an diesem Tage beschaffte er sich eine funktionsfähige Pistole mit erheblichen Mengen Munition. Er hatte erfahren, daß We am folgenden Tage mit einem neuen Lebensgefährten zusammenziehen wollte. Er suchte eine Aussprache, mit der er hoffte, sie zur Fortsetzung der Beziehung mit ihm bewegen zu können. Für den Fall des Scheiterns beabsichtigte er, mit der Schußwaffe die Frau und sich selbst zu töten, um zu verhindern, daß sie ohne ihn und an der Seite eines anderen Mannes weiterlebte.
Gegen 18.00 Uhr paßte derAngeklagte W e auf dem Parkplatz an ihrer Arbeitsstelle ab. Es kam zu einer heftigen Diskussion, an deren Ende sie dem Angeklagten noch einmal klarmachte, daß die Trennung endgültig sei. Als sie sich schnellen Schrittes von dem Angeklagten abwandte , zog dieser die eingesteckte Pistole heraus und schoß We einmal in der Höhe des Herzens in den Rücken, um sie zu töten. Er wollte sie zum einen für die erneute Zurückweisung bestrafen und zum anderen verhindern , daß sie sich endgültig einem anderen Mann zuwandte. Der Schuß war tödlich; sie stürzte alsbald zu Boden und starb. Nachdem der Angeklagte noch drei weitere Schüsse abgegeben hatte, von denen einer die im Fallen befindliche Frau in Bauchhöhe in den Rücken getroffen hatte, hielt er sich die Waffe in Selbsttötungsabsicht an den Kopf und gab zwei Schüsse ab. Hierdurch wurde ein Auge vollständig und das andere weitgehend zerstört, so daß der Angeklagte seither vollständig erblindet ist; ferner erlitt er Hirnschädigungen.
2. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ist es sachlichrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Angeklagte wegen Totschlags und nicht wegen Mordes verurteilt worden ist.

a) Die Verneinung des Mordmerkmals der Heimtücke erwe ist sich als rechtsfehlerfrei.
In Übereinstimmung mit der Beurteilung durch den psychi atrischen Sachverständigen hat das Schwurgericht eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit (§ 21 StGB) „aufgrund des Vorliegens einer überwertigen Idee auf dem Hintergrund der Depressionen des Angeklagten“ und angesichts eines affektiven Erregungszustandes infolge der Auseinandersetzung mit dem Opfer unmittelbar vor der Tat angenommen. Diese Annahme einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung erweist sich – vor dem Hintergrund des länger zurückliegenden wie des unmittelbaren Vortatgeschehens und belegt durch das unmittelbare Nachtatgesche- hen – als ausreichend fundiert. Bei dem hier vorliegenden Sachverhalt sind die dagegen gerichteten Beanstandungen unzulänglicher Wiedergabe der wesentlichen Anknüpfungstatsachen und des Sachverständigengutachtens haltlos.
Vor dem Hintergrund dieser zustandsbedingten Bewußtsein strübung zweifelt das Schwurgericht bei dem Schuß des Angeklagten auf den Rücken des Opfers an einer bewußten Ausnutzung von dessen Arg- und Wehrlosigkeit. Diese tatrichterliche Beurteilung läßt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. nur BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 5 StR 401/04 m.w.N.).
Abgesehen davon sind angesichts der getroffenen Feststel lungen zum Tathergang schon die objektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Heimtücke zweifelhaft. Das Schwurgericht erwägt selbst, daß das Opfer, das in den Monaten der Nachstellungen und Bedrohungen durch den Angeklagten vor diesem erhebliche Furcht empfand, sich „aus Furcht vor Verfolgung durch den Angeklagten“ (UA S. 12) vom Ort der Auseinandersetzung eilends entfernt haben könnte. Daß die Frau unmittelbar zuvor von dem Angeklagten mindestens verbal erheblich bedroht wurde und daher in der Situation überhaupt nicht arglos war, liegt bei dieser Sachlage nicht fern.

b) Daß das Schwurgericht das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe unerörtert gelassen hat, unterliegt angesichts der Feststellungen zur psychischen Situation des Angeklagten keinen durchgreifenden Bedenken. Zwar kann die Tötung einer Frau, um sie keinem anderen Partner zu überlassen , die Voraussetzungen niedriger Beweggründe erfüllen (vgl. nur BGH NStZ 2002, 540, 541 m.w.N.; BGH, Urteil vom 15. Juni 2004 – 1 StR 39/04). Ersichtlich war indes die Wut des Angeklagten auf sein Opfer mit einer nicht gänzlich unverständlichen, ihn psychisch erheblich belastenden Verzweiflung über seine Situation nach dem von ihm nicht verstandenen und nicht akzeptierten Scheitern seiner ersten festen Partnerschaft verbunden. Bei dieser Sachlage liegt im Ergebnis auf der Hand, daß das Mordmerkmal der niedri- gen Beweggründe mindestens aus subjektiven Gründen ausschied (vgl. nur BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 32; BGH StV 2004, 205).
3. Die Zubilligung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB für das Tötungsdelikt erweist sich ebenfalls als nicht durchgreifend bedenklich. Die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB ist, wie dargelegt, rechtsfehlerfrei. Das gilt letztlich auch für die Zubilligung der Strafrahmenverschiebung. Dabei geht der Senat trotz mißverständlicher Formulierung im Urteil (der nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen „war“ zugrunde zu legen, UA S. 41) nicht davon aus, daß das Schwurgericht eine Strafrahmenverschiebung etwa rechtsfehlerhaft für zwingend geboten gehalten hätte, sondern davon, daß die Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB auf tatrichterlichem Ermessen beruhte.
Hierzu ist allerdings der Ansatz der Staatsanwaltschaft zutreffend, daß bei der gegebenen Ausgangssituation eine Strafrahmenverschiebung außerordentlich fernlag, da sich der Angeklagte mit der geladenen Schußwaffe in Erwägung der Tötung des Opfers für den Fall mangelnder Aussöhnung zum Tatort begeben hatte. Da der endgültige Tötungsentschluß freilich erst in der – wenngleich für den Angeklagten vorhersehbaren – Affektsituation im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Opfer getroffen worden ist, stehen Grundsätze der actio libera in causa der Strafrahmenverschiebung jedenfalls nicht zwingend entgegen (vgl. dazu BGHR StGB § 21 Vorverschulden 6). Angesichts der vom Schwurgericht herangezogenen Strafmilderungsgründe, insbesondere der Massivität der erlittenen eigenen körperlichen Schäden durch den unmittelbar nach Tatbegehung begangenen ernsthaften Selbsttötungsversuch , vermag der Senat die Ermessensentscheidung des Tatrichters , von der Strafrahmenverschiebung Gebrauch zu machen, noch hinzunehmen (vgl. auch den Rechtsgedanken des § 60 Satz 1 StGB). Dies gilt namentlich angesichts dessen, daß der Tatrichter ungeachtet dieser außergewöhnlichen Milderungsgründe zutreffend nicht zur Anwendung des § 213 StGB, zweite Alternative, gelangt ist und daß die konkret zugemessene Stra- fe zudem nicht etwa die Mindeststrafe des Regelstrafrahmens des § 212 Abs. 1 StGB unterschreitet.
4. Auch im übrigen hat die sachlichrechtliche Überprüfu ng des angefochtenen Urteils weder Rechtsfehler zum Vorteil noch solche zum Nachteil des Angeklagten erbracht.
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 213 Minder schwerer Fall des Totschlags


War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minde

Strafgesetzbuch - StGB | § 60 Absehen von Strafe


Das Gericht sieht von Strafe ab, wenn die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, so schwer sind, daß die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre. Dies gilt nicht, wenn der Täter für die Tat eine Freiheitsstrafe von mehr als einem

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5 StR 401/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 25. November 2004
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. November
2004, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin N
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt B
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. Februar 2004 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten To tschlags – unter Anwendung von § 213 a.F. StGB – zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision die Verletzung von Verfahrensrecht und sachlichem Recht und meint, daß das Landgericht zu Unrecht nicht auf (heimtückischen, aus Habgier und zur Ermöglichung einer Straftat begangenen) versuchten Mord erkannt habe. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Der Angeklagte und der etwa gleichaltrige Nebenkläg er unterhielten eine homosexuelle Beziehung folgender Art: Etwa während der drei Monate vor der Tat nahmen beide Männer ein- bis zweimal pro Woche in der Woh-
nung des Nebenklägers nach gemeinsamem Essen und Trinken einvernehmlich sexuelle Handlungen vor. Der Nebenkläger holte in der Regel hierzu mit seinem Pkw den Angeklagten nach telefonischer Verabredung an einer Gaststätte im Bereich des Kurfürstendamms ab und brachte den Angeklagten nach dem sexuellen Verkehr noch am selben Abend, gelegentlich erst am nächsten Morgen in die Region des Kurfürstendamms zurück. Finanzielle Interessen des Angeklagten oder die Gewährung finanzieller Vorteile durch den Nebenkläger hat das Landgericht nicht feststellen können. Der Angeklagte, der in dieser Zeit ohne festen Wohnsitz war und bei verschiedenen Bekannten Unterschlupf fand, empfand den Kontakt zum Nebenkläger „möglicherweise als eine von einer gewissen Geborgenheit geprägte und damit angenehme persönliche Zuwendung“. Zu einer verbalen oder gar tätlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern kam es vor dem Tattag nicht.
Am 29. März 1984 gegen 21.00 Uhr begab sich der Angek lagte aufgrund einer telefonischen Verabredung – nach Einnahme von Medikamenten zur Schmerzbehandlung und angetrunken – zur Wohnung des Nebenklägers. Er duschte, zog sich ein Hemd, eine Trainingshose und einen Bademantel des Nebenklägers an und ging zu ihm ins Wohnzimmer. Dieser, selbst nüchtern, war wegen der alkoholischen Beeinflussung des Angeklagten an einem sexuellen Verkehr nicht mehr interessiert. Er bot dem Angeklagten zwar noch Kaffee an, drängte aber bald darauf, daß der Angeklagte sich wieder anziehe, damit er zurück zum Kurfürstendamm gebracht werden könne, holte demonstrativ die im Flur liegende Kleidung des Angeklagten ins Wohnzimmer und forderte diesen auf, sich nun endlich anzukleiden und zum Aufbruch fertig zu machen. Der Angeklagte wollte die Wohnung jedoch nicht verlassen, da er sich dort wohlfühlte und die Aufenthalte bei dem Nebenkläger als Möglichkeit empfand, in behaglicher Umgebung zur Ruhe zu kommen und dort möglichst auch des öfteren zu übernachten. Der Nebenkläger holte seine Jacke und steckte sich seine Personalpapiere und Geld ein, um zu unterstreichen , daß er nicht gewillt war, noch länger zu warten. Der Angeklagte
stand auf und ging mit der Erklärung, man könne jetzt gehen und der Nebenkläger solle ihn zum Kurfürstendamm bringen, in den Flur, wohin ihm der Nebenkläger folgte. Dort versuchte der Angeklagte nochmals, den Nebenkläger umzustimmen. Er bot ihm nun sogar – erstmalig im Rahmen ihrer Beziehung – die Durchführung von Oralverkehr an und bat ihn darum, gemeinsam ins Schlafzimmer zu gehen. Der Nebenkläger lehnte all dies ab und drängte weiter zum Gehen. Nicht ausschließbar erst in diesem Moment und „aus einer binnen weniger Augenblicke entstehenden massiven Verärgerung, Wut und Enttäuschung über die soeben erfahrene und möglicherweise persönlich kränkende Zurückweisung entschloß sich der Angeklagte, dessen Hemmungs- und Steuerungsfähigkeit zu diesem Zeitpunkt nicht sicher ausschließbar aufgrund des zuvor konsumierten Alkohols in Kombination mit der Wirkung der eingenommenen Medikamente und angesichts seiner affektiven Erregung erheblich vermindert war, spontan dazu,“ den Nebenkläger mit einem Messer tätlich anzugreifen. Er ging zu seiner im Flur aufgehängten Jacke, entnahm dieser ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von etwa 10 cm und öffnete es. Sodann wendete er sich – gegen 22.00 Uhr – dem Nebenkläger zu, der wenige Meter entfernt in der Nähe der Wohnzimmertür stand. Der Angeklagte stach sogleich, ohne etwas zu sagen, auf den von dem Angriff völlig überraschten Nebenkläger ein und traf ihn zunächst im linken Oberkörper. Der Angeklagte, dem „wahrscheinlich nicht ins Bewußtsein drang, daß er die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers ausnutzte,“ erkannte dabei, daß er den Nebenkläger möglicherweise töten würde; dies nahm er zumindest billigend in Kauf. Daß er den Nebenkläger töten wollte, hat das Landgericht nicht feststellen können. Der Nebenkläger flüchtete zurück ins Wohnzimmer, möglicherweise nachdem er bereits im Flur durch weitere Messerstiche getroffen worden war, und versuchte dabei, die Tür zu schließen. Dies gelang ihm jedoch nicht, da der Angeklagte sofort nachdrängte und die Tür aufstieß. Der Nebenkläger zog sich – weitere Stiche abwehrend – im Wohnzimmer hinter ein Sofa zurück und stürzte dort zu Boden. Der Angeklagte folgte dem Nebenkläger und stach weiter auf ihn ein, während dieser in Todesangst versuchte, den Angeklagten mit den Worten „du
tötest mich ja“ zum Aufhören zu bewegen und zum Schutz den Fensterstore über sich hielt. Diesen durchstach der Angeklagte dreimal. Dem Nebenkläger gelang es, die Abdeckplatte eines Barschränkchens zu ergreifen und in Richtung des Angeklagten zu schleudern. Er brachte den Angeklagten durch heftige Tritte zu Fall und konnte sich selbst wieder erheben.
Der Nebenkläger floh aus der im vierten Obergeschoß ge legenen Wohnung in das Treppenhaus, durch das er – um Hilfe rufend und damit einen Nachbarn aufmerksam machend – nach unten lief. Auch der Angeklagte verließ – barfuß und nur mit Hemd, Jogginghose und Bademantel bekleidet – die Wohnung. Er ließ das Tatmesser auf dem Treppenabsatz vor der Wohnung des Nebenklägers fallen und eilte – erkennend, daß er den Nebenkläger nicht mehr weiter würde angreifen können – die Treppe hinunter. Dort überholte der Angeklagte den Nebenkläger, der sich inzwischen weiter nach unten schleppte. An der verschlossenen Haustür angekommen, kehrte der Angeklagte zur Wohnung des Nebenklägers zurück. Er holte dessen Hausschlüssel und seine eigene Jacke, eilte erneut ins Erdgeschoß, schloß die Haustür auf und flüchtete vom Tatort. Da der Angeklagte befürchtete, daß der Nebenkläger sterben würde, er ihn jedenfalls sehr schwer verletzt habe, floh er am folgenden Tag nach Polen.
Der Nebenkläger erlitt zahlreiche Schnittverletzungen a n Kopf, Hals, Brust und beiden Armen. Ein Stich ins linke Auge führte trotz Notoperation zum Verlust dieses Auges und dessen Ersetzung durch ein Glasauge.

II.


Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1. Die Verfahrensrüge ist nicht in zulässiger Weise erho ben, weil entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO das Protokoll der Vernehmung des Zeugen S alias A vom 31. März 1984, auf das das Landgericht in seinem
den Beweisantrag der Staatsanwaltschaft ablehnenden Beschluß Bezug nimmt, nicht mitgeteilt wird.
2. Auch die Sachrüge versagt.

a) Den mit der Anklage erhobenen weitergehenden Vor wurf, der Angeklagte habe geplant gehabt, den Nebenkläger zu berauben, habe sich mithin wegen eines aus Habgier und zur Ermöglichung einer anderen Straftat begangenen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem schwerem Raub schuldig gemacht, hat das Landgericht nicht bestätigt gefunden. Es hat ein solches Tatmotiv rechtsfehlerfrei – insbesondere aufgrund des Tatbildes – für nicht feststellbar erachtet.

b) Auch das Mordmerkmal der Heimtücke hat das Landgerich t ohne Rechtsfehler verneint.
Es hat zunächst die objektiven Voraussetzungen der Heimtücke bejaht , jedoch nicht sicher feststellen können, daß der Angeklagte in dem Bewußtsein gehandelt hätte, den wegen Arglosigkeit wehrlosen Nebenkläger zu überraschen und diese Überraschung seines Opfers auszunutzen. Maßgebend war für das Landgericht dabei, daß der Angeklagte nicht ausschließbar unter dem enthemmenden Einfluß des konsumierten Alkohols in Kombination mit den eingenommenen Medikamenten in einer plötzlichen, von Ärger, Wut und Entttäuschung über die soeben erfahrene Zurückweisung getragenen Gefühlsaufwallung spontan agierte. Damit ist das Landgericht den für überzeugend erachteten Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen gefolgt, wonach die Tat naheliegend als affektiv-aggressiver Durchbruch erscheint , bei dem der Angeklagte sich „wahrscheinlich keine weiteren Gedanken über die Situation des Opfers gemacht“ hat.
Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewußt zu dessen Tötung ausnutzt. Dabei muß der
Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfaßt haben, daß er sich dessen bewußt ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH NStZ 1984, 506, 507; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 1, 9, 11 und 26). Dabei kann die Spontanität des Tatenschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, daß ihm das Ausnutzungsbewußtsein fehlte (BGH NJW 1983, 2456; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26). Andererseits hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran , die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen (BGH aaO; BGH StV 1981, 523, 524; BGH NStZ-RR 2000, 166, 167). Das Nähere ist Tatfrage (so schon BGHSt 6, 329, 331).
Alledem hat das Landgericht Rechnung getragen. Es hat an das ausführlich wiedergegebene Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen angeknüpft, wonach der Angeklagte im Zeitpunkt der Zufügung der Messerstiche sich – nicht ausschließbar – in einem derart aufgeladenen Affektzustand befunden habe, daß – insbesondere auch angesichts der Wirkung des genossenen Alkohols sowie der Medikamente – eine tiefgreifende Bewußtseinsstörung vorgelegen habe und er deshalb erheblich vermindert schuldfähig gewesen sei. Es ist dem für überzeugend erachteten Gutachten auch in der oben genannten Weise bei Beantwortung der Frage gefolgt, ob ein Ausnutzungsbewußtsein im Sinne des Heimtückemerkmals vorliegt. Dabei spielte ersichtlich auch eine Rolle, daß die psychische Beeinträchtigung des Angeklagten aus dreierlei Gründen resultierte, nämlich aus einer Kombination von Affekt, Alkohol und Medikamenteneinwirkung. Danach besorgt der Senat – anders als der Generalbundesanwalt – nicht, daß das Landgericht die gebotene eigenständige Prüfung der Ausführungen des Sachverständigen und eine Gesamtwürdigung der Umstände unterlassen hätte.
Eine derart klare Tatsituation, in der sich das Bewußt sein auch eines stark enthemmten Täters von der Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers bei Tatbegehung ohne weiteres von selbst verstanden hätte (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 31), lag hier nicht vor.

c) Die tateinheitliche schwere Körperverletzung ist verjä hrt. Die auffällige Milde der Strafe ist dem beträchtlichen Zeitablauf und dem maßgeblichen Tatzeitstrafrahmen des § 213 StGB geschuldet, dessen zweite Alternative das Landgericht unter Verbrauch der Milderungsgründe aus § 21 und § 23 StGB rechtsfehlerfrei angewendet hat.

III.


Die nach § 301 StPO vorzunehmende Überprüfung des Urt eils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Basdorf Häger Gerhardt Raum Brause

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 39/04
vom
15. Juni 2004
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Juni
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 12. September 2003 werden verworfen. 2. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Der Angeklagte trägt die der Nebenklägerin durch sein Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen. Die dem Angeklagten durch die Revision der Staatsanwaltschaft im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:


Dem Angeklagten liegt zur Last, versucht zu haben, seine Ehefrau mit einem Messer mit tiefreichenden Schnitten in beide Unterarme und mit einem Stich in die linke Brust zu töten. Das Landgericht hat ihn deshalb wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Der Angeklagte greift das Urteil mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge insgesamt an; insbesondere rügt er die Annahme, er habe sich eines versuchten Mordes aus sonst niedrigen Beweggründen schuldig gemacht. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Ungunsten
des Angeklagten eingelegte Revision auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ; sie wendet sich mit der Sachrüge im wesentlichen dagegen, daß das Landgericht zu der Strafmilderung wegen Versuchs gekommen ist und erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

Die Revision des Angeklagten Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
1. Die Rüge wegen rechtsfehlerhafter Ablehnung eines Beweisantrags auf Anhörung eines weiteren Sachverständigen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten ist jedenfalls unbegründet. Weder aus den vorgetragenen Verfahrenstatsachen noch aus den Urteilsgründen ergeben sich Zweifel an der Sachkunde des angehörten Sachverständigen Dr. W. oder der Richtigkeit seines Gutachtens. Nach den Urteilsgründen hat sich der Sachverständige vielmehr ausführlich mit einem möglichen Einfluß des vom Angeklagten behaupteten Schädelhirntraumas auf die Schuldfähigkeit sowie mit dessen Herkunft und sozialer Integration in Deutschland auseinandergesetzt und im einzelnen ausgeführt , weshalb sich aus psychiatrischer Sicht beides nicht auf die Begehung der Tat ausgewirkt hat. Der Beschwerdeführer zeigt auch nicht auf, welche konkreten Beweisergänzungen mit einem weiteren Gutachten zu erzielen wären (§ 244 Abs. 2 StPO). Sein Vorbringen erschöpft sich vielmehr in revisionsrechtlich unbeachtlichen Angriffen auf die in den Urteilsgründen niedergelegte tatrichterliche Würdigung der Tatsachen, aufgrund derer die Strafkammer zur Annahme der uneingeschränkten Schuldfähigkeit gelangt ist.

2. Die Sachrüge hat keinen Rechtsfehler ergeben. Der Erörterung bedarf nur folgendes: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Beweggründe niedrig, wenn sie als Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (BGHSt 35, 116, 127; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 23 und 39). Nach den Feststellungen war Beweggrund des Angeklagten, seiner Ehefrau, die sich in Deutschland besser integriert hatte als er, das Recht abzusprechen, ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten und sich von ihm zu trennen, ferner sein ausgeprägtes Besitzdenken und sein rücksichtsloser Eigennutz. Aus Wut und Verärgerung über die von seiner Ehefrau ausgesprochene Trennung fühlte er sich in seinem Stolz gekränkt, weil er als Familienoberhaupt aus der Wohnung gewiesen, mit einem Kontaktverbot belegt und zu Unterhaltszahlungen aufgefordert wurde. Er ging davon aus, seine Ehefrau habe ihr Leben verwirkt, weil sie sich von ihm trennen wollte. Dafür wollte er sie bestrafen und erhob sich gleichsam als "Vollstrecker eines Todesurteils" über die Rechtsordnung und das Lebensrecht seiner Frau (UA S. 33). Die Gefühle der Demütigung und Kränkung wurden dabei überlagert von Gefühlen des Neides, des Hasses und dem Wunsch, seine Ehefrau körperlich zu zerstören. Seine Ehefrau hatte dabei objektiv keinen begründeten Anlaß zu Haßgefühlen und Eifersucht gegeben.
Die Kammer hat rechtsfehlerfrei dargelegt, daß dem Angeklagten bewußt war, daß seine Motive auf sittlich tiefster Stufe stehen und verachtenswert sind. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Urteil des Bundesgerichts-
hofs vom 20. Februar 2002 - 5 StR 545/01 - NStZ 2002, 368 geht fehl, weil die Entscheidung einen anderen Sachverhalt betraf.
Das Landgericht hat auch eine mögliche tatbestimmende eigene Suizidalität des Angeklagten rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Die hiergegen gerichteten Angriffe des Beschwerdeführers sind revisionsrechtlich unbeachtlich. Sie erschöpfen sich darin, die Wertung des hierzu berufenen Tatrichters durch eine eigene abweichende Bewertung zu ersetzen. Einen Rechtsfehler zeigen sie hingegen nicht auf.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft 1. Die Entscheidung des Landgerichts, im Falle des versuchten Mordes (hier in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) von der Strafmilderungsmöglichkeit nach § 23 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch zu machen, hält rechtlicher Prüfung stand.
a) Die rechtsfehlerfreie Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB verlangt eine Gesamtschau, die neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei insbesondere die versuchsbezogenen Gesichtspunkte einbezieht wie Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie (vgl. BGHSt 16, 351, 353; 35, 347, 355f.; BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 1, 2, 4, 5, 8, 9, 11 und 12). Eine sorgfältige Abwägung dieser Umstände, auch soweit sie für den Täter sprechen, ist namentlich dann geboten, wenn von der Entschließung über die versuchsbedingte Milderung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe ab-
hängt (BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 8 und § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 21).
b) Die Strafkammer hat ausgeführt, sie habe die Strafmilderung aufgrund der notwendigen Gesamtbetrachtung aller Tatumstände und der Täterpersönlichkeit nach reiflicher Überlegung vorgenommen, wobei sie den wesentlichen versuchsbezogenen Umständen besonderes Gewicht beigemessen habe. Sie habe entscheidend auf die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und das Maß der in ihm zutage getretenen kriminellen Energie abgestellt. Die Nähe zur Tatvollendung sei hier gegeben; die Geschädigte habe viel Blut verloren und wäre ohne sofortige Notoperation innerhalb weniger Minuten verblutet. Die kriminelle Energie sei hoch; es handele sich um eine vorangekündigte Tat, die der Angeklagte umsichtig und wohl überlegt durchgeführt habe. Die Tatausführung sei sadistisch und brutal gewesen. Der Angeklagte habe seine Ehefrau in Tötungsabsicht an beiden Handgelenken tiefreichende Schnittwunden zugefügt und dabei die Ellenarterien, die Sehnen und Nerven durchtrennt. Er habe sich bei seinen Handlungen weder durch die Schreie seiner Ehefrau noch durch seine hinzutretende Tochter beeindrucken lassen und habe seinen Tötungsversuch mit gefühlskalten Kommentaren wie “So, jetzt müssen wir ins Herz gehen! So, bist Du schon verreckt? So ist gut!“ fortgesetzt. Zur Begründung ihrer Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt: „Das entscheidende Kriterium, das die Kammer letztlich bewogen hat, doch von der Milderungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, sind die erstaunlich geringen Folgen der Tat bei der Geschädigten. Sie trägt sichtbare Narben, ist in der Bewegungsfähigkeit ihrer Arme und Hände eingeschränkt und leidet unter gelegentlichem Stimmverlust. Bei der brutalen Vorgehensweise des Angeklagten und dem entstandenen Verletzungsbild sind weit schlimmere Folgen denkbar,
wie völliger Verlust der Bewegungsfähigkeit der oberen Extremitäten oder gar hirnorganische Schäden bedingt durch den hohen Blutverlust" (UA S. 37/38). 2. Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, daß diese Formulierung für sich gesehen eher gegen die vorgenommene Strafrahmenverschiebung spricht. Im Rahmen der von der Strafkammer angestellten Gesamtwürdigung ist aber nicht zu besorgen, daß sie sich mit der Betonung des ausgebliebenen Erfolgs-unwerts den Blick auf die Bedeutung und Tragweite der festgestellten versuchsbezogenen Umstände verstellt hat. Die Strafkammer hat alle wesentlichen straferschwerenden Gesichtspunkte , die für oder gegen eine Versagung der Versuchsmilderung sprechen können, gesehen und gewertet. Wenn die Kammer im Bewußtsein der Problematik einer sonst zwingenden Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe gleichwohl als letztlich ausschlaggebend für eine Strafmilderung nach den §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB erachtet hat, daß es bei hohem Handlungsunwert (glücklicherweise) „nur“ zu einem sich im Rahmen haltenden Erfolgsunwert gekommen ist, hält sich dies noch innerhalb des Spielraums, der dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumt ist. Bei der Gewichtung der für die Strafzumessung wesentlichen Umstände können Gesichtspunkte eine entscheidende Rolle spielen, die aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung und dem Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten gewonnen worden und einer exakten Richtigkeitskontrolle entzogen sind. Das Revisionsgericht nimmt die Strafzumessung des Tatrichters bis an die Grenze des Vertretbaren hin, (vgl.
BGHSt 27, 2, 3; 29, 319, 320; jeweils m. w. Nachw.). Rechtsfehler, die ein Eingreifen des Revisionsgerichts ermöglichen und zugleich notwendig machen würden, läßt die Entscheidung der Strafkammer für eine Versuchsmilderung nicht erkennen. Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Graf

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Das Gericht sieht von Strafe ab, wenn die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, so schwer sind, daß die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre. Dies gilt nicht, wenn der Täter für die Tat eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verwirkt hat.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.