Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2004 - 5 StR 368/04

published on 27.10.2004 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2004 - 5 StR 368/04
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
5 StR 368/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 27. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhehlerei
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Oktober
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 31. Januar 2003 – soweit es den Angeklagten B betrifft – mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den AngeklagtenB vom Vorwurf der gewerbs- und bandenmäßigen Steuerhehlerei (so der Anklagevorwurf) bzw. der Beihilfe zur gewerbs- und bandenmäßigen Steuerhehlerei (so der Vorwurf nach dem rechtlichen Hinweis des Landgerichts) an geschmuggelten Zigaretten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Fünf weitere Angeklagte hat es wegen Steuerhehlerei bzw. wegen Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die nur den Freispruch des Angeklagten B angreifende Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat mit der Sachrüge Erfolg.
Der Freispruch des Angeklagten B leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern.
1. Das Urteil wird bereits den formellen Anforderungen, die an eine Freispruchsbegründung zu stellen sind, nicht gerecht. Ein freisprechendes Urteil muß aus sich heraus verständlich sein und so viele Angaben enthalten, daß dem Revisionsgericht eine rechtliche Überprüfung möglich ist (vgl. BGHSt 37, 21, 22).

a) Ein grundlegender Mangel des Urteils liegt bereits darin, daß seine Gründe nicht erkennen lassen, welche Straftaten dem Angeklagten zur Last gelegt werden. Insoweit hat das Landgericht lediglich den ursprünglichen Anklagevorwurf über sechs Urteilsseiten als Zitat wiedergegeben, ohne den sich nach seinem rechtlichen Hinweis offenbar veränderten Vorwurf auch nur anzudeuten. Damit setzt das Urteil die maßgeblichen Anklagevorwürfe in unzulässiger Weise im einzelnen als bekannt voraus und baut die weiteren Erörterungen auf dieser Unterstellung auf. Die Urteilsbegründung ist daher schon nicht aus sich heraus verständlich.

b) Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muß der Tatrichter darüber hinaus in einer geschlossenen Darstellung zunächst diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen erachtet, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen – zusätzlichen – Feststellungen nicht getroffen werden können (st. Rspr. vgl. u. a. BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 10 m.w.N.). Hierauf kann nur ausnahmsweise dann verzichtet werden, wenn Feststellungen zum Tatgeschehen nicht möglich waren (BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 12). Zum notwendigen Urteilsinhalt gehört in der Regel auch eine eingehende Mitteilung der Einlassung des Angeklagten (BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 5, 7 und 8); daran fehlt es hier. Daß sich der Angeklagte zu den Vorwürfen geäußert hat, ergibt sich lediglich aus einer kursorischen, nicht weiter erläuterten Bezugnahme auf dessen Einlassung.
2. Auch die Beweiswürdigung begegnet durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht hat es entgegen seiner Verpflichtung versäumt, die aus dem Urteil ersichtlichen wesentlichen Umstände, die Schlüsse auch zuungunsten des Angeklagten ermöglichen, in den Gründen zu erörtern (vgl. BGHSt 25, 285, 286).
Nach den Ausführungen im Urteil im Zusammenhang mit den Feststellungen bezüglich der verurteilten Mitangeklagten war B bei der Anmietung einer Lagerhalle in Großenhain zugegen, in der später geschmuggelte Zigaretten umgeschlagen wurden. Bei dieser Gelegenheit wurde ihm – so die Feststellungen – mitgeteilt, die Lagerhalle solle der Erweiterung eines bestehenden Kfz-Handels dienen. Nach erfolgtem Abschluß des Mietvertrages über eine Strohfrau vermittelte er einem der Mitangeklagten einen Gabelstapler zum Gebrauch in der Lagerhalle. Mit dem naheliegenden Umstand , daß ein Gabelstapler in einer angeblich dem Kfz-Handel gewidmeten Lagerhalle weit weniger nutzbar sein würde als beim Umladen von unter Tarnladung verstecktem Schmuggelgut, setzt sich das Landgericht ebenso wenig auseinander wie mit der Frage, warum ein gutgläubiger Dritter überhaupt zur Anmietung einer zur deliktischen Verwendung eingeplanten Lagerhalle einbezogen werden sollte.
Ein weiteres, in den Urteilsgründen unerörtert gebliebenes Belastungsindiz ergibt sich aus folgendem: Nach den Urteilsfeststellungen geriet der Angeklagte mit den gesondert verfolgten H und K auf einer Fahrt zu der Lagerhalle, in der inzwischen eingetroffene Schmuggelzigaretten umgeladen werden sollten, an einer Autobahnraststätte auf der BAB 13 in eine Polizeikontrolle. „Aus Angst“ – so die Urteilsgründe – verließen sie daraufhin die Autobahn. Diese Feststellung verträgt sich ohne nähere Ausführungen nicht damit, daß der Angeklagte gutgläubig gewesen sei und von der beabsichtigten Umladung der geschmuggelten Zigaretten nichts gewußt habe. Angst mußte der Angeklagte nämlich nur dann haben, wenn er in die deliktischen Pläne der Täter eingeweiht war oder es dafür einen anderen Anlaß gab.
Es liegt schließlich nicht nahe, daß die Schmuggelorganisation, zu der unter anderem die fünf Mitangeklagten gehörten, B nicht als berechenbaren und nicht beherrschbaren „gutgläubigen Lotsen“ zu der Lagerhalle , in der die Schmuggelzigaretten umgeladen werden sollten, einsetzen sollte. Angesichts des Wertes des Schmuggelguts und der Gefahr der Entdeckung ist es nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum die Mitangeklagten das in der Mitnahme eine gutgläubigen Dritten liegende Risiko eingehen sollten.
Die gebotene Nachprüfung der Beweiswürdigung ist dem Revisionsgericht auf dieser Grundlage nicht möglich.
3. Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, daß der von den Schmugglern verursachte und von dem Angeklagten möglicherweise vertiefte Steuerschaden nicht „nach den glaubhaften Angaben“ einer Mitarbeiterin des Hauptzollamtes bestimmt werden darf. Die Einfuhrabgaben berechnen sich nach den einschlägigen Vorschriften des Zollkodex, des Umsatzsteuergesetzes und des Tabaksteuergesetzes. Der Zollsatz, der auf den nach Art. 28 ff. ZK zu ermittelnden bzw. – in Ermangelung geeigneter Anknüpfungspunkte gemäß § 261 StPO vom Tatrichter in eigener Verantwortung – zu schätzenden Zollwert anzuwenden ist, ergibt sich dabei aus dem Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften und der Kombinierten Nomenklatur (vgl. nur BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 10 m.w.N.).
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

7 Referenzen - Gesetze

moreResultsText

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Annotations

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.