Bundesgerichtshof Urteil, 28. Nov. 2002 - 5 StR 334/02

bei uns veröffentlicht am28.11.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 334/02

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 28. November 2002
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. November
2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H
als Verteidiger,
Rechtsanwältin S
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 29. Januar 2002 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das genannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit das Landgericht von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat,
b) im Ausspruch der Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 17 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten erweist sich als unbegründet. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist, wie die Auslegung der Revisionsbegründung erweist, zum Nachteil des Angeklagten auf die Überprüfung des Unterlassens der Anordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt. Das Rechtsmittel , das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen begab sich der 56 Jahre alte Angeklagte im Jahre 2000 in sechs Fällen zu einer Kiesgrube, sprach dort spielende Jungen an, manipulierte schließlich an deren Geschlechtsteilen und gab ihnen dafür Geldbeträge in Höhe von überwiegend 10,00 DM. In weiteren elf Fällen lud der Angeklagte Jungen in seine Wohnung ein, zeigte ihnen pornografische Hefte, manipulierte an deren Geschlechtsteilen sowie vor ihren Augen an seinem eigenen Penis bis zum Samenerguß, wobei er ihnen wiederum absprachegemäß meist 10,00 DM gab. Teilweise manipulierte er gleichzeitig an seinem Penis und den Geschlechtsteilen der Jungen. Auch kam es vor, daß er den Kindern Kondome gab und sie anwies, diese über ihr Geschlechtsteil zu ziehen. In jedem der Fälle betrug die Dauer der Tathandlung jeweils zehn bis fünfzehn Minuten. Das Landgericht hat die Taten als Vergehen nach § 176 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 3, §§ 52, 53 StGB abgeurteilt. Bei der Strafzumessung hat es nach einer Gesamtbetrachtung und insbesondere unter Berücksichtigung dessen, daß der Angeklagte bereits mehrfach einschlägig vorbestraft ist und eine erhebliche Zeit seines Lebens im Straf- und Maßregelvollzug verbracht hat, minderschwere Fälle des sexuellen Mißbrauchs von Kindern verneint und den Regelstrafrahmen zugrunde gelegt. Es hat Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten (zweimal), einem Jahr (achtmal), einem Jahr und vier Monaten (fünfmal) sowie zwei Jahren und sechs Monaten (zweimal) verhängt und daraus die Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten gebildet.

II.


Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten bleibt erfolglos. Die Strafaussprüche sind nicht zu beanstanden. Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat der Tatrichter ausdrücklich erwogen, daß die „geschädigten Kinder freiwillig zum Angeklagten gegangen sind“. Schon deshalb ist nicht zu besorgen, die Strafkammer könne nicht bedacht haben, daß die Geschädigten „jederzeit den Tatort hätten verlassen können“. Die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe enthält keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.

III.


Die auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
Das Landgericht hat – ohne nähere Ausführungen zu § 66 StGB zu machen – die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung verneint. Beim Angeklagten bestehe zwar ein Hang zur Begehung einschlägiger Straftaten, es sei aber nicht sicher feststellbar , daß es sich hierbei um erhebliche Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB handele (UA S. 20). Diese Darlegungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
Die Strafkammer hat dazu ausgeführt, es sei auszuschließen, daß durch die Taten die Opfer gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB seelisch oder körperlich schwer geschädigt worden seien. Der polizeiliche Vernehmungsbeamte habe sämtliche geschädigten Kinder vernommen und konnte bei keinem Kind seelische Schäden feststellen. Eine den Geschädigten angebotene psychologische Betreuung sei nicht angenommen worden. Die Kinder hätten sich lediglich geschämt, Geld vom Angeklagten angenommen zu haben. Die Taten hätten zwar ein belästigendes Moment aufgewiesen, bei der vorlie-
genden Sachlage seien aber keine schweren seelischen Schäden zu befürchten. Damit werden überhöhte, mit den gesetzlichen Voraussetzungen nicht zu vereinbarende Anforderungen gestellt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob entgegen der Ansicht des Landgerichts die Taten des Angeklagten das ausdrücklich genannte Merkmal der seelischen oder körperlichen Schädigung erfüllen. Der Hang muß sich auf „erhebliche Straftaten“ beziehen. Was darunter zu verstehen ist, hat das Gesetz in § 66 Abs. 1 Nr. 3 beispielhaft, doch nicht abschließend aufgezählt. Auch vorsätzliche Straftaten, die an sich in den Bereich mittlerer Kriminalität fallen, können bei einem genügenden Schweregrad als Grundlage der Maßregel ausreichen. Als erheblich erfaßt werden alle Taten, die geeignet sind, den Rechtsfrieden in empfindlicher oder besonders schwerwiegender Weise zu stören (vgl. BGHSt 24, 153, 154; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit

3).


Ein gewisser Anhaltspunkt für die Erheblichkeit ergibt sich aus dem Umstand, daß § 66 StGB als formelle Voraussetzung eine Vorverurteilung des Täters zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr erfordert, wenngleich sich nicht generell annehmen läßt, daß bei einer solchen Verurteilung eine Tat von erheblichem Gewicht vorliegt (vgl. Stree in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. § 66 Rdn. 39; Hanack in LK 11. Aufl. § 66 Rdn. 109). Hier sind in 15 Fällen Einzelstrafen von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe verhängt worden. Die Erheblichkeit kann sich aber auch aus einer Vielzahl von Einzeltaten ergeben, wobei auch eine besonders hohe Rückfallgeschwindigkeit von Bedeutung sein kann (vgl. BGHSt 24, 153, 155; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit 2). Der Angeklagte ist seit 1973 mehrfach wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern zu mehrjährigen Freiheitsentzügen verurteilt worden und hat nun eine Vielzahl von Straftaten begangen , nachdem er erst kurze Zeit zuvor aus der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus entlassen worden war. Zudem setzt sich das Landgericht in Widerspruch zu der bei der Strafzumessung und der Prüfung
einer Unterbringung nach § 63 StGB vorgenommenen Wertung, wonach das „Maß der jeweiligen Mißbrauchshandlungen... erheblich“ war und vom Angeklagten „auch in Zukunft erhebliche gleichgelagerte Straftaten zu erwarten“ sind.

IV.


Über die Anordnung von Sicherungsverwahrung muß nach alledem neu befunden werden. Gegebenenfalls müssen die Urteilsgründe auch erkennen lassen, ob die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB gegeben sind. Hierzu werden die abgeurteilten Taten einschließlich der Begehungszeiten und die verhängten Einzelstrafen mitzuteilen sein (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen 5; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 66 Rdn. 3 ff.).
Angesichts der vom Landgericht angestellten Strafzumessungserwägungen kann der Senat nicht ausschließen, daß die Strafkammer, hätte sie
die Sicherungsverwahrung angeordnet, eine geringere Gesamtstrafe ver- hängt hätte (vgl. BGH NJW 1980, 1055, 1056; BGH StV 2002, 480). Deshalb hebt der Senat die Gesamtstrafe auf. Harms Häger Raum Brause Schaal

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Nov. 2002 - 5 StR 334/02 zitiert 6 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafgesetzbuch - StGB | § 176 Sexueller Missbrauch von Kindern


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer d

Referenzen

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.