Bundesgerichtshof Urteil, 06. Apr. 2005 - 5 StR 22/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen. Die Nebenklägerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenklägerin je zur Hälfte.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft, deren Revision vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, und die Nebenklägerin erstreben mit ihren Rechtsmitteln eine Verurteilung wegen Mordes. Die Revisionen bleiben erfolglos.
1. Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen : Der 46 Jahre alte Angeklagte, ein ehemaliger Offizier der sowjetischen Armee, nahm bei dem aus Armenien stammenden Autohändler M gelegentlich hoch verzinsliche Darlehen für sein KfzHandelsunternehmen auf. M verlangte im Oktober 2003 mehrfach die umgehende Rückzahlung eines seit März 2003 geschuldeten Betrages von 3.000 €. Der Angeklagte war zur vollständigen Rückzahlung aber nicht in der Lage. Am Abend des 21. Oktober 2003 suchte der Angeklagte den Autoverkaufsplatz seines Gläubigers auf. In seiner Jackentasche führte er eine mit acht Patronen geladene und einem Schalldämpfer versehene Pistole mit sich. Damit wollte er M notfalls einschüchtern und einen weiteren Zahlungsaufschub durchsetzen. Der Angeklagte bot die Zahlung von 1.000 € an und stellte die Begleichung der Restschuld nach erwarteten eigenen Zahlungseingängen für die nächste Zeit in Aussicht. Damit war M nicht einverstanden. Er verlangte die vollständige Begleichung der Schulden noch am selben Tag und drohte, die Kinder des Angeklagten könnten zu Invaliden werden. Er forderte den Angeklagten auf, über die Gesundheit seiner Familie nachzudenken; er werde noch heute seine Leute mobilisieren. Dagegen verwahrte sich der Angeklagte unter anderem mit den Worten: „Wenn du oder jemand anderes mir oder meiner Familie etwas antun sollten, wirst du dafür büßen!“ Er holte gleichzeitig – aus Sorge um seine Familie – die Pistole aus der Jacke und richtete sie auf seinen Widersacher, um diesen einzuschüchtern. Als M die Waffe sah, versuchte er sofort, sie dem Angeklagten mit einem Fußtritt aus der Hand zu schlagen. Der Angeklagte kam diesem aber zuvor und schoß zweimal auf seinen Gläubiger. Der Schalldämpfer fiel zu Boden. M brüllte den Angeklagten an, daß dieser „ein toter Mann“ sei. Daraufhin schoß der Angeklagte sechsmal auf sein Opfer, um ihn zu töten. M verstarb trotz einer mehrstündigen Notoperation am folgenden Tag aufgrund nicht mehr beherrschbarer Blutungen.
Das Schwurgericht hat nicht ausschließen können, daß der Angeklagte mit den beiden ersten Schüssen seinen Gegner nur verletzen wollte und diese Geschosse den rechten Oberschenkel und den rechten Fuß des Opfers trafen.
2. Den Revisionen bleibt der Erfolg versagt.
a) Die von der Nebenklägerin erhobenen Aufklärungsrügen sind nicht zulässig (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 6). Sie lassen schon die Beweismittel letztlich offen und benennen keine bestimmt zu erwartenden Beweisergebnisse.
b) Die Sachrügen zeigen keinen Rechtsfehler auf.
aa) Ein Darlegungsfehler ergibt sich nicht daraus, daß das Landgericht die Einlassung des Angeklagten nicht gesondert dargestellt hat (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 2 Einlassung 1). Die Einlassung des Angeklagten erschließt sich aus den Darlegungen zu den einzelnen Beweiserwägungen. Die Bewertung der Angaben des Angeklagten kann anhand des Zusammenhangs der Urteilsgründe zureichend geprüft werden.
bb) Die den Feststellungen des Landgerichts zugrunde liegende Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Das Schwurgericht hat das Tatgeschehen zwar im wesentlichen aufgrund der Einlassung des Angeklagten festgestellt. Solches wäre aber nur rechtsfehlerhaft, wenn das Landgericht die entlastenden Angaben ohne weiteres als unwiderlegt hingenommen hätte (vgl. BGH NJW 2003, 2179 m.w.N.). So ist es hier aber nicht. Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten mit zahlreichen anderen Beweisergebnissen – insbesondere dem Gutachten des Obduzenten und Zeugenaussagen zur Geschäftspraxis des Opfers – in Beziehung gesetzt und erwogen. Zu einer eigenen abweichenden Gesamtwürdigung der belastenden Indizien ist der Senat nicht befugt (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2; BGHSt 36, 1, 14). Soweit die Revisionen mit urteilsfremden Erwägungen die Beweiswürdigung angreifen, bleibt dies erfolglos (vgl. BGHSt 35, 238, 241).
Damit fehlt den weitergehenden Angriffen der Revisionen, das Landgericht habe es unterlassen, eine Tötung in Verdeckungsabsicht zu prüfen, schon die tatsächliche Grundlage. Der Angeklagte hat die letzten sechs Schüsse – ohne Schalldämpfer – in Tötungsabsicht abgegeben, um der vom Opfer gegen den Angeklagten und seine Familie ausgesprochenen „Bedrohung den Boden zu entziehen“. Der Angeklagte tötete demnach, um sich und seine Familie vor befürchteten Angriffen des M zu schützen. Dies steht der Annahme eines Handelns zur Verschleierung der dem Opfer beigefügten Verletzungen oder zur Vermeidung außerstrafrechtlicher Konsequenzen (vgl. BGHSt 41, 8) entgegen. Eine solche Betrachtung verstieße auch gegen den Zweifelssatz, weil sich ein für den Angeklagten günstiger Umstand zu einer belastenden Folge – der Annahme des Mordmerkmals – wenden würde (vgl. BGH StV 2001, 553).
cc) Das Landgericht hat auch die Arglosigkeit des Opfers fehlerfrei verneint. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es beim heimtückisch begangenen Mord hinsichtlich der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers auf den Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs an (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 m.w.N.). Allerdings kann das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt , die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, daß keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (BGH aaO m.w.N.). So liegt es hier aber nicht. Der Angeklagte zog seine Pistole nach einem Streit, um seinen Gegner einzuschüchtern. Auf die Gegenwehr des M gab der Angeklagte zwei Schüsse ab, die das Opfer verletzten. Erst nach dessen weiterer Drohung faßte der Angeklagte den Tötungsvorsatz und erschoß M . Die tödlichen Schüsse erfolgten unter diesen Umständen in einer durch die Abwehr, die Verletzung und die Drohung des Opfers geänderten Situation. Bei dieser Sachlage kann nicht davon gesprochen werden, es sei von Beginn an keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen geblieben (vgl. BGHR aaO; BGH NStZ-RR 1999, 234).
dd) Soweit der Angeklagte nicht auch wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, begegnet dies keinen Bedenken. Das Landgericht hat unter Anwendung des Zweifelssatzes angenommen, daß der Angeklagte die beiden ersten Schüsse noch nicht mit Tötungsvorsatz abgegeben hat. In einer solchen Fallgestaltung ist der Zweifelssatz, der zur Verneinung eines versuchten Totschlags führte, bei der Beurteilung der Konkurrenzen nochmals heranzuziehen (vgl. BGHSt 47, 243 m.w.N.). Danach würden die Verbrechen des versuchten und vollendeten Totschlags zum Nachteil des gleichen Opfers in Tateinheit stehen. Dabei tritt der Versuch als materiell subsidiär zurück (vgl. BGH GA 19, 56, 26, 28; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. vor § 52 Rdn. 26).
3. Soweit die Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung im Blick auf § 301 StPO die Strafzumessung als gegen § 46 Abs. 3 StGB verstoßend angegriffen hat, greift dies nicht durch. Die Abgabe von insgesamt acht Pistolenschüssen auf das unbewaffnete Opfer durfte als intensive Tatausführung strafschärfend gewertet werden.
4. Wegen der Kostenentscheidung verweist der Senat auf BGHSt 11,
189.
Harms Gerhardt Raum Brause Schaal
moreResultsText
Annotations
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.