Bundesgerichtshof Urteil, 07. Juli 2016 - 5 StR 166/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Juli 2016, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander als Vorsitzender, Richter Prof. Dr. König, Richter Dr. Berger, Richter Bellay, Richter Dr. Feilcke als beisitzende Richter, Staatsanwältin als Gruppenleiterin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt E. als Verteidiger,
Rechtsanwältin P. als Vertreterin der Nebenklägerin M. ,
Rechtsanwältin Ei. als Vertreterin der Nebenklägerin G. ,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Zuhälterei, und wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Körperverletzung sowie wegen versuchter Nötigung in drei Fällen unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr aus einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft dagegen, dass das Landgericht in drei Fällen des schweren Menschen- handels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (Fälle 1, 3/4 und 7) neben gewerbsmäßiger Begehung (§ 232 Abs. 1 Satz 2, § 232 Abs. 3 Nr. 3 Var. 1 StGB) nicht auch den Tatbestand des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB in Form der Anwendung von List oder Gewalt bzw. durch Drohung mit einem empfindlichen Übel angenommen hat. Darüber hinaus beanstandet die Staatsanwaltschaft die Strafzumessung hinsichtlich der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Das Rechtsmittel hat lediglich zum Gesamtstrafenausspruch Erfolg.
- 2
- 1. Die Angriffe der Revision gegen die rechtliche Bewertung in den Fällen 1, 3/4 und 7 und gegen die Einzelstrafaussprüche zeigen keinen Rechtsfehler auf. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift Bezug genommen.
- 3
- 2. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat hingegen keinen Bestand.
- 4
- a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen ent- und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Diese Grundsätze gelten auch für die Bildung der Gesamtstrafe (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 1990 – 4 StR 61/90, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 5). Hierbei sind gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB unter Beachtung des As- perationsprinzips die Person des Täters und die einzelnen Straftaten in einem gesonderten Strafzumessungsvorgang zusammenfassend zu würdigen.
- 5
- b) Gemessen daran ist die Gesamtstrafenbildung des Landgerichts rechtsfehlerhaft. Zwar konnte es bei dem Abwägungsvorgang ohne Rechtsfehler auf die für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte bei der Festsetzung der Einzelstrafen und der einbezogenen Freiheitsstrafe Bezug nehmen. Die Wertung der Strafkammer, dass aufgrund des „sehr engen situati- ven, räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs der auf Grundlage eines einheitlichen umfassenden Tatplans begangenen Einzelakte nach immer gleichem Muster ein straffer Zusammenzug“ geboten sei (UA S. 48), ist jedoch unzutref- fend.
- 6
- aa) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, erstreckten sich die gewichtigen Straftaten des schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit ausbeuterischer und dirigierender Zuhälterei zeitlich von Sommer 2007 bis Mitte 2011, die Fälle der versuchten Nötigungen gegenüber einer der Geschädigten bis Juli 2013. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist daher nicht gegeben.
- 7
- bb) Das Landgericht hat bei seiner Bewertung ferner die besonderen Umstände der Einzeltaten zueinander unberücksichtigt gelassen. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht nicht erörtert, dass die abgeurteilten Straftaten und die der einbezogenen Strafe zugrundeliegende Tat sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung von vier Geschädigten richteten. Die Verletzung von höchstpersönlichen Rechtsgütern mehrerer Geschädigter prägt jedoch vorliegend das Gesamtbild der Taten. Dieser Umstand hätte daher als bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) bei der Ge- samtstrafenbildung eingestellt werden müssen. Hieran vermag weder ein „ein- heitlicher umfassender Tatplan“ nochdas gewerbsmäßige Handeln des Angeklagten etwas zu ändern (vgl. auch BGH, Urteil vom 27. Januar 2016 – 5 StR 387/15, NStZ-RR 2016, 105, 106).
- 8
- 3. Das neue Tatgericht wird daher die Gesamtstrafe erneut festzusetzen haben. Die getroffenen Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen ; sie können deshalb bestehen bleiben und durch ihnen nicht widersprechende Feststellungen ergänzt werden. Darüber hinaus wird das Tatgericht den versehentlich unterbliebenen Maßstab für die Anrechnung der vom Angeklagten erlittenen Auslieferungshaft zu bestimmen haben (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB).
Sander König Berger
Bellay Feilcke
moreResultsText
Annotations
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, oder wer eine andere Person unter einundzwanzig Jahren anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt, wenn
- 1.
diese Person ausgebeutet werden soll - a)
bei der Ausübung der Prostitution oder bei der Vornahme sexueller Handlungen an oder vor dem Täter oder einer dritten Person oder bei der Duldung sexueller Handlungen an sich selbst durch den Täter oder eine dritte Person, - b)
durch eine Beschäftigung, - c)
bei der Ausübung der Bettelei oder - d)
bei der Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen durch diese Person,
- 2.
diese Person in Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft oder in Verhältnissen, die dem entsprechen oder ähneln, gehalten werden soll oder - 3.
dieser Person rechtswidrig ein Organ entnommen werden soll.
(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer eine andere Person, die in der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Weise ausgebeutet werden soll,
- 1.
mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt oder - 2.
entführt oder sich ihrer bemächtigt oder ihrer Bemächtigung durch eine dritte Person Vorschub leistet.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn
- 1.
das Opfer zur Zeit der Tat unter achtzehn Jahren alt ist, - 2.
der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung wenigstens leichtfertig in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder - 3.
der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(4) In den Fällen der Absätze 1, 2 und 3 Satz 1 ist der Versuch strafbar.
(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.
(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.
(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.
(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.
(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.
(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.
(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.