Bundesgerichtshof Urteil, 13. Dez. 2017 - 5 StR 108/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:131217U5STR108.17.0
13.12.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 108/17
vom
13. Dezember 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:131217U5STR108.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Dezember 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Dölp, Prof. Dr. König, Dr. Berger
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Gruppenleiterin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. August 2016 hinsichtlich des Angeklagten G. aufgehoben,
a) soweit dieser wegen des Geschehens vom 25. September 2015 verurteilt worden ist, wobei die Feststellungen aufrechterhalten bleiben,
b) mit den zugehörigen Feststellungen im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen „eines Verstoßes gegen das Waffengesetz“ zu einer Gesamtfrei- heitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft hinsichtlich des in den Urteilsgründen geschilderten Geschehens vom 25. September 2015 eine Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG). Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel erweist sich insoweit als unbegründet, führt jedoch zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) zur Aufhebung der diesbezüglichen Schuldsprüche sowie des Gesamtstrafausspruchs.
2
1. Das Landgericht hat festgestellt:
3
a) Am 12. August 2015 verkaufte der Angeklagte im „Café N. “ in Berlin 0,497 g Kokaingemisch gewinnbringend an eine V-Person der Polizei.
4
b) Am 25. September 2015 verfügte er über 25 g Kokaingemisch, das zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt war. Davon verkaufte er in dem genannten Café 20,93 g mit einem Wirkstoffgehalt von 17,48 g CHC zum Preis von 1.400 € an eine V-Person der Polizei. Um das Kokain abzuwiegen, ging er mit der V-Person in einen Nebenraum, zu dem er einen Schlüssel hatte. Dort befanden sich unter anderem ein Tisch und eine Feinwaage. Neben dem Tisch stand ein etwa hüfthohes Regal, in und auf dem Kartons lagen. In oder auf einem der Kartons bewahrte der Angeklagte wissentlich eine Pistole Kaliber 7,65 mm mit sechs Patronen im Magazin und einer Patrone im Patronenlager auf.
5
Ebenfalls am 25. September 2015 verwahrte er im Café 56,609 g Cannabisprodukte mit einem Wirkstoffgehalt von 8,728 g THC und in der Wohnung seiner Eltern 20 g Kokaingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 16,5 g CHC zum gewinnbringenden Verkauf und teilweise zum Eigenkonsum.
6
2. Die Strafkammer vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass der Angeklagte die Schusswaffe beim Verkauf des Kokains im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich führte. Zwar sei dessen Einlassung widerlegt, dass er von der Waffe nichts gewusst habe. Es hätten jedoch keine Feststellungen getroffen werden können, wie die Waffe aufbewahrt worden sei. Deswegen sei nach dem Zweifelssatz davon auszugehen, dass sie nicht „griffbereit“ gelegen habe.
7
Das Landgericht hat das Mitführen der 25 g Kokain und das Aufbewahren von Cannabisprodukten im Café sowie den Besitz der weiteren 20 g Kokain in der elterlichen Wohnung als eine Tat im Rechtssinn gewertet und den Angeklagten insoweit wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt (Freiheitsstrafe: zwei Jahre). Den Besitz der Schusswaffe hat es als tatmehrheitlich verwirklichtes Waffendelikt ausgeurteilt (Freiheitsstrafe: ein Jahr).
8
3. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf das „Geschehen vom 25. September 2015“ beschränkt, erfasst aber aufgrund untrennbaren Zu- sammenhangs diesen Vorgang insgesamt. Demgegenüber wird die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln am 12. August 2015 (Freiheitsstrafe : sechs Monate) von der Beschwerdeführerin nicht angegriffen. Gleiches gilt für die Nichtanordnung einer Unterbringung in der Entziehungsanstalt (§ 64 StGB), die nach den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten in Betracht gekommen wäre. Die Staatsanwaltschaft hat ausdrücklich die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs beantragt.
9
4. Die Erwägungen des Landgerichts, mit denen es eine Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG abgelehnt hat, begegnen auch angesichts des zur Beweiswürdigung eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 – 1 StR 394/16, StraFo 2017, 378 Rn. 6 mwN) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Demgemäß muss der hiergegen gerichteten Revision der Staatsanwaltschaft der Erfolg versagt bleiben.
10
a) Ein Mitsichführen einer Schusswaffe ist gegeben, wenn der Täter diese in irgendeinem Stadium des Tathergangs bewusst gebrauchsbereit so in seiner Nähe hat, dass er sich ihrer jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 – 1 StR 394/16, aaO Rn. 7; Beschluss vom 10. Februar 2015 – 5 StR 594/14, NStZ 2015, 349, jeweils mwN). Das Merkmal ist dementsprechend gegeben, wenn sich die Waffe in Griffweite des Täters befindet (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2015 – 5 StR 594/14, aaO mwN).
11
b) Von diesem durch die Rechtsprechung ausgeformten rechtlichen Maßstab ist das Landgericht ausgegangen. Jedoch konnte es aufgrund widersprüchlicher und unklarer Angaben der die Durchsuchung durchführenden Polizeibeamten keine Feststellungen zum exakten Auffindeort der Schusswaffe treffen. So hatte ein Beamter ausgeführt, ein unmittelbarer Zugriff auf die Waffe sei nicht möglich gewesen, weil erst etliche Kartons hätten beiseitegelegt werden müssen, um an die Waffe zu kommen. Auch wenn man um den Aufbewahrungsort gewusst habe, sei sie seiner Einschätzung nach nicht „griffbereit“ ge- wesen. Später bekundete er, das Auffinden der Waffe nicht selbst beobachtet zu haben. Vielmehr sei sie ihm von einem Kollegen übergeben worden, der sie in einem Kartonstapel gefunden habe. Weitere Polizeibeamte konnten keine oder keine verlässlichen Angaben machen. Eine Videoaufzeichnung stellte nach den Bekundungen der polizeilichen Zeugen nicht die Auffindesituation dar. Vielmehr müsse es sich um eine von der Einsatzhundertschaft nachgestellte Szene handeln.
12
Unter diesen Vorzeichen ist die durch das Landgericht vorgenommene Wertung rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist die notwendige räumliche Nähe in der Regel vorhanden, wenn sich die Waffe in dem Raum befindet, in dem Handel getrieben wird (vgl. Weber, BtMG, 5. Aufl., § 30a Rn. 139 mwN). Auch dann muss jedoch festgestellt werden, welche Maßnahmen und welcher Zeitaufwand im Einzelnen erforderlich ist, damit der Täter auf die Waffe zugreifen kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2002 – 3 StR 404/01, StV 2002, 489 [Hochklappen eines Sofas]; Weber, aaO; siehe auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 – 5 StR 542/13, NStZ 2014, 466). Diesbezügliche Feststellungen vermochte das Landgericht aber nicht zu treffen.
13
Eine Zugriffsnähe im vorbezeichneten Sinn verstand sich nach den auf der Grundlage der Zeugenaussagen im Urteil geschilderten Gegebenheiten (unter Umständen zeitaufwendiges Weglegen von Kartons) auch nicht von selbst. Deswegen durfte das Landgericht nach dem Zweifelssatz vom Nichtvorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Mitsichführens ausgehen. Darin liegt entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts keine fehler- hafte Anwendung des Satzes „in dubio pro reo“ auf einen Rechtsbegriff. Eine Verfahrensrüge hat die Staatsanwaltschaft nicht erhoben.
14
5. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt gemäß § 301 StPO zur Aufhebung der in Bezug auf das relevante Geschehen ausgeurteilten Schuldsprüche.
15
a) Der Schuldspruch wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird von den Feststellungen nicht getragen. Der Generalbundesanwalt weist mit Recht darauf hin, dass das Landgericht weder hinsichtlich des Kokains noch in Bezug auf die Cannabisprodukte die zugrunde gelegten Eigenkonsummengen festgestellt hat. Deswegen kann nicht beurteilt werden, ob der Grenzwert der nicht geringen Menge überschritten ist. Damit verfällt auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) der Aufhebung (vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 – 5 StR 561/10, BGHSt 56, 277, 286 mwN).
16
b) Auch die Verurteilung wegen Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe kann nicht bestehen bleiben. Denn das Landgericht hat – wie der Generalbundesanwalt richtig bemerkt – keine Feststellungen zur fehlenden behördlichen Besitzerlaubnis gemäß § 10 WaffG getroffen.
17
6. Mit der Aufhebung der Schuldsprüche entfallen die aufgrund des Geschehens ausgeurteilten Freiheitsstrafen. Zugleich ist dem Gesamtstrafausspruch die Grundlage entzogen.
18
Die rechtsfehlerfreien Feststellungen zum Tatgeschehen haben hingegen Bestand. Das neue Tatgericht wird allerdings ergänzende Feststellungen zu den Eigenkonsummengen und zur Waffenbesitzerlaubnis zu treffen haben. Insoweit und im Übrigen sind neue Feststellungen möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

Mutzbauer Sander Dölp
König Berger

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Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Waffengesetz - WaffG 2002 | § 10 Erteilung von Erlaubnissen zum Erwerb, Besitz, Führen und Schießen


(1) Die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Waffen wird durch eine Waffenbesitzkarte oder durch Eintragung in eine bereits vorhandene Waffenbesitzkarte erteilt. Für die Erteilung einer Erlaubnis für Schusswaffen sind Art, Anzahl und Kaliber der Schus

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(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

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(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

6
1. Soweit das Landgericht eine Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitsichführen eines Gegenstandes , der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 BtMG), trotz des Vorhandenseins eines im tatrichterlichen Urteil näher beschriebenen Schlagrings (UA S. 5) verneint hat, erweist sich die zugrundeliegende Beweiswürdigung – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 25 mwN; vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16 Rn. 20 f., NStZ 2016, 670 und vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 10) – als rechtsfehlerhaft.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 594/14
vom
10. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Februar 2015 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Saarbrücken vom 4. September 2014 gemäß § 349 Abs. 4
StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Handeltreibens mit Betäu- bungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitsichführen sonstiger Gegenstände , die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind,“ in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Seine dagegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts warf der Angeklagte vor einer unmittelbar bevorstehenden Durchsuchung seiner Wohnung einen Beutel mit 243 Gramm Amphetamin (mit einem Wirkstoffanteil von 15 Gramm) aus dem Fenster in einen Innenhof. Das Amphetamin hatte er gewinnbringend verkaufen wollen. Außerdem lagerte er 102 Gramm Marihuana (mit einem Wirkstoffanteil von 18 Gramm) in einer unter einem Kissen auf der Bettcouch versteckten Tüte. Das Marihuana war für seinen Eigenkonsum bestimmt (UA S. 6, 7 f., 9). In einem Staufach der Bettcouch verwahrte der Angeklagte eine gela- dene Schreckschusspistole; an der Wand direkt hinter der Bettcouch befand sich in einer über dem versteckten Marihuana aufgehängten Jacke ein funktionsbereites Elektroimpulsgerät in seiner geöffneten Originalverpackung.
3
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) nicht.
4
Der Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass der Täter eine Schusswaffe oder einen sonstigen Gegenstand im Sinne dieser Vorschrift gerade beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit sich führt. Dies kann den Feststellungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnommen werden.
5
a) Das Landgericht hat freilich hinsichtlich beider Gegenstände zutreffend angenommen, dass diese grundsätzlich zur Erfüllung der Qualifikation geeignet sind. Das Elektroimpulsgerät ist eine Waffe im technischen Sinn (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a WaffG i.V.m. Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 2, tragbare Gegenstände 1.2.1), bei der es zur subjektiven Zweckbestimmung des Täters keiner weiteren Feststellungen bedarf (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 2003 – 1 StR 25/03, NStZ 2004, 111, 112, und vom 22. August 2012 – 2 StR 235/12, NStZ-RR 2013, 150, 151). Die geladene Schreckschusspistole kann durch den Senat ungeachtet fehlender Feststellungen zur Bauart aufgrund ihrer Typenbezeichnung (Walther P88 Kompakt) wegen Allgemeinkundigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2014 – 3 StR 451/14 mwN) als Schusswaffe im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG eingestuft werden, da bei ihr der Explosionsdruck nach vorne austritt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2005 – 2 StR 298/05, NJW 2006, 73, 74; siehe – zu § 250 Abs. 2 StGB – auch Beschluss vom 9. Februar 2010 – 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390).
6
b) Ein Mitsichführen liegt jedoch nur dann vor, wenn der Täter die Waffe bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen kann (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2011 – 2 StR 286/11, NStZ 2012, 340 mwN; Beschluss vom 18. April 2007 – 3 StR 127/07, NStZ 2007, 533). Hierfür genügt, wenn sie sich in Griffweite befindet. Dies ist regelmäßig jedoch nicht der Fall, wenn sich die Waffe in einem Behältnis und in einem anderen Raum als die Betäubungsmittel befindet (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 21. März 2000 – 1 StR 441/99, NStZ 2000, 433, und vom 13. August 2009 – 3 StR 224/09; Beschlüsse vom 23. Juni 2010 – 2 StR 203/10, NStZ 2011, 99 f., und vom 15. Januar 2013 – 2 StR 589/12, NStZ 2013, 663 f.). Die Strafkammer hat keine Feststellungen dazu getroffen, wie die räumlichen Verhältnisse im Einzelnen waren und wo der Angeklagte innerhalb seiner Wohnung das Amphetamin lagerte, das allein gewinnbringend weiterverkauft werden sollte. Somit ist bezüglich seines Umgangs mit diesem Betäubungsmittel nicht konkret dargelegt, dass sich der Angeklagte jederzeit der Schreckschusspistole oder des Elektroimpulsgeräts hätte bedienen können.
7
3. Diese Lückenhaftigkeit der Feststellungen führt ungeachtet der moderaten Strafe zur Urteilsaufhebung. Die Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Hinblick auf das von ihm zum Eigenkonsum verwahrte Marihuana bleibt von dem Rechtsfehler zwar unberührt; dieses Delikt steht aber in Tateinheit mit dem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, so dass der Senat das Urteil auch insoweit aufheben muss.
Sander Schneider Dölp
König Berger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 542/13
vom
8. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Januar 2014 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Juli 2013 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist, und
b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine dagegen gerichtete Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen verwahrte der Angeklagte in seiner Wohnung 99,7 g Kokaingemisch auf einem Wohnzimmerschrank und 145,5 g Cannabisharz in seinem Kleiderschrank im Schlafzimmer. Zudem hatte er in seiner Jacke an der Flurgarderobe 0,47 g Kokaingemisch und 0,24 g Cannabisharz. Sämtliche Drogen waren zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Im Wohnzimmer befand sich in dem aufklappbaren Sitzteil einer etwa drei Meter vom Wohnzimmerschrank entfernten Couch neben und unter anderen Gegenständen , die in Plastiktüten verpackt waren, griffbereit ein Fahrtenmesser mit einer 14,5 cm langen Klinge und abgebrochener Spitze in einer abgenutzten Lederscheide. Dies war dem Angeklagten bewusst. Bei einer Durchsuchung der Wohnung am 21. November 2011, bei der die Betäubungsmittel aufgefunden und sichergestellt wurden, wurde das nur mit nicht unerheblichem Kraftaufwand aufzuklappende Sitzteil der Wohnzimmercouch erstmals nach einem Jahr wieder geöffnet – wie das Landgericht als Wahrunterstellung seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat.
3
2. Diese Feststellungen belegen zwar, dass der Angeklagte mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben hat. Sie tragen jedoch nicht den Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG).
4
Insoweit entbehren die Feststellungen schon einer tragfähigen Beweiswürdigung. Wie das Landgericht im Ausgangspunkt nicht verkannt hat, setzt der Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG voraus, dass der Täter den gefährlichen Gegenstand bei der Tatbegehung bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Die Annahme eines Bewusstseins des Angeklagten von einer jederzeitigen Gebrauchsbereitschaft des Fahrtenmessers wird in der Beweiswürdigung des Landgerichts jedoch nicht mehr aufgegriffen und versteht sich auch nicht als eine Schlussfolgerung aus den übrigen festgestellten Tatsachen von selbst. So bleibt ungeklärt, ob dem Angeklagten oder einem anderen Mitglied seiner Familie das Fahrtenmesser gehörte und von wem es mindestens ein Jahr vor der Wohnungsdurchsuchung an seinem Verwahrort in der Couch abgelegt wurde.
5
Zudem fehlt es an einer Feststellung, dass es sich bei dem Messer um einen zur Verletzung von Personen bestimmten Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. BtMG gehandelt hat. Aus seiner Beschreibung als Fahrtenmesser mit einer abgebrochenen Klinge ergibt sich lediglich, dass das Messer objektiv zur Verletzung von Personen geeignet war. Dies reicht allerdings noch nicht aus, um auch die zur Verwirklichung des Qualifikationstatbestands notwendige subjektive Zweckbestimmung des Gegenstands durch den Täter zu belegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 1997 – 3 StR 465/97, BGHSt 43, 266, 267, vom 25. Mai 2010 – 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, und vom 6. November 2012 – 2 StR 394/12, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Gegenstand 6; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 30a Rn. 87 f.; Weber, BtMG, 3. Aufl., § 30a Rn. 117 f.), zu der sich die Urteilsgründe überhaupt nicht verhalten. Das beschriebene Messer ist weder eine Waffe im technischen Sinne , noch unterfällt es – wie sich aus der fehlenden Erwähnung dieses Messertyps in der Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2.1 zu § 1 Abs. 4 WaffG ergibt – der Kategorie der sogenannten gekorenen Waffen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b WaffG, bei denen die subjektive Zweckbestimmung zur Verletzung von Personen regelmäßig auf der Hand liegt. Vielmehr handelt es sich hier um einen werkzeugartig auch zu handwerklichen Zwecken nutzbaren Gebrauchsgegenstand , bei dem die Annahme, dass der Täter ihn (auch) zur Verletzung von Menschen bestimmt habe, der ausdrücklichen Feststellung und Begründung bedarf.
6
3. Ein Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge scheidet danach aus. Da nicht zu erwarten ist, dass in neuer Hauptverhandlung insoweit weitergehende Feststellungen als bisher getroffen werden könnten, hat der Senat den Schuldspruch entsprechend geändert. Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Basdorf Dölp König
Berger Bellay

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Zur Strafbarkeit gemäß § 227 StGB und zum Tötungsvorsatz
eines Schönheitschirurgen, der es vorübergehend unterlassen
hat, seine wegen eines Aufklärungsmangels rechtswidrig operierte
komatöse Patientin zur cerebralen Reanimation in ein
Krankenhaus einzuweisen.
BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 – 5 StR 561/10
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 7. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Juli
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt L.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt B.
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizhauptsekretärin ,
Amtsrätin
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. März 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Davon ausgenommen bleiben die Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tathergang, die zur Begründung des Verbrechens der Körperverletzung mit Todesfolge getroffen worden sind, sowie die Feststellungen zu den objektiven Tatumständen im Übrigen und diejenigen zur Person des Angeklagten. All diese Feststellungen bleiben aufrechterhalten. Insoweit werden die Rechtsmittel verworfen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das genannte Urteil im Strafausspruch und in der zur konventionswidrigen Verfahrensverzögerung ergangenen Kompensationsentscheidung aufgehoben.
3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Totschlag zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und auf ein vierjähriges Berufsverbot als niedergelassener Chirurg, Sportmediziner und Arzt im Rettungsdienst erkannt. Die Schwurgerichtskammer hat ferner ein Jahr der verhängten Strafe wegen überlanger Verfahrensdauer für vollstreckt erklärt.
2
Die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen des Angeklagten und des Nebenklägers erzielen die aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolge. Die auf Teile des Rechtsfolgenausspruchs beschränkte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft ist umfassend begründet.
3
1. Das Landgericht hat zur Person des Angeklagten und zum objektiven Tatgeschehen im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
4
a) Der seit 1988 im Fach Unfallchirurgie habilitierte Angeklagte war nach früheren Tätigkeiten als Assistenzarzt in der plastischen Chirurgie und als Stationsarzt in der Unfallchirurgie von 1985 bis 1995 als Oberarzt in der Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Marburg tätig. Zu seinen Aufgaben gehörten die Erstversorgung von Schwerverletzten und ihre weitere Betreuung bis hin zur Rehabilitation. Zudem führte er selbständig viele Lokal- und Regionalanästhesien durch. Ab 1994 betrieb der Angeklagte als ambulant praktizierender Chirurg eine Tagesklinik in Berlin. Er nahm zahlreiche plastische chirurgische Eingriffe vor, darunter auch viele Schönheitsoperationen.
5
b) Am 30. März 2006 unterzog sich die 49 Jahre alte gesunde Sch. bei dem Angeklagten von 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr einer Bauchdeckenstraffung , verbunden mit einer Fettabsaugung, Entfernung einer Blinddarmoperationsnarbe und Versetzung des Bauchnabels. Für die Operation und das schmerzausschaltende Verfahren hatte sie am 22. März 2006 schriftlich ihr Einverständnis erklärt. Der Angeklagte sicherte Frau Sch. der Wahrheit zuwider zu, dass am Tag der Operation ein Anästhesist zugegen sein werde. Auf ihre in Anwesenheit ihres Ehemanns vor Beginn des Eingriffs gestellte Frage, wo der Anästhesist sei, antwortete eine der Arzthelferinnen, „dass dies der Doktor gleich mache“ (UA S. 7, 23). Gegen 8.00 Uhr erhielt die Patientin Beruhigungsmittel und wurde im Operationssaal an Überwachungsgeräte angeschlossen, mittels derer die Frequenz des Herzschlages, der Erregungsablauf des Herzens, der Blutdruck und die Sättigung des Blutes mit Sauerstoff gemessen wurden. Eine Blutgasmessung, mit der die Sauerstoffversorgung des Gehirns zu bestimmen ist, erfolgte dabei nicht. 20 Minuten vor Beginn der Operation wurde die Narkose eingeleitet und kurz darauf vom Angeklagten eine Periduralanästhesie gesetzt. Gegen 9.00 Uhr füllte der Angeklagte die Bauchareale der Patientin, aus denen Fett abgesaugt werden sollte, mit einer Tumeszenzlösung. Gegen Ende des Eingriffs (11.00 Uhr und 12.15 Uhr) wurden weitere Narkosemittel zugeführt.
6
Beim Schließen der Wunde gegen 12.30 Uhr kam es bei der Patientin zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand. Der Angeklagte reanimierte mittels einer Herzdruckmassage. Währenddessen erbrach die Patientin. Nach Säuberung des Mund- und Rachenraums fuhr der Angeklagte mit der Massage fort. Zum Offenhalten der Atemwege setzte er einen Guedel-Tubus ein, der nicht vor Aspiration schützt. Er verabreichte Sauerstoff mittels einer Maske und führte Adrenalin und andere Medikamente zu. Gegen 13.00 Uhr befand sich die Herzfrequenz wieder im Normbereich bei zwischen 12.20 Uhr bis noch 13.20 Uhr stark abgesenktem Blutdruck. Die Patientin atmete spontan und erhielt Infusionen und blutdrucksteigernde Medikamente in nicht dokumentierter Menge und zu nicht dokumentierten Zeitpunkten. Bei Dienstende der Arzthelferin R. gegen 14.30 Uhr waren die „Vitalwerte“ wieder im Normbereich, der äußere Zustand der Patientin war indes unverändert. Die Helferin fragte sich, ob nicht besser ein Notarzt zu alarmieren sei; sie traute sich aber nicht, dies anzusprechen, weil sich der cholerische Angeklagte nichts hätte sagen lassen. Die Patientin erlangte auch nach Abklingen der Wirkung der Narkosemittel ihr Bewusstsein nicht wieder.
7
c) Der Angeklagte führte seine Sprechstunde weiter und sah in regelmäßigen Abständen nach der Patientin. Er ließ deren Ehemann gegen 15.00 Uhr der Wahrheit zuwider ausrichten, dass seine Frau aufgewacht und alles in Ordnung sei. Sie schlafe jedoch immer wieder ein, weshalb er nicht mit ihr sprechen könne. Gegen 18.00 Uhr erklärte der Angeklagte dem Nebenkläger erneut, mit seiner Frau sei alles in Ordnung, er wolle sie aber über Nacht in ein Krankenhaus bringen, da sie immer wieder einschlafe. Gleiches bekundete er gegen 18.30 Uhr gegenüber einer Ärztin des Sankt Gertrauden Krankenhauses, als er anfragte, ob ein Bett auf der Intensivstation zur Verfügung stehe. Der Angeklagte bestellte gegen 19.10 Uhr einen Krankentransportwagen ohne intensivmedizinische Ausrüstung, der um 19.45 Uhr eintraf. Die Transportsanitäter erkannten sofort den Ernst der Lage der bewusstlosen Patientin und bemerkten anhand ihrer lockeren Extremitäten, ihrer Hautfärbung und der Schweißbildung, dass sie Sauerstoff benötige. Der Angeklagte widersetzte sich zunächst der Absicht eines Rettungssanitäters, mit Blaulicht und Martinshorn zum Krankenhaus zu fahren. Letzterer bestand nach lautstark und erregt geführter Diskussion darauf und machte den Angeklagten verantwortlich für den Einsatz der Sonderrechte.
8
Der Angeklagte verschwieg bei der Einlieferung der komatösen Patientin auf der Intensivstation gegen 20.00 Uhr den eingetretenen Herzstillstand mit nachfolgender Reanimation und die Aspiration der Patientin. Er übergab keine Krankenunterlagen und teilte die verabreichten Medikamente nicht mit. Er war später über die hinterlassene Mobilfunktelefonnummer für die Ärzte des Krankenhauses nicht erreichbar. Die Zusage, die Patientenunterlagen alsbald zu übergeben, erfüllte er nicht. Erst am 3. April 2006 händigte er dem Nebenkläger, der mit der Einschaltung der Polizei gedroht hatte, eine Kopie des Operationsberichtes und des Narkoseprotokolls aus. Sch. verstarb am 12. April 2006 im Krankenhaus an den Folgen einer glo- balen Hirnsubstanzerweichung, ohne das Bewusstsein zuvor wiedererlangt zu haben.
9
2. Zu den medizinisch relevanten Zusammenhängen hat das Landgericht mit Hilfe von mehreren medizinischen Sachverständigen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
10
a) Die Vornahme der komplexen mehrstündigen Operation ohne Hinzuziehung eines Anästhesisten entsprach nicht dem ärztlichen Standard: Die Betäubung durch eine Periduralanästhesie in Verbindung mit der Verabreichung einer Tumeszenzlösung sowie zentral wirkender Opiate stelle sowohl in ihren Einzelkomponenten aber besonders in ihrer Kombination ein mit bekannten Risiken behaftetes Verfahren dar, das zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Vitalfunktionen des Patienten führe. Eine gebotene Überwachung durch einen Anästhesisten hätte die Chancen einer früheren Diagnose des lebensbedrohlichen Zustands und einer folgenden adäquaten Therapie deutlich verbessert, wodurch sich die Überlebenschancen erhöht hätten.
11
b) Der Angeklagte behandelte Sch. nach der Reanimation unter groben Verstößen gegen die ärztliche Kunst, indem er der spontan atmenden Patientin lediglich Infusionen und blutdrucksteigernde Medikamente verabreichte: Nachdem der Angeklagte mangels Blutgasanalyse nicht feststellen konnte, ob dem Gehirn der Patientin genügend Sauerstoff zugeführt würde, wäre eine endotrachiale Intubation mit zusätzlicher Sauerstoffbeatmung und – bei der unklar gebliebenen Ursache des Herz-KreislaufStillstands – eine sofortige Verlegung der Patientin zur cerebralen Reanimation in eine Intensivstation vorzunehmen gewesen.
12
c) Wann genau die irreversible, zum Tode führende Hirnschädigung durch Sauerstoffunterversorgung nach der Wiederbelebung in der Praxis des Angeklagten eingetreten war, konnte nicht sicher geklärt werden. Jedenfalls litt die Patientin zum Zeitpunkt ihrer Ankunft im Krankenhaus bereits an einer schweren posthypoxischen Hirnschädigung, die, wie eine Auswertung computertomographischer Aufnahmen vom 30. und 31. März 2006 in Zusammenschau mit den bekannten Tatsachen zur Entwicklung des Zustands der Patientin ergab, in den Nachmittagsstunden des 30. März 2006 entstanden war. Bei einer sofortigen Verlegung in ein Krankenhaus nach der Reanimation hätte die Patientin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überlebt , zumindest eine nicht unerhebliche Zeit länger gelebt.
13
d) Das Landgericht hat unterschiedliche Einwände des Angeklagten, mit denen er sein Verhalten als medizinisch begründet dargelegt hat, mit Hilfe von Sachverständigengutachten und Zeugenbekundungen widerlegt. Danach war seine Patientin nach der Reanimation wie nahezu jeder schwer erkrankte Mensch transportfähig. Eine den Transport erschwerende Rechtsherzinsuffizienz lag nicht vor. Die vom Angeklagten nicht für möglich gehaltene weitergehende Intubation der Patientin ist im Krankenhaus als erste Maßnahme komplikationslos erfolgt. Der Zustand der Patientin in der Tagesklinik des Angeklagten hatte sich nicht gebessert. Eine fehlerhafte Behandlung durch Ärzte im Sankt Gertrauden Krankenhaus hat das Landgericht beweiswürdigend ausgeschlossen.
14
3. Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde gelegt:
15
a) Das sich aus den Umständen der komplexen Operation ergebende Erfordernis, einen Anästhesisten zumindest in Rufbereitschaft in der Praxis zur Verfügung zu haben, sei dem Angeklagten aufgrund seiner Ausbildung und Berufserfahrung bekannt gewesen.
16
b) Die Kenntnis des Gebots, eine nach Wiedereintritt des Herzschlages noch bewusstlose Patientin in der Postreanimationsphase in Begleitung eines Notarztes in die nächstgelegene Intensivstation zu verbringen, erachtete die Schwurgerichtskammer als für das Wissen eines jeden Arztes derart grundlegend, dass der in der Rettungs- und Intensivmedizin langjährig erfahrene Angeklagte hierüber jedenfalls verfügte. Auf dieser Grundlage und nach dem Hinweis des Angeklagten auf einen möglichen tödlichen Verlauf der Operation im Rahmen der Aufklärung hat das Landgericht angenommen, dass für den Angeklagten die Gefahr des Todeseintritts vorhersehbar war.
17
c) Nachdem ab 15.00 Uhr der übliche Zeitraum für das Abklingen der Narkosemittel längst verstrichen war und sich der Zustand der Patientin nicht verbessert hatte, erkannte der Angeklagte sogar die Gefahr eines tödlichen Ausgangs als möglich und nicht ganz fernliegend.
18
Aus dem Geschehensablauf und der Interessenlage hat das Landge- richt gefolgert, „dass der Angeklagte zumindest unter anderem deswegen Sch. erst am Abend des 30. März 2006 in ein Krankenhaus verbringen ließ, weil er bei Bekanntwerden des Zwischenfalles einen drohenden Ansehensverlust sowie um seine wirtschaftliche und berufliche Existenz fürchtete. Darüber hinaus wusste er, dass die vorgenommene Operation ohne Anästhesist nicht dem ärztlichen Standard entsprach und er seine Patien- tin nach dem Herzstillstand nur unzureichend weiterbehandelt hatte“ (UA S. 49). Er habe das Geschehen fortan heruntergespielt und versucht, den Sachverhalt zu verschleiern. „Dabei ging er so weit, dass er selbst seinen Kollegen im Sankt Gertrauden Krankenhaus völlig unzureichende Informatio- nen gab und keine aussagekräftigen Patientenunterlagen übergab“ (UA S. 49). Die Schwurgerichtskammer nahm dabei systematische Vertuschungs - und Verharmlosungshandlungen an, die belegen, dass der Angeklagte aus sachfremden Motiven keinen Rettungswagen angefordert hatte. Solches führe zur Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes ab 15.00 Uhr, als der Angeklagte die für seine Patientin eingetretene Lebensgefahr erkannt hatte. Im Hinblick auf die zeitliche Unsicherheit des Eintritts der irreversiblen Gehirnschädigung begründet dies im Zweifel eine Strafbarkeit als untauglicher Totschlagsversuch.
19
4. Die Revision des Angeklagten führt mit Sachrüge zur Aufhebung des Schuldspruchs. Hierdurch entfallen auch der Straf- und der Maßregelausspruch. Die Feststellungen zu den objektiven Tatumständen und zu deren Verwirklichung durch den Angeklagten als Körperverletzung mit Todesfolge (zusammengefasst sub 1 bis 3 b dieses Urteils) bleiben – wie auch die fehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Person des Angeklagten – aufrecht erhalten. Sie sind von dem durchgreifenden Rechtsfehler nicht erfasst. Das neue Tatgericht kann zu diesem Bereich allenfalls weitergehende Feststellungen treffen, die zu den getroffenen nicht in Widerspruch stehen.
20
a) Die Verfahrensrügen sind unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Sie greifen jedenfalls in der Sache aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 9. Februar 2011 nicht durch. Verfahrensfehlerhafte Ermittlungsdefizite zu einer etwa todesursächlichen fehlerhaften Behandlung der Patientin im Sankt Gertrauden Krankenhaus und hinsichtlich der Notwendigkeit, einen Anästhesisten hinzuzuziehen, liegen nicht vor.
21
b) Die sachlichrechtlichen Revisionsangriffe gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des Landgerichts hinsichtlich des Umfangs der Aufklärung durch den Angeklagten bedürfen keiner vertiefenden Betrachtung. Schon nach dessen Einlassung durfte die Schwurgerichtskammer davon ausgehen, dass eine Aufklärung der Patientin darüber, dass die Hinzuziehung eines Anästhesisten medizinisch geboten war, nicht erfolgt ist. Dies berechtigte zur Annahme eines durchgreifenden Aufklärungsmangels (BGH, Urteil vom 19. November 1997 – 3 StR 271/97, BGHSt 43, 306, 309). Fehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, dass die Patientin unter dieser Prämisse die Vornahme der Operation abgelehnt hätte, deren Durchführung ohne Anästhesisten sie ersichtlich auch nicht etwa kurzfristig bei Kenntnis von der Situation zu Beginn des Eingriffs schlüssig gebilligt hat. Dies führt zu der Bewertung des Eingriffs als Körperverletzung (vgl. BGHSt aaO S. 309; BGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 – 3 StR 239/10, NJW 2011, 1088, 1089, zur Aufnahme in BGHSt bestimmt; BGH, Urteile vom 25. September 1990 – 5 StR 342/90 – und 5. Juli 2007 – 4 StR 549/06, BGHR StGB § 223 Abs. 1 Heileingriff 2 und 8).
22
c) Indes hält die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat das Willenselement des bedingten Tötungsvorsatzes nur mit lückenhaften, die Feststellungen zum Handlungsablauf und zur Interessenlage nicht erschöpfenden Erwägungen belegt.
23
aa) Das Willenselement des bedingten Vorsatzes ist bei Tötungsdelikten nur gegeben, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen damit abfindet. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn er mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nichtnur vage – darauf vertraut, der Tod werde nicht eintreten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 mwN; BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10). Da beide Schuldformen im Grenzbereich eng beieinander liegen, ist bei der Prüfung, ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände geboten (st. Rspr.; vgl. BGH aaO). Diese hat das Landgericht nicht in dem gebotenen Umfang vorgenommen.
24
bb) Zwar hat es – im Einklang mit einen ähnlichen Ausgangssachverhalt würdigenden Urteilen des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, und vom 7. Dezember 2005 – 1 StR 391/05) – zutreffend angenommen, dass eine ausdrückliche Erörte- rung der Frage, ob ein Arzt einen Patienten vorsätzlich am Leben oder an der Gesundheit geschädigt hat, geboten ist, falls nach Eintritt von Komplikationen der Arzt aus sachfremden Motiven keinen Rettungswagen angefordert hat. Das Vorliegen solcher Motive beschreibt indes keinen Erfahrungssatz, aus dem auf das Willenselement des bedingten Tötungsvorsatzes zu schlie- ßen wäre, sondern diese bedürfen ihrerseits wertender Betrachtung im Rahmen der gebotenen Gesamtschau.
25
Die Schwurgerichtskammer hat – im Gegensatz zu den argumentativ herangezogenen Umständen aus dem vom 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs gewürdigten Fall – nicht auf Äußerungen des Angeklagten selbst und offensichtliche, absehbar dramatisch verlaufende lebensbedrohende Verletzungen abstellen können, aus denen weitergehend auf sachfremde Beweggründe seines Handelns zu schließen war. Sie hat allein den Vertuschungshandlungen des Angeklagten das Motiv entnommen, zum Schutz seiner eigenen Interessen eine Aufdeckung seines ärztlichen Fehlverhaltens zu verhindern; dieserhalb habe er sich mit dem Tod der Patientin abgefunden. Diese Schlussfolgerung entbehrt indes der argumentativen Auseinandersetzung mit gegenläufigen, im Urteil festgestellten Umständen, die vielmehr die Annahme bewusster Fahrlässigkeit rechtfertigen könnten.
26
Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass ein rational verankerter Zusammenhang zwischen dem angenommenen Handlungsmotiv – Vertuschung von Fehlern zur Schonung eigener Interessen – und dem Tod der Patientin wenigstens bei zu erwartendem Todeseintritt in der Tagesklinik des Angeklagten schwerlich bestehen kann: Dass die Operation ohne Anästhesist , aber mit Komplikationen vorgenommen worden war, konnte keinesfalls – schongar nicht gegenüber dem ständig auf Aufklärung dringenden Ehemann der Patientin – längere Zeit verborgen werden. Ein Todeseintritt in der Tagesklinik hätte bei der zur Wahrung zivilrechtlicher Ansprüche des Nebenklägers sicher zu erwartenden Obduktion die Erkenntnis der wahren Todesursache , der ärztlichen Fehler des Angeklagten, ergeben. Zudem erwägt das Landgericht im Rahmen von Überlegungen zu einem Rücktritt vom Totschlagsversuch , dass der Angeklagte „es für möglich hielt, dass Sch. ohne Verlegung auf eine Intensivstation sterben würde“ (UA S. 58); hiernach hielt er sogar zu einem relativ späten Zeitpunkt noch eine Rettung der Patientin im Krankenhaus für möglich. Einer starken Skepsis am Überleben der Patientin und einer damit einhergehenden Billigung ihres Todes wenigstens bis zum Transport ins Krankenhaus widerstreiten namentlich die – erst im Rahmen der Erörterung des Mordmerkmals der anderen niedrigen Beweggründe erörterten – festgestellten Antriebe für das pflichtwidrige Handeln des Angeklagten, nämlich „Eigenüberschätzung und Verbohrtheit“ (UA S. 59).
27
Die Annahme des Willenselements des Tötungsvorsatzes vor dem Entschluss des Angeklagten, die Patientin in ein Krankenhaus zu verlegen, hat demnach keinen Bestand.
28
d) Der Angeklagte ist auch dadurch rechtsfehlerhaft beschwert, dass das Landgericht einen Versuch durch aktives Tun anstatt einen für den Angeklagten günstigeren (untauglichen) Versuch durch Unterlassen (vgl. § 13 Abs. 2 StGB) angenommen hat.
29
Die von der Schwurgerichtskammer als Beleg seiner Auffassung zur Begründung aktiven Tuns herangezogenen Entscheidungen des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 21. März 2002 – 1 StR 53/02; Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35) rechtfertigen solches nicht. Ihnen lagen mehrere Behandlungsfehler – und damit aktives Tun – zugrunde. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt zur Lösung der Abgrenzungsproblematik wertend auf den Schwerpunkt des Vorwurfs ab (vgl. BGH [GS], Beschluss vom 17. Februar 1954 – GSSt 3/53, BGHSt 6, 46, 59; BGH, Urteil vom 13. September 1994 – 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 265 f.; BGH, Urteil vom 12. Juli 2005 – 1 StR 65/05, NStZRR 2006, 174; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 – 2 StR 454/09, NJW 2010, 2963, 2966, zur Aufnahme in BGHSt bestimmt). Dieser liegt nach den fehlerfrei getroffenen Feststellungen hier im Unterlassen der Veranlassung der medizinisch gebotenen cerebralen Reanimation in einer Intensivstation eines Krankenhauses und nicht im bloßen Zuführen – zudem eher nutzloser – kreislaufstabilisierender Medikamente. Den Unterlassungsvorwurf hat das Landgericht selbst in seiner wertenden Betrachtung (UA S. 55) als zentral angesehen.
30
e) Wegen der vom Landgericht angenommenen Tateinheit (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2008 – 4 StR 438/08, StV 2009, 472; BGH, Urteil vom 7. Dezember 2005 – 1 StR 391/05) hat auch der Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1), der indes auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen bedenkenfrei ist. Insbesondere wird das verwirklichte Risiko vom Schutzzweck der verletzten Aufklärungspflicht erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1995 – 4 StR 760/94, NStZ 1996, 34, 35; BGH, Urteil vom 23. Oktober 2007 – 1 StR 238/07, StV 2008, 464, 465; Eser/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 223 Rn. 40 f.; Widmaier in Festschrift für Roxin, 2011, S. 439, 447). In der vom Angeklagten vorgenommenen – zur einwilligungslosen Operation gehörenden – todesursächlichen fehlerhaften Reanimationsanschlussbehandlung hat sich dessen Übernahmeverschulden realisiert (vgl. C Nr. 2 Berufsordnung der Ärztekammer Berlin vom 30. Mai 2005, Amtsblatt Nr. 26 vom 3. Juni 2005, S. 1883, 1889; BGH, Urteil vom 29. April 2010 – 5 StR 18/10, BGHSt 55, 121, 133 ff. mwN). Solches durch den Einsatz ei- nes weiteren Facharztes, des Anästhesisten, zu vermeiden und durch diesen alsbald eine Behandlung zur Lebensrettung erfolgreich durchführen zu lassen , war gerade der Grund für die Notwendigkeit von dessen Mitwirkung, über deren Einhaltung der Angeklagte im Rahmen der Aufklärung getäuscht hatte. Bei dieser Sachlage haftet der Körperverletzung des Angeklagten ohne Weiteres die spezifische Gefahr an, zum Tode des Opfers zu führen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1985 – 2 StR 378/85, BGHSt 33, 322, 323 mwN).
31
f) Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen einschließlich derjenigen , mit denen das Landgericht die Tat als Körperverletzung mit Todesfolge bewertet hat (hier zusammengefasst sub 1 bis 3 b), sind von dem Feh- ler in der Beweiswürdigung nicht betroffen; diese – wie auch die das weitere objektive Tatgeschehen und die persönlichen Verhältnisse betreffenden – Feststellungen können bestehen bleiben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 353 Rn. 12 und 15). Insoweit ist die Revision des Angeklagten unbegründet.
32
5. Im selben begrenzten Umfang greift die Revision des Nebenklägers durch, der mit der Sachrüge namentlich eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes erstrebt. Das Landgericht hat fehlerfrei festgestellte Umstände, die zu dem von der Anklage erfassten Lebenssachverhalt gehören , nicht in seine Kognition einbezogen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 – 2 StR 85/09, NStZ-RR 2009, 289). Diese hätten nicht sicher ausschließbar eine tatmehrheitliche Verurteilung wegen eines untauglichen Versuchs eines Mordes durch Unterlassen zur Verdeckung einer anderen Straftat oder auch einen tateinheitlichen untauglichen Mordversuch durch Unterlassen aus niedrigen Beweggründen rechtfertigen können.
33
a) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte den lebensbedrohlichen Zustand seiner Patientin erkannte, und hat angenommen , dass – freilich ohne Begründung im Einzelnen – er an eine noch mögliche Rettung im Krankenhaus geglaubt hat. Unter diesen Prämissen hat es das Landgericht unterlassen zu erwägen, ob ein untauglicher Unterlassungsversuch der Tötung zur Verdeckung der zuvor erfolgten Körperverletzung vorliegen kann (vgl. BGH, Urteile vom 1. Februar 2005 – 1 StR 327/04, BGHSt 50, 11, 14, und vom 17. Mai 2011 – 1 StR 50/11). Die Sach- und Rechtslage ähnelt den Fällen einer (unerkannt gebliebenen) Tötung im Straßenverkehr mit nachfolgender unterlassener Hilfeleistung und Flucht durch den Täter (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1991 – 4 StR 451/91, NJW 1992, 583, 584 mwN).
34
Solches anzunehmen kommt nunmehr für das neu berufene Tatgericht in Betracht, falls sich feststellen lassen sollte, dass der Angeklagte nach Erkennen der Todesgefahr geplant hat, mit der Einlieferung so lange zu warten , bis die Patientin im Krankenhaus sicher versterben würde. Hierdurch hätte möglicherweise ein Nachweis seiner eigenen Verursachung erschwert oder gar unmöglich gemacht werden können.
35
Ein weiterer Anknüpfungspunkt der neu vorzunehmenden Beweiswürdigung und Bewertung unter diesem Aspekt könnte sein, dass der Angeklagte in Kenntnis der Gefahr eines tödlichen Verlaufs der Erkrankung seiner Patientin bei angenommener Rettungsmöglichkeit gegen 18.30 Uhr – gerade in der Intensivstation – ein Bett bestellt hat und dabei die nachfolgende sachwidrige Verzögerung dieser Rettungschance auf den Willen des Angeklagten zurückzuführen sein könnte um das Versterben der Patientin im Krankenhaus zur Schonung eigener Interessen zu fördern.
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Solches gilt insbesondere für den vom Angeklagten begleiteten Transport der Patientin in das Krankenhaus und die Umstände ihrer Übergabe durch den Angeklagten in die intensivmedizinische Abteilung. Hierbei hatten erstmalig Dritte, die Rettungssanitäter, den Angeklagten auf den lebensbedrohlichen Zustand der Patientin aufmerksam gemacht. Ausgangspunkt der heftig geführten Diskussion mit dem Angeklagten waren die sich aus § 35 Abs. 5a StVO ergebenden Erfordernisse der Rettung eines Menschenlebens oder der Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden, für welche die Sanitäter den Angeklagten verantwortlich machten. Dieser Vorgang wäre daraufhin zu bewerten gewesen, ob dem Angeklagten durch die Einschätzung Dritter der lebensgefährliche Zustand seiner Patientin zu Bewusstsein gebracht wurde und er anschließend in Kenntnis dieses Umstands die ihm gemäß C Nr. 2 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin (aaO) und des Behandlungsvertrages gegenüber den Krankenhausärzten obliegenden Informationspflichten über den bisherigen Behandlungsverlauf nicht erfüllt hat.
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b) Bei alledem würde freilich allein die – dann sogar nach dem Zweifelsgrundsatz zugunsten des Angeklagten anzunehmende – Möglichkeit ei- nes schon im Laufe der Reanimationsanschlussbehandlung alsbald gefassten bedingten Tötungsvorsatzes dem Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht die Grundlage entziehen (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 211 Rn. 72 f.). Bei gleichwohl sicherer Feststellung entsprechender Unterlassungsmotive müssten diese einer erneuten eigenständigen tatgerichtlichen Bewertung unter dem Gesichtspunkt tateinheitlich verwirklichter niedriger Beweggründe zugeführt werden. Sollten solche nicht angenommen werden können, käme wiederum eine tateinheitliche Verurteilung wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen in Betracht.
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6. Sollte die neue Beweisaufnahme – was nicht fernliegt, aber vom Revisionsgericht nicht sicher zu prognostizieren ist – keinen Nachweis des Tötungsvorsatzes ergeben, wird zum Schuldspruch gemäß § 227 StGB allein auf Grund der aufrechterhaltenen Feststellungen entschieden werden können. Der nur vom Angeklagten mitangefochtene Maßregelausspruch, der ohne bestehenden Schuldspruch nicht aufrechtzuerhalten ist, wird jedenfalls ohne Einschränkung wieder zu verhängen sein.
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7. Die zulässigerweise auf den Strafausspruch und das Ausmaß der Kompensation für die vom Landgericht angenommene konventionswidrige Verfahrensverzögerung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
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Die Schwurgerichtskammer hat es unterlassen, die Anwendung von § 227 Abs. 2 StGB zu begründen. Es versteht sich nicht von selbst, dass die zur Begründung eines (sonstigen) minderschweren Falles gemäß § 213 StGB unter Verbrauch der Versuchsmilderung herangezogenen schuldmindernden , vor allem die Persönlichkeit des Angeklagten betreffenden Umstände (UA S. 60) auch die Annahme eines minderschweren Falles einer (vollendeten) Körperverletzung mit Todesfolge, bei der es an einem vertypten Strafmilderungsgrund fehlte, gerechtfertigt hätten.
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Auch die Kompensationsentscheidung hat keinen Bestand. Zwar stellt die Schwurgerichtskammer Zeitabläufe dar, in denen die Staatsanwaltschaft das Verfahren „nicht nennenswert gefördert“ hat (UA S. 61). Indes unterlässt sie die gebotene Bewertung der – angesichts der überaus komplexen Materie eher großzügig zu bemessenden – Zeiten näherer Erwägung der Fakten und Prüfung der jeweils nächsten Ermittlungsschritte. Zudem liegt nahe, dass auch das mitgeteilte Einlassungsverhalten des Angeklagten verzögerlichen Einfluss auf den Verfahrensgang genommen hat. Jedenfalls erscheint das festgesetzte Maß der Kompensation deutlich überhöht (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 1 StR 19/11 mwN); es muss gegebenenfalls neu bestimmt werden.
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(1) Die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Waffen wird durch eine Waffenbesitzkarte oder durch Eintragung in eine bereits vorhandene Waffenbesitzkarte erteilt. Für die Erteilung einer Erlaubnis für Schusswaffen sind Art, Anzahl und Kaliber der Schusswaffen anzugeben. Die Erlaubnis zum Erwerb einer Waffe gilt für die Dauer eines Jahres, die Erlaubnis zum Besitz wird in der Regel unbefristet erteilt.

(2) Eine Waffenbesitzkarte über Schusswaffen, die mehrere Personen besitzen, kann auf diese Personen ausgestellt werden. Eine Waffenbesitzkarte kann auch einem schießsportlichen Verein oder einer jagdlichen Vereinigung als juristischer Person erteilt werden. Sie ist mit der Auflage zu verbinden, dass der Verein der Behörde vor Inbesitznahme von Vereinswaffen unbeschadet des Vorliegens der Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 eine verantwortliche Person zu benennen hat, für die die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 nachgewiesen sind; diese benannte Person muss nicht vertretungsberechtigtes Organ des Vereins sein. Scheidet die benannte verantwortliche Person aus dem Verein aus oder liegen in ihrer Person nicht mehr alle Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 vor, so ist der Verein verpflichtet, dies unverzüglich der zuständigen Behörde mitzuteilen. Benennt der Verein nicht innerhalb von zwei Wochen eine neue verantwortliche Person, für die die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 nachgewiesen werden, so ist die dem Verein erteilte Waffenbesitzerlaubnis zu widerrufen und die Waffenbesitzkarte zurückzugeben.

(3) Die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Munition wird durch Eintragung in eine Waffenbesitzkarte für die darin eingetragenen Schusswaffen erteilt. In den übrigen Fällen wird die Erlaubnis durch einen Munitionserwerbsschein für eine bestimmte Munitionsart erteilt; sie ist für den Erwerb der Munition auf die Dauer von sechs Jahren zu befristen und gilt für den Besitz der Munition unbefristet. Die Erlaubnis zum nicht gewerblichen Laden von Munition im Sinne des Sprengstoffgesetzes gilt auch als Erlaubnis zum Erwerb und Besitz dieser Munition. Nach Ablauf der Gültigkeit des Erlaubnisdokuments gilt die Erlaubnis für den Besitz dieser Munition für die Dauer von sechs Monaten fort.

(4) Die Erlaubnis zum Führen einer Waffe wird durch einen Waffenschein erteilt. Eine Erlaubnis nach Satz 1 zum Führen von Schusswaffen wird für bestimmte Schusswaffen auf höchstens drei Jahre erteilt; die Geltungsdauer kann zweimal um höchstens je drei Jahre verlängert werden, sie ist kürzer zu bemessen, wenn nur ein vorübergehendes Bedürfnis nachgewiesen wird. Der Geltungsbereich des Waffenscheins ist auf bestimmte Anlässe oder Gebiete zu beschränken, wenn ein darüber hinausgehendes Bedürfnis nicht nachgewiesen wird. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen sind in der Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 3 Nr. 2 und 2.1 genannt (Kleiner Waffenschein).

(5) Die Erlaubnis zum Schießen mit einer Schusswaffe wird durch einen Erlaubnisschein erteilt.