Bundesgerichtshof Urteil, 11. Aug. 2011 - 4 StR 267/11

bei uns veröffentlicht am11.08.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 267/11
vom
11. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. August
2011, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 30. November 2010 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls in zwei Fällen zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Von seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hat es abgesehen. Die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB wurde nicht erörtert. Die von der Staatsanwaltschaft zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision ist auf das Unterbleiben von Maßregelanordnungen nach den §§ 63, 64 StGB beschränkt.

I.


2
Das sachverständig beratene Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
1. Der Angeklagte leidet spätestens seit dem Jahr 2001 an einer "schizophrenen Psychose mit akustischen und Leibhalluzinationen sowie angedeutetem Wahnerleben". Wegen dieser Erkrankung befand er sich mehrfach in stationärer Behandlung. Zuletzt wurde er am 18. Juli 2008 aus einer psychiatrischen Fachklink entlassen. Seitdem wird er von seiner Hausärztin behandelt, die ihm Neuroleptika verschreibt. Der Angeklagte nimmt gelegentlich Amphetamin sowie seit zehn Jahren alle zwei bis drei Tage 0,5 Gramm Heroinzubereitung zu sich, um auf diese Weise die Halluzinationenzu „verringern“. Mitte des Jahres 2009 setzte er zum wiederholten Male eigenmächtig die ihm verordneten Medikamente ab.
4
Der Angeklagte ist in der Vergangenheit mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Im Jahr 2001 verurteilte ihn das Amtsgericht Hamm wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus. Die Strafe wurde nach dem Ablauf der Bewährungszeit erlassen. In den Jahren 2006 bis 2008 wurde er zweimal wegen Diebstahls und einmal wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu Geldstrafen verurteilt. Zuletzt verurteilte ihn das Amtsgericht Hamm am 30. Januar 2009 wegen eines erneuten Diebstahls rechtskräftig zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von drei Monaten. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Dass die abgeurteilten Taten in einem Zusammenhang mit der psychotischen Erkrankung des Angeklagten gestanden haben, vermochte das Landgericht nicht festzustellen.
5
2. Am 2. Januar 2010 brach der Angeklagte zusammen mit einem Begleiter in einem öffentlich zugänglichen Gebäude einen Schrank auf, um darin verwahrte Gegenstände (ein Fernsehgerät und verschiedene Flaschen) zu entwenden. Noch bevor sie etwas wegnehmen konnten, wurden beide gestellt und der Polizei übergeben. Am 11. Februar 2010 entwendete der Angeklagte in einem Drogeriemarkt ein Parfüm im Wert von 15 Euro. Bei der Tat wurde er beobachtet. Noch am selben Tage drang er in die Umkleidekabine einer Sporthalle ein und durchsuchte die dort abgelegte Kleidung einer Jugendfußballmannschaft nach stehlenswerten Gegenständen. Als er ein Mobiltelefon in einem Wert von 150 Euro an sich nehmen wollte, wurde er von einem Betreuer überrascht. Der Angeklagte legte daraufhin das Mobiltelefon zurück und wartete mit dem Betreuer auf die herbeigerufene Polizei. Am 25. März 2010 stach der Angeklagte mit einem Schraubendreher in die Gummiabdichtung der Beifahrertür eines auf einem Firmengelände abgestellten Pkw, um diese aufzubrechen und das Fahrzeug nach stehlenswerten Gegenständen zu durchsuchen. Noch bevor er in das Wageninnere gelangen konnte, wurde er gestellt. Der Tat war ein Streit mit seinen Eltern vorausgegangen, der bei ihm zu einer psychischen Destabilisierung geführt hatte. In allen Fällen verfolgte der Angeklagte die Absicht, das Diebesgut zu verkaufen, um Geld für den Ankauf weiteren Heroins beizubringen.
6
3. Das Landgericht hat die Tat vom 2. Januar 2010 als versuchten Diebstahl gemäß §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3, §§ 22, 23 StGB gewertet. In der Entwendung des Parfums hat es einen vollendeten Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB) und in dem Vorfall in der Sporthalle einen versuchten Diebstahl gemäß §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, §§ 22, 23 StGB gesehen. Das Geschehen vom 25. März 2010 erfüllt aus Sicht des Landgerichts die Voraussetzungen eines versuchten Diebstahls gemäß §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, §§ 22, 23 StGB.
7
Bei den Taten vom 2. Januar und 11. Februar 2010 hat das Landgericht angenommen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auf Grund einer krankhaften seelischen Störung i.S.d. §§ 20, 21 StGB erheblich vermindert war und verhängte gegen den Angeklagten Freiheitsstrafen von zweimal fünf und einmal zwei Monaten; die daraus gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten hat es nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt. Hinsichtlich der Tat vom 25. März 2010 ist das Landgericht von einer vollständig aufgehobenen Steuerungsfähigkeit ausgegangen, weil der vorangegangene Streit mit den Eltern die bestehende Psychose verstärkt hat. Insoweit wurde der Angeklagte freigesprochen.
8
4. Eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat das Landgericht abgelehnt und zur Begründung ausgeführt , dass entgegen der angehörten Sachverständigen nicht festgestellt werden könne, dass der Angeklagte infolge seines Zustands für die Allgemeinheit gefährlich sei. Die begangenen Taten seien nicht von einem erheblichen Gewicht. Auf die Vorverurteilungen könne die Gefahrenprognose nicht gestützt werden, weil ein Zusammenhang mit der Psychose des Angeklagten nicht feststellbar gewesen sei. Die allgemein leicht erhöhte Gefährlichkeit schizophren Erkrankter lasse keinen sicheren Schluss auf die individuelle Gefährlichkeit des Angeklagten zu. Der Angeklagte habe trotz der bestehenden Erkrankung in den Jahren 2001 bis 2006 keine Straftaten begangen. Bei den festgestellten Taten habe er sich der drohenden Festnahme nie entgegengestellt und keinen Widerstand geleistet. Auch wenn angenommen werde, dass der Angeklagte in Zukunft Taten begeht, die den festgestellten Taten vergleichbar sind, stünde seine Unterbringung außer Verhältnis zu deren Bedeutung und dem Grad seiner Gefährlichkeit (§ 62 StGB).

II.


9
Die wirksam auf den unterbliebenen Maßregelausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat in der Sache keinen Erfolg.
10
1. Die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung stand.
11
a) Hat jemand - wie vorliegend der Angeklagte - rechtswidrige Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen, ordnet das Gericht nach § 63 StGB die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn eineGesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dabei kommt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 62 StGB) sowohl bei der Bestimmung des Grades der Wahrscheinlichkeit neuer Straftaten , als auch bei der Entscheidung der Frage, ob diese als erheblich einzustufen sind, eine maßstabsetzende Bedeutung zu (BVerfG, NStZ 1986, 185). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist auf Grund ihrer zeitlichen Unbegrenztheit eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Sie kann daher nur dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 7. Januar 1997 – 5 StR 508/96, NStZ-RR 1997, 230).
12
b) Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass von dem Angeklagten in Zukunft allenfalls Straftaten zu erwarten sind, die in Art und Schwere den festgestellten Anlasstaten entsprechen.
13
Das Landgericht hat weder den Vorverurteilungen, noch den Ausführungen der angehörten Sachverständigen zu entnehmen vermocht, dass die frühe- ren Straftaten des Angeklagten und damit auch die im Jahr 2001 abgeurteilte versuchte räuberische Erpressung in einem Zusammenhang mit seiner psychotischen Erkrankung standen. Es hat deshalb zu Recht für die Beurteilung der krankheitsbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten die Anlasstaten zum Maßstab genommen. Mit ihrem hiergegen erhobenen Einwand, dass Zusammenhänge zwischen der bereits seit 2001 bestehenden Erkrankung und den Vortaten naheliegend seien und entsprechende Feststellungen mit sachverständiger Hilfe in der Hauptverhandlung noch zu treffen gewesen wären, kann die Staatsanwaltschaft nicht durchdringen, da sie eine entsprechende Aufklärungsrüge nicht in zulässiger Form erhoben hat.
14
Auch war das Landgericht nicht gehalten, die Hintergründe der zurückliegenden Taten mitzuteilen. Zwar kann – wie die Revision zutreffend ausführt – auch lange zurückliegenden Taten eine indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose zukommen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, BeckRS 2008, 13076), doch wird dies regelmäßig nur bei Taten der Fall sein, die in einem inneren Zusammenhang zu der festgestellten Erkrankung gestanden haben und deren Ursache nicht in anderen, nicht krankheitsbedingten Umständen zu finden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2001 – 4 StR 540/01, BeckRS 2001, 30228853). Einen Zusammenhang zwischen den Vortaten und der Erkrankung des Angeklagten vermochte das Landgericht jedoch gerade nicht festzustellen.
15
Allein mit der im Allgemeinen erhöhten Kriminalitätsbelastung schizophren Erkrankter (vgl. Kröber/Lau in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 2, S. 313 ff.; Nedopil, Prognosen in der Forensischen Psychiatrie, S. 153 ff.) kann eine weitergehende Gefahrenprognose nicht begründet werden. Auf die Person des Angeklagten und seine konkrete Le- benssituation bezogene Risikofaktoren, die eine individuelle Disposition zur Begehung von Delikten jenseits der Anlasstaten belegen könnten, lassen sich den getroffenen Feststellungen nicht entnehmen.
16
c) Die Bewertung der Strafkammer, die von dem Angeklagten weiterhin zu erwartenden Diebstahlstaten führen nicht zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens und können deshalb seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht rechtfertigen, weist keinen Rechtsfehler auf.
17
aa) Da das Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen hat, kann die Frage, ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, grundsätzlich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Beschluss vom 26. April 2001 – 4 StR 538/00, StV 2002, 477f.). Dabei können sich nähere Darlegungen erübrigen, wenn sich – wie in aller Regel bei Verbrechen oder Gewalt- und Aggressionsdelikten – eine schwere Störung des Rechtsfriedens bereits aus dem Gewicht des Straftatbestandes ergibt, mit dessen Verwirklichung gerechnet werden muss (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZRR 2011, 202; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564; Beschluss vom 24. November 2004 – 1 StR 493/04, NStZ-RR 2005, 72, 73). Dagegen wird die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein, wenn die zu erwartenden Delikte nicht zumindest den Bereich der mittleren Kriminalität erreichen (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 18. März 2008 – 4 StR 6/08, R & P 2008, 226, 227; Beschluss vom 18. Februar 1992 – 4 StR 27/92, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 223/05, NStZ-RR 2005, 303, 304; SSW-StGB/Schöch, § 63 Rn. 25 mwN.). Wichtige Gesichtspunkte bei der Einzelfallerörterung sind die vermutliche Häufigkeit neuerlicher Delikte und die Intensität der zu erwartenden Rechtsgutsbeeinträchtigungen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Hanack JR 1977, 170, 171).
18
bb) Danach hat das Landgericht die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 63 StGB rechtsfehlerfrei für nicht gegeben erachtet.
19
Diebstahlstaten, die Regelbeispiele des besonders schweren Falles gem. § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB erfüllen, sind - wie die Revision zutreffend geltend macht - dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen und damit grundsätzlich geeignet, eine Maßregelanordnung nach § 63 StGB zu rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1989 - 2 StR 271/89 Tz. 8; Urteil vom 23. Juni 1976 – 3 StR 99/76, NJW 1976, 1949; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 63 Rn. 17; Münch- KommStGB/van Gemmeren § 63 Rn. 34 mwN).
20
Bei der gebotenen Einzelfallbewertung hat die Strafkammer jedoch zu Recht berücksichtigt, dass der Angeklagte bei drei der vier Anlasstaten gestellt werden konnte und seine Festnahme jeweils widerstandslos duldete (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 1997 – 5 StR 508/96, NStZ-RR 1997, 230). Wenig erfolgversprechend angelegte und deshalb leicht zu vereitelnde Versuche stellen zudem nur eine eingeschränkte Bedrohung für die betroffenen Rechtsgüter dar. Soweit der Angeklagte seine Diebstahlstaten überhaupt vollenden konnte, war der angerichtete Schaden gering. Die vom Landgericht festgestellte Gewerbsmäßigkeit (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) bezieht sich vorrangig auf die Tatmotivation. Auf den äußeren Zuschnitt der einzelnen Taten und deren Gefährlichkeit hat sie keinen prägenden Einfluss (BGH, Beschluss vom 7. Januar 1997 – 5 StR 508/96, NStZ-RR 1997, 230).
21
Vor diesem Hintergrund weist die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten durch die Strafkammer keinen Rechtsfehler auf. Dies gilt umso mehr, wenn – wie vorliegend der Angeklagte – der Täter nur vermindert schuldfähig ist, sodass gegen ihn eine Strafe verhängt werden kann und sein rechtswidriges Verhalten deshalb nicht sanktionslos bleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 1992 – 4 StR 27/92, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; Urteil vom 23. Juni 1976 – 3 StR 99/76, NJW 1976, 1949).
22
d) Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus ist auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht der abschließenden Bewertung der Sachverständigen zur Gefährlichkeit des Angeklagten nicht gefolgt ist, ohne die gutachterlichen Ausführungen der Sachverständigen in allen Einzelheiten mitzuteilen. Denn die Ablehnung der Maßregelanordnung hat die Strafkammer (auch) auf Verhältnismäßigkeitserwägungen gestützt. Ob zu erwartende Straftaten erheblich sind und die Anordnung einer Unterbringung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt, ist eine Rechtsfrage , die der Tatrichter zu entscheiden hat (vgl. BVerfG, NStZ 1986, 185).
23
2. Schließlich stellt auch der Umstand, dass das Landgericht eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB nicht erörtert hat, keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar.
24
Nach § 267 Abs. 6 Satz 1 StPO müssen die Gründe für die Nichtanordnung einer Maßregel nur dann angegeben werden, wenn eine Anordnung dieser Maßregel in der Hauptverhandlung beantragt worden ist. Die Revision hat nicht vorgetragen, dass ein Antrag auf Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gestellt worden wäre. Darüber hinaus ist die Nichtanordnung einer Maßregel in den schriftlichen Urteilsgründen nur dann zu erörtern, wenn die Umstände des Einzelfalls dazu drängen (BGH, Urteil vom 9. Juni 1999 – 3 StR 89/99, NJW 1999, 2606). Dies war hier in Bezug auf § 64 StGB nicht der Fall. An einer Psychose leidende Täter, bei denen sich – wie bei dem Angeklagten – eine sekundäre Abhängigkeit von Alkohol oder Betäubungsmitteln ausgebildet hat, sind in aller Regel in einer Entziehungsanstalt nicht erfolgreich behandelbar (vgl. BVerfGE 91, 1, 22; Schöch in LK-StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 140; MünchKommStGB/van Gemmeren § 64 Rn. 58; Heilmann/Scherbaum in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 4, S. 570; Penners, Zum Begriff der „Aussichtslosigkeit“ einer Entziehungskur nach § 64 StGB, 1985, S. 139 f.). Dass bei dem Angeklagten Umstände vorliegen, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden und wird auch von der Revision nicht geltend gemacht.
25
3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels und die Überbürdung der notwendigen Auslagen des Angeklagten folgt § 473 Abs. 1 und 2 StPO.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
RiBGH Bender ist infolge Urlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer Quentin

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 550/10
vom
2. März 2011
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. März 2011,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Staatsanwalt (GL)
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 27. Juli 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und zwei Messer eingezogen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Beschuldigten hat Erfolg.
2
1. Der zur Tatzeit 27 Jahre alte Beschuldigte steht seit dem Jahre 2005 unter Betreuung und war schon mehrfach aufgrund gerichtlicher Anordnung, erstmals im Jahre 2004, zuletzt in der Zeit von 6. Juli bis 12. August 2009, in einer geschlossenen Anstalt untergebracht. Dabei wurde eine weitgehend unbehandelte paranoid halluzinatorische Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis diagnostiziert. Der Beschuldigte ist wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz , das Waffengesetz und wegen Sachbeschädigung vorbe- straft. Eine Tätlichkeit gegenüber dem Vater im Jahr 2005 hat nicht zu strafrechtlichen Konsequenzen geführt.
3
2. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts beobachtete der gegenüber einer Schule wohnende Beschuldigte in der Nacht vom 9. auf den 10. Dezember 2009 nach seiner Vorstellung, dass in dem Schulgebäude die Lampen ausgegangen seien, eine "Knallerei" stattfinde und sich andere Lehrer als sonst dort aufhielten. Die von ihm verständigte Polizei ging der Sache nicht nach. Am Morgen sprach der Beschuldigte einen Schüler an, der vor dem Fenster seiner Wohnung seinen Roller geparkt hatte, und erklärte ihm, er solle nicht in die Schule gehen, weil dort gleich ein "Gemetzel" stattfinden werde. Über diesen Schüler und die Schulleitung wurde die Polizei gerufen, die sodann den Beschuldigten in seiner Wohnung aufsuchte. Der Aufforderung der Polizeibeamten , seinen Personalausweis zu zeigen, kam der Beschuldigte, der einen verwirrten Eindruck machte und die Hände in seinen Hosentaschen hielt, nicht nach. Als er schließlich nach weiterer Aufforderung ein Messer aus der Hosentasche zog, wollten ihn die Polizeibeamten abtasten. Hiergegen sträubte sich der Beschuldigte, weshalb es zu einer Rangelei kam, in deren Verlauf die Beteiligten zu Boden gingen. Dabei verletzte sich eine Polizeibeamtin an einem abgebrochenen , scharfkantigen Kühlschrankgriff an ihrem linken Handrücken. Bei dem Beschuldigten, der aufgrund des Vorfalls seit 28. Mai 2010 einstweilen untergebracht ist, wurden zwei Messer sichergestellt.
4
Nach Ansicht der Kammer befand sich der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt im Zustand einer akuten paranoid halluzinatorischen Psychose, wodurch sowohl seine Steuerungs- als auch seine Einsichtsfähigkeit aufgehoben sein sollen.
5
b) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Beschuldigte objektive Verstöße gegen das Waffengesetz begangen, zudem den objektiven Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte erfüllt und im Übrigen im Zustand der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB gehandelt hat. Es hat aufgrund dessen die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Eine Gesamtwürdigung des Beschuldigten und seiner Tat ergebe, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Bei dem Beschuldigten, der keinerlei Krankheitseinsicht zeige, liege das chronifizierte Vollbild einer schizophrenen Psychose vor, die durch langjährigen Drogenkonsum verstärkt werde. Auch sei bei ihm eine latente Fremdaggressivität festzustellen. Bei der Auswertung der Betreuungsakte durch die angehörte Sachverständige habe sich ergeben, dass der Beschuldigte schon früher angegeben habe, seine Angstzustände riefen bei ihm eine Verteidigungsbereitschaft hervor, die auch den Einsatz von Waffen einschließe. Entsprechendes habe er gegenüber der Sachverständigen zur Anlasstat erklärt. Er habe angegeben, beabsichtigt zu haben, in die Schule hineinzugehen und nachzusehen. Weiter sei festzustellen, dass sich der Beschuldigte seit einiger Zeit bewaffne und bereits Aggressivität gegenüber Sachen gezeigt habe. Daraus habe die Sachverständige auch für die Kammer nachvollziehbar abgeleitet, dass der Beschuldigte wahrscheinlich zukünftig auch schwerwiegende Straftaten, insbesondere Körperverletzungsdelikte, begehen werde, wenn er sich aufgrund seines Verfolgungswahns bedroht fühle.
6
Die Unterbringung, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könne, sei anzuordnen, obwohl die Anlasstat selbst keine erhebliche rechtswidrige Tat sei. Dies sei auch nicht erforderlich. Vonnöten sei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung, die im Falle des Beschuldigten eine reale Gefahr ergebe, dass er zukünftig bei psychotischen Schüben auch Waffen gegen Personen einsetzen werde.
7
3. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
Eine derartige Maßregel beschwert den Betroffenen außerordentlich. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades und nicht nur die einfache Möglichkeit schwerer Störungen des Rechtsfriedens besteht. Geboten ist eine mit aller Sorgfalt vorzunehmende Gesamtwürdigung von Täter und Tat unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) und eine Prognose, dass von dem Täter infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (vgl. BGHR StGB § 63 Ablehnung 1, Gefährlichkeit 8, 26; BGH NStZ 2002, 590; NStZ-RR 2009, 169).
9
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus setzt zwar nicht grundsätzlich voraus, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind. Sind diese wie die hier festgestellten Taten des Beschuldigten (vgl. für den Verstoß gegen § 113 StGB BGH StV 1992, 571) ihrem Gewicht nach nicht dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, bedarf die Gefährlichkeitsprognose aber besonders sorgfältiger Darlegung. Daran fehlt es vorliegend. Die zu knappen und oberflächlichen Erwägungen der Kammer, die eine eingehende Würdigung der Person des Beschuldigten, insbesondere seiner Krankheitsgeschichte sowie der Anlasstat vermissen lassen, tragen die Gefährlichkeitsprognose nicht.
10
Die Kammer stützt sich bei ihrer Annahme der Wahrscheinlichkeit auch schwerwiegender Straftaten neben einer insoweit wenig aussagekräftigen früheren einmaligen Gewalthandlung gegenüber einer Sache im Wesentlichen auf den festgestellten Besitz von Messern und auf die Selbsteinschätzung des Beschuldigten , die bei ihm auftretenden Angstzustände lösten eine Verteidigungsbereitschaft aus, die auch den Einsatz von Waffen einschließe. Dies allein lässt im konkreten Fall den Schluss auf die Wahrscheinlichkeit der Begehung von Gewaltdelikten gegenüber Personen nicht zu. Das Landgericht spricht insoweit von einer "latenten" Fremdaggressivität. Eine lediglich latente Gefahr reicht aber für die Annahme einer Wahrscheinlichkeit (höheren Grades) nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 5 StR 547/10).
11
a) Zwar kann schon der Besitz von Waffen an sich die Besorgnis begründen , dass der Beschuldigte bereit sein könnte, diese auch einzusetzen; dies vor allem dann, wenn er den möglichen Einsatz dritten Personen gegenüber selbst einräumt. Das allein rechtfertigte eine Gefährlichkeitsprognose aber nur nach intensiver Auseinandersetzung mit Umständen, die gegen eine wirkliche Gewaltbereitschaft des Beschuldigten sprechen könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 1993 - 5 StR 617/93). Zum einen hat die Kammer hier keinerlei Feststellungen dazu getroffen, weshalb der Beschuldigte, der sich im Übrigen während des gesamten in seiner Wohnung stattfindenden Vorfalls passiv verhalten hat, keine Anstalten gemacht hat, seine Waffe bei der festgestellten Anlasstat einzusetzen, obwohl er sich zu diesem Zeitpunkt in einer Situation befunden hat, in der nach den Ausführungen der Sachverständigen deren Einsatz zur Verteidigung zu erwarten gewesen wäre. Zum anderen hat sich die Kammer ersichtlich nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass der Beschuldigte wegen Gewaltdelikten gegenüber außenstehenden Personen bisher nicht auffällig geworden ist, es lediglich einen schon mehr als fünf Jahre zurückliegenden Vorfall gibt, in dem der Beschuldigte seinen Vater mit einer Lampe geschlagen haben soll. Nähere Feststellungen zu Anlass, Entwicklung und Ausmaß dieses familiären Konflikts hat die Kammer nicht getroffen, so dass sich nicht absehen lässt, ob und inwieweit dieser Vorfall generelle Rück- schlüsse auf das künftige Verhalten des Beschuldigten gegenüber Familienmitgliedern und dritten Personen zulässt. Soweit der Beschuldigte im Übrigen unauffällig geblieben ist, hätte dies die Kammer nicht unerörtert lassen dürfen. Der Beschuldigte leidet zumindest seit dem Jahre 2005 an der festgestellten paranoid halluzinatorischen Psychose, hat sich in der Vergangenheit mehrfach Waffen wie Messer oder Stahlruten besorgt, ohne diese jemals gegen Personen eingesetzt zu haben. Eine progrediente Entwicklung der Erkrankung ist nicht festgestellt, so dass etwa auch im Zeitraum zwischen der Anlasstat im Dezember 2009 und der späteren vorläufigen Unterbringung im Mai 2010 offenbar kein auf die Gefährlichkeit des Beschuldigten hinweisender Vorfall feststellbar gewesen ist, obwohl die Erkrankung des Beschuldigten zwischenzeitlich nicht behandelt worden ist (vgl. UA S. 7).
12
b) Vor diesem Hintergrund hätten auch die Bekundungen des Beschuldigten gegenüber Dritten, er werde zu seiner Verteidigung auch Waffen einsetzen , nicht ohne Weiteres zur Annahme erhöhter Gefährlichkeit führen dürfen, sondern einer eingehenden Würdigung unterzogen werden müssen. Dabei hätte es nahe gelegen, sich nicht auf die bloße aktenmäßige Verwertung früherer Angaben zu beschränken, sondern hierzu die Sachverständigen, denen gegenüber entsprechende Äußerungen des Beschuldigten gefallen sein sollen, unmittelbar anzuhören. Sie hätten nicht nur nähere Angaben zu Einzelheiten des Gesprächs , insbesondere, wie und in welchem Zusammenhang es zu den Äußerungen des Beschuldigten gekommen sei, machen können. Sie hätten vor allem auch Auskünfte zum Anlass ihres Tätigwerdens und damit zur Krankheit des Beschuldigten und ihren Auswirkungen geben können. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich, dass der Beschuldigte in der Vergangenheit mehrfach zwangsweise untergebracht war. Warum dies jeweils geschehen ist, welche Auffälligkeiten zur Unterbringung geführt haben und welche Maßnahmen im Rahmen der Unterbringung - mit oder ohne Erfolg - ergriffen worden sind, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Diese Umstände zur Krankheitsgeschichte des Beschuldigten, aus der sich wesentliche Hinweise auf die Ernsthaftigkeit der Bekundungen des Beschuldigten und allgemein auf die von ihm ausgehenden Gefahren ergeben könnten, hätte die Kammer bei der anstehenden Würdigung berücksichtigen müssen, ob den Angaben des Beschuldigten mehr als die bloße Möglichkeit eines Waffeneinsatzes zu entnehmen ist (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 - 4 StR 485/99). Dies gilt trotz des Umstands, dass der Beschuldigte auch gegenüber der im Verfahren gehörten Sachverständigen Dr. R. einen möglichen Waffeneinsatz in der Schule eingeräumt haben soll (vgl. UA S. 7). Zum einen bleibt zumindest unklar, ob dies tatsächlich der Fall gewesen ist. Den mitgeteilten Angaben ist lediglich zu entnehmen, der Beschuldigte habe erklärt, beabsichtigt zu haben, in die Schule hineinzugehen und nachzusehen. Von einer Gewaltanwendung oder einer Verwendung eines der Messer ist nicht die Rede. Zum anderen wäre auch insoweit zu würdigen gewesen, dass der Beschuldigte jedenfalls bis zum Eintreffen der Polizei keinerlei Anstalten getroffen hatte, in die Schule hineinzugehen, auch gegenüber den Polizeibeamten das Messer nicht eingesetzt hatte, sich vielmehr bei Feststellung der angeblichen "Auffälligkeiten" im Schulgebäude darauf beschränkt hatte, die Polizei zu verständigen bzw. einen Schüler hierauf aufmerksam zu machen.
13
3. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei umfassender Würdigung zu einer für den Beschuldigten günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Frage der Notwendigkeit der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus bedarf daher neuer Prüfung.

Fischer Appl Schmitt Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 635/10
vom
22. Februar 2011
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2011 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. September 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.
2
1. Grundlage für die Anordnung der Maßregel gegen den nicht vorbestraften , an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie leidenden Beschuldigten sind vier in den Jahren 2009 und 2010 im Abstand von jeweils mehreren Monaten begangene Straftaten:
3
(1) eine am 25. Februar 2009 während einer vom Amtsgericht Landau angeordneten Unterbringung im Pfalzklinikum begangene vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil eines mit dem Reinigen des Bodens befassten Zeugen ,
4
(2) eine am 14. Juli 2009 zum Nachteil seines Betreuers begangene versuchte Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung,
5
(3) eine am 14. Januar 2010 zum Nachteil seines Betreuers begangene Bedrohung, die dieser allerdings nicht ernst nahm, und
6
(4) Beleidigungen zweier Mitarbeiterinnen seines Betreuers am 23. März 2010, wobei die Kammer bezüglich einer vom Beschuldigten zudem begangenen versuchten Körperverletzung einen strafbefreienden Rücktritt angenommen hat.
7
Hinsichtlich der Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten hat sich die Strafkammer den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen, wonach damit zu rechnen sei, dass der Beschuldigte auch künftig gleich gelagerte Straftaten begehen werde, "eine Steigerung von Gewalt über das bekannte Maß hinaus" sei aber nicht zu erwarten (UA 12).
8
2. Diese Feststellungen und Wertungen rechtfertigen die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht.
9
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden , wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dies erfordert zwar nicht, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind, die zu erwartenden Taten müssen aber schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen und daher zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. März 2008 - 4 StR 6/08; vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 jeweils mwN). Die lediglich latente Gefahr oder bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reicht nicht aus (BGH, Beschlüsse vom 10. September 2008 - 2 StR 291/08, vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198).
10
b) Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Strafkammer nicht belegt.
11
aa) Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich ohne weiteres aus dem Delikt selbst ergeben, etwa bei Verbrechen. Ist dies nicht der Fall, kommt es grundsätzlich auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564). Dabei sind zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 - 1 StR 437/03, Beschlüsse vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, vom 10. August 2010 - 3 StR 268/10). Todesdrohungen gehören hierzu indes nur, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich tragen (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564, Beschluss vom 20. Februar 2009 - 5 StR 555/08, NStZ 2009, 383; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 5 StR 209/10). Die Gefahr bloßer Beleidigungen ist dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Unterbringung nach § 63 StGB zu rechtfertigen.
12
bb) Auf dieser Grundlage vermag allein die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte künftig den Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, die Maßregelanordnung nicht zu begründen.
13
Soweit die Kammer auf die Möglichkeit tätlicher Auseinandersetzungen während einer Unterbringung abstellt, handelt es sich zwar für sich betrachtet um gewichtige Straftaten. Jedoch sind solche Verhaltensweisen innerhalb einer Einrichtung nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 mwN). Dies gilt jedenfalls, wenn - wozu indes in dem angefochtenen Urteil nähere Feststellungen fehlen - es um das Verhalten eines in einer psychiatrischen Klinik Untergebrachten gegenüber dem im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten erfahrenem oder geschultem Personal geht. Aggressives Verhalten in diesem Bereich ist nicht gleichzusetzen mit Handlungen in Freiheit gegenüber beliebigen Dritten oder dem Täter nahe stehenden Personen. Solche Taten verlangen daher - jedenfalls soweit sie nicht dem Bereich schwerster Rechtsgutsverletzungen zuzurechnen sind - schon nach ihrem äußeren Eindruck weit weniger nach einer Reaktion durch ein strafrechtliches Sicherungsverfahren und Anordnung einer strafrechtlichen Maßregel (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - 4 StR 354/97, NStZ 1998, 405). Hinzu kommt, dass der Beschuldigte mit Ausnahme der Anlasstat vom 25. Februar 2009 bisher durch vergleichbare Taten ersichtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist, obwohl er seit dem Jahr 1995 vielfach stationär in psychiatrischen Einrichtungen aufgenommen und behandelt werden musste (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198).
14
Auch zu erwartende Taten nach der Art und Intensität der zum Nachteil seines Betreuers oder dessen Mitarbeiter begangenen Taten sind nicht ohne weiteres geeignet, die Unterbringung des Beschuldigten zu rechtfertigen. Sie wurden von ihm jeweils in einer aus seiner Sicht besonderen Situation begangen (vor der Tat vom 14. Juli 2009 hatte der Betreuer die Bitte des Beschuldigten nach Geld abgelehnt; vor der Tat vom 14. Januar 2010 hatte sich der Beschuldigte aus seiner Wohnung ausgesperrt und seinen Betreuer gebeten, einen Schlüsseldienst zu verständigen, was dieser ebenfalls ablehnte). Hinzu kommt, dass sich der Beschuldigte bei diesen Taten zunächst nur verbalaggressiv verhalten hat, er bei Einschreiten dritter Personen von Gewalthandlungen absah oder abgebracht werden konnte und sich beruhigen ließ (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2010 - 5 StR 492/10).
15
Insgesamt vermögen die vom Beschuldigten begangenen und drohenden Taten, die zudem in ihrer Intensität und Gefährlichkeit jedenfalls keine Steigerung erfuhren, die außerordentlich schwere Maßregel des § 63 StGB nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einem von den Straftaten her ähnlich gelagerten, jedoch ein Nachbarschaftsverhältnis betreffenden Fall BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 5 StR 256/10, NStZ-RR 2011, 12). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass sich der Beschuldigte "als Opfer eines weit verzweigten Komplotts aus Ärzten, Betreuern, Polizei und Nachbarschaft" (UA 19) sieht, gegenüber denen es indes nach den Feststellungen der Strafkammer bislang ersichtlich nur in seltenen - den oben wiedergegebenen - Fällen zu Aggressionsdurchbrüchen kam.
16
3. An einer das Sicherungsverfahren abschließenden Entscheidung und einer Aufhebung des Unterbringungsbefehls ist der Senat jedoch gehindert; denn es ist nicht auszuschließen, dass weitere Feststellungen die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten gemäß § 63 StGB rechtfertigen können. Die Strafkammer hat es insbesondere unterlassen, nähere Feststellungen zu den Taten zu treffen, die Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzungen betrafen und entweder "auf den Privatklageweg verwiesen oder nach § 170 Abs. 2 StPO, teilweise wegen Schuldunfähgkeit eingestellt" wurden (UA 4, 5). Auch zu dem vom Sachverständigen in Zusammenhang mit der Gefährlichkeitsprognose erwähnten Einsatz eines Messers (UA 12) verhält sich das Urteil nicht weiter.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 140/08
vom
12. Juni 2008
in dem Strafverfahren/Sicherungsverfahren
gegen
wegen Bedrohung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juni 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Oktober 2007 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den im Sicherungsverfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft, die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, abgelehnt und im Strafverfahren von der Anordnung der Maßregel abgesehen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat nach Verbindung zweier Strafverfahren und eines Sicherungsverfahrens gegen den Angeklagten bzw. Beschuldigten (im Folgenden : Beschuldigten) sowohl im Strafverfahren als auch im Sicherungsverfahren verhandelt. Es hat den Beschuldigten von den mit den Anklageschriften vom 16. Juni 2006 und 18. August 2006 erhobenen Vorwürfen, soweit es die Vorwürfe der Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung und einer weiteren Beleidigung zum Nachteil des Zeugen S. betrifft, wegen Schuldunfähigkeit, im Übrigen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen und den im Sicherungs- verfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Mit ihrer zu Ungunsten des Beschuldigten eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich dagegen, dass das Landgericht die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB abgelehnt hat. Ferner beanstandet sie, dass eine Entscheidung über die Einziehung der bei dem Angeklagten sichergestellten, die rechtswidrige Tat nach § 52 Abs. 2 Nr. 8 WaffG betreffenden Gegenstände unterblieben ist.

I.


2
1. Nach den Feststellungen leidet der nunmehr 43 Jahre alte Beschuldigte an einer erstmals im Jahr 1990 diagnostizierten chronischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Im selben Jahr unternahm er einen Suizidversuch , bei dem er sich die Pulsadern öffnete und seine Wohnung in Brand steckte. Mit Ordnungsverfügung des Polizeipräsidenten Köln vom 10. Oktober 1990 wurde ihm die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen und Munition untersagt. Das Ermittlungsverfahren wegen schwerer Brandstiftung wurde im Dezember 1990 von der Staatsanwaltschaft Köln wegen Schuldunfähigkeit des Beschuldigten eingestellt. Nach einem weiteren Suizidversuch im Jahre 1997, den er ebenso wie den vorangegangenen unternommen hatte, weil er glaubte, er solle ermordet werden, ließ sich der Beschuldigte freiwillig 19 Monate lang in einem psychiatrischen Krankenhaus behandeln und wurde danach weiter ambulant psychiatrisch behandelt. Die über mehrere Jahre eingenommenen Medikamente setzte der Beschuldigte ab und nahm seitdem lediglich das Medikament Diazepam.
3
Zu den dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
4
a) Anklageschrift vom 16. Juni 2006:
5
Am 27. November 2005 kam es in dem Mietshaus in Gelsenkirchen, in dem auch der Beschuldigte wohnte, zu folgenden Vorfällen:
6
Als der Zeuge S. , nachdem er einen dumpfen Knall gehört hatte , die Wohnungstür öffnete, stand der Beschuldigte, der einen Baseballschläger in der Hand hielt, im Flur und sagte: "Wir müssen was klären". Der Zeuge schloss die Wohnungstür und informierte die Polizei. Danach klopfte der Beschuldigte an die Tür der Wohnung des Zeugen P. . Als dieser die Tür öffnete , schlug der Beschuldigte mit seinem Baseballschläger in die eigene Handfläche und sagte: "Jetzt ist es soweit. Komm' raus!" Der Zeuge P. fürchtete, geschlagen zu werden und schloss die Tür. Als der Zeuge S. die inzwischen erschienenen Polizeibeamten in seine Wohnung einließ, kam der Beschuldigte hinzu, beleidigte den Zeugen und rief ihm zu: "Wenn ich in den Knast komme, mach' ich Euch beide kalt!"
7
b) Anklageschrift vom 18. August 2006:
8
Am 17. Juli 2006 belegte der Beschuldigte den Zeugen S. im Treppenhaus des vorgenannten Mietshauses erneut mit üblen Schimpfworten. Dabei hielt er ein Klappmesser in der Hand. Der Zeuge S. zog aus Angst vor Übergriffen des Beschuldigten in eine andere Wohnung um.
9
c) Antragsschrift vom 5. Juni 2007:
10
Am 23. Februar 2007 kam es gegen Abend zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und anderen Mitbewohnern des Mietshauses, in deren Verlauf der Beschuldigte schließlich aus seiner Wohnung ein etwa 50 cm langes Messer holte und mit dem Messer in der Hand durch den Flur zu der Wohnung der Zeugin A. lief, was bei der Zeugin panische Angst auslöste. Unter welchen Umständen der Beschuldigte dann wieder in seine Wohnung gelangte , hat das Landgericht nicht aufzuklären vermocht. Der Zeuge W. hielt die Tür der Wohnung des Beschuldigten bis zum Eintreffen der von einem Mitbewohner alarmierten Polizeibeamten zu. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten wurden neben zahlreichen Messern u.a. ein Bogen mit Köcher und sechs gespitzten Pfeilen, ein Baseballschläger, ein Tomahawk, sieben Bajonette, verschiedene Bauteile, Magazine und „Munitionsteile“ für das G 3, ein mit einem "F" im Fünfeck gekennzeichnetes Luftgewehr , sieben Handgranaten ohne Zünder und eine Mörsergranate sichergestellt.
11
2. Das Landgericht hat hinsichtlich der Vorfälle am 27. November 2005 eine rechtswidrige Tat gemäß §§ 185, 241 Abs. 1, 52 StGB bejaht und die Äußerungen des Beschuldigten gegenüber dem Zeugen S. am 17. Juli 2006 als rechtswidrige Tat im Sinne des § 185 StGB gewertet. Hinsichtlich der dem Beschuldigten mit der Antragsschrift vom 5. Juni 2007 im Sicherungsverfahren zur Last gelegten Taten hat das Landgericht lediglich eine von dem Beschuldigten durch die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über das bei ihm sichergestellte Luftgewehr und "diverse Munitions- und Schusswaffenteile" entgegen der Ordnungsverfügung des Polizeipräsidenten Köln begangene rechtswidrige Tat im Sinne des § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG als erwiesen angesehen. Dagegen habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Beschuldigte im Verlauf der Auseinandersetzung am 23. Februar die ihm ferner zur Last gelegten beiden Bedrohungen , eine vorsätzliche Körperverletzung sowie eine versuchte gefährliche Körperverletzung begangen habe.
12
Das sachverständig beratene Landgericht hat hinsichtlich der festgestellten rechtwidrigen Taten die Schuldfähigkeit des Beschuldigten verneint, weil eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB zu allen Tatzeitpunkten mit Sicherheit zum Ausschluss der Einsichtsfähigkeit geführt habe. Die Hauptsymptome der chronischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis , an der der Beschuldigte leide, bestünden in formalen und inhaltlichen Denkstörungen, die sich in zerfahrenen Gedankenabläufen bzw. Wahnvorstellungen und Verfolgungs-, Beeinträchtigungs- und Beziehungsideen äußerten. Das Wahnerleben des Beschuldigten beziehe sich auf dessen gesamtes personelles Umfeld, das ihn nach seiner Wahrnehmung ständig bedrohe, bespitzele und beleidige. Damit einher gehe eine affektive Störung, die sich in erhöhter Reizbarkeit, gesteigertem Antrieb und verminderter Impulskontrolle äußere.
13
Die Voraussetzungen des § 63 StGB für eine Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat das Landgericht verneint , weil die hierfür erforderliche erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Straftaten aus dem mittleren Kriminalitätsbereich nicht erkennbar sei. Die zur Anklage gebrachten Taten seien "von vornherein nicht von einem derartigen kriminellen Gewicht" gewesen. Die festgestellten rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. genügten ebenso wenig wie der Verstoß gegen § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG für die Annahme einer erhöhten Wahrscheinlichkeit der Begehung künftiger erheblicher Straftaten. Zwar bestehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit künftigen strafrechtlich relevanten Verhaltens des Beschuldigten. Diese erhöhte Wahrscheinlichkeit sei aber auf die Begehung gleichartiger Straftaten wie Beleidigungen und Bedrohungen beschränkt, was für die Anordnung der Maßregel nicht ausreiche. Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Straftaten, etwa von Körperverletzungsdelikten, sei dagegen nicht anzunehmen. Soweit der Beschuldigte ausweislich des Bundeszentralregisterauszuges im Jahre 2003 wegen einer im Jahre 2001 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden sei, sei zu berücksichtigen, dass diese Tat bereits eine erhebliche Zeitspanne zurückliege. Die schwere Brandstiftung im Zusammenhang mit dem Suizidversuch im Jahre 1990 habe der Beschuldigte zudem in einer Ausnahmesituation begangen. Soweit es die rechtswidrige Tat nach § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG betreffe, bestehe "derzeit" keine erhöhte Wahrscheinlichkeit weiterer vergleichbarer Taten des Beschuldigten, weil sämtliche erlaubnispflichtigen oder auf Grund der Verfügung des Polizeipräsidenten Köln verbotenen Waffen „eingezogen“ worden seien.

II.


14
Die Staatsanwaltschaft hat den Freispruch des Beschuldigten von den ihm in den hinzu verbundenen Strafverfahren zur Last gelegten Taten von dem Revisionsangriff ausgenommen. Diese Beschränkung des Rechtsmittels ist zulässig (vgl. BGH NStZ 1995, 609, 610; Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 318 Rdn. 24; Frisch in SK-StPO § 344 Rdn. 21, jew. m.w.N.).
15
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Landgericht den im Sicherungsverfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft, die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, abgelehnt und im Strafverfahren von der Anordnung der Maßregel abgesehen hat. Im Übrigen ist sie unbegründet.
16
1. Die Nichtanordnung der Unterbringung des Beschuldigten nach § 63 StGB wegen der im Strafverfahren festgestellten rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. und der im Sicherungsverfahren festgestellten rechtswidrigen Tat nach § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die der für den Beschuldigten günstigen Gefährlichkeitsprognose zugrunde liegende Gesamtwürdigung weist Wertungsfehler auf. Sie ist zudem lückenhaft und lässt deshalb die gebotene umfassende revisionsrechtliche Überprüfung der Würdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten und der Taten nicht zu.
17
a) Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass wegen der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit und mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) nur schwere Störungen des Rechtsfriedens , die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen (vgl. BGHSt 27, 246, 248; BGH NStZ 2008, 210, 212 m.w.N.). Die Annahme des Landgerichts , die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte künftig rechtswidrige Taten wie die festgestellten Anlasstaten zum Nachteil des Zeugen S. im Sinne der §§ 185 und 241 StGB begehen werde, vermöge seine Unterbringung nach § 63 StGB nicht zu rechtfertigen, weil die festgestellten Anlasstaten nicht in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichten, lässt zwar entgegen der Auffassung der Revision nicht besorgen, dass das Landgericht verkannt haben könnte, dass die Anlasstat selbst grundsätzlich nicht erheblich im Sinne des § 63 StGB sein muss (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 3). Vielmehr hat das Landgericht trotz der Verneinung der Erheblichkeit dieser Anlasstaten auch geprüft, ob eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung schwerer Delikte gegeben ist, und dies verneint (UA S. 22). Durchgreifenden Bedenken begegnet aber die Gewichtung der festgestellten Bedrohung und damit auch der zu erwartenden gleichartigen Taten des Beschuldigten als nicht erheblich im Sinne des § 63 StGB.
18
Ergibt sich die Erheblichkeit drohender Taten nicht aus dem Delikt selbst, wie etwa bei Verbrechen, kommt es auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an, da das Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen hat (vgl. BGH NStZ 1995, 228; BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 - Rdn. 14). Das bedeutet, dass auch Bedrohungen im Sinne des § 241 StGB nicht von vornherein als unerheblich im Sinne des § 63 StGB angesehen werden können. Todesdrohungen, die geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen, stellen eine schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens dar und sind nicht bloße Belästigungen. Schon im Hinblick auf das Gewicht eines Eingriffs gemäß § 63 StGB ist jedoch erforderlich, dass die Bedrohung in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 - Rdn. 11). Es hätte deshalb der Erörterung bedurft, ob die Bedrohung des Zeugen S. aus dessen Sicht die Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trug. Dies liegt nach den Feststellungen nahe, denn der Bedrohung und Beleidigung des Zeugen war vorausgegangen, dass der Beschuldigte den Zeugen mit einem Baseballschläger aufgesucht und damit ein erhebliches Drohpotential aufgebaut hatte, was den Zeugen veranlasst hatte, sofort die Wohnungstür zu schließen und die Polizei zu informieren.
19
b) Soweit der Beschuldigte die tatsächliche Gewalt über die bei ihm sichergestellten Gegenstände ausgeübt hat, hat das Landgericht verkannt, dass er damit nach den bisherigen Feststellungen, jedenfalls soweit es die sichergestellten Magazine und „Munitionsteile“ für das G 3, die Mörsergranate und - möglicherweise - die Handgranaten ohne Zünder betrifft (vgl. Anlage zu § 1 Abs. 1 KWKG Nr. 29 c, 46, 49, 50), auch den Verbrechenstatbestand des § 22 a Abs. 1 Nr. 6 a KWKG und damit eine schon vom Deliktstyp her im Sinne des § 63 StGB erhebliche Tat verwirklicht haben könnte. Hierzu hätte es näherer Feststellungen zur Beschaffenheit der vorgenannten Gegenstände bedurft. Selbst wenn diese tatsächlich, etwa im Wege der außergerichtlichen Einziehung , eingezogen worden sein sollten, spräche dies entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht entscheidend gegen die Gefährlichkeit des Beschuldigten , weil dieser, womit sich das Landgericht hätte auseinandersetzen müssen, nach den Feststellungen ein „besonderes Interesse an Waffen aller Art“ hat. Es liegt daher nicht fern, dass er sich erneut solche beschaffen kann und wird.
20
c) Zudem fehlt eine Gesamtschau der konkreten Tatumstände der rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. , die ebenfalls für die Gefährlichkeit des Beschuldigten sprechen können, wie das Mitführen eines Baseballschlägers oder eines Messers. Ebenso hätte in die Gesamtschau einbezogen werden müssen, dass der Beschuldigte, wie das Herbeiholen eines 50 cm langen Messers im Verlauf der – nicht ausgeurteilten - Auseinandersetzung am 23. Februar 2007 belegt, aufgrund seines Zustandes dazu neigt, sich mit einem Messer oder anderen gefährlichen Werkzeugen zu bewaffnen. Dies kann vor dem Hintergrund der krankheitsbedingt verminderten Impulskontrolle und erhöhten Reizbarkeit dafür sprechen, dass künftig auch mit Aggressionsdelikten des Beschuldigten zu rechnen ist, zumal die Erkrankung des Beschuldigten nach den Ausführungen des Sachverständigen mangels fachpsychiatrischer und medikamentöser Behandlung einen progredienten, chronischen Verlauf nimmt.
21
Soweit das Landgericht den früheren Taten des Beschuldigten wegen des Zeitablaufs keine indizielle Bedeutung beigemessen hat, hätte es gleichwohl der Mitteilung der Hintergründe dieser Taten bedurft, weil auch länger zurückliegende Taten eine, wenn auch eingeschränkte indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose haben können. Dies gilt namentlich für die gefährliche Körperverletzung vom 1. November 2001, aber auch für die nach Auffassung des Landgerichts in einer „Ausnahmesituation“ im Jahre 1990 begangene schwere Brandstiftung, bei deren Begehung der Beschuldigte schuldunfähig gewesen ist. Der Mitteilung bedurft hätten auch die Gründe der auf § 40 WaffG gestützten Untersagungsverfügung. Unter den hier gegebenen Umständen hätte es schließlich näherer Darlegung des vom Sachverständigen in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens bedurft, zumal nach den Urteilsausführungen unklar bleibt, zu welcher Einschätzung der Gefährlichkeit des Beschuldigten der Sachverständige in der Hauptverhandlung gelangt ist.
22
2. Soweit die Revision beanstandet, dass eine Entscheidung über die Einziehung der das Waffendelikt betreffenden sichergestellten Gegenstände unterblieben ist, lässt sie außer acht, dass im Sicherungsverfahren nur Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden dürfen. Einziehungsentscheidungen als sonstige Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB kommen bei schuldunfähigen Tätern allein im selbständigen Einziehungsverfahren in Betracht (§ 440 StPO). Der danach erforderliche gesonderte Antrag (§ 440 Abs. 1 StPO) ist hier nicht gestellt worden, so dass es für eine Einziehung an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2003 - 3 StR 405/03).

III.


23
Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils, soweit dieses angefochten ist. Die infolge der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels eingetretene Rechtskraft des Freispruchs bewirkt nur, dass der Beschuldigte vor einer Bestrafung wegen der Taten, die Gegenstand des Strafverfahrens sind, geschützt ist. Auch hinsichtlich dieser Taten muss der neue Tatrichter ebenso wie zu den Taten, die Gegenstand des Sicherungsverfahrens sind, als Grundlage für eine etwaige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eigene Feststellungen zum objektiven und zum subjektiven Tatbestand sowie zur Schuldfähigkeit treffen.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 635/10
vom
22. Februar 2011
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2011 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. September 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.
2
1. Grundlage für die Anordnung der Maßregel gegen den nicht vorbestraften , an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie leidenden Beschuldigten sind vier in den Jahren 2009 und 2010 im Abstand von jeweils mehreren Monaten begangene Straftaten:
3
(1) eine am 25. Februar 2009 während einer vom Amtsgericht Landau angeordneten Unterbringung im Pfalzklinikum begangene vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil eines mit dem Reinigen des Bodens befassten Zeugen ,
4
(2) eine am 14. Juli 2009 zum Nachteil seines Betreuers begangene versuchte Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung,
5
(3) eine am 14. Januar 2010 zum Nachteil seines Betreuers begangene Bedrohung, die dieser allerdings nicht ernst nahm, und
6
(4) Beleidigungen zweier Mitarbeiterinnen seines Betreuers am 23. März 2010, wobei die Kammer bezüglich einer vom Beschuldigten zudem begangenen versuchten Körperverletzung einen strafbefreienden Rücktritt angenommen hat.
7
Hinsichtlich der Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten hat sich die Strafkammer den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen, wonach damit zu rechnen sei, dass der Beschuldigte auch künftig gleich gelagerte Straftaten begehen werde, "eine Steigerung von Gewalt über das bekannte Maß hinaus" sei aber nicht zu erwarten (UA 12).
8
2. Diese Feststellungen und Wertungen rechtfertigen die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht.
9
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden , wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dies erfordert zwar nicht, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind, die zu erwartenden Taten müssen aber schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen und daher zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. März 2008 - 4 StR 6/08; vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 jeweils mwN). Die lediglich latente Gefahr oder bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reicht nicht aus (BGH, Beschlüsse vom 10. September 2008 - 2 StR 291/08, vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198).
10
b) Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Strafkammer nicht belegt.
11
aa) Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich ohne weiteres aus dem Delikt selbst ergeben, etwa bei Verbrechen. Ist dies nicht der Fall, kommt es grundsätzlich auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564). Dabei sind zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 - 1 StR 437/03, Beschlüsse vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, vom 10. August 2010 - 3 StR 268/10). Todesdrohungen gehören hierzu indes nur, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich tragen (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564, Beschluss vom 20. Februar 2009 - 5 StR 555/08, NStZ 2009, 383; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 5 StR 209/10). Die Gefahr bloßer Beleidigungen ist dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Unterbringung nach § 63 StGB zu rechtfertigen.
12
bb) Auf dieser Grundlage vermag allein die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte künftig den Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, die Maßregelanordnung nicht zu begründen.
13
Soweit die Kammer auf die Möglichkeit tätlicher Auseinandersetzungen während einer Unterbringung abstellt, handelt es sich zwar für sich betrachtet um gewichtige Straftaten. Jedoch sind solche Verhaltensweisen innerhalb einer Einrichtung nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 mwN). Dies gilt jedenfalls, wenn - wozu indes in dem angefochtenen Urteil nähere Feststellungen fehlen - es um das Verhalten eines in einer psychiatrischen Klinik Untergebrachten gegenüber dem im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten erfahrenem oder geschultem Personal geht. Aggressives Verhalten in diesem Bereich ist nicht gleichzusetzen mit Handlungen in Freiheit gegenüber beliebigen Dritten oder dem Täter nahe stehenden Personen. Solche Taten verlangen daher - jedenfalls soweit sie nicht dem Bereich schwerster Rechtsgutsverletzungen zuzurechnen sind - schon nach ihrem äußeren Eindruck weit weniger nach einer Reaktion durch ein strafrechtliches Sicherungsverfahren und Anordnung einer strafrechtlichen Maßregel (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - 4 StR 354/97, NStZ 1998, 405). Hinzu kommt, dass der Beschuldigte mit Ausnahme der Anlasstat vom 25. Februar 2009 bisher durch vergleichbare Taten ersichtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist, obwohl er seit dem Jahr 1995 vielfach stationär in psychiatrischen Einrichtungen aufgenommen und behandelt werden musste (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198).
14
Auch zu erwartende Taten nach der Art und Intensität der zum Nachteil seines Betreuers oder dessen Mitarbeiter begangenen Taten sind nicht ohne weiteres geeignet, die Unterbringung des Beschuldigten zu rechtfertigen. Sie wurden von ihm jeweils in einer aus seiner Sicht besonderen Situation begangen (vor der Tat vom 14. Juli 2009 hatte der Betreuer die Bitte des Beschuldigten nach Geld abgelehnt; vor der Tat vom 14. Januar 2010 hatte sich der Beschuldigte aus seiner Wohnung ausgesperrt und seinen Betreuer gebeten, einen Schlüsseldienst zu verständigen, was dieser ebenfalls ablehnte). Hinzu kommt, dass sich der Beschuldigte bei diesen Taten zunächst nur verbalaggressiv verhalten hat, er bei Einschreiten dritter Personen von Gewalthandlungen absah oder abgebracht werden konnte und sich beruhigen ließ (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2010 - 5 StR 492/10).
15
Insgesamt vermögen die vom Beschuldigten begangenen und drohenden Taten, die zudem in ihrer Intensität und Gefährlichkeit jedenfalls keine Steigerung erfuhren, die außerordentlich schwere Maßregel des § 63 StGB nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einem von den Straftaten her ähnlich gelagerten, jedoch ein Nachbarschaftsverhältnis betreffenden Fall BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 5 StR 256/10, NStZ-RR 2011, 12). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass sich der Beschuldigte "als Opfer eines weit verzweigten Komplotts aus Ärzten, Betreuern, Polizei und Nachbarschaft" (UA 19) sieht, gegenüber denen es indes nach den Feststellungen der Strafkammer bislang ersichtlich nur in seltenen - den oben wiedergegebenen - Fällen zu Aggressionsdurchbrüchen kam.
16
3. An einer das Sicherungsverfahren abschließenden Entscheidung und einer Aufhebung des Unterbringungsbefehls ist der Senat jedoch gehindert; denn es ist nicht auszuschließen, dass weitere Feststellungen die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten gemäß § 63 StGB rechtfertigen können. Die Strafkammer hat es insbesondere unterlassen, nähere Feststellungen zu den Taten zu treffen, die Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzungen betrafen und entweder "auf den Privatklageweg verwiesen oder nach § 170 Abs. 2 StPO, teilweise wegen Schuldunfähgkeit eingestellt" wurden (UA 4, 5). Auch zu dem vom Sachverständigen in Zusammenhang mit der Gefährlichkeitsprognose erwähnten Einsatz eines Messers (UA 12) verhält sich das Urteil nicht weiter.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 538/00
vom
26. April 2001
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 26. April 2001 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 16. August 2000 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten bestehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Beschuldigte das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts.
Das Rechtsmittel ist zulässig erhoben. Entgegen der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vertretenen Ansicht entspricht die Revisionsbegründungsschrift den Erfordernissen des § 345 Abs. 2 StPO. Es besteht kein Zweifel, daß der Verteidiger die vorbehaltslose Verantwortung für deren
Inhalt übernommen hat; der vor der Unterschrift des Verteidigers - überflüssigerweise - eingefügte Zusatz "Für Herrn I. " steht dem nicht entgegen.
Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Maßregelausspruchs.
Die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Zwar hat das Landgericht die von dem Beschuldigten im Jahre 1998 begangenen Taten auf der Grundlage rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen zutreffend jeweils als sexuellen Mißbrauch eines Kindes (§ 176 Abs. 1 StGB), in einem Fall tateinheitlich begangen mit sexueller Nötigung (§ 178 Abs. 1 StGB a.F.), gewertet: Der Angeklagte hatte jeweils ein damals 12jähriges Mädchen oberhalb der Kleidung an der Brust berührt, ihm in zwei Fällen die Oberschenkel gestreichelt und ihm einmal über der Hose an das Geschlechtsteil gegriffen, was das Kind als schmerzhaft empfand; bei dem ersten Übergriff hatte er die Abwehrbemühungen des Mädchens dadurch unterbunden, daß er es am Gesäß anfaßte und an sich zog (UA 4).
Auch begegnet das Urteil keinen rechtlichen Bedenken, soweit die sachverständig beratene Strafkammer davon ausgegangen ist, daß der zur Tatzeit 75 Jahre alte Beschuldigte dabei ohne Schuld gehandelt hat, da bei ihm "ein hirnorganisches Psychosyndrom im Sinne einer organischen Wesensänderung mit kognitiv-mnestischen Beeinträchtigungen im Sinne einer krankhaften seelischen Störung nach § 20 StGB vorliegt, durch die es dem Beschuldigten nicht möglich ist, das Unrecht seiner Handlungsweisen kritisch zu überprüfen und einzusehen" (UA 10).
Der Maßregelausspruch kann gleichwohl nicht bestehen bleiben, weil das Vorliegen der in § 63 StGB vorausgesetzten Gefährlichkeitsprognose zweifelhaft ist. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, daß der Betroffene infolge seines fortdauernden Zustandes künftig erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde.
Davon ist das Landgericht zwar ausgegangen. Es stützt sich insoweit auf die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen, denen zufolge wegen des beim Beschuldigten vorliegenden hirnorganischen Psychosyndroms , das eine Dauerstörung mit progredientem Verlauf darstelle, das Risiko hoch erscheine, daß "zumindest ähnliche, wie die ihm zur Last gelegten Taten wieder begangen werden können, wenn sich vergleichbare Situationen ergeben" (UA 12).
Dies reicht zur Rechtfertigung der Unterbringung hier nicht aus. Die Frage nach der Erheblichkeit künftig zu erwartender rechtswidriger Taten kann nicht allein nach den v erletzten gesetzlichen Straftatbeständen beantwortet werden. Zwar gehört der sexuelle Mißbrauch eines Kindes grundsätzlich zu den gewichtigeren Straftaten, jedoch ist auch hierbei - gerade in Anbetracht der breiten Skala tatbestandsmäßiger Handlungsweisen des § 176 StGB - die Art der zu erwartenden Tatbestandsverwirklichung zu berücksichtigen (vgl. BGH NStZ 1995, 228; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 25). Dabei ist auf den Einzelfall abzustellen (BGH bei Holtz MDR 1994, 433).
Zu werten war hier, daß die Anlaßtaten von ihrem strafrechtlichen Gewicht nicht allzu schwerwiegend erscheinen, da es jeweils nur zu Berührungen des Kindes oberhalb der Kleidung gekommen ist und der Beschuldigte lediglich einmal das Mädchen an sich gedrückt hat. Weiterhin hätte das Landgericht in seine Überlegungen einbeziehen müssen, daß sich die Anlaßtaten in ihrer Intensität deutlich von der den Gegenstand der einschlägigen Vorverurteilung bildenden Tat aus dem Jahre 1984 (UA 3) unterscheiden. Vor allem aber ist die Prognoseentscheidung deswegen rechtlich zu beanstanden, weil das Landgericht die weitere Entwicklung des auf freiem Fuß befindlichen, nunmehr 78 Jahre alten Beschuldigten seit der letzten verfahrensgegenständlichen Tat (Juli 1998) dabei nicht erkennbar berücksichtigt hat. Sollte der Beschuldigte seither trotz bestehender und sogar fortschreitender Erkrankung keine weiteren Straftaten begangen haben, könnte dies ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten sein (BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27).
Die Frage der Notwendigkeit einer Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus bedarf daher neuer Prüfung. Die zu den rechtswidrigen Taten des Beschuldigten getroffenen Feststellungen werden von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben.
Meyer-Goßner Kuckein Athing

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 635/10
vom
22. Februar 2011
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2011 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. September 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.
2
1. Grundlage für die Anordnung der Maßregel gegen den nicht vorbestraften , an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie leidenden Beschuldigten sind vier in den Jahren 2009 und 2010 im Abstand von jeweils mehreren Monaten begangene Straftaten:
3
(1) eine am 25. Februar 2009 während einer vom Amtsgericht Landau angeordneten Unterbringung im Pfalzklinikum begangene vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil eines mit dem Reinigen des Bodens befassten Zeugen ,
4
(2) eine am 14. Juli 2009 zum Nachteil seines Betreuers begangene versuchte Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung,
5
(3) eine am 14. Januar 2010 zum Nachteil seines Betreuers begangene Bedrohung, die dieser allerdings nicht ernst nahm, und
6
(4) Beleidigungen zweier Mitarbeiterinnen seines Betreuers am 23. März 2010, wobei die Kammer bezüglich einer vom Beschuldigten zudem begangenen versuchten Körperverletzung einen strafbefreienden Rücktritt angenommen hat.
7
Hinsichtlich der Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten hat sich die Strafkammer den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen, wonach damit zu rechnen sei, dass der Beschuldigte auch künftig gleich gelagerte Straftaten begehen werde, "eine Steigerung von Gewalt über das bekannte Maß hinaus" sei aber nicht zu erwarten (UA 12).
8
2. Diese Feststellungen und Wertungen rechtfertigen die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht.
9
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden , wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dies erfordert zwar nicht, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind, die zu erwartenden Taten müssen aber schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen und daher zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. März 2008 - 4 StR 6/08; vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 jeweils mwN). Die lediglich latente Gefahr oder bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reicht nicht aus (BGH, Beschlüsse vom 10. September 2008 - 2 StR 291/08, vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198).
10
b) Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Strafkammer nicht belegt.
11
aa) Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich ohne weiteres aus dem Delikt selbst ergeben, etwa bei Verbrechen. Ist dies nicht der Fall, kommt es grundsätzlich auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564). Dabei sind zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 - 1 StR 437/03, Beschlüsse vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, vom 10. August 2010 - 3 StR 268/10). Todesdrohungen gehören hierzu indes nur, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich tragen (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564, Beschluss vom 20. Februar 2009 - 5 StR 555/08, NStZ 2009, 383; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 5 StR 209/10). Die Gefahr bloßer Beleidigungen ist dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Unterbringung nach § 63 StGB zu rechtfertigen.
12
bb) Auf dieser Grundlage vermag allein die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte künftig den Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, die Maßregelanordnung nicht zu begründen.
13
Soweit die Kammer auf die Möglichkeit tätlicher Auseinandersetzungen während einer Unterbringung abstellt, handelt es sich zwar für sich betrachtet um gewichtige Straftaten. Jedoch sind solche Verhaltensweisen innerhalb einer Einrichtung nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 mwN). Dies gilt jedenfalls, wenn - wozu indes in dem angefochtenen Urteil nähere Feststellungen fehlen - es um das Verhalten eines in einer psychiatrischen Klinik Untergebrachten gegenüber dem im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten erfahrenem oder geschultem Personal geht. Aggressives Verhalten in diesem Bereich ist nicht gleichzusetzen mit Handlungen in Freiheit gegenüber beliebigen Dritten oder dem Täter nahe stehenden Personen. Solche Taten verlangen daher - jedenfalls soweit sie nicht dem Bereich schwerster Rechtsgutsverletzungen zuzurechnen sind - schon nach ihrem äußeren Eindruck weit weniger nach einer Reaktion durch ein strafrechtliches Sicherungsverfahren und Anordnung einer strafrechtlichen Maßregel (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - 4 StR 354/97, NStZ 1998, 405). Hinzu kommt, dass der Beschuldigte mit Ausnahme der Anlasstat vom 25. Februar 2009 bisher durch vergleichbare Taten ersichtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist, obwohl er seit dem Jahr 1995 vielfach stationär in psychiatrischen Einrichtungen aufgenommen und behandelt werden musste (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198).
14
Auch zu erwartende Taten nach der Art und Intensität der zum Nachteil seines Betreuers oder dessen Mitarbeiter begangenen Taten sind nicht ohne weiteres geeignet, die Unterbringung des Beschuldigten zu rechtfertigen. Sie wurden von ihm jeweils in einer aus seiner Sicht besonderen Situation begangen (vor der Tat vom 14. Juli 2009 hatte der Betreuer die Bitte des Beschuldigten nach Geld abgelehnt; vor der Tat vom 14. Januar 2010 hatte sich der Beschuldigte aus seiner Wohnung ausgesperrt und seinen Betreuer gebeten, einen Schlüsseldienst zu verständigen, was dieser ebenfalls ablehnte). Hinzu kommt, dass sich der Beschuldigte bei diesen Taten zunächst nur verbalaggressiv verhalten hat, er bei Einschreiten dritter Personen von Gewalthandlungen absah oder abgebracht werden konnte und sich beruhigen ließ (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2010 - 5 StR 492/10).
15
Insgesamt vermögen die vom Beschuldigten begangenen und drohenden Taten, die zudem in ihrer Intensität und Gefährlichkeit jedenfalls keine Steigerung erfuhren, die außerordentlich schwere Maßregel des § 63 StGB nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einem von den Straftaten her ähnlich gelagerten, jedoch ein Nachbarschaftsverhältnis betreffenden Fall BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 5 StR 256/10, NStZ-RR 2011, 12). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass sich der Beschuldigte "als Opfer eines weit verzweigten Komplotts aus Ärzten, Betreuern, Polizei und Nachbarschaft" (UA 19) sieht, gegenüber denen es indes nach den Feststellungen der Strafkammer bislang ersichtlich nur in seltenen - den oben wiedergegebenen - Fällen zu Aggressionsdurchbrüchen kam.
16
3. An einer das Sicherungsverfahren abschließenden Entscheidung und einer Aufhebung des Unterbringungsbefehls ist der Senat jedoch gehindert; denn es ist nicht auszuschließen, dass weitere Feststellungen die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten gemäß § 63 StGB rechtfertigen können. Die Strafkammer hat es insbesondere unterlassen, nähere Feststellungen zu den Taten zu treffen, die Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzungen betrafen und entweder "auf den Privatklageweg verwiesen oder nach § 170 Abs. 2 StPO, teilweise wegen Schuldunfähgkeit eingestellt" wurden (UA 4, 5). Auch zu dem vom Sachverständigen in Zusammenhang mit der Gefährlichkeitsprognose erwähnten Einsatz eines Messers (UA 12) verhält sich das Urteil nicht weiter.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 140/08
vom
12. Juni 2008
in dem Strafverfahren/Sicherungsverfahren
gegen
wegen Bedrohung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juni 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Oktober 2007 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den im Sicherungsverfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft, die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, abgelehnt und im Strafverfahren von der Anordnung der Maßregel abgesehen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat nach Verbindung zweier Strafverfahren und eines Sicherungsverfahrens gegen den Angeklagten bzw. Beschuldigten (im Folgenden : Beschuldigten) sowohl im Strafverfahren als auch im Sicherungsverfahren verhandelt. Es hat den Beschuldigten von den mit den Anklageschriften vom 16. Juni 2006 und 18. August 2006 erhobenen Vorwürfen, soweit es die Vorwürfe der Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung und einer weiteren Beleidigung zum Nachteil des Zeugen S. betrifft, wegen Schuldunfähigkeit, im Übrigen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen und den im Sicherungs- verfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Mit ihrer zu Ungunsten des Beschuldigten eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich dagegen, dass das Landgericht die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB abgelehnt hat. Ferner beanstandet sie, dass eine Entscheidung über die Einziehung der bei dem Angeklagten sichergestellten, die rechtswidrige Tat nach § 52 Abs. 2 Nr. 8 WaffG betreffenden Gegenstände unterblieben ist.

I.


2
1. Nach den Feststellungen leidet der nunmehr 43 Jahre alte Beschuldigte an einer erstmals im Jahr 1990 diagnostizierten chronischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Im selben Jahr unternahm er einen Suizidversuch , bei dem er sich die Pulsadern öffnete und seine Wohnung in Brand steckte. Mit Ordnungsverfügung des Polizeipräsidenten Köln vom 10. Oktober 1990 wurde ihm die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen und Munition untersagt. Das Ermittlungsverfahren wegen schwerer Brandstiftung wurde im Dezember 1990 von der Staatsanwaltschaft Köln wegen Schuldunfähigkeit des Beschuldigten eingestellt. Nach einem weiteren Suizidversuch im Jahre 1997, den er ebenso wie den vorangegangenen unternommen hatte, weil er glaubte, er solle ermordet werden, ließ sich der Beschuldigte freiwillig 19 Monate lang in einem psychiatrischen Krankenhaus behandeln und wurde danach weiter ambulant psychiatrisch behandelt. Die über mehrere Jahre eingenommenen Medikamente setzte der Beschuldigte ab und nahm seitdem lediglich das Medikament Diazepam.
3
Zu den dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
4
a) Anklageschrift vom 16. Juni 2006:
5
Am 27. November 2005 kam es in dem Mietshaus in Gelsenkirchen, in dem auch der Beschuldigte wohnte, zu folgenden Vorfällen:
6
Als der Zeuge S. , nachdem er einen dumpfen Knall gehört hatte , die Wohnungstür öffnete, stand der Beschuldigte, der einen Baseballschläger in der Hand hielt, im Flur und sagte: "Wir müssen was klären". Der Zeuge schloss die Wohnungstür und informierte die Polizei. Danach klopfte der Beschuldigte an die Tür der Wohnung des Zeugen P. . Als dieser die Tür öffnete , schlug der Beschuldigte mit seinem Baseballschläger in die eigene Handfläche und sagte: "Jetzt ist es soweit. Komm' raus!" Der Zeuge P. fürchtete, geschlagen zu werden und schloss die Tür. Als der Zeuge S. die inzwischen erschienenen Polizeibeamten in seine Wohnung einließ, kam der Beschuldigte hinzu, beleidigte den Zeugen und rief ihm zu: "Wenn ich in den Knast komme, mach' ich Euch beide kalt!"
7
b) Anklageschrift vom 18. August 2006:
8
Am 17. Juli 2006 belegte der Beschuldigte den Zeugen S. im Treppenhaus des vorgenannten Mietshauses erneut mit üblen Schimpfworten. Dabei hielt er ein Klappmesser in der Hand. Der Zeuge S. zog aus Angst vor Übergriffen des Beschuldigten in eine andere Wohnung um.
9
c) Antragsschrift vom 5. Juni 2007:
10
Am 23. Februar 2007 kam es gegen Abend zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und anderen Mitbewohnern des Mietshauses, in deren Verlauf der Beschuldigte schließlich aus seiner Wohnung ein etwa 50 cm langes Messer holte und mit dem Messer in der Hand durch den Flur zu der Wohnung der Zeugin A. lief, was bei der Zeugin panische Angst auslöste. Unter welchen Umständen der Beschuldigte dann wieder in seine Wohnung gelangte , hat das Landgericht nicht aufzuklären vermocht. Der Zeuge W. hielt die Tür der Wohnung des Beschuldigten bis zum Eintreffen der von einem Mitbewohner alarmierten Polizeibeamten zu. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten wurden neben zahlreichen Messern u.a. ein Bogen mit Köcher und sechs gespitzten Pfeilen, ein Baseballschläger, ein Tomahawk, sieben Bajonette, verschiedene Bauteile, Magazine und „Munitionsteile“ für das G 3, ein mit einem "F" im Fünfeck gekennzeichnetes Luftgewehr , sieben Handgranaten ohne Zünder und eine Mörsergranate sichergestellt.
11
2. Das Landgericht hat hinsichtlich der Vorfälle am 27. November 2005 eine rechtswidrige Tat gemäß §§ 185, 241 Abs. 1, 52 StGB bejaht und die Äußerungen des Beschuldigten gegenüber dem Zeugen S. am 17. Juli 2006 als rechtswidrige Tat im Sinne des § 185 StGB gewertet. Hinsichtlich der dem Beschuldigten mit der Antragsschrift vom 5. Juni 2007 im Sicherungsverfahren zur Last gelegten Taten hat das Landgericht lediglich eine von dem Beschuldigten durch die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über das bei ihm sichergestellte Luftgewehr und "diverse Munitions- und Schusswaffenteile" entgegen der Ordnungsverfügung des Polizeipräsidenten Köln begangene rechtswidrige Tat im Sinne des § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG als erwiesen angesehen. Dagegen habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Beschuldigte im Verlauf der Auseinandersetzung am 23. Februar die ihm ferner zur Last gelegten beiden Bedrohungen , eine vorsätzliche Körperverletzung sowie eine versuchte gefährliche Körperverletzung begangen habe.
12
Das sachverständig beratene Landgericht hat hinsichtlich der festgestellten rechtwidrigen Taten die Schuldfähigkeit des Beschuldigten verneint, weil eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB zu allen Tatzeitpunkten mit Sicherheit zum Ausschluss der Einsichtsfähigkeit geführt habe. Die Hauptsymptome der chronischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis , an der der Beschuldigte leide, bestünden in formalen und inhaltlichen Denkstörungen, die sich in zerfahrenen Gedankenabläufen bzw. Wahnvorstellungen und Verfolgungs-, Beeinträchtigungs- und Beziehungsideen äußerten. Das Wahnerleben des Beschuldigten beziehe sich auf dessen gesamtes personelles Umfeld, das ihn nach seiner Wahrnehmung ständig bedrohe, bespitzele und beleidige. Damit einher gehe eine affektive Störung, die sich in erhöhter Reizbarkeit, gesteigertem Antrieb und verminderter Impulskontrolle äußere.
13
Die Voraussetzungen des § 63 StGB für eine Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat das Landgericht verneint , weil die hierfür erforderliche erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Straftaten aus dem mittleren Kriminalitätsbereich nicht erkennbar sei. Die zur Anklage gebrachten Taten seien "von vornherein nicht von einem derartigen kriminellen Gewicht" gewesen. Die festgestellten rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. genügten ebenso wenig wie der Verstoß gegen § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG für die Annahme einer erhöhten Wahrscheinlichkeit der Begehung künftiger erheblicher Straftaten. Zwar bestehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit künftigen strafrechtlich relevanten Verhaltens des Beschuldigten. Diese erhöhte Wahrscheinlichkeit sei aber auf die Begehung gleichartiger Straftaten wie Beleidigungen und Bedrohungen beschränkt, was für die Anordnung der Maßregel nicht ausreiche. Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Straftaten, etwa von Körperverletzungsdelikten, sei dagegen nicht anzunehmen. Soweit der Beschuldigte ausweislich des Bundeszentralregisterauszuges im Jahre 2003 wegen einer im Jahre 2001 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden sei, sei zu berücksichtigen, dass diese Tat bereits eine erhebliche Zeitspanne zurückliege. Die schwere Brandstiftung im Zusammenhang mit dem Suizidversuch im Jahre 1990 habe der Beschuldigte zudem in einer Ausnahmesituation begangen. Soweit es die rechtswidrige Tat nach § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG betreffe, bestehe "derzeit" keine erhöhte Wahrscheinlichkeit weiterer vergleichbarer Taten des Beschuldigten, weil sämtliche erlaubnispflichtigen oder auf Grund der Verfügung des Polizeipräsidenten Köln verbotenen Waffen „eingezogen“ worden seien.

II.


14
Die Staatsanwaltschaft hat den Freispruch des Beschuldigten von den ihm in den hinzu verbundenen Strafverfahren zur Last gelegten Taten von dem Revisionsangriff ausgenommen. Diese Beschränkung des Rechtsmittels ist zulässig (vgl. BGH NStZ 1995, 609, 610; Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 318 Rdn. 24; Frisch in SK-StPO § 344 Rdn. 21, jew. m.w.N.).
15
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Landgericht den im Sicherungsverfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft, die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, abgelehnt und im Strafverfahren von der Anordnung der Maßregel abgesehen hat. Im Übrigen ist sie unbegründet.
16
1. Die Nichtanordnung der Unterbringung des Beschuldigten nach § 63 StGB wegen der im Strafverfahren festgestellten rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. und der im Sicherungsverfahren festgestellten rechtswidrigen Tat nach § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die der für den Beschuldigten günstigen Gefährlichkeitsprognose zugrunde liegende Gesamtwürdigung weist Wertungsfehler auf. Sie ist zudem lückenhaft und lässt deshalb die gebotene umfassende revisionsrechtliche Überprüfung der Würdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten und der Taten nicht zu.
17
a) Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass wegen der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit und mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) nur schwere Störungen des Rechtsfriedens , die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen (vgl. BGHSt 27, 246, 248; BGH NStZ 2008, 210, 212 m.w.N.). Die Annahme des Landgerichts , die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte künftig rechtswidrige Taten wie die festgestellten Anlasstaten zum Nachteil des Zeugen S. im Sinne der §§ 185 und 241 StGB begehen werde, vermöge seine Unterbringung nach § 63 StGB nicht zu rechtfertigen, weil die festgestellten Anlasstaten nicht in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichten, lässt zwar entgegen der Auffassung der Revision nicht besorgen, dass das Landgericht verkannt haben könnte, dass die Anlasstat selbst grundsätzlich nicht erheblich im Sinne des § 63 StGB sein muss (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 3). Vielmehr hat das Landgericht trotz der Verneinung der Erheblichkeit dieser Anlasstaten auch geprüft, ob eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung schwerer Delikte gegeben ist, und dies verneint (UA S. 22). Durchgreifenden Bedenken begegnet aber die Gewichtung der festgestellten Bedrohung und damit auch der zu erwartenden gleichartigen Taten des Beschuldigten als nicht erheblich im Sinne des § 63 StGB.
18
Ergibt sich die Erheblichkeit drohender Taten nicht aus dem Delikt selbst, wie etwa bei Verbrechen, kommt es auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an, da das Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen hat (vgl. BGH NStZ 1995, 228; BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 - Rdn. 14). Das bedeutet, dass auch Bedrohungen im Sinne des § 241 StGB nicht von vornherein als unerheblich im Sinne des § 63 StGB angesehen werden können. Todesdrohungen, die geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen, stellen eine schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens dar und sind nicht bloße Belästigungen. Schon im Hinblick auf das Gewicht eines Eingriffs gemäß § 63 StGB ist jedoch erforderlich, dass die Bedrohung in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 - Rdn. 11). Es hätte deshalb der Erörterung bedurft, ob die Bedrohung des Zeugen S. aus dessen Sicht die Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trug. Dies liegt nach den Feststellungen nahe, denn der Bedrohung und Beleidigung des Zeugen war vorausgegangen, dass der Beschuldigte den Zeugen mit einem Baseballschläger aufgesucht und damit ein erhebliches Drohpotential aufgebaut hatte, was den Zeugen veranlasst hatte, sofort die Wohnungstür zu schließen und die Polizei zu informieren.
19
b) Soweit der Beschuldigte die tatsächliche Gewalt über die bei ihm sichergestellten Gegenstände ausgeübt hat, hat das Landgericht verkannt, dass er damit nach den bisherigen Feststellungen, jedenfalls soweit es die sichergestellten Magazine und „Munitionsteile“ für das G 3, die Mörsergranate und - möglicherweise - die Handgranaten ohne Zünder betrifft (vgl. Anlage zu § 1 Abs. 1 KWKG Nr. 29 c, 46, 49, 50), auch den Verbrechenstatbestand des § 22 a Abs. 1 Nr. 6 a KWKG und damit eine schon vom Deliktstyp her im Sinne des § 63 StGB erhebliche Tat verwirklicht haben könnte. Hierzu hätte es näherer Feststellungen zur Beschaffenheit der vorgenannten Gegenstände bedurft. Selbst wenn diese tatsächlich, etwa im Wege der außergerichtlichen Einziehung , eingezogen worden sein sollten, spräche dies entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht entscheidend gegen die Gefährlichkeit des Beschuldigten , weil dieser, womit sich das Landgericht hätte auseinandersetzen müssen, nach den Feststellungen ein „besonderes Interesse an Waffen aller Art“ hat. Es liegt daher nicht fern, dass er sich erneut solche beschaffen kann und wird.
20
c) Zudem fehlt eine Gesamtschau der konkreten Tatumstände der rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. , die ebenfalls für die Gefährlichkeit des Beschuldigten sprechen können, wie das Mitführen eines Baseballschlägers oder eines Messers. Ebenso hätte in die Gesamtschau einbezogen werden müssen, dass der Beschuldigte, wie das Herbeiholen eines 50 cm langen Messers im Verlauf der – nicht ausgeurteilten - Auseinandersetzung am 23. Februar 2007 belegt, aufgrund seines Zustandes dazu neigt, sich mit einem Messer oder anderen gefährlichen Werkzeugen zu bewaffnen. Dies kann vor dem Hintergrund der krankheitsbedingt verminderten Impulskontrolle und erhöhten Reizbarkeit dafür sprechen, dass künftig auch mit Aggressionsdelikten des Beschuldigten zu rechnen ist, zumal die Erkrankung des Beschuldigten nach den Ausführungen des Sachverständigen mangels fachpsychiatrischer und medikamentöser Behandlung einen progredienten, chronischen Verlauf nimmt.
21
Soweit das Landgericht den früheren Taten des Beschuldigten wegen des Zeitablaufs keine indizielle Bedeutung beigemessen hat, hätte es gleichwohl der Mitteilung der Hintergründe dieser Taten bedurft, weil auch länger zurückliegende Taten eine, wenn auch eingeschränkte indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose haben können. Dies gilt namentlich für die gefährliche Körperverletzung vom 1. November 2001, aber auch für die nach Auffassung des Landgerichts in einer „Ausnahmesituation“ im Jahre 1990 begangene schwere Brandstiftung, bei deren Begehung der Beschuldigte schuldunfähig gewesen ist. Der Mitteilung bedurft hätten auch die Gründe der auf § 40 WaffG gestützten Untersagungsverfügung. Unter den hier gegebenen Umständen hätte es schließlich näherer Darlegung des vom Sachverständigen in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens bedurft, zumal nach den Urteilsausführungen unklar bleibt, zu welcher Einschätzung der Gefährlichkeit des Beschuldigten der Sachverständige in der Hauptverhandlung gelangt ist.
22
2. Soweit die Revision beanstandet, dass eine Entscheidung über die Einziehung der das Waffendelikt betreffenden sichergestellten Gegenstände unterblieben ist, lässt sie außer acht, dass im Sicherungsverfahren nur Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden dürfen. Einziehungsentscheidungen als sonstige Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB kommen bei schuldunfähigen Tätern allein im selbständigen Einziehungsverfahren in Betracht (§ 440 StPO). Der danach erforderliche gesonderte Antrag (§ 440 Abs. 1 StPO) ist hier nicht gestellt worden, so dass es für eine Einziehung an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2003 - 3 StR 405/03).

III.


23
Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils, soweit dieses angefochten ist. Die infolge der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels eingetretene Rechtskraft des Freispruchs bewirkt nur, dass der Beschuldigte vor einer Bestrafung wegen der Taten, die Gegenstand des Strafverfahrens sind, geschützt ist. Auch hinsichtlich dieser Taten muss der neue Tatrichter ebenso wie zu den Taten, die Gegenstand des Sicherungsverfahrens sind, als Grundlage für eine etwaige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eigene Feststellungen zum objektiven und zum subjektiven Tatbestand sowie zur Schuldfähigkeit treffen.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 493/04
vom
24. November 2004
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. November 2004 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 19. Juli 2004 mit den Feststellungen aufgehoben ; jedoch bleiben die Feststellungen zum Geschehensablauf der rechtswidrigen Tat aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Beschuldigten im Sicherungsverfahren nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Die Vollstreckung der Maßregel hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beschuldigte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat im Umfang der Beschlußformel Erfolg.

I.


Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Das Landgericht hat zur Anlaßtat festgestellt, der Beschuldigte habe zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 20. Mai 1997 und Mitte September 1997 im Schulgarten einer Volksschule zwei noch
nicht 14 Jahre alten Jungen eine pornographische Karte, auf der eine nackte Frau mit gespreizten Beinen abgebildet war, für den Fall angeboten, daß sie sich vor ihm entblößen würden. Die beiden Kinder hätten ihre Hose und Unterhose heruntergezogen, so daß der Beschuldigte für einige Sekunden ihr Geschlechtsteil habe sehen können. Im Anschluß daran habe der Beschuldigte seine Hose heruntergezogen und den Kindern sein Geschlechtsteil gezeigt. Er habe sie aufgefordert, seinen Penis anzufassen. Eines der beiden Kinder sei der Aufforderung gefolgt und habe den Penis des Beschuldigten kurz angefaßt, der dabei keine Erektion gehabt habe. Er habe daraufhin den Kindern die Pornokarte übergeben.
2. Der Beschuldigte habe für diese rechtswidrige Tat jedoch nicht bestraft werden können, weil er an einer seit 1997 chronifizierten paranoidhalluzinatorischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie leide. Die sachverständig beratene Strafkammer hat angenommen, die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten sei bei Begehung der Tat erheblich eingeschränkt gewesen; sie hat selbst die vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit nicht ausschließen können. Das Landgericht hat die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet, weil der Beschuldigte nicht krankheits- und behandlungseinsichtig sei und die erforderlichen Medikamente eigenmächtig absetze. Auch wenn sich aggressive Verhaltensweisen in der Vergangenheit weitgehend auf verbale Ausbrüche beschränkt hätten, zeigten diese Vorfälle das hohe Aggressionspotential des Beschuldigten. Ohne gezielte Behandlung seien mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten. Die Maßregel könne aber gemäß § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, da der Zweck der Maßregel, die medikamentöse Behandlung des Beschuldigten zur Verhinderung weiterer erheblicher Straftaten sicherzustellen, auch durch eine Unterbringung nach § 1906 BGB gewährleistet werden könne.

II.


Die Gefährlichkeitsprognose ist nicht tragfähig begründet.
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB ist eine den Betroffenen außerordentlich beschwerende Maßnahme. Nur Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinragen, rechtfertigen eine Unterbringung gemäß § 63 StGB (vgl. BVerfGE 70, 279, 312; BGHSt 27, 246, 248; BGH NJW 1989, 2959; st. Rspr.). Auch muß aufgrund einer umfassenden Würdigung von Tat und Täter eine höhere oder doch bestimmte, jedenfalls über die bloße Möglichkeit hinausreichende Wahrscheinlichkeit zu bejahen sein, daß der schuldunfähige Täter infolge seines Zustandes weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
1. Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich, ohne daß weitere Darlegungen erforderlich wären, aus dem Anlaßdelikt selbst ergeben, z. B. bei Verbrechenstatbeständen; auch bei Vergehen mag, ohne daß dies hier einer abschließenden Entscheidung bedürfte, eine solche Annahme vielfach naheliegen. Ergibt sich die Erheblichkeit der drohenden Taten nicht ohne weiteres aus dem Deliktscharakter als solchem, kommt es auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an, da das Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen hat (vgl. Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 63 Rdn. 15).
Die Kammer hat ihre Gefährlichkeitsprognose - was hier geboten war - nicht auf die Anlaßtat gestützt, sondern sich im wesentlichen auf die "überzeugende Einschätzung der Sachverständigen K. von der Gefährlichkeit des Beschuldigten" berufen, der sie sich vollumfänglich angeschlossen hat. Die Sachverständige, die den Beschuldigten im Rahmen der Beobachtung nach § 81 StPO exploriert hat, stützt ihre Erkenntnisse auf die Krankenunterlagen sowie auf ihre Eindrücke während der Beobachtung des Beschuldigten. Eine
gutachterliche Äußerung dieser Sachverständigen zu der An laßtat ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
Die Krankheit sei beim Beschuldigten im Jahre 1991 ausgebrochen; erstmals sei er 1993 aggressiv geworden. Während eines Aufenthalts im Bezirkskrankenhaus Landshut mußte er wegen fremdaggressiven Verhaltens auf eine andere Station verlegt werden. Im Zeitraum von Januar bis März 2002 habe der Beschuldigte stationär untergebracht werden müssen, weil er seine 72jährige Mutter die Treppe hinunter gestoßen habe, wodurch sich diese eine Schulterverletzung zugezogen habe. Im Mai 2002 sei er von Sanitätern zur stationären Behandlung gebracht worden, die bis August 2002 gedauert habe. Dabei habe er erneut aggressive Verhaltensweisen gezeigt, und er habe weibliches Personal mit anzüglichen Bemerkungen bedrängt.
2. Die Strafkammer hat die Anlaßtat aus dem Jahr 1997 als minder schweren Fall des sexuellen Mißbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 1 2. Halbsatz, Abs. 5 Nr. 3 StGB a. F. gewertet. Es ist nicht erörtert, ob zwischen der Anlaßtat und der von der Sachverständigen festgestellten Steigerung fremdaggressiven Verhaltens ein symptomatischer Zusammenhang besteht (vgl. BGH NStZ 1991, 528; 1985, 309; Stree in Schönke/Schröder aaO Rdn. 17 m. w. Nachw.). Auch das Verhalten des Beschuldigten gegenüber dem Pflegepersonal während seiner früheren Klinikaufenthalte reicht jedenfalls für sich nicht für die Erwartung aus, der Beschuldigte werde in Freiheit, also ohne die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit erhebliche, für die Allgemeinheit gefährliche Gewaltstraftaten begehen. Hinweise auf eine sich steigernde Aggressivität und eine Gefährlichkeit im Sinne von § 63 StGB könnten sich allerdings aus den Umständen ergeben, unter denen der Beschuldigte im Jahre 2002 seine 72jährige Mutter die Treppe hinuntergestoßen haben soll. Nähere Einzelheiten zu dem Vorfall teilen die Urteilsgründe nicht mit.
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus war deshalb aufzuheben. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird Gelegenheit haben, die Gefährlichkeitsprognose unter besonderer Berücksichtigung gerade der aktuellen Vorfälle neu zu bewerten.
Nack Wahl Boetticher Schluckebier Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 550/10
vom
2. März 2011
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. März 2011,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Staatsanwalt (GL)
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 27. Juli 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und zwei Messer eingezogen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Beschuldigten hat Erfolg.
2
1. Der zur Tatzeit 27 Jahre alte Beschuldigte steht seit dem Jahre 2005 unter Betreuung und war schon mehrfach aufgrund gerichtlicher Anordnung, erstmals im Jahre 2004, zuletzt in der Zeit von 6. Juli bis 12. August 2009, in einer geschlossenen Anstalt untergebracht. Dabei wurde eine weitgehend unbehandelte paranoid halluzinatorische Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis diagnostiziert. Der Beschuldigte ist wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz , das Waffengesetz und wegen Sachbeschädigung vorbe- straft. Eine Tätlichkeit gegenüber dem Vater im Jahr 2005 hat nicht zu strafrechtlichen Konsequenzen geführt.
3
2. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts beobachtete der gegenüber einer Schule wohnende Beschuldigte in der Nacht vom 9. auf den 10. Dezember 2009 nach seiner Vorstellung, dass in dem Schulgebäude die Lampen ausgegangen seien, eine "Knallerei" stattfinde und sich andere Lehrer als sonst dort aufhielten. Die von ihm verständigte Polizei ging der Sache nicht nach. Am Morgen sprach der Beschuldigte einen Schüler an, der vor dem Fenster seiner Wohnung seinen Roller geparkt hatte, und erklärte ihm, er solle nicht in die Schule gehen, weil dort gleich ein "Gemetzel" stattfinden werde. Über diesen Schüler und die Schulleitung wurde die Polizei gerufen, die sodann den Beschuldigten in seiner Wohnung aufsuchte. Der Aufforderung der Polizeibeamten , seinen Personalausweis zu zeigen, kam der Beschuldigte, der einen verwirrten Eindruck machte und die Hände in seinen Hosentaschen hielt, nicht nach. Als er schließlich nach weiterer Aufforderung ein Messer aus der Hosentasche zog, wollten ihn die Polizeibeamten abtasten. Hiergegen sträubte sich der Beschuldigte, weshalb es zu einer Rangelei kam, in deren Verlauf die Beteiligten zu Boden gingen. Dabei verletzte sich eine Polizeibeamtin an einem abgebrochenen , scharfkantigen Kühlschrankgriff an ihrem linken Handrücken. Bei dem Beschuldigten, der aufgrund des Vorfalls seit 28. Mai 2010 einstweilen untergebracht ist, wurden zwei Messer sichergestellt.
4
Nach Ansicht der Kammer befand sich der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt im Zustand einer akuten paranoid halluzinatorischen Psychose, wodurch sowohl seine Steuerungs- als auch seine Einsichtsfähigkeit aufgehoben sein sollen.
5
b) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Beschuldigte objektive Verstöße gegen das Waffengesetz begangen, zudem den objektiven Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte erfüllt und im Übrigen im Zustand der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB gehandelt hat. Es hat aufgrund dessen die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Eine Gesamtwürdigung des Beschuldigten und seiner Tat ergebe, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Bei dem Beschuldigten, der keinerlei Krankheitseinsicht zeige, liege das chronifizierte Vollbild einer schizophrenen Psychose vor, die durch langjährigen Drogenkonsum verstärkt werde. Auch sei bei ihm eine latente Fremdaggressivität festzustellen. Bei der Auswertung der Betreuungsakte durch die angehörte Sachverständige habe sich ergeben, dass der Beschuldigte schon früher angegeben habe, seine Angstzustände riefen bei ihm eine Verteidigungsbereitschaft hervor, die auch den Einsatz von Waffen einschließe. Entsprechendes habe er gegenüber der Sachverständigen zur Anlasstat erklärt. Er habe angegeben, beabsichtigt zu haben, in die Schule hineinzugehen und nachzusehen. Weiter sei festzustellen, dass sich der Beschuldigte seit einiger Zeit bewaffne und bereits Aggressivität gegenüber Sachen gezeigt habe. Daraus habe die Sachverständige auch für die Kammer nachvollziehbar abgeleitet, dass der Beschuldigte wahrscheinlich zukünftig auch schwerwiegende Straftaten, insbesondere Körperverletzungsdelikte, begehen werde, wenn er sich aufgrund seines Verfolgungswahns bedroht fühle.
6
Die Unterbringung, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könne, sei anzuordnen, obwohl die Anlasstat selbst keine erhebliche rechtswidrige Tat sei. Dies sei auch nicht erforderlich. Vonnöten sei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung, die im Falle des Beschuldigten eine reale Gefahr ergebe, dass er zukünftig bei psychotischen Schüben auch Waffen gegen Personen einsetzen werde.
7
3. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
Eine derartige Maßregel beschwert den Betroffenen außerordentlich. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades und nicht nur die einfache Möglichkeit schwerer Störungen des Rechtsfriedens besteht. Geboten ist eine mit aller Sorgfalt vorzunehmende Gesamtwürdigung von Täter und Tat unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) und eine Prognose, dass von dem Täter infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (vgl. BGHR StGB § 63 Ablehnung 1, Gefährlichkeit 8, 26; BGH NStZ 2002, 590; NStZ-RR 2009, 169).
9
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus setzt zwar nicht grundsätzlich voraus, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind. Sind diese wie die hier festgestellten Taten des Beschuldigten (vgl. für den Verstoß gegen § 113 StGB BGH StV 1992, 571) ihrem Gewicht nach nicht dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, bedarf die Gefährlichkeitsprognose aber besonders sorgfältiger Darlegung. Daran fehlt es vorliegend. Die zu knappen und oberflächlichen Erwägungen der Kammer, die eine eingehende Würdigung der Person des Beschuldigten, insbesondere seiner Krankheitsgeschichte sowie der Anlasstat vermissen lassen, tragen die Gefährlichkeitsprognose nicht.
10
Die Kammer stützt sich bei ihrer Annahme der Wahrscheinlichkeit auch schwerwiegender Straftaten neben einer insoweit wenig aussagekräftigen früheren einmaligen Gewalthandlung gegenüber einer Sache im Wesentlichen auf den festgestellten Besitz von Messern und auf die Selbsteinschätzung des Beschuldigten , die bei ihm auftretenden Angstzustände lösten eine Verteidigungsbereitschaft aus, die auch den Einsatz von Waffen einschließe. Dies allein lässt im konkreten Fall den Schluss auf die Wahrscheinlichkeit der Begehung von Gewaltdelikten gegenüber Personen nicht zu. Das Landgericht spricht insoweit von einer "latenten" Fremdaggressivität. Eine lediglich latente Gefahr reicht aber für die Annahme einer Wahrscheinlichkeit (höheren Grades) nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 5 StR 547/10).
11
a) Zwar kann schon der Besitz von Waffen an sich die Besorgnis begründen , dass der Beschuldigte bereit sein könnte, diese auch einzusetzen; dies vor allem dann, wenn er den möglichen Einsatz dritten Personen gegenüber selbst einräumt. Das allein rechtfertigte eine Gefährlichkeitsprognose aber nur nach intensiver Auseinandersetzung mit Umständen, die gegen eine wirkliche Gewaltbereitschaft des Beschuldigten sprechen könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 1993 - 5 StR 617/93). Zum einen hat die Kammer hier keinerlei Feststellungen dazu getroffen, weshalb der Beschuldigte, der sich im Übrigen während des gesamten in seiner Wohnung stattfindenden Vorfalls passiv verhalten hat, keine Anstalten gemacht hat, seine Waffe bei der festgestellten Anlasstat einzusetzen, obwohl er sich zu diesem Zeitpunkt in einer Situation befunden hat, in der nach den Ausführungen der Sachverständigen deren Einsatz zur Verteidigung zu erwarten gewesen wäre. Zum anderen hat sich die Kammer ersichtlich nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass der Beschuldigte wegen Gewaltdelikten gegenüber außenstehenden Personen bisher nicht auffällig geworden ist, es lediglich einen schon mehr als fünf Jahre zurückliegenden Vorfall gibt, in dem der Beschuldigte seinen Vater mit einer Lampe geschlagen haben soll. Nähere Feststellungen zu Anlass, Entwicklung und Ausmaß dieses familiären Konflikts hat die Kammer nicht getroffen, so dass sich nicht absehen lässt, ob und inwieweit dieser Vorfall generelle Rück- schlüsse auf das künftige Verhalten des Beschuldigten gegenüber Familienmitgliedern und dritten Personen zulässt. Soweit der Beschuldigte im Übrigen unauffällig geblieben ist, hätte dies die Kammer nicht unerörtert lassen dürfen. Der Beschuldigte leidet zumindest seit dem Jahre 2005 an der festgestellten paranoid halluzinatorischen Psychose, hat sich in der Vergangenheit mehrfach Waffen wie Messer oder Stahlruten besorgt, ohne diese jemals gegen Personen eingesetzt zu haben. Eine progrediente Entwicklung der Erkrankung ist nicht festgestellt, so dass etwa auch im Zeitraum zwischen der Anlasstat im Dezember 2009 und der späteren vorläufigen Unterbringung im Mai 2010 offenbar kein auf die Gefährlichkeit des Beschuldigten hinweisender Vorfall feststellbar gewesen ist, obwohl die Erkrankung des Beschuldigten zwischenzeitlich nicht behandelt worden ist (vgl. UA S. 7).
12
b) Vor diesem Hintergrund hätten auch die Bekundungen des Beschuldigten gegenüber Dritten, er werde zu seiner Verteidigung auch Waffen einsetzen , nicht ohne Weiteres zur Annahme erhöhter Gefährlichkeit führen dürfen, sondern einer eingehenden Würdigung unterzogen werden müssen. Dabei hätte es nahe gelegen, sich nicht auf die bloße aktenmäßige Verwertung früherer Angaben zu beschränken, sondern hierzu die Sachverständigen, denen gegenüber entsprechende Äußerungen des Beschuldigten gefallen sein sollen, unmittelbar anzuhören. Sie hätten nicht nur nähere Angaben zu Einzelheiten des Gesprächs , insbesondere, wie und in welchem Zusammenhang es zu den Äußerungen des Beschuldigten gekommen sei, machen können. Sie hätten vor allem auch Auskünfte zum Anlass ihres Tätigwerdens und damit zur Krankheit des Beschuldigten und ihren Auswirkungen geben können. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich, dass der Beschuldigte in der Vergangenheit mehrfach zwangsweise untergebracht war. Warum dies jeweils geschehen ist, welche Auffälligkeiten zur Unterbringung geführt haben und welche Maßnahmen im Rahmen der Unterbringung - mit oder ohne Erfolg - ergriffen worden sind, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Diese Umstände zur Krankheitsgeschichte des Beschuldigten, aus der sich wesentliche Hinweise auf die Ernsthaftigkeit der Bekundungen des Beschuldigten und allgemein auf die von ihm ausgehenden Gefahren ergeben könnten, hätte die Kammer bei der anstehenden Würdigung berücksichtigen müssen, ob den Angaben des Beschuldigten mehr als die bloße Möglichkeit eines Waffeneinsatzes zu entnehmen ist (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 - 4 StR 485/99). Dies gilt trotz des Umstands, dass der Beschuldigte auch gegenüber der im Verfahren gehörten Sachverständigen Dr. R. einen möglichen Waffeneinsatz in der Schule eingeräumt haben soll (vgl. UA S. 7). Zum einen bleibt zumindest unklar, ob dies tatsächlich der Fall gewesen ist. Den mitgeteilten Angaben ist lediglich zu entnehmen, der Beschuldigte habe erklärt, beabsichtigt zu haben, in die Schule hineinzugehen und nachzusehen. Von einer Gewaltanwendung oder einer Verwendung eines der Messer ist nicht die Rede. Zum anderen wäre auch insoweit zu würdigen gewesen, dass der Beschuldigte jedenfalls bis zum Eintreffen der Polizei keinerlei Anstalten getroffen hatte, in die Schule hineinzugehen, auch gegenüber den Polizeibeamten das Messer nicht eingesetzt hatte, sich vielmehr bei Feststellung der angeblichen "Auffälligkeiten" im Schulgebäude darauf beschränkt hatte, die Polizei zu verständigen bzw. einen Schüler hierauf aufmerksam zu machen.
13
3. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei umfassender Würdigung zu einer für den Beschuldigten günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Frage der Notwendigkeit der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus bedarf daher neuer Prüfung.

Fischer Appl Schmitt Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 6/08
vom
18. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Hausfriedensbruchs u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. März 2008 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 25. September 2007 im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Der Maßregelausspruch entfällt. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Jedoch wird die Gebühr um die Hälfte ermäßigt und werden die notwendigen Auslagen des Angeklagten zur Hälfte der Staatskasse auferlegt.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des - im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangenen - Hausfriedensbruchs in neun Fällen und der Beleidigung für schuldig befunden undihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Maßregelausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei begründet.
3
2. Dagegen hält die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
4
a) Allerdings begegnet das Urteil entgegen den Einwendungen der Revision keinen rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht - darin dem gehörten psychiatrischen Sachverständigen folgend - bei dem Angeklagten eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ festgestellt und darin - wie der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe hinreichend belegt - einen für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorausgesetzten nicht nur vorübergehenden, sondern überdauernden Defekt vom Schweregrad des § 21 StGB gesehen hat. Auch der symptomatische Zusammenhang zwischen den dem Angeklagten zur Last gelegten Taten und der festgestellten Persönlichkeitsstörung ist rechtsfehlerfrei belegt: Psychodynamisch sei die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten durch die Tendenz gekennzeichnet , Impulse auszureagieren, ohne mögliche Konsequenzen ausreichend zu berücksichtigen; dass der Angeklagte die Geschädigte hartnäckig jeweils bis auf ihr Wohnanwesen verfolgt habe, sei Ausdruck seiner gestörten Beziehungsstruktur, innerhalb derer es zu einer "krankhaften Fixierung" des Angeklagten auf die Person der Geschädigten gekommen sei, die ihm die vermeintliche "moralische Berechtigung" vermittelt habe, die Geschädigte und ihre Familie wiederholt auf ihrem Grundstück aufzusuchen. Auch wenn danach die psychiatrischen Grundlagen für eine Unterbringung des Angeklagten nach § 63 StGB vorliegen, kann der Maßregelausspruch gleichwohl nicht bestehen bleiben , weil das Landgericht die weiter vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht ausreichend begründet hat:
5
b) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden , wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Betreffende infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Davon ist das Landgericht ausgegangen, indem es gemeint hat, die künftig zu erwartenden Strafen würden sich "nicht auf Übergriffe der verfahrensgegenständlichen Art beschränk(en), sondern auch auf körperliche Aggressionen erstrecken, sobald der Angeklagte eindeutige Ablehnung erfahre" (UA 17). Das Landgericht durfte bei dieser Einschätzung grundsätzlich auf die den Vorverurteilungen zu Grunde liegenden Tatgeschehen zurückgreifen. Allerdings lagen jene Vorfälle, bei denen der Angeklagte die Frauen, mit denen er in Beziehung stand, mit Fäusten geschlagen hatte, mittlerweile neun bzw. zuletzt viereinhalb Jahre zurück. Weitere aggressive Übergriffe des Angeklagten ergeben sich aus dem Urteil nicht. Auch gegen die nunmehr Geschädigte ist der Angeklagte nicht gewalttätig geworden. Das hat das Landgericht zwar nicht verkannt. Dass dies aber - wie das Landgericht ersichtlich gemeint hat - allein darauf zurückzuführen ist, dass die Geschädigte dem Angeklagten gegenüber fortdauernd ihre Zuneigung zum Ausdruck gebracht habe, wird jedoch nicht allen Umständen gerecht, die hier gegen die angenommene Gefährlichkeitsprognose sprechen. Denn auch wenn die Geschädigte dem Angeklagten weiterhin Verständnis entgegengebracht hat, hatte sie sich doch jedenfalls bereits Anfang des Jahres 2006 endgültig von ihm distanziert und sogar im Gerichtswege eine Unterlassungsverfügung gegen ihn erwirkt. Wenn der Angeklagte gleichwohl bei späteren Zusammentreffen mit ihr nicht gewalttätig geworden ist, sondern sich darauf "beschränkte", ihr - vergleichbar dem "stalking" (nunmehr seit dem 31. März 2007 strafbar nach § 238 StGB) - nachzustellen, spricht das eher dafür, dass der Angeklagte ungeachtet seiner narzisstischen Kränkbarkeit selbst dann nicht ohne Weiteres impulsiv aggressiv reagiert, wenn er bei seiner jeweiligen Bezugsperson Ablehnung erfährt. Auch wenn die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB nicht grundsätzlich voraussetzt, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind (vgl. BGH NStZ 1986, 237), hätte es jedenfalls eingehenderer Darlegung bedurft, weshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten von erheblichem Gewicht zu erwarten sind, die die Anordnung einer zeitlich nicht befristeten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen vermögen (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Dezember 1999 – 4 StR 485/99).
6
c) Davon abgesehen könnte der Senat den Maßregelausspruch aber auch deshalb nicht bestätigen, weil entgegen der Auffassung des Landgerichts angesichts der dem absoluten Bagatellbereich zuzuordnenden, dem Angeklagten hier angelasteten Taten die Verhältnismäßigkeit der Maßregel im Sinne des § 62 StGB nicht mehr gewahrt ist. Das könnte anders zu sehen sein, wenn der Angeklagte bei den hier abgeurteilten Taten nur durch äußere, von ihm unabhängige Umstände an gravierenden Übergriffen gegenüber der Geschädigten oder ihrer Familie gehindert worden wäre. Dafür, dass es sich so verhält, lässt sich den Feststellungen aber nichts entnehmen. Die Unverhältnismäßigkeit der Maßregelanordnung wird hier auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Angeklagte nach Auffassung der sachverständig beratenen Strafkammer einer jedenfalls mehrmonatigen stationären psychiatrischen Behandlung bedarf. Denn die strafrechtliche Unterbringung rechtfertigt sich nicht schon allein auf Grund des Bestehens einer fortdauernden psychischen Störung und deren Behandlungsbedürftigkeit (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 2).
7
3. Der Senat schließt aus, dass sich auf Grund neuer Hauptverhandlung weitere Feststellungen treffen lassen, die hier die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus tragfähig begründen könnten. In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO entscheidet er deshalb dahin, dass der Maßregelausspruch entfällt.
Tepperwien Maatz Solin-Stojanović
Ernemann Sost-Scheible

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 223/05
vom
28. Juni 2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter räuberischer Erpressung u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 28. Juni 2005 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 17. Dezember 2004 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten der Angeklagten und zur Schuldfähigkeit bestehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte freigesprochen und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die die Maßregelanordnung betreffende Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge im wesentlichen Erfolg. 1. Nach den Feststellungen hat die Angeklagte, die wegen einer endogenen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie schuldunfähig ist, in
der Zeit zwischen April 2001 und Januar 2004 zehn mit Strafe bedrohte Handlungen begangen: Im Fall II. 1. gebrauchte sie eine von ihr zuvor verfälschte ärztliche Verordnung zur Krankenbeförderung; im Fall II. 2. erstellte sie unter falschem Namen ein Arztgutachten und reichte es im Rahmen ihres Betreuungsverfahrens bei Gericht ein; dem Fall II. 3. liegt ein Ladendiebstahl (Schaden 7,08 €) zugrunde; in den Fällen II. 4. bis 6. machte sie jeweils schriftlich gegenüber einem Unternehmen bzw. einem Arzt unberechtigte Schadensersatzansprüche geltend und drohte "für den Fall der Nichtzahlung" mit der gerichtlichen Geltendmachung der Forderungen und/oder mit der Erstattung einer Strafanzeige (Zahlungen erfolgten jeweils nicht); in zwei weiteren Fällen (II. 7. und 8.) erschlich sich die Angeklagte unter Vorlage verfälschter ärztlicher Verordnungen jeweils kostenlos die Beförderung mit einem Taxi (Schäden: 75,00 € und 110,00 €); in den Fällen II. 9. und 10. erhob sie gegen ihre Vermieterin und gegen einen Zahnarzt wiederum schriftlich unberechtigte Schadensersatzforderungen , wobei sie jeweils gerichtliche Schritte sowie Angriffe durch "brutale Schlägertypen" auf Leib und Leben der Geschädigten für den Fall androhte, daß die Forderungen nicht beglichen werden. Da von der Angeklagten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien, hat das Landgericht die Unterbringung der Angeklagten, die seit 1999 bereits mehrfach, fast ausnahmslos wegen Betrugs zu Geldstrafen verurteilt worden war, in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Strafkammer ist dem Sachverständigen folgend zu der Auffassung gelangt, bei der Angeklagten komme es aufgrund ihres Krankheitsbildes vermehrt zu aggressiven Ausbrüchen gegenüber Personen, gegen die sie - krankheitsbedingt - Ansprüche zu haben glaubt. Die Schwelle der aggressiven Ausbrüche werde da-
bei immer niedriger und deren Intensität gefährlicher. Es bestehe ohne Behandlung die Gefahr, daß die Angeklagte ihre Drohungen mit Gewalt verwirklichen , etwa Personen suchen und finden werde, die einen möglichen Auftrag zur Begehung von Körperverletzungsdelikten im Rahmen von Forderungseintreibungen annehmen würden (UA 19). 2. Dieser Beurteilung vermag der Senat nicht zu folgen. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschwert den Betroffenen außerordentlich. Deshalb darf diese Maßregel nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades - nicht nur die einfache Möglichkeit - neuerlicher schwerer Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, besteht (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 8 und 16; BGH NStZ 1995, 228 m.w.N.). Diese Voraussetzung des § 63 StGB ist bislang nicht ausreichend belegt. Das Landgericht hat zur Begründung der Gefährlichkeitsprognose als Anlaßtaten lediglich die Fälle II. 4. bis 10. herangezogen, und dabei in erster Linie auf die Erpressungsdelikte abgestellt. Es hat dabei die Taten II. 9. und 10. rechtlich als versuchte räuberische Erpressungen gewertet. Zwar lassen sich jedenfalls diese beiden Taten ihrem Deliktstypus nach grundsätzlich nicht mehr, wovon das Landgericht zutreffend ausgeht, der Kleinkriminalität zurechnen (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 9). Das Landgericht hat es jedoch rechtsfehlerhaft unterlassen, sich damit auseinanderzusetzen, ob sich die versuchten Erpressungstaten im vorliegenden Fall trotz des Deliktscharakters der Sache nach lediglich als bloße Belästigungen darstellen, die eine Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 63 StGB nicht rechtfertigen können. Eine diesbezügliche Erörterung hat sich hier aufgedrängt. Zwar erfuhr die Qualität der Drohung in den Fällen II. 9. und 10. gegenüber den vorausgegangenen Vorfällen eine qualitative Steigerung. Die Angeklagte drohte jedoch in
eine qualitative Steigerung. Die Angeklagte drohte jedoch in sämtlichen Erpressungsfällen den Geschädigten lediglich schriftlich, zur persönlichen Konfrontation zwischen der Angeklagten und den betroffenen Personen kam es in keinem Fall. In der Regel beließ es die Angeklagte bei einem Forderungsschreiben. Es ist nicht auszuschließen, daß das Landgericht, hätte es sich mit diesen Umständen auseinandergesetzt, die Frage der Erheblichkeit künftiger Straftaten der Angeklagten anders als geschehen, beurteilt hätte. Soweit das Landgericht, den Ausführungen der Sachverständigen folgend , im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose darauf abstellt, es stehe zu befürchten , daß die Angeklagte ihre Drohungen mit Gewalt künftig verwirklichen werde, ist diese Annahme nicht mit Tatsachen belegt und begründet allenfalls die Möglichkeit, jedoch nicht die vom Gesetz geforderte hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer erheblicher Straftaten. Nach den bisherigen Urteilsfeststellungen liegen durch Tatsachen belegte Anhaltspunkte dafür, daß die Angeklagte bei Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten, der früheren Straftaten oder außerhalb ihrer Straffälligkeit mit Aggressionshandlungen aufgefallen ist, nicht vor. Die Annahme des Landgerichts, es bestehe krankheitsbedingt die Gefahr, die Angeklagte könne ihre Drohungen künftig verwirklichen bzw. durch Dritte verwirklichen lassen, entbehrt vor diesem Hintergrund einer Tatsachengrundlage und stellt sich lediglich als Vermutung dar. Der Senat kann nicht ausschließen, daß der neue Tatrichter zum Werdegang der Angeklagten und insbesondere zu ihrer Entwicklung seit ihrer einstweiligen Unterbringung weitere Feststellungen treffen kann, die eine Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 63 StGB rechtfertigen.
Die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten und zur Schuldfähigkeit der Angeklagten hat das Landgericht rechtsfehlerfrei getroffen; sie können daher bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen, können getroffen werden. Tepperwien Kuckein Athing Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 635/10
vom
22. Februar 2011
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2011 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. September 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.
2
1. Grundlage für die Anordnung der Maßregel gegen den nicht vorbestraften , an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie leidenden Beschuldigten sind vier in den Jahren 2009 und 2010 im Abstand von jeweils mehreren Monaten begangene Straftaten:
3
(1) eine am 25. Februar 2009 während einer vom Amtsgericht Landau angeordneten Unterbringung im Pfalzklinikum begangene vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil eines mit dem Reinigen des Bodens befassten Zeugen ,
4
(2) eine am 14. Juli 2009 zum Nachteil seines Betreuers begangene versuchte Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung,
5
(3) eine am 14. Januar 2010 zum Nachteil seines Betreuers begangene Bedrohung, die dieser allerdings nicht ernst nahm, und
6
(4) Beleidigungen zweier Mitarbeiterinnen seines Betreuers am 23. März 2010, wobei die Kammer bezüglich einer vom Beschuldigten zudem begangenen versuchten Körperverletzung einen strafbefreienden Rücktritt angenommen hat.
7
Hinsichtlich der Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten hat sich die Strafkammer den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen, wonach damit zu rechnen sei, dass der Beschuldigte auch künftig gleich gelagerte Straftaten begehen werde, "eine Steigerung von Gewalt über das bekannte Maß hinaus" sei aber nicht zu erwarten (UA 12).
8
2. Diese Feststellungen und Wertungen rechtfertigen die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht.
9
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden , wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dies erfordert zwar nicht, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind, die zu erwartenden Taten müssen aber schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen und daher zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. März 2008 - 4 StR 6/08; vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 jeweils mwN). Die lediglich latente Gefahr oder bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reicht nicht aus (BGH, Beschlüsse vom 10. September 2008 - 2 StR 291/08, vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198).
10
b) Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Strafkammer nicht belegt.
11
aa) Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich ohne weiteres aus dem Delikt selbst ergeben, etwa bei Verbrechen. Ist dies nicht der Fall, kommt es grundsätzlich auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564). Dabei sind zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 - 1 StR 437/03, Beschlüsse vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, vom 10. August 2010 - 3 StR 268/10). Todesdrohungen gehören hierzu indes nur, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich tragen (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564, Beschluss vom 20. Februar 2009 - 5 StR 555/08, NStZ 2009, 383; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 5 StR 209/10). Die Gefahr bloßer Beleidigungen ist dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Unterbringung nach § 63 StGB zu rechtfertigen.
12
bb) Auf dieser Grundlage vermag allein die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte künftig den Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, die Maßregelanordnung nicht zu begründen.
13
Soweit die Kammer auf die Möglichkeit tätlicher Auseinandersetzungen während einer Unterbringung abstellt, handelt es sich zwar für sich betrachtet um gewichtige Straftaten. Jedoch sind solche Verhaltensweisen innerhalb einer Einrichtung nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 mwN). Dies gilt jedenfalls, wenn - wozu indes in dem angefochtenen Urteil nähere Feststellungen fehlen - es um das Verhalten eines in einer psychiatrischen Klinik Untergebrachten gegenüber dem im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten erfahrenem oder geschultem Personal geht. Aggressives Verhalten in diesem Bereich ist nicht gleichzusetzen mit Handlungen in Freiheit gegenüber beliebigen Dritten oder dem Täter nahe stehenden Personen. Solche Taten verlangen daher - jedenfalls soweit sie nicht dem Bereich schwerster Rechtsgutsverletzungen zuzurechnen sind - schon nach ihrem äußeren Eindruck weit weniger nach einer Reaktion durch ein strafrechtliches Sicherungsverfahren und Anordnung einer strafrechtlichen Maßregel (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - 4 StR 354/97, NStZ 1998, 405). Hinzu kommt, dass der Beschuldigte mit Ausnahme der Anlasstat vom 25. Februar 2009 bisher durch vergleichbare Taten ersichtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist, obwohl er seit dem Jahr 1995 vielfach stationär in psychiatrischen Einrichtungen aufgenommen und behandelt werden musste (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198).
14
Auch zu erwartende Taten nach der Art und Intensität der zum Nachteil seines Betreuers oder dessen Mitarbeiter begangenen Taten sind nicht ohne weiteres geeignet, die Unterbringung des Beschuldigten zu rechtfertigen. Sie wurden von ihm jeweils in einer aus seiner Sicht besonderen Situation begangen (vor der Tat vom 14. Juli 2009 hatte der Betreuer die Bitte des Beschuldigten nach Geld abgelehnt; vor der Tat vom 14. Januar 2010 hatte sich der Beschuldigte aus seiner Wohnung ausgesperrt und seinen Betreuer gebeten, einen Schlüsseldienst zu verständigen, was dieser ebenfalls ablehnte). Hinzu kommt, dass sich der Beschuldigte bei diesen Taten zunächst nur verbalaggressiv verhalten hat, er bei Einschreiten dritter Personen von Gewalthandlungen absah oder abgebracht werden konnte und sich beruhigen ließ (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2010 - 5 StR 492/10).
15
Insgesamt vermögen die vom Beschuldigten begangenen und drohenden Taten, die zudem in ihrer Intensität und Gefährlichkeit jedenfalls keine Steigerung erfuhren, die außerordentlich schwere Maßregel des § 63 StGB nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einem von den Straftaten her ähnlich gelagerten, jedoch ein Nachbarschaftsverhältnis betreffenden Fall BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 5 StR 256/10, NStZ-RR 2011, 12). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass sich der Beschuldigte "als Opfer eines weit verzweigten Komplotts aus Ärzten, Betreuern, Polizei und Nachbarschaft" (UA 19) sieht, gegenüber denen es indes nach den Feststellungen der Strafkammer bislang ersichtlich nur in seltenen - den oben wiedergegebenen - Fällen zu Aggressionsdurchbrüchen kam.
16
3. An einer das Sicherungsverfahren abschließenden Entscheidung und einer Aufhebung des Unterbringungsbefehls ist der Senat jedoch gehindert; denn es ist nicht auszuschließen, dass weitere Feststellungen die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten gemäß § 63 StGB rechtfertigen können. Die Strafkammer hat es insbesondere unterlassen, nähere Feststellungen zu den Taten zu treffen, die Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzungen betrafen und entweder "auf den Privatklageweg verwiesen oder nach § 170 Abs. 2 StPO, teilweise wegen Schuldunfähgkeit eingestellt" wurden (UA 4, 5). Auch zu dem vom Sachverständigen in Zusammenhang mit der Gefährlichkeitsprognose erwähnten Einsatz eines Messers (UA 12) verhält sich das Urteil nicht weiter.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.