Bundesgerichtshof Urteil, 31. Mai 2012 - 3 StR 99/12

bei uns veröffentlicht am31.05.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 99/12
vom
31. Mai 2012
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. Mai 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 20. Oktober 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Beschuldigte seit etwa 1979 unter einer paranoiden Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie , die inzwischen einen chronisch floriden Verlauf genommen hat. Der Beschuldigte glaubte in wahnhafter Verkennung der Realität, von Feinden um- geben zu sein und von jedermann betrogen zu werden. Unter dem Eindruck der Erkrankung versuchte er 1983, auf dem Rollfeld des Flughafens Hannover startende Flugzeuge anzuhalten. Er wurde daraufhin nach dem niedersächsischen PsychKG untergebracht. Im Sommer 1984 beschädigte er mehrere hundert Fahrzeuge mit einer ätzenden Flüssigkeit. Vom Vorwurf der Sachbeschädigung wurde er wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen. Die zugleich angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde im Hinblick auf das günstige Ergebnis der zwischenzeitlich erfolgten therapeutischen und medikamentösen Behandlung zur Bewährung ausgesetzt, die Führungsaufsicht nach weiterhin positivem Verlauf der Bewährungszeit im Herbst 1989 beendet. 1990, 1992, 1995 und 2003 waren erneut jeweils kurzzeitige Aufenthalte in der Psychiatrie notwendig. Von Ende Mai 2005 bis Anfang April 2006 befand sich der Beschuldigte nach einem erneuten Ausbruch der Psychose in geschlossener stationärer Unterbringung. Auch 2008 und 2009 musste der Beschuldigte wegen einer depressiven suizidalen Krise jeweils stationär untergebracht werden.
3
Am 10. Oktober 2010 erfuhr der Beschuldigte, das seine - ebenfalls an einer Psychose leidende - Ehefrau "ihr Wohnhaus" in Brand setzen wollte und deshalb von der Polizei aufgegriffen und in eine Nervenklinik eingewiesen worden war. Daraufhin fügte er sich in Selbsttötungsabsicht Schnitte am Hals und den Handgelenken zu und entzündete an mehreren Stellen in dem "von ihm und seiner Ehefrau bewohnten Reihenmittelhaus" Einrichtungsgegenstände. Zwei Brandherde waren beim Erscheinen der Feuerwehr bereits erloschen, der dritte konnte von der Feuerwehr gelöscht werden. Wesentliche Gebäudeteile wurden von dem Brand nicht in dem Sinne erfasst, dass sie selbständig ge- brannt hätten. Der Brandschaden betrug ca. 70.000 €.
4
Der Beschuldigte verließ "sein Wohnhaus" und schlug mit einem Degen wahllos auf die in der Straße geparkten Fahrzeuge ein. Von alarmierten Polizeibeamten wurde der Beschuldigte aufgefordert, die Hiebwaffe fallen zu lassen. Dem kam der Beschuldigte nicht nach, sondern lief - den Degen über dem Kopf schwingend - auf die Beamten zu. Erst nach Abgabe von zwei Warnschüssen warf er die Waffe weg. Der Schaden an zumindest 20 teilweise erheblich beschädigten Kraftwagen betrug mehr als 55.000 €. Diesen wird der dem Beschuldigten bestellte Betreuer aus dem Verkauf "des Reihenhauses des Beschuldigten" finanziell ausgleichen können.
5
Das Landgericht hat sachverständig beraten angenommen, dass die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten aufgrund einer chronischen paranoiden Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie bei den Taten jeweils aufgehoben war. Eine Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat es abgelehnt, weil die hierfür erforderliche Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Beschuldigte aufgrund seiner Erkrankung zukünftig weitere vergleichbare Taten begehen werde und deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei, nicht festgestellt werden könne. Maßgebend hierfür sei zum einen, dass der Beschuldigte trotz seiner langjährigen chronischen Erkrankung seit dem Jahre 1985 über einen Zeitraum von 26 Jahren nicht mehr durch die Begehung rechtswidriger Taten auffällig geworden sei. Zum anderen sei er durch die Behandlung während der ca. zehnmonatigen vorläufigen Unterbringung nach § 126a StPO durch die regelmäßige Einnahme von Psychopharmaka gut und stabil eingestellt; "unter Beibehaltung seines aktuellen Zustandes" sei trotz seiner chronischen paranoiden Psychose eine Gefährlichkeit des Beschuldigten für die Allgemeinheit nicht belegt.
6
2. Das Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
a) Zutreffend geht das Landgericht zwar davon aus, dass wegen der Schwere des mit einer Anordnung nach § 63 StGB verbundenen Eingriffs in die persönliche Freiheit und mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) nur schwere Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen können (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 17. August 1977 - 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248; Urteil vom 15. August 2007 - 2 StR 309/07, NStZ 2008, 210, 212). Auch muss aufgrund einer umfassenden Würdigung von Tat und Täter eine höhere oder doch bestimmte , jedenfalls über die bloße Möglichkeit hinausreichende Wahrscheinlichkeit zu bejahen sein, dass der Täter infolge seines Zustands weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2004 - 1 StR 493/04, NStZ-RR 2005, 72, 73).
8
b) Das Landgericht unterlässt indes zum einen die gebotene Gesamtwürdigung der Person des Täters, seines Vorlebens und der Symptomtat. Es nimmt bei der Gefährlichkeitsbeurteilung allein die Anlasstaten, den gegenwärtigen , aufgrund der Einnahme von Psychopharmaka als stabil bezeichneten Zustand des Beschuldigten und den Umstand in den Blick, dass der Beschuldigte seit der gegen ihn im Jahr 1985 angeordneten Unterbringung nach § 63 StGB nicht mehr strafrechtlich geahndet worden war. Dabei lässt es aber außer Betracht, dass es nach 2003 zunehmend zu "Belästigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen der Nachbarn" durch den Beschuldigten und seine Ehefrau gekommen war, und dass ab dem Jahr 2008 "Auseinandersetzungen der Eheleute S. " wiederholt den Einsatz der Polizei erforderlich machten. Die jeweils zugrundeliegenden Geschehnisse hätten im Hinblick auf die Gefährlichkeitsprognose näher beleuchtet werden müssen. Darüber hinaus hat der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hingewiesen, dass das angefochtene Urteil eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage vermissen lässt, ob nicht schon aus den hier zu beurteilenden Anlasstaten in hinreichendem Maße auf die Gefährlichkeit des Beschuldigten geschlossen werden kann und insbesondere die Lebensumstände, die den Anstoß für diese Taten gaben - eine akute psychische Krise der ebenfalls an einer Psychose leidenden Ehefrau des Beschuldigten und deren Einweisung in stationäre psychiatrische Behandlung - sich in ähnlicher Weise wiederholen können.
9
c) Zum anderen lässt das Landgericht außer Acht, dass die beiden Sachverständigen - denen es sich angeschlossen hat - übereinstimmend der Ansicht waren, dass sich das Krankheitsbild des Beschuldigten nicht ändern werde und eine daraus resultierende Gefährlichkeit nur dann verneint werden könne, wenn und solange der Beschuldigte sich in konsequenter Überwachung seines Tagesablaufs befindet und die Einnahme der notwendigen Medikamente beaufsichtigt und sichergestellt wird.
10
Für die Entscheidung, ob die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen ist, ist es indes unerheblich, ob die von dem Beschuldigten ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit durch eine konsequente medizinische Behandlung, für die ein Betreuer bestellt ist, abgewendet werden kann. Ein solches täterschonendes Mittel - seine Wirksamkeit vorausgesetzt - erlangt vielmehr Bedeutung erst für die Frage, ob die Vollstreckung der Unterbringung gemäß § 67b StGB zur Bewährung auszusetzen ist. Nur auf diese Weise wird der von dem Beschuldigten ausgehenden Gefahr effektiv entgegengewirkt und die Allgemeinheit ausreichend geschützt. Durch die Möglichkeit, eine angeordnete, aber zur Bewährung ausgesetzte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu widerrufen, wird Druck auf den gefährlichen Täter ausgeübt und eine wirksame Kontrolle darüber ermöglicht, ob die medizi- nische Behandlung zur Gefahrenbeseitigung tatsächlich ausreicht (BGH, Urteil vom 23. Februar 2000 - 3 StR 595/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 28; Urteil vom 20. Februar 2008 - 5 StR 575/07, R&P 2008, 225 jeweils mwN).
11
3. Über die Unterbringung und deren Vollstreckung muss deshalb erneut entschieden werden.
12
Der neue Tatrichter wird dabei auch Gelegenheit haben, die rechtliche Einordnung der Brandstiftung durch den Beschuldigten näher zu prüfen. Die bisherigen Feststellungen deuten darauf hin, dass es sich bei dem Tatobjekt um ein Reihenmittelhaus gehandelt hat, das im Eigentum des Beschuldigten und/oder seiner Ehefrau stand und das er mit dieser zusammen ausschließlich bewohnte. Sollten der Beschuldigte durch die Brandlegung sowie seine Ehefrau durch ihren Plan einer Brandlegung die Wohnung entwidmet, das heißt ihre Nutzung als Wohnung aufgegeben haben (vgl. BGH, Beschluss, vom 22. Juli 1992 - 3 StR 77/92, NStZ 1992, 541; Urteil vom 15. September 1998 - 1 StR 290/98, NStZ 1999, 32, 34), wäre die Tat nicht mehr als versuchtes Verbrechen nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu beurteilen.
13
Sollte der Beschuldigte allein oder zusammen mit seiner Ehefrau Eigentümer des Hauses sein, dann stünde dies der Einordnung der Brandstiftung als versuchtes Verbrechen gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB entgegen. Gegebenenfalls wird das Brandstiftungsgeschehen aber auch im Hinblick auf die angrenzenden Reihenhäuser strafrechtlich zu würdigen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2001 - 3 StR 140/01, BGHR StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1 Wohnung 2).
14
4. Mit der Aufhebung des Urteils ist die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegenstandslos, mit der sich diese gegen die unterbliebene Entscheidung über Entschädigungen wegen Strafvollstreckungsmaßnahmen gewandt hat.
Becker Pfister RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Menges

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Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 62 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit


Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

Strafgesetzbuch - StGB | § 306 Brandstiftung


(1) Wer fremde 1. Gebäude oder Hütten,2. Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,3. Warenlager oder -vorräte,4. Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,5. Wälder, Heiden oder Moore oder6. land-, ernährungs- o

Strafgesetzbuch - StGB | § 306a Schwere Brandstiftung


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,2. eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder3.

Strafprozeßordnung - StPO | § 126a Einstweilige Unterbringung


(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrisc

Strafgesetzbuch - StGB | § 67b Aussetzung zugleich mit der Anordnung


(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßrege

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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.

(2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 116 Abs. 3 und 4, §§ 117 bis 119a, 123, 125 und 126 entsprechend. Die §§ 121, 122 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass das Oberlandesgericht prüft, ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.

(3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Hat der Untergebrachte einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten im Sinne des § 1831 Absatz 5 und des § 1820 Absatz 2 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so sind Entscheidungen nach Absatz 1 bis 3 auch diesem bekannt zu geben.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 309/07
vom
15. August 2007
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. August
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode,
Prof. Dr. Fischer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 2. Februar 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat es im Sicherungsverfahren abgelehnt, die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
2
Die Ablehnung der Unterbringungsanordnung hält der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Begründung der für den Beschuldigten günstigen Gefährlichkeitsprognose enthält einen Wertungsfehler und die Gesamtwürdigung der Vor- und Anlasstaten lässt einen wesentlichen Tatumstand außer Betracht.
3
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen festgestellt:
4
a) Der Beschuldigte neigt aufgrund seiner psychischen Erkrankung zur Distanzlosigkeit und überschreitet allgemein anerkannte soziale Grenzen. Es kommt immer wieder zu Belästigungen seines sozialen Umfelds, wofür der Be- schuldigte insbesondere unter türkisch-stämmigen Bewohnern weithin bekannt ist. Seine Umgebung weiß vielfach mit den krankheitsbedingten Besonderheiten des Beschuldigten und den sich hieraus ergebenden irrationalen Verhaltensmustern umzugehen. Aufgrund der Nichteinhaltung der ärztlich verordneten Medikation, teilweise verstärkt durch Alkoholgenuss, kam es von Herbst 2005 bis August 2006 zu folgenden Vorfällen: - In einem Waschsalon nahm der Beschuldigte fremde Wäsche aus einem Trockner mit und warf sie weg (Fall 1). - In 15 Fällen missachtete er das Hausverbot in einer Spielothek und in sechs Fällen in einem Einkaufscenter; dabei entleerte er in einem Fall einen Feuerlöscher in die Spielothek, in einem weiteren Fall wurde er von der Aufsicht zum Verlassen der Spielothek aufgefordert. Daraufhin erhob er die Faust und holte zu einem Faustschlag in Richtung der Aufsicht aus. Ein anwesender Zeuge konnte den Arm des Beschuldigten festhalten, so dass die Aufsicht nicht getroffen wurde (Fälle 2, 7-26). - In einer Gaststätte wollte sich der Beschuldigte 50 Euro leihen. Als der Gastwirt dies verweigerte, zog der Beschuldigte beim Hinausgehen aus Verärgerung den Türschlüssel ab und warf ihn auf die Straße. Der Gastwirt ging davon aus, der Beschuldigte habe den Schlüssel mitgenommen , verfolgte ihn mit einem Begleiter und forderte lautstark die Rückgabe seines Schlüssels. Der Beschuldigte beteuerte zutreffend, er habe den Schlüssel nicht. Auf die nachdrückliche Forderung, den Schlüssel herauszugeben, reagierte der Beschuldigte ebenfalls laut und verbal aggressiv. Er fühlte sich in die Enge getrieben, zog ein Messer heraus und rief in Richtung des Gastwirts auf Türkisch: "Lass mich in Ruhe, ich bringe dich um, ich habe deinen Schlüssel nicht gestohlen." Daraufhin ließ der Gastwirt von dem Beschuldigten ab und ließ die Polizei verständigen (Fall 3). - In einer Bäckerei begann der Beschuldigte, Kunden anzupöbeln. Als ihn die Verkäuferin aus dem Laden wies, beschimpfte er sie als "Arschloch" , "Schlampe", "Hure". Als die Verkäuferin ihm ausdrücklich Ladenverbot erteilte, setzte er seine Verbalattacken fort. Auf die erneute Mahnung, den Laden zu verlassen, rammte er sein Knie in Richtung des Unterleibs der Verkäuferin. Diese drehte sich jedoch von dem Beschuldigten weg, so dass er lediglich ihren Oberschenkel schmerzhaft traf. Weitere Verletzungen entstanden nicht (Fall 4). - In zwei Fällen setzte der Beschuldigte einen nicht begründeten Notruf ab und bestellte einen Krankenwagen zu seiner Wohnung (Fälle 5 und

6).

5
b) Nach der Beurteilung des sachverständig beratenen Landgerichts war der Beschuldigte bei Begehung der Taten wegen einer krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB unfähig, das Unerlaubte seiner Taten einzusehen. Seit seiner Einreise in die Bundesrepublik im Jahre 1992 bis zum Jahre 2006 wurde der Beschuldigte wegen seiner Erkrankung in 29 Fällen stationär in psychiatrischen Kliniken behandelt. Er leidet an einer seit 20 Jahren bestehenden und dokumentierten schizoaffektiven Störung, wobei es sich um eine episodische Störung handelt, bei der affektive und schizophrene Symptome gleichzeitig vorhanden sind. Im Vordergrund der Symptomatik stehen eine immer wieder auftretende Gereiztheit mit aggressivem Verhalten. Die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten war im Rahmen der bei ihm für die Tatzeiten festgestellten manischen Symptomatik vollständig aufgehoben.
6
c) Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat das Landgericht abgelehnt, weil die Gesamtwürdigung des Beschuldigten und seiner Taten nicht ergebe, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seien zwar weitere Taten zu erwarten, die in ihrer Qualität den festgestellten Anlasstaten entsprechen. In ihrer konkreten Begehungsform erreichten diese Taten jedoch nicht den Bereich der mittleren Kriminalität. Aus den Anlasstaten ergebe sich, dass von dem Beschuldigten lediglich Taten zu erwarten seien, die dem unteren Bereich der Kriminalität zuzuordnen seien. Das gelte nicht nur für die Fälle der Beleidigung, des Hausfriedensbruchs , der Sachbeschädigung und des Missbrauchs von Notrufen, sondern auch für die vom Landgericht näher erörterten Vorfälle 3, 4 und 26. Diese Vorfälle belegten zwar eine Gefahr, insbesondere für die körperliche Unversehrtheit der Geschädigten. Der Grad der Gefährdung stelle sich bei dem konkreten Tatmuster des Beschuldigten aber als nicht erheblich dar. Beraten durch den psychiatrischen Sachverständigen gehe die Kammer nicht davon aus, dass eine weitergehende Eskalation der Gewalt in diesen drei Fällen ernsthaft drohte oder in zukünftigen Fällen zu erwarten wäre. Das gelte auch für den Fall der Todesdrohung unter Vorhalt eines Messers im Fall 3. Insbesondere aus dem Nachtatverhalten ergebe sich, dass die Todesdrohung, die von den Tatopfern ohnehin nicht ernst genommen worden sei, aus der Sicht des Beschuldigten zu keinem Zeitpunkt in die Tat umgesetzt werden sollte. Der in die Enge getriebene Beschuldigte habe sich lediglich seinen Verfolgern kurzfristig entziehen wollen. Die Drohung sei daher als defensiver Akt nicht darauf angelegt gewesen, in eine Verletzungshandlung zu münden.
7
Die Strafkammer und auch der Sachverständige könnten zwar nicht ausschließen , dass künftig eine von den Beschuldigten herbeigeführte Situation soweit eskaliere, dass es zur Begehung auch schwererer Delikte komme. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erfordere jedoch eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades und nicht nur die einfache Möglichkeit schwerer Taten. Auch unter Berücksichtigung der strafrechtlichen Vorbelastungen sei eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit schwerer Taten nicht festzustellen.
8
2. Das Landgericht hat das Gewicht der von dem Beschuldigten zu erwartenden neuen Taten fehlerhaft gewichtet.
9
Die Strafkammer geht zwar zunächst zutreffend davon aus, dass wegen der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit und mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) nur schwere Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen , eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen (vgl. u. a. BVerfGE 70, 297, 312; BGHSt 27, 246; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 8, 9, 11, 27; BGH StV 2006, 579; NStZ 1995, 228; NStZ-RR 2006, 203).
10
Die vom Landgericht vorgenommene Gesamtwürdigung, dass die festgestellten Anlasstaten des Beschuldigten in ihrer konkreten Begehungsform nicht in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, trifft jedoch nicht zu. Die festgestellten Anlass- und Vortaten gehen vielmehr in erheblichem Umfang deutlich über bloße Belästigungen der Allgemeinheit oder Bagatelltaten hinaus. Das gilt bei den festgestellten Anlasstaten jedenfalls für den Faustschlag gegen eine Spielhallenaufsicht, den bedrohenden Einsatz eines Messers gegen den Gastwirt und den Kniestoß in Richtung auf den Unterleib der Verkäuferin in einer Bäckerei. Soweit das Landgericht versucht, das Gewicht der Anlasstat im Fall 3 durch die Annahme zu relativieren, die Drohung mit dem Messer stelle sich nur als defensiver Akt dar, der keineswegs darauf angelegt gewesen sei, in eine Verletzungshandlung zu münden, fehlt es an einer tragfä- higen Beweisgrundlage. Nichts anderes gilt für die Vorfälle 4 und 26 vom 8. März und 13. August 2006. Hier bleibt offen, worauf das Landgericht seine Annahme stützt, dass diese Attacken nicht auf den Einsatz weiter gehender Gewalt angelegt gewesen seien.
11
Bei den Vortaten, derentwegen der Beschuldigte bestraft wurde, ist der Vorfall vom 27. September 2004 von Gewicht, bei dem der Beschuldigte eine Spielhallenaufsicht, die ein bestehendes Hausverbot durchsetzen wollte, mit beiden Händen am Hals packte und derart heftig würgte, dass ihr Atemnot, Schmerzen und zwei Tage anhaltende Schluckbeschwerden verursacht wurden. Nicht mehr zu den bloßen Belästigungen der Allgemeinheit gehört auch der Vorfall im Jahr 2003, bei dem der Beschuldigte einer Frau im Streit um geschenkte Ohrringe mehrere Faustschläge versetzte, die zu schmerzhaften Prellungen an Rücken und Hinterkopf sowie zu Schürfwunden am Arm führten. Wegen dieser Vorfälle wurden im Strafbefehlsverfahren zwar lediglich Geldstrafen von 120 bzw. 30 Tagessätzen verhängt. Die mäßige Höhe dieser Strafen beruht jedoch darauf, dass in beiden Fällen von einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten bei der Tatbegehung ausgegangen wurde, so dass hieraus nicht auf den Bagatellcharakter der zu Grunde liegenden Taten geschlossen werden kann.
12
In Übereinstimmung mit dem gehörten Sachverständigen geht das Landgericht davon aus, dass von dem Beschuldigten krankheitsbedingt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weitere Taten zu erwarten sind, die in ihrer Qualität den bereits festgestellten Taten entsprechen. Dies bedeutet aber, dass von dem Beschuldigten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne von § 63 StGB zu erwarten sind.
13
Bedenken begegnet im Übrigen auch die prognostische Differenzierung, dass zwar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weitere Taten vom Gewicht der Anlasstaten zu erwarten seien, sich jedoch keine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit schwerer Taten feststellen lasse. Insoweit beruft sich das Landgericht zwar auf die Beurteilung des psychiatrischen Sachverständigen. Bei der Gesamtwürdigung der konkreten Tatumstände bei den Anlasstaten wird jedoch nicht berücksichtigt, dass es jeweils dem besonnenen Verhalten der Tatbetroffenen, denen die Verhaltensweisen des Beschuldigten vertraut waren, zu verdanken war, dass es nicht zu einer weiteren Eskalation des Tatgeschehens kam. Letztlich hing es deshalb nicht von dem Verhalten des Beschuldigten, sondern von dem der Betroffenen und damit vom Zufall ab, ob die Tatsituationen eskalierten. Zudem darf bei der Gefährlichkeitsprognose nicht außer Betracht bleiben, dass von den irrationalen Verhaltensmustern des Beschuldigten nicht notwendigerweise nur solche Personen betroffen sind, die zum näheren Umfeld der Mitbewohner des Beschuldigten gehören, bei denen er mit seinen irrationalen Verhaltensweisen bekannt ist. VRi'inBGH Dr. Rissing-van Saan Bode Fischer ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert. Bode Roggenbuck Appl

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 493/04
vom
24. November 2004
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. November 2004 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 19. Juli 2004 mit den Feststellungen aufgehoben ; jedoch bleiben die Feststellungen zum Geschehensablauf der rechtswidrigen Tat aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Beschuldigten im Sicherungsverfahren nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Die Vollstreckung der Maßregel hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beschuldigte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat im Umfang der Beschlußformel Erfolg.

I.


Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Das Landgericht hat zur Anlaßtat festgestellt, der Beschuldigte habe zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 20. Mai 1997 und Mitte September 1997 im Schulgarten einer Volksschule zwei noch
nicht 14 Jahre alten Jungen eine pornographische Karte, auf der eine nackte Frau mit gespreizten Beinen abgebildet war, für den Fall angeboten, daß sie sich vor ihm entblößen würden. Die beiden Kinder hätten ihre Hose und Unterhose heruntergezogen, so daß der Beschuldigte für einige Sekunden ihr Geschlechtsteil habe sehen können. Im Anschluß daran habe der Beschuldigte seine Hose heruntergezogen und den Kindern sein Geschlechtsteil gezeigt. Er habe sie aufgefordert, seinen Penis anzufassen. Eines der beiden Kinder sei der Aufforderung gefolgt und habe den Penis des Beschuldigten kurz angefaßt, der dabei keine Erektion gehabt habe. Er habe daraufhin den Kindern die Pornokarte übergeben.
2. Der Beschuldigte habe für diese rechtswidrige Tat jedoch nicht bestraft werden können, weil er an einer seit 1997 chronifizierten paranoidhalluzinatorischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie leide. Die sachverständig beratene Strafkammer hat angenommen, die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten sei bei Begehung der Tat erheblich eingeschränkt gewesen; sie hat selbst die vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit nicht ausschließen können. Das Landgericht hat die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet, weil der Beschuldigte nicht krankheits- und behandlungseinsichtig sei und die erforderlichen Medikamente eigenmächtig absetze. Auch wenn sich aggressive Verhaltensweisen in der Vergangenheit weitgehend auf verbale Ausbrüche beschränkt hätten, zeigten diese Vorfälle das hohe Aggressionspotential des Beschuldigten. Ohne gezielte Behandlung seien mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten. Die Maßregel könne aber gemäß § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, da der Zweck der Maßregel, die medikamentöse Behandlung des Beschuldigten zur Verhinderung weiterer erheblicher Straftaten sicherzustellen, auch durch eine Unterbringung nach § 1906 BGB gewährleistet werden könne.

II.


Die Gefährlichkeitsprognose ist nicht tragfähig begründet.
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB ist eine den Betroffenen außerordentlich beschwerende Maßnahme. Nur Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinragen, rechtfertigen eine Unterbringung gemäß § 63 StGB (vgl. BVerfGE 70, 279, 312; BGHSt 27, 246, 248; BGH NJW 1989, 2959; st. Rspr.). Auch muß aufgrund einer umfassenden Würdigung von Tat und Täter eine höhere oder doch bestimmte, jedenfalls über die bloße Möglichkeit hinausreichende Wahrscheinlichkeit zu bejahen sein, daß der schuldunfähige Täter infolge seines Zustandes weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
1. Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich, ohne daß weitere Darlegungen erforderlich wären, aus dem Anlaßdelikt selbst ergeben, z. B. bei Verbrechenstatbeständen; auch bei Vergehen mag, ohne daß dies hier einer abschließenden Entscheidung bedürfte, eine solche Annahme vielfach naheliegen. Ergibt sich die Erheblichkeit der drohenden Taten nicht ohne weiteres aus dem Deliktscharakter als solchem, kommt es auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an, da das Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen hat (vgl. Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 63 Rdn. 15).
Die Kammer hat ihre Gefährlichkeitsprognose - was hier geboten war - nicht auf die Anlaßtat gestützt, sondern sich im wesentlichen auf die "überzeugende Einschätzung der Sachverständigen K. von der Gefährlichkeit des Beschuldigten" berufen, der sie sich vollumfänglich angeschlossen hat. Die Sachverständige, die den Beschuldigten im Rahmen der Beobachtung nach § 81 StPO exploriert hat, stützt ihre Erkenntnisse auf die Krankenunterlagen sowie auf ihre Eindrücke während der Beobachtung des Beschuldigten. Eine
gutachterliche Äußerung dieser Sachverständigen zu der An laßtat ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
Die Krankheit sei beim Beschuldigten im Jahre 1991 ausgebrochen; erstmals sei er 1993 aggressiv geworden. Während eines Aufenthalts im Bezirkskrankenhaus Landshut mußte er wegen fremdaggressiven Verhaltens auf eine andere Station verlegt werden. Im Zeitraum von Januar bis März 2002 habe der Beschuldigte stationär untergebracht werden müssen, weil er seine 72jährige Mutter die Treppe hinunter gestoßen habe, wodurch sich diese eine Schulterverletzung zugezogen habe. Im Mai 2002 sei er von Sanitätern zur stationären Behandlung gebracht worden, die bis August 2002 gedauert habe. Dabei habe er erneut aggressive Verhaltensweisen gezeigt, und er habe weibliches Personal mit anzüglichen Bemerkungen bedrängt.
2. Die Strafkammer hat die Anlaßtat aus dem Jahr 1997 als minder schweren Fall des sexuellen Mißbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 1 2. Halbsatz, Abs. 5 Nr. 3 StGB a. F. gewertet. Es ist nicht erörtert, ob zwischen der Anlaßtat und der von der Sachverständigen festgestellten Steigerung fremdaggressiven Verhaltens ein symptomatischer Zusammenhang besteht (vgl. BGH NStZ 1991, 528; 1985, 309; Stree in Schönke/Schröder aaO Rdn. 17 m. w. Nachw.). Auch das Verhalten des Beschuldigten gegenüber dem Pflegepersonal während seiner früheren Klinikaufenthalte reicht jedenfalls für sich nicht für die Erwartung aus, der Beschuldigte werde in Freiheit, also ohne die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit erhebliche, für die Allgemeinheit gefährliche Gewaltstraftaten begehen. Hinweise auf eine sich steigernde Aggressivität und eine Gefährlichkeit im Sinne von § 63 StGB könnten sich allerdings aus den Umständen ergeben, unter denen der Beschuldigte im Jahre 2002 seine 72jährige Mutter die Treppe hinuntergestoßen haben soll. Nähere Einzelheiten zu dem Vorfall teilen die Urteilsgründe nicht mit.
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus war deshalb aufzuheben. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird Gelegenheit haben, die Gefährlichkeitsprognose unter besonderer Berücksichtigung gerade der aktuellen Vorfälle neu zu bewerten.
Nack Wahl Boetticher Schluckebier Graf

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.

(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

5 StR 575/07

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 20. Februar 2008
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. Februar 2008, an der teilgenommen haben:
Richterin Dr. Gerhardt
alsVorsitzende,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
alsVerteidigerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 24. April 2007 wird verworfen.
Der Beschuldigte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, dabei aber die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet. Das Rechtsmittel, über das der Senat nach Terminsantrag des Generalbundesanwalts aufgrund einer Hauptverhandlung zu entscheiden hatte, bleibt entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat zu den Anlasstaten folgende Feststellungen getroffen :
3
Am 27. Januar 2005 schlug der Beschuldigte, dessen Einsichtsfähigkeit aufgrund einer paranoid-halluzinatorischen Psychose aufgehoben war, mit einem Stein das Schlafzimmerfenster seines ihm nur flüchtig bekannten Wohnungsnachbarn ein. Engere Kontakte oder Streitigkeiten gab es zwischen beiden nicht. Als der Nachbar ihn zur Rede stellte, holte der Beschuldigte aus seinem Hosenbund ein Messer mit einer 14 Zentimeter langen Klinge hervor. Unter Vorhalt des Messers drohte er seinem Nachbarn, ihn umzubringen. Dieser entfernte sich daraufhin. Sodann schlug der Beschuldigte mit einem Backstein die Glasscheibe in dessen Wohnungseingangstür ein.
4
Als die alarmierten Polizeibeamten eintrafen, den Beschuldigten befragten und der Nachbar das bei dem Beschuldigten im Hosenbund steckende Messer hervorzog, erregte sich dieser sehr. Er ergriff das Messer und hielt es auf die Polizeibeamten gerichtet, um sie zu bedrohen. Gegen die Versuche, ihm das Messer zu entwinden, wehrte er sich heftig und trat nach den Beamten, ohne sie jedoch zu treffen. Nach seiner Festnahme erzählte er den Polizeibeamten , er habe in seiner Wohnung noch eine Schusswaffe, CS-Gas, „MolotowCocktails“ , die er aus „persönlichen Gründen“ benötige, und Handgranaten. Tatsächlich wurden in seiner Wohnung eine Gaspistole, CS-Gas und zwei Bierflaschen aufgefunden, an denen sich Reste von Motorbenzin befanden. Eine der beiden Flaschen war zudem teilweise mit Sand gefüllt und mit einem Stofffetzen im Flaschenhals versehen.
5
2. Die Feststellung der rechtswidrigen Taten und deren Bewertung als Sachbeschädigung in zwei Fällen, Bedrohung, Bedrohung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und einen Verstoß gegen das Waffengesetz sind nicht zu beanstanden.
6
3. Auch der Maßregelausspruch hält rechtlicher Überprüfung stand.
7
a) Die Feststellungen des Landgerichts zur Schuldunfähigkeit sind noch ausreichend belegt und weisen eine nachvollziehbare und eindeutige Bewertung des Zustands des Beschuldigten aus.
8
Das sachverständig beratene Landgericht teilt hierzu – dem Sachverständigen folgend – mit, dass der Beschuldigte an einer paranoidhalluzinatorischen Psychose im Sinne einer krankhaften seelischen Störung leide, die bei den Taten zur Aufhebung der Einsichtsfähigkeit geführt habe. Das Urteil zeigt die wesentlichen Anknüpfungspunkte und Darlegungen des Sach- verständigen für diese Diagnose auf (BGHSt 34, 29, 31; BGH NStZ 2003, 307). Denn die wichtigsten Ergebnisse der wenige Wochen nach der Tat erfolgten Exploration werden geschildert, so u. a. dass der Beschuldigte „seinen Halluzinationen ausgeliefert“ gewesen sei, was zudem anschaulich durch die Angaben des Beschuldigten gegenüber dem Gutachter zu den Anlasstaten belegt wird.
9
Den Urteilsgründen lässt sich – jedenfalls im Gesamtzusammenhang – noch hinreichend entnehmen, wie das Krankheitsbild in der konkreten Tatsituation auf den Beschuldigten eingewirkt hat. Denn dass sich der Beschuldigte bei den Taten in einem akuten Schub der psychotischen Störung befunden hat, wird durch das dargelegte Nachtatverhalten und der unmittelbar anschließenden Unterbringung durch das Vormundschaftsgericht sowie der Diagnose der ihn dort behandelnden Ärzte – die mit der des Sachverständigen übereinstimmt – ausreichend deutlich. Das Landgericht hat entgegen der Auffassung der Revision eine von der Krankheit unbeeinflusste streitige Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und seinem Nachbarn ausgeschlossen. Weiterer „Erhebungen“ hierzu bedurfte es nicht.
10
b) Die Revision beanstandet ohne Erfolg, das Landgericht habe nicht ausreichend dargelegt, dass in der Zukunft von dem Beschuldigten infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Die auch insoweit sachverständig beratene Strafkammer ist zu ihrer Gefährlichkeitsprognose aufgrund einer nachvollziehbaren Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten und seiner Taten gelangt. Hierdurch wird die erforderliche Wahrscheinlichkeit höheren Grades hinsichtlich neuerlicher schwerer Störungen des Rechtsfriedens (BGH NStZ-RR 2006, 136; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16) trotz einzelner missverständlicher Formulierungen noch ausreichend belegt.
11
Die Strafkammer hat insoweit auf die sachverständige Prognose abgehoben , dass ohne ärztliche und medikamentöse Versorgung ein „Rückfall in das alte Krankheitsbild“ mit den entsprechenden Symptomen, die auch zu den An- lasstaten geführt hätten, drohe. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist hiermit nicht nur die bloße Möglichkeit, sondern eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit für die Begehung weiterer Taten umschrieben. Dies ergibt sich jedenfalls aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.
12
Das Landgericht hat nämlich festgestellt, dass die schwere psychische Erkrankung fortdauert (UA S. 11). Durch die Behandlung – zwangsweise Durchsetzung einer drei Monate währenden stationären Therapie und Gabe von Depotpräparaten mit engmaschiger Betreuung – habe zwischenzeitlich nur eine Remission, d. h. eine Rückbildung der Symptome dieser Erkrankung erreicht werden können (UA S. 10). Hieraus folgt, dass sich ohne die Behandlung auf dem Boden des fortbestehenden Störungsbildes die Symptome wieder bemerkbar machen würden, sofern nicht eine freilich äußerst unwahrscheinliche Heilung eintritt. Demgegenüber tritt der gegen eine Gefährlichkeit sprechende Umstand, dass es über einen Zeitraum von zwei Jahren und drei Monaten zu keinen neuen Taten gekommen ist, zurück.
13
Ob nach Beendigung der Medikation und dem damit verbundenen Wiederaufleben der Symptome sodann abermals – wie bei den Anlasstaten – ein akuter Schub der Krankheit eintreten wird, kann nur prognostisch beurteilt werden. Vor dem Hintergrund nicht nur der Anlasstaten, sondern auch der mitgeteilten Taten aus den Jahren 2002 und 2003, bei denen es aufgrund von Wahnideen zu teilweise erheblichen körperlichen Übergriffen gekommen ist, durfte das Landgericht zu einer negativen Gefährlichkeitsprognose gelangen. Denn hieraus ergibt sich, dass es bei dem noch jungen Beschuldigten ohne Behandlung bereits sehr häufig zu krankheitsbedingten Zuständen, in denen er rechtswidrige Taten begangen hat, gekommen ist und nur im Jahr 2004 eine gewisse Beruhigung eingetreten ist. Diese war aber nicht von Dauer, wie durch die Begehung der Anlasstaten dokumentiert wird. Aufgrund dieser Umstände ist belegt , dass das Landgericht nicht nur von der Möglichkeit, sondern von einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades (BGH NStZ-RR 2006, 136; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 11, 27) für die Begehung zukünftiger Taten ausgehen durfte und die Umschreibung als „gewisse Wahrscheinlichkeit“ nur eine unpräzise Formulierung darstellt.
14
c) Das Landgericht hat auch nicht verkannt, dass es für die Entscheidung , ob die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen ist, unerheblich ist, dass die von dem Beschuldigten ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit durch eine konsequente medizinische Behandlung abgewendet werden kann. Zutreffend ist es davon ausgegangen, dass ein solches täterschonendes Mittel Bedeutung erst für die Frage erlangt, ob die Vollstreckung der Maßregel gemäß § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann (BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 6, 28 und Beweiswürdigung 1).
Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer fremde

1.
Gebäude oder Hütten,
2.
Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,
3.
Warenlager oder -vorräte,
4.
Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,
5.
Wälder, Heiden oder Moore oder
6.
land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.