Bundesgerichtshof Urteil, 30. Aug. 2000 - 2 StR 85/00

bei uns veröffentlicht am30.08.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 85/00
vom
30. August 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. August
2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Niemöller,
Detter,
Rothfuß,
Hebenstreit
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 24. September 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, da er der H. GmbH & Co KG unberechtigterweise Fördermittel des W. verschafft habe.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet das Verfahren.

I.


Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Die Revision beanstandet zu Recht eine Verletzung der §§ 249, 261 StPO, weil ein Schriftstück , das dem Urteil zugrundegelegt wurde, nicht Gegenstand der Verhandlung gewesen ist.
Die Urteilsgründe nehmen mehrfach auf ein Schreiben der V. v om 16. November 1992 Bezug, das im Wortlaut wiedergegeben (UA S. 16/17) und zusätzlich als Anlage 3 dem Urteil beigefügt ist. Ausweislich der Sitzungsniederschrift (§ 274 StPO) wurde dieses Schreiben nicht im Wege des Urkundenbeweises verlesen oder in sonst zulässiger Weise (z. B. im Wege des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO) in die Hauptverhandlung eingeführt.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß das Urteil auf diesem Verstoß beruht. Zwar wurde das Schreiben der V. wiederholt Zeugen vorgehalten (vgl. Sitzungsniederschriften über die Vernehmung der Zeugen B. am 7. Mai 1999,Sch. am 20. Mai 1999 und L. am 28. Mai 1999). Unter Umständen kann ein Vorhalt an Zeugen, Sachverständige oder Angeklagte eine Beweiserhebung im Rahmen des Urkundenbeweises erübrigen, dies gilt aber nicht, wenn es auf den genauen Wortlaut ankommt (vgl. Kleinknecht /Meyer-Goßner 44. Aufl. § 249 Rdn. 28 m. w. N.). Dies ist hier der Fall. Die Strafkammer stützt auf den Wortlaut dieses Schreibens maßgeblich die Feststellung, daß eine für die Erlangung von Fördermitteln erforderliche Finanzierungsbestätigung einer Bank nicht vorlag und der Angeklagte dies wußte (UA S. 17 aE). Die Urteilsgründe belegen somit, daß der genaue Wortlaut des - allerdings nur zweiseitigen - Schreibens von erheblicher beweismäßiger Bedeutung war. Ein Vorhalt war deshalb kein geeignetes Verfahren zur Beweiserhebung , da in einem solchen Falle nicht die Urkunde selbst, sondern nur die dazu abgegebene Erklärung der Person, der sie vorgehalten wurde, Beweisgegenstand ist. Dazu kommt, daß dann, wenn in der Hauptverhandlung nicht verlesene Schriftstücke ohne Hinweis auf eine bestätigende Einlassung des Angeklagten oder eine solche Erklärung einer anderen Auskunftsperson im
Urteil wörtlich wiedergegeben werden, dies in der Regel darauf hindeutet, daß der Wortlaut selbst zum Zwecke des Beweises verwertet worden ist und nicht nur eine gegebenenfalls auf einen Vorhalt abgegebene Erklärung (vgl. BGH NStZ 1999, 424; vgl. auch BGH StV 1987, 421).
Das Urteil unterliegt somit schon auf Grund dieses Verfahrensverstoßes der Aufhebung, so daß der Senat offen lassen kann, ob und in welchem Umfang die übrigen geltendgemachten Verfahrensrügen ebenfalls durchgreifen könnten.

II.


Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
1. Macht das Tatgericht vom Selbstleseverfahren gemäß § 249 Abs. 2 StPO Gebrauch, darf hinsichtlich der Vorgehensweise nicht zwischen Berufsrichtern und Schöffen differenziert werden. Auch die Schöffen müssen tatsächlich vom Wortlaut der Urkunden Kenntnis genommen, diese also gelesen haben. Der Vorsitzende muß gemäß § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO die Feststellung über die Kenntnisnahme in das Protokoll aufnehmen. Dabei handelt es sich um eine wesentliche Förmlichkeit im Sinne des § 273 StPO (vgl. BGH, Beschl. v. 21. September 1999 – 1 StR 389/99 und v. 7. Juni 2000 – 3 StR 84/00). Formulierungen wie: "Die Schöffen haben vor der Verhandlung im Beratungszimmer vom Inhalt (der) Schriftstücke Kenntnis genommen" könnten den Schluß zulassen, daß den Anforderungen des § 249 Abs. 2 StPO nicht entsprochen worden ist.
2. Bezüglich des Zeugen Sch. liegt ein Vereidigungsverbot gemäß § 60 Nr. 2 StPO nahe. 3. Sachlich - rechtlich drängt sich die Annahme einer Unterlassungstat nicht auf.
4. Die berufliche Stellung eines Angeklagten darf nur dann im Rahmen der Strafzumessung zu seinen Lasten berücksichtigt werden, wenn zwischen dem Beruf und der Straftat eine innere Beziehung besteht (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 31 und Lebensumstände 10).
Jähnke Niemöller Detter Rothfuß Hebenstreit

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafprozeßordnung - StPO | § 273 Beurkundung der Hauptverhandlung


(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesu

Strafprozeßordnung - StPO | § 274 Beweiskraft des Protokolls


Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

Strafprozeßordnung - StPO | § 249 Führung des Urkundenbeweises durch Verlesung; Selbstleseverfahren


(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind. (2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen

Strafprozeßordnung - StPO | § 60 Vereidigungsverbote


Von der Vereidigung ist abzusehen 1. bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinde

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juni 2000 - 3 StR 84/00

bei uns veröffentlicht am 07.06.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 84/00 vom 7. Juni 2000 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und
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Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2001 - 2 StR 111/01

bei uns veröffentlicht am 09.05.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 111/01 vom 9. Mai 2001 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers u

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(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 84/00
vom
7. Juni 2000
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 7. Juni 2000 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 9. August 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und ein sichergestelltes Handy eingezogen. Mit der Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts wendet sich der Beschwerdeführer gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so daß es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt.
I. Nach den Feststellungen gehörte der Angeklagte zu den Hintermännern eines gescheiterten Rauschgiftgeschäftes, bei dem 30 kg Heroin und 1 kg Kokain für 670.000 DM an die polizeiliche Vertrauensperson B. v erkauft werden sollten. Nach deren Angaben kam es zu zahlreichen Treffen, bei denen für die Verkäuferseite unterschiedliche Personen tätig wurden. Der Angeklagte soll an fünf solcher Treffen teilgenommen und dabei neben weiteren im einzelnen dargestellten Handlungen die Vertrauenswürdigkeit des Scheinaufkäufers
B. überprüft und seine Beteiligung an dem geplanten Geschäft mit zunächst 10 bis 12 kg, dann mit 8 kg Heroin angegeben haben.
II. Die Beweiswürdigung unterliegt durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Täterschaft des nicht vorbestraften , die Tat bestreitenden Angeklagten auf die Angaben der Vertrauensperson , die diese gegenüber ihrem Führungsbeamten KHK E. in einer Vernehmung zwei Monate nach der Tat und in vier weiteren Nachvernehmungen während der Zeit der Hauptverhandlung gemacht und die dieser als Zeuge in der Hauptverhandlung wiedergegeben hat. Von der Glaubwürdigkeit der Vertrauensperson konnte sich die Strafkammer nicht unmittelbar selbst überzeugen , weil der zuständige Innenminister eine Sperrerklärung abgegeben hatte.
Das Urteil muß schon deshalb aufgehoben werden, weil der Tatrichter bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Vertrauensperson einen rechtlich fehlerhaften Maßstab angelegt hat. Die Strafkammer hat die bestreitende Einlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen durch die Angaben der Vertrauensperson , die durch eine "Vielzahl von Kriterien" gestützt würden und bei denen "sich im Laufe der Hauptverhandlung in keinem einzigen Punkt das Gegenteil zu der Darstellung der Vertrauensperson herausgestellt" habe (UA S. 22). In den im Laufe der Hauptverhandlung erforderlich gewordenen Nachvernehmungen , die "zu Modifikationen der Schilderung und ihrer Ergänzung durch zahlreiche Details geführt" habe, sei die Vertrauensperson "in keinem Punkt völlig von ihrer ursprünglichen Aussage abgerückt" (UA S. 19). Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß die Angaben der Vertrauensperson "nicht durch andere Beweismittel widerlegt worden" seien (u.a. UA S. 23, 25), andere
Beweismittel diesen ihren Angaben nicht entgegenstehen (UA S. 26, 27) oder ihre Richtigkeit in Frage stellten (UA S. 32). Damit ist den Anforderungen der Rechtsprechung an die Glaubwürdigkeitsüberprüfung einer Vertrauensperson nicht Genüge getan.
1. Zwar werden die Angaben der Vertrauensperson teilweise durch andere Beweismittel gestützt. Diese anderen Beweismittel betreffen jedoch nicht die Tatbeteiligung des Angeklagten, sondern Mitangeklagte und andere anderweitig verfolgte Tatverdächtige, die, so die früheren Mitangeklagten H. und Ha. , in Abrede gestellt haben, den Angeklagten zu kennen, oder bei denen dahinstehen könne (UA S. 31), ob sie den Angeklagten persönlich kennengelernt hätten.
Damit fehlt es an Beweismitteln, die die Aussage der Vertrauensperson einerseits in bezug auf seine Wahrnehmungen von der Tatbeteiligung des Angeklagten , andererseits von der Zugehörigkeit des Angeklagten zur Personengruppe der Verkäuferseite bestätigen.
2. In dieser besonderen Beweissituation darf die Strafkammer sich bei der Bildung ihrer Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten nicht darauf beschränken, festzustellen und im einzelnen zu begründen, daß und warum sie die Angaben der Vertrauensperson durch die Beweisaufnahme nicht für widerlegt erachtet. Vielmehr muß sie nachprüfbar darlegen, daß die nach ihrer Beurteilung glaubwürdigen Angaben der Vertrauensperson durch ein oder mehrere andere Beweismittel, die auf eine Tatbeteiligung des Angeklagten hinweisen, ihre Bestätigung finden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Beurteilung der Aussage eines Zeugen vom Hörensagen
besondere Vorsicht geboten. Handelt es sich bei den von dem Vetrauensperson -Führer bezeugten Angaben um diejenigen eines anonymen Gewährsmanns , so darf darauf eine Feststellung regelmäßig nur dann gestützt werden, wenn diese Angaben durch andere wichtige Beweisanzeichen bestätigt worden sind (BGHSt 42, 15, 25; 39, 141, 145 f.; 36, 159, 166 ff.; BVerfG NStZ 1995, 600 - jew. m. w. Nachw.).
III. Darüber hinaus leidet das Urteil an einem durchgreifenden Darstellungsmangel.
Das Urteil teilt nachvollziehbar mit, daß im Laufe der Hauptverhandlung Nachvernehmungen der Vertrauensperson erfolgen mußten, weil die Vertrauensperson bei ihrer Ursprungsvernehmung nicht wissen konnte, welche Punkte des sehr umfangreichen Sachverhalts, den sie schilderte, besondere Wichtigkeit erlangen könnten (UA S. 18). Im Anschluß daran heißt es: "Dies hat zu Modifikationen der Schilderung und ihrer Ergänzung durch zahlreiche weitere Details geführt, jedenfalls ist die Vertrauensperson in keinem Punkt völlig von ihrer ursprünglichen Aussage abgerückt" (UA S. 19). Sodann nimmt das Landgericht eine umfangreiche Beweiswürdigung vor, ohne indes deutlich zu machen , inwieweit es sich dabei um Modifikationen oder Ergänzungen handelte und welche Beweistatsache gemeint war, bei der die Vertrauensperson nicht völlig von ihrer ursprünglichen Aussage abgerückt ist. In diesem Zusammenhang verweist der Senat auf die in BGHSt 36, 159, 166, 167 niedergelegten Grundsätze. Angesichts der dargelegten Besonderheit der Beweisaufnahme kann das Revisionsgericht nicht nachprüfen, ob das Landgericht die Beweise rechtsfehlerfrei gewürdigt hat.
IV. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
1. Die Revision rügt einen Verstoß gegen §§ 249, 251 und 244 Abs. 2 StPO, weil der Vorsitzende die Einführung von Teilen der Vernehmung der Vertrauensperson im Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2 StPO angeordnet hat, ohne - was sich aus der Sitzungsniederschrift auch nicht ergibt - zu kontrollieren , ob die Schöffen von dem Inhalt dieser Vernehmungsprotokolle auch tatsächlich Kenntnis genommen haben. Damit liegt ein Verstoß gegen § 249 Abs. 2 StPO vor, weil der Vorsitzende feststellen muß, daß die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Schriftstücke Kenntnis genommen haben. Diese Feststellung ist gemäß § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO im Protokoll zu vermerken. Dabei handelt es sich um eine wesentliche Förmlichkeit im Sinne des § 273 StPO. Da schon die Sachrüge durchgreift, kann der Senat die Frage offen lassen , ob auf diesem Verfahrensverstoß das Urteil beruht.
2. Das Landgericht hat das Beweisbegehren auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, daß es unmöglich ist, zwischen 21.07 Uhr und 23.58 Uhr am gleichen Abend die Strecke Neuss, Further Straße und Frankfurt-Innenstadt und zurück mit einem schnellen Auto unter optimalen Verkehrsbedingungen zurückzulegen, als Beweisantrag behandelt und diesen als ohne Bedeutung zurückgewiesen, da keine zureichenden Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß das von der Vertrauensperson geschilderte Treffen in Frankfurt Innenstadt stattgefunden habe (Verfahrensrüge Nr. 17). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift fehlt es bei diesem Antrag nicht schon an der erforderlichen Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung (vgl. dazu BGHSt 43, 321, 329 f. m.w.Nachw.), da dem Antrag entnommen werden kann, daß durch das Be-
weismittel bewiesen werden sollte, daß der Angeklagte in dem angegebenen Zeitraum nicht an einem Treffen in Frankfurt teilgenommen haben konnte.
Entsprechendes gilt für die Verfahrensrügen Nr. 18 und 19.
3. Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Generalbundesanwalts, daß die Verfahrensrügen Nr. 24 bis 29 - in denen die Nichtverwertung aufgezeichneter und in der Hauptverhandlung abgehörter Telefongespräche zwischen dem Angeklagten und der Vertrauensperson, aufgezeichnete und als Urkunden verlesene Telefonate und als Urkunden verlesene Aussagen der Vertrauensperson beanstandet wird - keine verfahrensrechtlichen Verstöße belegen, sondern im Rahmen der Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge berücksichtigt werden müssen. Denn dem Revisionsführer darf nicht die Möglichkeit genommen werden, sein Rechtsmittel auf Verfahrensvorgänge zu stützen, die in den Urteilsgründen nicht behandelt werden.
4. Der Strafausspruch begegnet ebenfalls Bedenken. Die angesichts der gegen den nicht vorbestraften Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe von neun Jahren sehr knappen und meist formelhaften Strafzumessungsgründe lassen nicht erkennen, ob der Tatrichter alle wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte rechtsfehlerfrei gewürdigt und gegeneinander abgewogen hat. Im vorliegenden Fall hätte zudem ein Eingehen auf die Höhe der Strafen der Mitangeklagten nahegelegen, die trotz erheblich gewichtigerer Tatbeiträge, insbesondere trotz Fortführung des gescheiterten
Rauschgiftgeschäfts sowie weiterer Rauschgiftdelikte zu erheblich niedrigeren Freiheitsstrafen verurteilt worden sind (vgl. dazu BGHR StGB § 46 Zumessungsfehler 1; Wertungsfehler 23).
VRiBGH Kutzer ist krank RiBGH Dr. Rissing-van Saan ist Miebach und kann daher nicht in Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. unterschreiben. Winkler Winkler Winkler von Lienen

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

Von der Vereidigung ist abzusehen

1.
bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung vom Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben;
2.
bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet, oder der Beteiligung an ihr oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig oder deswegen bereits verurteilt sind.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.