Bundesgerichtshof Urteil, 30. Aug. 2000 - 2 StR 85/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, da er der H. GmbH & Co KG unberechtigterweise Fördermittel des W. verschafft habe.Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet das Verfahren.
I.
Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Die Revision beanstandet zu Recht eine Verletzung der §§ 249, 261 StPO, weil ein Schriftstück , das dem Urteil zugrundegelegt wurde, nicht Gegenstand der Verhandlung gewesen ist.
Die Urteilsgründe nehmen mehrfach auf ein Schreiben der V. v om 16. November 1992 Bezug, das im Wortlaut wiedergegeben (UA S. 16/17) und zusätzlich als Anlage 3 dem Urteil beigefügt ist. Ausweislich der Sitzungsniederschrift (§ 274 StPO) wurde dieses Schreiben nicht im Wege des Urkundenbeweises verlesen oder in sonst zulässiger Weise (z. B. im Wege des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO) in die Hauptverhandlung eingeführt.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß das Urteil auf diesem Verstoß beruht. Zwar wurde das Schreiben der V. wiederholt Zeugen vorgehalten (vgl. Sitzungsniederschriften über die Vernehmung der Zeugen B. am 7. Mai 1999,Sch. am 20. Mai 1999 und L. am 28. Mai 1999). Unter Umständen kann ein Vorhalt an Zeugen, Sachverständige oder Angeklagte eine Beweiserhebung im Rahmen des Urkundenbeweises erübrigen, dies gilt aber nicht, wenn es auf den genauen Wortlaut ankommt (vgl. Kleinknecht /Meyer-Goßner 44. Aufl. § 249 Rdn. 28 m. w. N.). Dies ist hier der Fall. Die Strafkammer stützt auf den Wortlaut dieses Schreibens maßgeblich die Feststellung, daß eine für die Erlangung von Fördermitteln erforderliche Finanzierungsbestätigung einer Bank nicht vorlag und der Angeklagte dies wußte (UA S. 17 aE). Die Urteilsgründe belegen somit, daß der genaue Wortlaut des - allerdings nur zweiseitigen - Schreibens von erheblicher beweismäßiger Bedeutung war. Ein Vorhalt war deshalb kein geeignetes Verfahren zur Beweiserhebung , da in einem solchen Falle nicht die Urkunde selbst, sondern nur die dazu abgegebene Erklärung der Person, der sie vorgehalten wurde, Beweisgegenstand ist. Dazu kommt, daß dann, wenn in der Hauptverhandlung nicht verlesene Schriftstücke ohne Hinweis auf eine bestätigende Einlassung des Angeklagten oder eine solche Erklärung einer anderen Auskunftsperson im
Urteil wörtlich wiedergegeben werden, dies in der Regel darauf hindeutet, daß der Wortlaut selbst zum Zwecke des Beweises verwertet worden ist und nicht nur eine gegebenenfalls auf einen Vorhalt abgegebene Erklärung (vgl. BGH NStZ 1999, 424; vgl. auch BGH StV 1987, 421).
Das Urteil unterliegt somit schon auf Grund dieses Verfahrensverstoßes der Aufhebung, so daß der Senat offen lassen kann, ob und in welchem Umfang die übrigen geltendgemachten Verfahrensrügen ebenfalls durchgreifen könnten.
II.
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
1. Macht das Tatgericht vom Selbstleseverfahren gemäß § 249 Abs. 2 StPO Gebrauch, darf hinsichtlich der Vorgehensweise nicht zwischen Berufsrichtern und Schöffen differenziert werden. Auch die Schöffen müssen tatsächlich vom Wortlaut der Urkunden Kenntnis genommen, diese also gelesen haben. Der Vorsitzende muß gemäß § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO die Feststellung über die Kenntnisnahme in das Protokoll aufnehmen. Dabei handelt es sich um eine wesentliche Förmlichkeit im Sinne des § 273 StPO (vgl. BGH, Beschl. v. 21. September 1999 – 1 StR 389/99 und v. 7. Juni 2000 – 3 StR 84/00). Formulierungen wie: "Die Schöffen haben vor der Verhandlung im Beratungszimmer vom Inhalt (der) Schriftstücke Kenntnis genommen" könnten den Schluß zulassen, daß den Anforderungen des § 249 Abs. 2 StPO nicht entsprochen worden ist.
2. Bezüglich des Zeugen Sch. liegt ein Vereidigungsverbot gemäß § 60 Nr. 2 StPO nahe. 3. Sachlich - rechtlich drängt sich die Annahme einer Unterlassungstat nicht auf.
4. Die berufliche Stellung eines Angeklagten darf nur dann im Rahmen der Strafzumessung zu seinen Lasten berücksichtigt werden, wenn zwischen dem Beruf und der Straftat eine innere Beziehung besteht (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 31 und Lebensumstände 10).
Jähnke Niemöller Detter Rothfuß Hebenstreit
moreResultsText
Annotations
(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.
(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.
(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.
(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.
(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.
(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.
(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.
(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.
(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.
(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.
Von der Vereidigung ist abzusehen
- 1.
bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung vom Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben; - 2.
bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet, oder der Beteiligung an ihr oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig oder deswegen bereits verurteilt sind.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.