Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 276/01
vom
29. August 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. August
2001, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Dr. Bode,
die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Elf
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 9. Januar 2001 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Vergewaltigung unter Verwendung eines anderen gefährlichen Werkzeugs" unter Einbeziehung von Geldstrafen aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie darüber hinaus wegen tateinheitlich begangener Beleidigung und Bedrohung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 45,-- DM verurteilt, das Verfahren in einem weiteren Fall eingestellt und den Angeklagten im übrigen freigesprochen. Gegen dieses Urteil richtet sich die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die - wie sich aus der Begründung ergibt - auf den Einzelstrafausspruch hinsichtlich der Vergewaltigung (Einzelstrafe zwei Jahre und vier Monate) sowie den Gesamtstrafausspruch beschränkt ist. Sie wendet sich mit der Sachrüge insbesondere gegen die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 177 Abs. 5 StGB durch das
Landgericht. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

II.

Der Angeklagte, der seit ca. 30 Jahren in Deutschland lebt, war von 1974/75 bis November 2000 mit der Nebenklägerin verheiratet. Beide sind türkische Staatsangehörige. In der zunächst harmonischen Ehe kam es ab 1995 zu erheblichen Spannungen, weshalb die Nebenklägerin im August 1998 aus der ehelichen Wohnung auszog und im Januar 1999 einen Scheidungsantrag beim Familiengericht einreichte. Im Juli 1999 kehrte sie auf Drängen der gemeinsamen Söhne in die eheliche Wohnung zurück, bestand aber auf getrennten Schlafzimmern und vereinbarte mit dem Angeklagten, daß es nicht zu sexuellen Kontakten kommen solle. Der Angeklagte hielt sich zunächst an die getroffene Verabredung. Ab August 1999 ruhte das Scheidungsverfahren vorerst , da die Eheleute um eine Aussöhnung bemüht waren. Am 11. November 1999 erklärte der Angeklagte der Nebenklägerin, daß er mit ihr "schlafen" wolle und sie in das gemeinsame Schlafzimmer zurückkehren solle. Als diese sein Ansinnen ablehnte, hielt er ihr ein ca. 15 cm langes Obstmesser an den Bauch und vollzog gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr bis zur Ejakulation mit ihr. Nachdem sie etwas später zusammen Kaffee getrunken hatten, ergriff der Angeklagte erneut das Messer, um mit der Nebenklägerin ein weiteres Mal - auch gegen ihren Willen - geschlechtlich zu verkehren , gab sein Vorhaben jedoch freiwillig wieder auf. Anschließend saßen beide noch einige Stunden zusammen.
In der Folgezeit kam es häufig zu Streitigkeiten zwischen den Eheleuten. Nachdem der Angeklagte die Nebenklägerin am 31. Dezember 1999 mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen und getreten hatte, zog diese endgültig aus der gemeinsamen Wohnung aus und erstattete Strafanzeige wegen Körperverletzung. Der Angeklagte beschimpfte die Nebenklägerin in den folgenden Monaten mehrfach und drohte ihr, sie umzubringen. Nach dem Scheidungstermin im Juli 2000 beruhigte sich die Situation weitgehend. Es kam zu mehreren Treffen zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin. Nach der Festnahme des Angeklagten bemühte sie sich um seine Freilassung und bat in der Hauptverhandlung mehrfach, daß er keine hohe Strafe erhalten solle, um die Familie nicht noch weiter auseinanderzubringen.

III.

Die Strafkammer, die das Geschehen rechtlich zutreffend als Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Abs. 4 StGB gewürdigt hat, hat die Strafe dem Strafrahmen des § 177 Abs. 5 StGB - ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe - entnommen. Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens und die Strafzumessung halten rechtlicher Prüfung stand.
1. Für die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall angenommen werden kann, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgebend , ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle so sehr abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Hierzu ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat
und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen , sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (BGHSt 26, 97, 98; BGH NStZ 2000, 254; BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 1, 5, 6). Dabei obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, welches Gewicht er den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den Erschwerungsgründen beimißt; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (BGH, Urt. v. 26. Juni 2001 - 5 StR 151/01; BGH NStZ 1982, 26; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung 8). Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei zahlreiche gewichtige Strafmilderungsgründe dargelegt. Entgegen der Auffassung der Revision konnte es die langjährige eheliche Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin berücksichtigen. Daß es seit zwei Jahren nicht mehr zu sexuellen Kontakten zwischen den Eheleuten gekommen war, hat es nicht übersehen. Nach den Urteilsfeststellungen wollte der Angeklagte die Nebenklägerin durch die Tat nicht bestrafen oder seine "Rechte" demonstrieren, sondern sehnte sich nach ihrer Zuneigung. Nach der Rückkehr der Nebenklägerin hatte er gehofft, sie zurückzugewinnen und ein normales Eheleben führen zu können.
Die Kammer hat auch nicht in Frage gestellt, daß für den Angeklagten als türkischen Staatsangehörigen in Deutschland das deutsche Strafrecht verbindlich ist. Es durfte aber strafmildernd werten, daß der Angeklagte zur Begehung dieser Tat eine geringere Hemmschwelle zu überwinden hatte. Sowohl der Angeklagte als auch die Nebenklägerin stammen aus einem anderen Kulturkreis mit auf dem Islam basierenden Wertvorstellungen und waren trotz ihres langen Aufenthalts in Deutschland dem traditionellen Rollenverständnis verhaftet, bei dem von der Ehefrau Unterordnung und Gehorsam erwartet wird. So hatte etwa die Nebenklägerin den Angeklagten zu fragen, wenn sie Besu-
che bei Verwandten oder Bekannten beabsichtigte. Auch die Nebenklägerin hatte die Vergewaltigung nicht zum Anlaß genommen, aus der Wohnung auszuziehen , wie sie es einige Zeit später nach Mißhandlungen des Angeklagten tat.
Schließlich konnte die Strafkammer auch aus der Tatsache, daß die Nebenklägerin erst zwei Monate später anläßlich einer Körperverletzung aus der gemeinsamen Wohnung auszog und erst im Rahmen dieser Strafanzeige eher beiläufig auch die Vergewaltigung erwähnt hat, sowie den weiteren Treffen nach der Trennung den Schluß ziehen, daß sie aus der Vergewaltigung keine nachhaltigen psychischen oder körperlichen Schäden davongetragen hat.
Das Landgericht hat allerdings bei der Erörterung des minder schweren Falls die straferschwerenden Gesichtspunkte nicht ausdrücklich erwähnt. Dazu gehörte hier insbesondere die Verwirklichung des Regelbeispiels des § 177 Abs. 2 StGB. Daß die Kammer die straferschwerenden Umstände übersehen haben könnte, ist jedoch auszuschließen. Denn sie hat nicht nur die Tat ausführlich geschildert und rechtlich zutreffend als Vergewaltigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs nach § 177 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB eingeordnet, sondern die erschwerenden Umstände bei der konkreten Strafzumessung ausdrücklich erörtert, so daß ihr diese Gesichtspunkte auch zuvor bei der Bestimmung des Strafrahmens nicht entgangen sein können. Aus einer Gesamtschau der Urteilsgründe ergibt sich vielmehr, daß der Kammer trotz der straferschwerenden Umstände die Anwendung des Normalstrafrahmens des § 177 Abs. 4 StGB (mit einer Mindeststrafe fünf Jahren Freiheitsstrafe) wegen des überragenden Gewichts der Strafmilderungsgründe unangemessen hart erschien.

Zutreffend weist die Revision allerdings darauf hin, daß der Tatrichter, soweit er im Fall der Verwirklichung des Qualifikationstatbestands des § 177 Abs. 4 StGB einen minder schweren Fall nach Absatz 5 annehmen will, dann, wenn zugleich ein Regelbeispiel nach Absatz 2 gegeben ist, berücksichtigen muß, daß Absatz 2 einen schärferen Strafrahmen als Absatz 5 2. Halbsatz vorsieht. Kommt er daher zum Strafrahmen des Absatzes 5, so hat er die Untergrenze des § 177 Abs. 2 StGB zu beachten, wenn dieser Strafrahmen ohne das Vorliegen der Qualifikation nach Absatz 4 gegeben wäre, da nur so Wertungswidersprüche vermieden werden können (BGH NStZ 2000, 419; BGH, Urt. v. 16. August 2000 - 2 StR 159/00; BGH, Urt. v. 11. Juli 2001 - 3 StR 214/01). Daß das Landgericht sich damit nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat, gefährdet den Bestand des Urteils hier nicht. Denn das Vorliegen eines Regelbeispiels nach Absatz 2 schließt die Annahme einer Strafrahmenuntergrenze von einem Jahr nach Abs. 5 2. Halbsatz nicht grundsätzlich aus, vielmehr können gewichtige schuldmindernde Umstände auch die Abweichung von der in Absatz 2 vorgesehenen Strafuntergrenze rechtfertigen. Eine solche Sachverhaltsgestaltung hat das Landgericht hier ersichtlich angenommen. Es hat gerade auch Gesichtspunkte angeführt, die die Verwirklichung des Regelbeispiels nach Absatz 2 als minder schwer erscheinen lassen und ausdrücklich ausgeführt, daß trotz der Verwirklichung des Regelbeispiels nach § 177 Abs. 2 StGB es die Verhängung einer höheren Freiheitsstrafe nicht für gerechtfertigt halte, da "der Tat... im Verhältnis zu anderen Fällen der Vergewaltigung kein derart hoher Stellenwert" zukomme (UA S. 29 3. Absatz). Diese Wertung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht hinzunehmen.
Die Strafzumessung weist auch im übrigen keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat bei der Bemessung der Einzelstrafe für die Vergewaltigung alle wesentlichen belastenden und entlastenden Gesichtspunkte ausführlich abgewogen. Die Strafe unterscheidet sich auch von den in vergleichbaren Fällen üblicherweise verhängten Strafen nicht so erheblich, daß der mit ihr verfolgte Zweck des Schutzes der Rechtsordnung durch gerechten Schuldausgleich nicht mehr erreicht werden könnte. Die von der Revision vorgetragenen weiteren straferschwerenden Gesichtspunkte sind urteilsfremd und können im Revisionsverfahren keine Berücksichtigung finden. 3. Einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der nach § 301 StPO auch zugunsten des Angeklagten wirkenden Revision der Staatsanwaltschaft nicht ergeben.
Jähnke Detter Bode Otten Elf

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(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

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(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

5 StR 151/01

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 26. Juni 2001
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juni
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B
als Verteidiger,
Rechtsanwalt V
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 21. November 2000 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Annahme eines minder schweren Falles (§ 177 Abs. 5 StGB) und erstrebt die Verurteilung des Angeklagten zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Strafe. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens und die Strafzumessung halten rechtlicher Prüfung stand.
1. Daß die Strafkammer einen minder schweren Fall der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 5 StGB angenommen hat, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.
Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorhandenen Fälle so sehr abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten scheint (BGHR StGB § 177 Abs. 2 – Strafrahmenwahl 1, 5, 6, 8, 10). Dabei obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, welches Gewicht er den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den Erschwerungsgründen beimißt. Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen , ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Das ist hier nicht der Fall.
Die Strafkammer hat die für ihre Wertung bestimmenden Umstände dargelegt und gegeneinander abgewogen. Dabei hat sie das erhebliche Gewicht der Straferschwerungsgründe – die Brutalität der Tatausführung, den Einsatz mehrerer Tatwerkzeuge und die Todesangst der Nebenklägerin – nicht verkannt. Diesen strafschärfenden Zumessungstatsachen hat das Landgericht jedoch eine Vielzahl von Milderungsgründen gegenübergestellt, die nach seiner Auffassung die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigen. Ausschlaggebend waren die Unbestraftheit des 72jährigen Angeklagten, die geringe Intensität der sexuellen Handlungen, die Tatsache, daß er durch sein unmittelbar nach der Tat gegenüber seiner Lebensgefährtin abgegebenes “Geständnis” Hilfsmöglichkeiten für das Opfer habe eröffnen wollen, sowie der Umstand, daß er sich bei Eintreffen der Polizeibeamten sofort zu der Tat bekannt und dieses Schuldgeständnis bei den weiteren Vernehmungen und im Haftprüfungstermin wiederholt habe. Als weitere auch für die Höhe der Freiheitsstrafe bestimmende Milderungsgründe führt die Strafkammer an, daß die Nebenklägerin keine schwerwiegenden Verletzungen erlitten habe, daß der Angeklagte an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung leide, und schließlich, daß er bei Verlassen des Schuppens das frierende Opfer zugedeckt habe. Angesichts dieser Strafmilderungsgründe ist die vom Landgericht vorgenommene Gewichtung gerade noch vertretbar und daher im Ergebnis vom Revisionsgericht hinzunehmen (zum Zusammentreffen mehrerer Milderungsgründe bei der Strafrahmenwahl vgl. BGHR StGB § 178 Abs. 2 – Strafrahmenwahl 2).
Ein Rechtsfehler liegt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht in der vom Landgericht vorgenommenen Bewertung des Einlassungsverhaltens des Angeklagten. Der Revision ist zwar zuzugeben, daß die ursprünglich umfassend geständigen Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren durch seine Einlassung in der Hauptverhandlung relativiert wurden. Das Landgericht hat jedoch bei der positiven Berücksichtigung des Einlassungsverhaltens des Angeklagten in erster Linie darauf abgestellt, daß er sich zu einem sehr frühen Zeitpunkt offenbart hat, um eine Befreiung der Nebenklägerin aus ihrer vermeintlich noch anhaltenden Notlage zu ermöglichen. Insgesamt war das Prozeßverhalten des Angeklagten vor dem Hintergrund seiner geständigen Angaben im Ermittlungsverfahren und seiner schwierigen Persönlichkeitsstruktur nicht überzubewerten.
2. Schließlich ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat. Angesichts der festgestellten Strafzumessungstatsachen durfte das Landgericht bei einer Gesamtbetrachtung ohne Wertungsfehler zu dem Ergebnis kommen, daß hierin besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB zu sehen sind. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Unbestraftheit des Angeklagten, seine altersbedingte erhöhte Haftempfindlichkeit, die sechsmonatige Untersuchungshaft und die besonders günstige Prognose (vgl. BGH StV 1990, 496; BGHR StGB § 56 Abs. 1 – Sozialprognose 5). 3. Durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten (§ 301 StPO) enthält das angefochtene Urteil nicht. Daß die Strafkammer die Frage uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten anhand des Tatbildes nicht weiter hinterfragt hat, kann sich angesichts der außerordentlich milden Sanktionierung nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Brause

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 159/00
vom
16. August 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. August
2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Hebenstreit
als beisitzende Richter,
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 1. Dezember 1999 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Strafausspruch,
b) soweit neben dem Tatmesser noch andere Gegenstände eingezogen wurden. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs in Tateinheit mit Körperverletzung und Freiheitsberaubung (§ 177 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, §§ 223, 239 StGB) zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und Gegenstände (Klappmesser u.a.) eingezogen. Das Landgericht hat hierzu festgestellt:
Der Angeklagte vereinbarte mit Frau B., die als Prostituierte auf dem Straßenstrich tätig war, normalen Geschlechtsverkehr und Oralverkehr gegen Entgelt. Den zunächst verlangten Analverkehr lehnte sie wiederholt ab. Der Angeklagte fuhr mit Frau B. in seinem Pkw auf einen Feldweg. Dort lehnte sie Analverkehr nochmals ab. Daraufhin holte der Angeklagte ein Klappmesser hervor. Als Frau B. urinieren mußte, stieg der Angeklagte mit ihr aus, damit sie nicht fliehen konnte. Danach hielt ihr der Angeklagte das aufgeklappte Messer in die Nähe des Halses, warf sie mit einem Schlag gegen den Kopf zu Boden und vollzog gegen ihren Willen den Analverkehr. Als Frau B. sich umdrehen wollte, schlug er ihr mit der Hand ins Gesicht. Durch die beiden Schläge erlitt Frau B. Prellungen. Unter der noch andauernden Wirkung der Bedrohung mit dem Messer und der beiden Schläge stieg Frau B. auf die Aufforderung des Angeklagten wieder in das Fahrzeug. Der Angeklagte schloß die Zentralverriegelung und vollzog gegen den Willen von Frau B. erneut den Analverkehr. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Sie wendet sich mit der Sachrüge gegen die Bemessung der Freiheitsstrafe, insbesondere gegen die Annahme eines minder schweren Falls der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 5 Halbsatz 2 StGB) und - zu Gunsten des Angeklagten - gegen die Einziehungsanordnung, soweit sie nicht das Tatmesser betrifft. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

II.

Die Strafzumessung hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Annahme eines minder schweren Falls der Vergewaltigung ist mit der gegebenen Begründung rechtsfehlerhaft. Die Entscheidung der Frage, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, erfordert eine Gesamtbetrachtung, bei der alle
Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen , sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (BGHSt 26, 97, 98 f. und st. Rspr.). Das Landgericht hat jedoch weder bei der Wahl des Strafrahmens, noch bei der Strafzumessung im engeren Sinne bedacht, daß der Angeklagte ein Regelbeispiel nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht hat. Das Vorliegen eines Regelbeispiels schließt die Annahme eines minder schweren Falls nach § 177 Abs. 5 Halbsatz 2 StGB zwar nicht grundsätzlich aus, wird aber vielfach der Annahme eines minder schweren Falls entgegenstehen (BGH NStZ 2000, 419). Soweit der Tatrichter im Fall der Verwirklichung des Qualifikationstatbestands des § 177 Abs. 4 StGB einen minder schweren Fall im Sinne des Absatzes 5 annehmen will, hat er, wenn ein Regelbeispiel nach Absatz 2 (hier Vergewaltigung) gegeben ist, zu berücksichtigen, daß Absatz 2 einen schärferen Strafrahmen vorsieht als Absatz 5 Halbsatz 2. Andernfalls entstünde nämlich ein Wertungswiderspruch, weil derjenige Täter, der über das Regelbeispiel hinaus noch einen Qualifikationstatbestand erfüllt, günstiger gestellt wäre als der Täter, der kein Qualifikationsmerkmal erfüllt hat. Wählt der Tatrichter daher den Strafrahmen des Absatzes 5, so hat er die Untergrenze des § 177 Abs. 2 StGB zu beachten, wenn dieser Strafrahmen ohne das Vorliegen der Qualifikation des Absatzes 4 gegeben wäre (vgl. BGH a.a.O.). Durch den zweifachen Analverkehr hat der Angeklagte das Regelbeispiel wiederholt erfüllt. Im Hinblick auf das Gewicht der erzwungenen sexuellen Handlungen sind nach den bisherigen Feststellungen keine schuldmindernden Umstände erkennbar, die ein Abweichen von der in Absatz 2 vorgegebenen Strafrahmenuntergrenze rechtfertigen könnten. Das Landgericht hat daher bei der zur Prüfung eines minder schweren Falls gebotenen Gesamtbetrachtung einen wesentlichen Ge-
sichtspunkt nicht berücksichtigt und ist bei der konkreten Strafzumessung von einer zu niedrigen Strafrahmenuntergrenze (ein Jahr statt zwei Jahre Freiheitsstrafe ) ausgegangen. Es ist nicht völlig auszuschließen, daß das Landgericht ohne diese Fehler einen minder schweren Fall verneint und eine höhere Strafe festgesetzt hätte, zumal es das untere Drittel des verfügbaren Strafrahmens voll ausschöpfen wollte. Da der Strafausspruch schon aus diesem Grund keinen Bestand haben kann, kommt es auf die vom Generalbundesanwalt in seinem Terminsantrag näher dargelegten bedenklichen Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme eines minder schweren Falls begründet hat, nicht mehr an. Das gilt insbesondere für die Erwägung, daß Frau B. als Prostituierte grundsätzlich zum Geschlechtsverkehr bereit gewesen sei, so daß der Eingriff in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht weniger schwer wiege. Gegen eine solche Begründung hat der Senat bereits Bedenken erhoben (BGH NStZ-RR 1998, 326). Bei der Gewichtung des Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung sind aber die Auswirkungen der Tat für das Tatopfer zu berücksichtigen. Hier kann deshalb zu Gunsten des Angeklagten das im Urteil festgestellte versöhnliche Verhalten von Frau B. in der Hauptverhandlung von Bedeutung sein, mit dem sie die Entschuldigung des Angeklagten angenommen hat (UA S. 5).

III.

Soweit die Einziehungsentscheidung nicht das zur Tat verwendete Klappmesser betrifft, kann sie keinen Bestand haben. Das Urteil teilt weder mit, welche weiteren Gegenstände eingezogen werden sollen, noch werden die
gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung (§§ 74 ff. StGB) dargelegt. Ihre revisionsrechtliche Prüfung ist somit nicht möglich.
Jähnke Detter Bode Otten Hebenstreit

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.