Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2003 - 1 StR 529/02

bei uns veröffentlicht am13.05.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 529/02
vom
13. Mai 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Mai 2003,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- für den Angeklagten K. -
Rechtsanwalt
- für die Angeklagte T. -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 26. Juli 2002 werden verworfen. Die Beschwerdeführer tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel sowie die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen. Die Formel des landgerichtlichen Urteils wird in III. wie folgt ergänzt : "Hinsichtlich der weitergehenden Schmerzensgeld- und Zinsforderung des Nebenklägers wird von einer Entscheidung abgesehen." Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten A. K. - unter Freisprechung im übrigen - wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen und wegen Körperverletzung in fünf Fällen, in zwei der Fälle in Tateinheit mit Freiheitsberaubung , zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die Angeklagte S. T. hat das Landgericht wegen schweren se- xuellen Mißbrauchs von Kindern in drei Fällen sowie wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auch sie wurde im übrigen freigesprochen.
Außerdem wurden die Angeklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,-- nsen über dem Basiszinssatz seit dem 14. Juni 2002 zu bezahlen.
Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat festgestellt:
Der im Januar 1993 geborene Nebenkläger J. K. ist Sohn des seit 1998 von der Mutter des Kindes geschiedenen Angeklagten A. K. . Seit Mai 2000 lebte dieser mit der Angeklagten S. T. zusammen und zwar vom 16. Juli 2000 bis 24. Juni 2001 in einer Wohnung in E. . J. K. besuchte seinen damals gemeinsam mit der Mutter sorgeberechtigten Vater regelmäßig in der Wohnung der Angeklagten. Dort wurde das Kind in der Zeit von Sommer 2000 bis Ende Juni 2001 von den Angeklagten körperlich mißhandelt und sexuell mißbraucht. An im einzelnen nicht mehr genau feststellbaren Tagen - "die letzte solche Handlung geschah in den bayerischen Pfingstferien 2001" - ereignete sich zumindest folgendes:
Zweimal steckte der Angeklagte A. K. einen Finger in den Anus seines Sohnes, der hierzu von der - insoweit nicht angeklagten - S. T. auf dem Bett der Angeklagten festgehalten wurde, und "popelte darin herum". Ein weiteres Mal machte dies der Angeklagte A. K. in Abwesenheit der Angeklagten. Einmal geschah dies durch die Angeklagte S. T. , während A. K. Zigaretten holte. An zwei anderen Tagen nahm die Angeklagte S. T. den Penis des Kindes in den Mund und lutsche daran, während der insoweit nicht angeklagte A. K. diesem die Augen zuhielt. Außerdem fesselten die Angeklagten J. K. mindestens zwei Mal mit Ketten - sie hingen an der Wand des Schlafzimmers - an Armen und Füßen sowie über den Bauch an einen Stuhl, verbanden ihm mit einem Tuch die Augen und ließen ihn so jeweils etwa eine Stunde lang alleine sitzen. J. verspürte Angst und Schmerzen. An drei weiteren Tagen schlug der Angeklagte A. K. dem Kind in der Küche mit einer stets auf dem Eßtisch bereit liegenden Schöpfkelle - Gedächtniskeule genannt - kräftig schmerzhaft auf den Kopf.
Mit Ausnahme eines vom Angeklagten A. K. eingeräumten Schlages mit der Schöpfkelle bestreiten die Angeklagten die Tatvorwürfe. Insbesondere stellen sie jeglichen sexuellen Mißbrauch in Abrede. Die Strafkammer stützt sich bei Ihren Feststellungen zum Tatgeschehen im wesentlichen auf die "glaubhaften und unbefangenen" Angaben von J. K. .

II.


1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen erfolglos.

2. Auch die Überprüfung des Urteils des Landgerichts aufgrund der Sachrüge deckt bei beiden Angeklagten keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu deren Nachteil auf. Insbesondere genügt die Beweiswürdigung den Anforderungen , die an die Bewertung der Glaubhaftigkeit der Aussage eines Hauptbelastungszeugen zu stellen sind, wenn im wesentlichen Aussage gegen Aussage steht, objektive Beweisanzeichen fehlen und die Strafkammer im Hinblick auf ihre Aufklärungspflicht die Zuziehung eines aussagepsychologischen Sachverständigen für geboten erachtet hat (vgl. dazu BGHSt 45, 164; BGH, Urteil vom 23. Oktober 2002 - 1 StR 274/02). Die Strafkammer würdigt - wenn auch knapp - alle hier in Betracht kommenden Gesichtspunkte, die gegen einen fehlenden Erlebnishintergrund der Angaben des Kindes sprechen (Unwahrhypothese ). Sie setzt sich ebenso mit der Aussagegenese auseinander, wie mit wechselnden Darstellungen, Fehlerinnerungen und Widersprüchen in den Angaben des kindlichen Zeugen. Dabei stützt sich die Strafkammer nicht nur auf das Sachverständigengutachten - deren Anknüpfungstatsachen und sonstige zum Verständnis und zur Beurteilung der Schlüssigkeit notwendigen Aspekte sie im hier gebotenen Umfang mitteilt - einer Psychologin sowie ergänzend auf die sachverständigen Darlegungen eines Kinderarztes und Psychologen , sondern auch auf die Beobachtungen des behandelnden Kinderarztes und der Lehrerin des Kindes sowie weiterer sachkundiger Zeugen, die dieses betreuten oder behandelten. Die Strafkammer erkennt in J. K. schließlich "ein aufgewecktes, frisches und auch kontaktfreudiges, örtlich und zeitlich orientiertes, aussagetüchtiges" - und schon gar nicht geisteskrankes - Kind, das sich in der Hauptverhandlung ohne Scheu zunächst spontan, bei Rückfragen überlegt äußerte und dessen Aussage im Kernbereich von Kon-
stanz und Detailreichtum geprägt ist und insoweit tatsächlich Erlebtes wiedergibt.
Rechtsfehlerfrei gelangt die Strafkammer schließlich zu folgender Bewertung : "Die Entstehung der Aussage von J. K. deutet nicht darauf hin, daß das Kind von seiner Mutter zu einer Belastung der beiden Angeklagten beeinflußt worden wäre." Die Angaben des aussagetüchtigen Zeugen J. K. "gegenüber der Kriminalpolizei, der Sachverständigen und dem Gericht sind im Kernbereich konstant geblieben. Gegenstand der Aussage waren jeweils Schläge seines Vaters mit der Schöpfkelle, das gemeinschaftliche Fesseln im Schlafzimmer sowie der sexuelle Mißbrauch durch Oralverkehr seitens der Angeklagten T. und das Eindringen in seines Anus durch einen Finger seines Vaters." Die detailreichen Schilderungen des Jungen weisen signifikante Realkennzeichen auf mit raum-zeitlichen Verknüpfungen sowie Interaktionsschilderungen. Vor diesem Hintergrund wird - wie die Strafkammer im einzelnen überzeugend darlegt - die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht dadurch erschüttert, daß er sich hinsichtlich der Anzahl der Tathandlungen nicht genau erinnerte, sich bei der Anordnung der Möblierung teilweise irrte, sich bezüglich des Ortes der Fesselung im Schlafzimmer und der Anzahl sowie der Länge der dabei verwendeten Ketten korrigierte, sich über die Beschädigungen an der Schlafzimmertür bei seinem - im übrigen besonders plastisch und überzeugend geschilderten - Versuch, seine Schwester, zu befreien, falsche Vorstellungen machte, und er die weitere Tathandlung der Angeklagten S. T. erst in der Hauptverhandlung benannte. Erinnerungsdefizite zu verschleiern oder zu beschönigen, versuchte er nie.
Der mangelnden Erinnerung des geschädigten Kindes an die genaue Zahl der Übergriffe der Angeklagten hat die Strafkammer in der Konsequenz zutreffend dadurch Rechnung getragen, daß sie die Verurteilung auf die zweifelsfrei sicher feststellbare Mindestzahl von Taten beschränkte und die Angeklagten im übrigen freisprach, beziehungsweise - hinsichtlich des auch bei S. T. angeklagten Vorwurf des Schlagens mit der Schöpfkelle - das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt hat.

III.


Die Verurteilung der Angeklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld ist frei von Rechtsfehlern. Beide haften als Gesamtschuldner. Die Strafkammer hat zwar zur Begründung des Anspruchs auch auf den durch die einzelnen Tathandlungen - etwa die Schläge mit der Schöpfkelle allein durch den Angeklagten A. K. - unmittelbar verursachten Schmerz abgestellt. Ausschlaggebend waren jedoch die infolge aller Taten - insbesondere derjenigen des sexuellen Mißbrauchs - und deren unmittelbare Auswirkungen insgesamt verursachten länger andauernden körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen , wie Angstzustände, Alpträume, erhöhte Aggressivität und Einkoten. Dies haben beide Angeklagte gemeinsam verursacht. Für die Entschädigung hierfür (§ 847 Abs. 1 BGB) haften sie deshalb als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB) und zwar - zumindest - in den beiden Fällen der Fesselung an den Stuhl als Mittäter (§ 830 Abs. 1 BGB), im übrigen als Nebentäter (vgl. Palandt - Thomas BGB 61. Aufl. § 840 Rdn. 2).
Das Landgericht hat der bezifferten Schmerzensgeldforderung ("minde- ! " $# %'&' ( ) * # + ', -/. %'&1032 4 %'&5 6 * stens 12.500,-- 7 8 9 * )&4 -3# . vollem Umfang, sondern nur in Höhe von 10.000,-- entsprochen. Zutreffend hat die Strafkammer davon abgesehen, die weitergehende Klage in der Urteilsformel abzuweisen, sie hat vielmehr - im Ergebnis - von einem Ausspruch über den weitergehenden Antrag abgesehen (§ 405 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StPO). Denn im Adhäsionsverfahren kommt - entgegen den mißverständlichen Ausführungen des Landgerichts in den Urteilsgründen - eine Klageabweisung nicht in Betracht. Der Nebenkläger kann, soweit seinem Antrag nicht entsprochen wurde, sein Ziel anderweitig weiter verfolgen (§ 406 Abs. 3 Satz 2 StPO). Der Sache nach handelt es sich hier bei der Entscheidung der Strafkammer im Adhäsionsverfahren um ein Teilendurteil (vgl. LRHilger StPO 25. Aufl. § 406 Rdn. 8; Rieß, Das neue Strafverfahrensrecht, NStZ 1987, 145 [156]). Das - auch teilweise - Absehen von einer Entscheidung ist im Hinblick auf § 406 Abs. 3 Satz 2 StPO zur Verdeutlichung ausdrücklich zu tenorieren. Denn dieser Ausspruch - Absehen von einer Entscheidung - beendet die Rechtshängigkeit des vermögensrechtlichen Anspruchs (LR-Hilger StPO 25. Aufl. § 405 Rdn. 15). Der Senat hat deshalb die Formel des landgerichtlichen Urteils entsprechend ergänzt.
Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 274/02
vom
23. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Oktober
2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Staatsanwalt ,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 14. Dezember 2001 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts München II zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Jugendlichen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen richten sich die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, die zu Ungunsten des Angeklagten auch eine Verurteilung wegen Vergewaltigung erstrebt. Beide Rechtsmittel haben Erfolg. Die Beweiswürdigung des Landgerichts leidet unter durchgreifenden rechtlichen Mängeln. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann überdies die Verneinung einer Vergewaltigung keinen Bestand haben.

I.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte einen Haustechnikbetrieb inne. In einer Ferienwoche der Pfingstschulferien leistete die am 2. November 1985 geborene M. H. , die zur Vor- fallszeit 14 Jahre und 7 ½ Monate alt war, bei dem Angeklagten, der mit ihrer Familie bekannt war, eine sogenannte Schnupperlehre ab. Am Nachmittag des ersten Tages des von Montag bis Freitag dauernden Betriebspraktikums bog er mit seinem "Van" vom Typ Chrysler Voyager, mit dem er mit dem Mädchen unterwegs war, in einen Waldweg ab. Dort setzte er M. H. schließlich im Bereich der Schiebetüre des Fahrzeuges auf den Wagenboden, zog ihr die kurze Hose aus und vollzog den Geschlechtsverkehr. Das Mädchen sagte, daß ihm das weh tue und daß er aufhören solle. Der Angeklagte hielt ihre Arme mit beiden Händen oberhalb ihres Kopfes fest. Als sie ansetzte zu rufen, hielt er ihr den Mund zu. Auf ihre Bitte aufzuhören reagierte der Angeklagte nicht. M. H. arbeitete sodann in der Praktikumswoche weiter bei dem Angeklagten. Sie fuhr auch mit ihm an einen See zum Baden, wobei das Landgericht letztlich offen läßt, ob dies nach der Tat oder aber am Tattage selbst der Fall war. Die Strafanzeige gegen den Angeklagten wurde erstattet, nachdem das Mädchen sich etwa ein Jahr später mit ihrem Freund über "besondere geschlechtliche Erlebnisse" unterhalten und dabei auch von der Tat berichtet hatte. Der nicht vorbestrafte Angeklagte hat die Tat bestritten. Das Landgericht folgt der Aussage der Zeugin M. H. . Eine Vergewaltigung hat es verneint , weil es jedenfalls an einer Verknüpfung von Gewalt und "Taterfolg" fehle. Der Geschlechtsverkehr habe bereits stattgefunden, als der Angeklagte die Arme des Mädchens festgehalten und ihm den Mund zugehalten habe, was damit lediglich "die Aufrechterhaltung" des Geschlechtsverkehrs ermöglicht
habe. Zudem fehle es am Vorsatz des Angeklagten. Angesichts des passiven Verhaltens von M. H. habe der Angeklagte davon ausgehen müssen, daß das Mädchen sich in sein Schicksal füge und den Geschlechtsverkehr "zwar widerwillig, aber doch freiwillig" durchführe (UA S. 15). Seine Äußerung, es "tue ihr weh und er solle aufhören", habe er auch dahin verstehen können, daß ihr der Verkehr "lediglich körperlich unangenehm" sei (UA S. 16).

II.

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten sind begründet. 1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Täterschaft des bestreitenden Angeklagten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand; sie ist lückenhaft und nicht tragfähig. Die tatsächliche Würdigung genügt zudem nicht den Anforderungen , die an die Bewertung der Glaubhaftigkeit der Aussage eines Hauptbelastungszeugen zu stellen sind, wenn - wie vorliegend - im wesentlichen Aussage gegen Aussage steht, objektive Beweisanzeichen fehlen und die Strafkammer im Blick auf ihre Aufklärungspflicht die Zuziehung eines aussagepsychologischen Sachverständigen für geboten erachtet hat (vgl. dazu auch BGHSt 45, 164, 182).
a) Zieht der Tatrichter einen aussagepsychologischen Sachverständigen hinzu, so bedarf es in den Urteilsgründen regelmäßig nicht einer ins einzelne gehenden Darstellung von Konzeption, Durchführung und Ergebnissen der Begutachtung. Es reicht aus, daß die diesbezüglichen Ausführungen die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und methodischen Darlegungen in einer Weise enthalten, die zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner
Schlüssigkeit und sonstigen Rechtsfehlerfreiheit erforderlich sind (BGHSt 45, 164, 182). Um die revisionsrechtliche Nachprüfung in diesem Sinne zu ermöglichen , wäre es hier geboten gewesen, näher auf die Aussageentstehung einzugehen sowie darzulegen und zu erörtern, welche Möglichkeiten als Erklärung für eine - unterstellt - unwahre Aussage der Zeugin M. H. in Betracht kommen konnten (sog. Unwahrhypothese; dazu BGHSt 45, 164, 167/168). Ob die vernommene Sachverständige bei ihrer Prüfung auf die Weise vorgegangen ist, daß sie sog. Hypothesen gebildet und sie mit den sonst erhobenen Fakten abgeglichen hat (BGHSt 45, 164, 168), ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die Strafkammer allerdings hätte unter Berücksichtigung der Grundsätze der Aussagebewertung und der Sachleitungsbefugnis gegenüber der Sachverständigen die sich aufdrängende Möglichkeit bedenken und würdigen müssen, daß die Beschuldigung des Angeklagten durch die Zeugin erstmals in einem Gespräch der Zeugin mit ihrem jugendlichen Freund über "besondere geschlechtliche Erlebnisse" erhoben wurde, wobei sich zunächst der Freund "offenbart" hatte (UA S. 8). Vor diesem Entstehungshintergrund war die Möglichkeit einer erfundenen Geschichte aus Gründen, die auch im Verhältnis der Zeugin zu ihrem Freund liegen konnten, als naheliegende Hypothese im Urteil anzusprechen und zu würdigen. Die Strafkammer teilt indes bei Wiedergabe des Sachverständigengutachtens nach anderen, eher allgemein gehaltenen Ausführungen lediglich mit, "die Unwahrhypothesen" könnten verworfen werden (UA S. 8). Welche konkreten Hypothesen gemeint sind, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung hierzu fehlt. Die Beweiswürdigung krankt zudem daran, daß Entstehung und Entwicklung der Aussage der Zeugin, auf die es hier ersichtlich mit ankommt, in
einem wesentlichen Teil nicht mitgeteilt und erörtert werden. Es ist nicht erkennbar , wie es nach der Schilderung der Zeugin gegenüber ihrem Freund zur Anzeigeerstattung kam. Das wäre als Grundlage einer auch insoweit erschöpfenden Aussagebewertung und Beweiswürdigung aber erforderlich gewesen.
b) Zu Recht weist der Generalbundesanwalt auf weitere Mängel der Beweiswürdigung hin, die diese als lückenhaft erscheinen lassen: So hatte die Zeugin früher ausgesagt, sie habe sich auf Aufforderung des Angeklagten vor dem Geschlechtsverkehr selbst ausgezogen (UA S. 9), in der Beweisaufnahme indessen bekundet, der Angeklagte habe ihr die Hose ausgezogen (UA S. 5). Die Strafkammer meint, es handele sich dabei um ein untergeordnetes Detail, dem keine eigenständige Bedeutung zukomme (UA S. 9). Das trifft ersichtlich nicht zu. Ob sich das Tatopfer einer Sexualstraftat auf Aufforderung des Täters selbst entkleidet oder ob es ausgezogen wird, ist erfahrungsgemäß in aller Regel eine nachhaltig im Gedächtnis haftende Einzelheit der Tatbegehung. Werden hierzu unterschiedliche Angaben gemacht, bedürfen diese der Erklärung und einer nachvollziehbaren Einordnung in das Beweisgebäude. Das kann nicht dadurch ersetzt werden, daß die abweichenden Angaben mit einer sachlich nicht ausdruckskräftigen und im Zusammenhang auch nicht zutreffenden allgemeinen Wendung in ihrer Bedeutung herabgespielt werden. Damit bleibt der Tatrichter die systematische und sachliche Einordnung des Aussageverhaltens in diesem nicht unwesentlichen Punkte schuldig. Dem Urteil fehlt darüber hinaus eine inhaltliche Bewertung der Aussage der Zeugin, der Angeklagte habe den Geschlechtsverkehr mit ihr nicht am selben Tag vollzogen, am dem sie gemeinsam mit ihm im Ho. See gebadet habe (UA S. 10). Vor dem Hintergrund der Einlassung des Angeklagten, er habe am ersten Tag des Betriebspraktikums mit der Zeugin im See gebadet und
diese danach nach Hause gefahren, hält die Strafkammer es für möglich, daß das Baden im See und - wie der Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt - der Geschlechtsverkehr am selben Tag stattfanden. Dem Angeklagten sei auf dem Heimweg vom See noch genügend Zeit für die Tat verblieben. Die Kammer meint, die Praktikumswoche der Zeugin habe zeitlich rekonstruiert werden müssen; der "datumsmäßigen Einordnung" der Tat einerseits und des Badens im See andererseits durch die Zeugin dürfe deshalb kein entscheidendes Gewicht beigelegt werden (UA S. 10). Damit verstellt sich die Kammer den Blick darauf, daß es hier vorrangig nicht um die Frage des Datums beider Ereignisse ging, sondern darum, ob sich beides am selben Tag zugetragen hat. Da die Strafkammer das für möglich hält, hätte sie den damit in einem wesentlichen Punkt gegebenen möglichen Widerspruch zur Aussage der Zeugin erörtern und sachlich behandeln müssen. Er konnte auf Erinnerungsschwäche oder auf eine Erinnerungstäuschung zurückgehen, ebenso aber auch ein Lügenindiz sein. Dabei war der Zusammenhang mit der Einlassung des Angeklagten zu bedenken, die das Landgericht insofern - hinsichtlich des angegebenen Tages des Besuchs am See - durchaus auch für widerlegt hätte erachten können. Das hat es jedoch nicht getan, sondern die Darstellung des Angeklagten dazu (Badeseebesuch am Tattag, dem Montag) für möglich gehalten. Dann aber mußte diese Frage in der bezeichneten Weise bei der inhaltlichen Bewertung der Aussage der Zeugin berücksichtigt werden, zumal die Einlassung des Angeklagten zum Ablauf dieses Tages von vier Zeugen in nicht näher dargelegten Punkten bestätigt worden war (UA S. 10). Nach allem erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts in der vorliegenden Form als nicht tragfähig. Schon dies führt zur Aufhebung des Urteils in vollem Umfang zu Gunsten des Angeklagten.
2. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist allerdings auch die Annahme der Strafkammer rechtlich nicht haltbar, der Angeklagte habe keine Vergewaltigung begangen (§ 177 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1, 3 StGB). Die Kammer geht daran vorbei, daß auch eine erst im Verlaufe des Geschlechtsverkehrs einsetzende Gewaltanwendung, mit der die Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs gegen nun erst beginnenden Widerstand des Opfers erzwungen wird, für die tatbestandliche Verknüpfung zwischen Nötigungsmittel und Nötigungserfolg genügt (BGH GA 1970, 57). Die Würdigung des Landgerichts zur subjektiven Tatseite, der Angeklagte habe davon ausgehen "müssen", der Zeugin sei der Geschlechtsverkehr unangenehm, sie habe sich aber letztlich "freiwillig" in ihr Schicksal gefügt, wird von den Feststellungen nicht getragen. Diese belegen ohne weiteres Gewaltanwendung durch den Angeklagten und nach den Umständen auch noch hinreichend den entgegenstehenden Willen der Zeugin (es tue ihr weh, er solle aufhören; Festhalten der Arme, Zuhalten des Mundes, um ein Schreien zu verhindern ) und damit den wenigstens bedingten Vorsatz des Angeklagten. Ebensowenig kann der Auffassung des Landgerichts gefolgt werden, die Zeugin habe sich nicht in einer schutzlosen Lage befunden, "weil sie nicht konkret wehrlos" gewesen sei (§ 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB, UA S. 16). Eine solche Lage besteht für das Opfer regelmäßig dann, wenn es sich dem Täter allein gegenübersieht und auf fremde Hilfe nicht rechnen kann, wobei es allerdings eines gänzlichen Beseitigens jeglicher Verteidigungsmöglichkeit nicht bedarf (BGHSt 44, 238, 232; vgl. weiter BGHSt 45, 253, 257 ff.). Das Landgericht hätte im Blick darauf nähere Feststellungen zur Tatörtlichkeit treffen müssen, um auf dieser Grundlage die Frage der Schutzlosigkeit und einer etwaigen Ausnutzung durch den Angeklagten zu prüfen. Anlaß dazu bestand, weil der
Angeklagte von einer Kreisstraße abgebogen und ca. 70 Meter weit in einen Wald hineingefahren war. Daß die Zeugin M. H. , die von kleiner und äußerst zierlicher Statur war (UA S. 6), sich möglicherweise stärker als geschehen hätte wehren können, steht der Annahme ihrer Schutzlosigkeit nicht entgegen. Das Urteil unterliegt danach auch auf die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft der Aufhebung. Auf die weiteren Beanstandungen des angefochtenen Urteils kommt es deshalb nicht an. 3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO). Der neue Tatrichter wird zu erwägen haben, ob er mit einer etwaigen erneuten aussagepsychologischen Begutachtung der Zeugin M. H. einen anderen Sachverständigen beauftragt. Schäfer Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.

(2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatz des von einem anderen verursachten Schadens verpflichtet ist, auch der andere für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der andere allein, im Falle des § 829 der Aufsichtspflichtige allein verpflichtet.

(3) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 833 bis 838 zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, ein Dritter für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der Dritte allein verpflichtet.

(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.

(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.

(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.

(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.

(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.

(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.

(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.