Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2010 - 1 StR 372/09

bei uns veröffentlicht am13.01.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 372/09
vom
13. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
hier: Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung am 16.
Dezember 2009 und in der Sitzung vom 13. Januar 2010, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung - und
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 27. Februar 2009 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Verurteilten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Antrag der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen, gegen den Verurteilten gemäß § 66b Abs. 2 StGB nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sach- und eine Formalrüge gestützten, vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision. Dem Rechtsmittel bleibt der Erfolg versagt.

I.


2
Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
1. Der Verurteilte wurde bislang - neben zweier, hier unerheblicher Geldstrafen wegen Diebstahls in den Jahren 1981 und 1982 - wie folgt bestraft:
4
a) Mit Urteil des Landgerichts München II vom 10. Mai 1985 wurde er wegen Vergewaltigung einer fünfzehnjährigen Schülerin - am 27. August 1984 unter Fesselung und Verschleppung mit seinem Pkw - in Tateinheit mit sexuel- ler Nötigung zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zwei Drittel dieser Strafe verbüßte er bis zum 8. Juni 1988. Die Reststrafe wurde nach Ablauf einer vierjährigen Bewährungszeit mit Wirkung vom 21. Oktober 1992 erlassen.
5
b) Grundlage des jetzigen Verfahrens - Anlassverurteilung - ist das Urteil des Landgerichts München II vom 16. März 1995. Wegen zweier tateinheitlicher Vergewaltigungen, jeweils mit sexueller Nötigung, (eine Tat im rechtlichen Sinne ) am 16./17. April 1994 erkannte das Gericht auf eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren.
6
Der Anlassverurteilung vom 16. März 1995 lag zugrunde, dass der Verurteilte in der Nacht vom 16. auf den 17. April 1994 zwei 14 und 15 Jahre alte Anhalterinnen in seinem speziell hierfür präparierten VW-Bus nach sorgfältiger Tatplanung über mehrere Stunden hinweg sexuell misshandelte und vergewaltigte. Dabei versetzte er die Mädchen unter Bedrohung mit einer Pistole in Todesangst , verklebte deren Mund und fesselte sie. Beiden Mädchen stach er schließlich mit einer Nadel zweimal in die inneren Schamlippen und zog einen Faden durch diese. Die Fäden hielt er bei der Weiterfahrt zunächst in der Hand und verknotete sie später bei der Freilassung seiner Opfer. Zudem führte er ring- und schlauchartige Gegenstände in die Scheide der Mädchen ein.
7
Die Anordnung von primärer Sicherungsverwahrung - gemäß § 66 StGB in der damals geltenden Fassung - schied seinerzeit bereits deshalb aus, weil die vom Gesetz geforderten formellen Voraussetzungen - zwei Vorverurteilungen (§ 66 Abs. 1 StGB) bzw. drei Straftaten (§ 66 Abs. 2 StGB) - fehlten.
8
Gleichwohl führte das damals erkennende Gericht in den Urteilsgründen aus: „Im Übrigen konnte die Strafkammer in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Prof. Dr. Nedopil“ - er war bestellt zur Beurteilung der Schuldfähigkeit des damaligen Angeklagten - „auch keinen Hang des Angeklagten zu erheblichen Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 und 2 StGB feststellen. Außer der einschlägigen Vorstrafe haben sich diesbezüglich keine sicheren Anhaltspunkte ergeben.“
9
2. Die Haftzeit des Verurteilten verlief nach den Feststellungen der Strafkammer „ohne besondere Vorkommnisse“. Seine Ehe wurde geschieden (bis zu seiner Inhaftierung in dieser Sache hatte der Verurteilte „ein arbeitsames Leben geführt und für seine Familie gesorgt“).
10
Der Verurteilte bezeichnete sich weiterhin als unschuldig, insbesondere den Mitgefangenen gegenüber, zu denen er allerdings mit Ausnahme des Zeugen B. wenig Kontakt pflegte. Dabei äußerte er, nur eines der Mädchen habe zivilrechtlich Schadensersatz begehrt, dabei auf seine Kosten den Führerschein gemacht und einen Motorroller erworben. Der Zeuge B. drängte ihn immer wieder, das „unrichtige“ Urteil nicht auf sich beruhen zu lassen und ein Wiederaufnahmeverfahren zu betreiben. Vor diesem Hintergrund äußerte der Verurteilte mehrfach, die „Schlampen bekämen ihr Fett ab“, für sie lasse er „sich etwas einfallen“. Diese „in ihrer Bedeutung ungenauen Kraftausdrücke“ belegten indes, so die Strafkammer, keine erhöhte Gewaltbereitschaft. Der Kontext der Äußerungen lasse es zumindest in gleichem Grad wahrscheinlich erscheinen, dass der Verurteilte damit lediglich einer Erörterung der Tat mit seinem Mitgefangenen aus dem Weg gehen wollte.
11
Im Rahmen der Prüfung einer bedingten Entlassung aus der Strafhaft erstattete der Sachverständige Prof. Dr. Athen ein Psychiatrisches Gutachten. Angesichts der nach seiner Einschätzung fortbestehenden Gefährlichkeit des Verurteilten empfahl er eine bedingte Entlassung nicht.
12
Der Verurteilte bewarb sich während der Strafhaft zweimal für eine Sexualtherapie in anderen Vollzugsanstalten. Von einer dieser Einrichtungen wurde er abgelehnt, da er - im Jahre 1951 geboren - zu alt sei. Die in einer weiteren Anstalt schon begonnene Therapie wurde abgebrochen, da der Verurteilte nach Einschätzung der Therapeuten noch eine zu lange Reststrafe zu verbüßen hatte. Erst im Jahre 2007 - am 17. April 2008 stand das Haftende an - sollte der Verurteilte in die sozialtherapeutische Abteilung seiner Justizvollzugsanstalt verlegt werden. Der Verurteilte widersetzte sich, da er nicht krank sei. Dies wurde mit einem dreitägigen Arrest disziplinarisch geahndet - der einzigen Disziplinarmaßnahme gegen den Verurteilten während der gesamten Haftzeit. Nachdem er - dann wohl doch verlegt - zu einer Mitwirkung an der Therapie gleichwohl nicht zu gewinnen war, wurde er wieder in den Normalvollzug überwiesen.
13
3. Am 22. Januar 2008 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht München II die Einleitung des Verfahrens zur Unterbringung des Verurteilten in der nachträglichen Sicherungsverwahrung. Im Hinblick auf die bevorstehende Entlassung beantragte die Staatsanwaltschaft zudem den Erlass eines Unterbringungsbefehls. Diesen Antrag wies das Landgericht München II zurück, das Oberlandesgericht München gab ihm auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft statt. Seit dem Ende der Strafhaft - 17. April 2008 - befand sich der Verurteilte in vorläufiger Unterbringung bis zum Erlass des hier angefochtenen Urteils am 27. Februar 2009, mit dem zugleich der Unterbringungsbefehl aufge- hoben wurde. (Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Aufhebung des Unterbringungsbefehls verwarf das Oberlandesgericht München inzwischen mit Beschluss vom 7. Mai 2009.) Der Verurteilte nahm Wohnung bei seinem Bruder in Nordrhein-Westfalen.
14
4. Im nunmehrigen Verfahren zur Entscheidung über die nachträgliche Sicherungsverwahrung hörte die Strafkammer zwei psychiatrische Sachverständige , Dr. Mattias Hollweg und Dr. Kuznik. Zu einer Exploration war der Verurteilte nicht bereit. Zur Gefährlichkeitsprognose führte die Strafkammer aus:
15
Aus Sicht der Sachverständigen ergab die Beweisaufnahme über die den beiden Urteilen vom 10. Mai 1985 und vom 16. März 1995 zugrunde liegenden Feststellungen hinaus keine neuen relevanten Umstände von Gewicht für die Beurteilung der Gefährlichkeit des Verurteilten, wenn man die Äußerungen zu seinen Opfern - wie die Strafkammer - nicht als ernstlich gemeinte Drohungen ansieht. Dieses und die weitere Bemerkung des Verurteilten dem Zeugen B. gegenüber, wonach eine Frau „nichts wert“ sei, man könne sie „gebrauchen“ und „wegwerfen“, belegten allerdings eine anhaltend frauenverachtende Einstellung.
16
Die Therapieverweigerung im Jahre 2007 stelle keinen die Gefahrprognose erhöhenden Umstand dar. Es sei nachvollziehbar, dass der Verurteilte wegen der bei Gefangenen üblichen Legendenbildung - er sei zu Unrecht verurteilt - in der eigenen Vollzugsanstalt eine Therapie nicht antreten wollte.
17
Insgesamt ergebe sich aber aus den zwei Urteilen aus den Jahren 1985 und 1995 eine ungünstige Prognose mit hoher Rückfallwahrscheinlichkeit. Bei gestörter Sexualpräferenz (ICD 10 F 65.5) sei eine Steigerung der Gewalt zu verzeichnen durch Hinzutreten sadistischer Handlungen, eine Zunahme der Intensität des Handlungsablaufs und der Erniedrigung der Opfer. Ungünstig zu bewerteten sei auch die Vorplanung - Bereitstellung der Tatwerkzeuge - und das Suchverhalten des Verurteilten (junge Anhalterinnen) bei der letzten Tat. Mit Einschränkung günstig sei das fortgeschrittene Alter des Verurteilten zu sehen.
18
Der Gutachter im Ausgangsverfahren, Prof. Dr. Nedopil, verwies bei seiner Anhörung darauf, dass es 1995 noch Stand der Wissenschaft gewesen sei, eine Wiederholungsgefahr nur dann anzunehmen, wenn zwischen zwei einschlägigen Taten auch positiv Befunde über Auffälligkeiten im Sexualleben getroffen werden könnten. Da nach Angaben der Ehefrau insoweit alles normal verlaufen sei, seien ihm nur die beiden Straftaten als Beurteilungsgrundlage verblieben, zwischen denen ein Zeitraum von knapp zehn Jahren liege. Heute beurteile er das anders. Für die Annahme einer sexuellen Deviation genüge nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft nunmehr das Vorliegen von zwei Straftaten. Grund hierfür sei „in der wechselseitigen Beeinflussung sowohl der Fortschritt der Wissenschaft wie auch die erhöhte Sensibilisierung der Öffentlichkeit gegenüber Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“.

II.


19
Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung hat die Strafkammer abgelehnt.
20
Die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 StGB sei schon mangels Vorliegens der dafür zusätzlichen formellen Voraussetzungen des § 66 StGB rechtlich nicht möglich.
21
Auch die Maßregel nach § 66b Abs. 2 StGB scheide aus. Es lägen keine neuen, erst während des Strafvollzugs erkennbar gewordene Tatsachen von Gewicht vor, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinwiesen.
22
Die hier relevanten Tatsachen seien deshalb nicht - wie von § 66b Abs. 2 StGB gefordert - neu, weil die den Hang zu erheblichen Straftaten sowie die Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit begründenden Befundtatsachen bereits zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung bekannt gewesen seien. „Vorliegend beruhen die von den Sachverständigen (Dr. Hollweg und Dr. Kuznik ) und den sachverständigen Zeugen (Prof. Dr. Nedopil und Prof. Dr. Athen) bekundeten devianten Entwicklungen der Sexualität des Antragsgegners, die Grundlage der Feststellung eines Hanges bilden könnten, auf Tatsachen, die in den Urteilen des Landgerichts München II aus den Jahren 1995 und 1985 festgehalten sind, und den darauf gegründeten fachlichen Schlussfolgerungen dieser Personen. Tatsachen aus der Zeit nach der letzten Verurteilung des Antragsgegners ... haben keinen Eingang in die Bekundungen der sachverständigen Zeugen oder die Gutachten der Sachverständigen gefunden ... und sind auch für das Gericht nicht ersichtlich.“
23
Prognoserelevant seien auch nicht die „Kraftausdrücke“ des Verurteilten in Bezug auf seine beiden Opfer. Diese hätten der Untermauerung seiner Legende gedient, unschuldig verurteilt worden zu sein. Als Grund hierfür komme in Betracht, dass unter den Insassen einer Vollzugsanstalt diejenigen Gefange- nen, die wegen Sexualdelikten verurteilt wurden, zumal bei Opfern im kindlichen und jugendlichen Alter, in der internen Hierarchie auf niedrigster Stufe stehen und daher prädestinierte Ziele für Angriffe der Mitgefangenen seien. Ein erhöhter Gefährlichkeitsgrad könne aus den Äußerungen des Verurteilten deshalb nicht geschlossen werden. Dies sieht die Strafkammer auch darin bestätigt, dass der Verurteilte nach seiner Entlassung fernab vom Umfeld der Geschädigten in Bayern bei seinem Bruder in Nordrhein-Westfalen Wohnung nahm.
24
Auch der fehlende Therapiewille in der Endphase der Strafhaft stelle sich nicht als neue Tatsache im Sinne von § 66b StGB dar. Es könne nicht festgestellt werden, dass der - seinerzeit bestreitende - damalige Angeklagte sich bei der Verhandlung im Jahre 1995 bereit gefunden habe, sich einer Therapie zu unterziehen. Außerdem sei auch die Ablehnung einer Therapie im Jahre 2007 in der Vollzugsanstalt, in der er viele Jahre verbracht hat, vor dem Hintergrund seiner Unschuldslegende nachvollziehbar und lasse keinen Schluss auf erhöhte Gefährlichkeit zu.

III.


25
Den Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen. Die angefochtene Entscheidung entspricht der Rechtslage und ist auch sonst frei von durchgreifenden Rechtsfehlern.
26
1. Der Rüge der Verletzung formellen Rechts bleibt der Erfolg versagt.
27
Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet die Ablehnung ihres Beweisantrags vom 23. Februar 2009 auf Vernehmung des Vorsitzenden und eines weiteren Richters des Ausgangsverfahrens. Nach dem Inhalt der Revisionsbegründungsschrift richtet sich die Rüge nur gegen die Zurückweisung der Beweiserhebung über die unter Nr. 3 des Antrags genannten Umstände. Auch insoweit hat die Strafkammer den Beweisantrag mit noch tragfähiger Begründung zurückgewiesen. Über die in den verlesenen Urteilgründen genannten Anknüpfungstatsachen hinaus enthält der Beweisantrag keinen konkreten Tatsachenvortrag zur Feststellung eines Hanges im Zusammenhang mit der Anlassverurteilung.
28
2. Die Zurückweisung des Antrags auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung hält auch sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
29
a) Die Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB liegen - wie die Strafkammer im Einzelnen zutreffend dargestellt hat - schon aus formellen Gründen nicht vor.
30
Zusätzlich zu den Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 StGB müssen nämlich auch die (übrigen) Voraussetzungen des § 66 StGB erfüllt sein. Das ist aber nicht der Fall: Zwar würde für die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB (in der jetzt geltenden Fassung) eine Vorverurteilung vor der Anlassverurteilung genügen. Die Vorverurteilung aus dem Jahre 1985 hat jedoch gemäß § 66 Abs. 4 Satz 3 und 4 StGB wegen „Rückfallverjährung“ außer Betracht zu bleiben. Zwischen dem Ende des hierauf beruhenden Strafvollzugs - am 8. Juni 1988 - und der neuen Tat - am 16. April 1994 - waren mehr als fünf Jahre vergangen. Da die Anlassverurteilung nur wegen einer Tat erfolgte, sind auch die Vorausset- zungen einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung ohne Vorverurteilung gemäß § 66b Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB nicht gegeben.
31
b) Auch § 66b Abs. 2 StGB bietet im vorliegenden Fall keine Grundlage zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung.
32
Zwar sind insoweit die formellen Eingangsvoraussetzungen - Anlassverurteilung wegen einer Katalogtat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren - gegeben. Das Landgericht München II verhängte mit Urteil vom 16. März 1995 gegen den Verurteilten wegen eines Verbrechens gegen die sexuelle Selbstbestimmung - Vergewaltigung - eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren (14 Jahre).
33
Die von der Strafkammer referierten Darlegungen der Sachverständigen und der sachverständigen Zeugen - das Landgericht selbst äußert sich hierzu nicht ausdrücklich - lassen auch den Schluss zu, dass der Verurteilte infolge eines Hangs zur Begehung erheblicher (Sexual-)Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist (zum Erfordernis der Feststellung eines entsprechenden Hangs auch bei § 66b Abs. 2 StGB vgl. BGH, Beschl. vom 9. Januar 2007 - 1 StR 605/06 - [BGHSt 51, 191] Rdn. 21).
34
Dies beruht jedoch allein auf den Feststellungen in den Urteilen vom 10. Mai 1985 und vom 16. März 1995. Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB setzt aber - wie in den Fällen des Abs. 1 Satz 1 - zusätzlich voraus, dass sich diese Gefährlichkeit ergänzend auch aus der Entwicklung des Verurteilten während des Strafvollzugs ergibt.
35
Es müssen deshalb nach der Anlassverurteilung vor dem Ende des Strafvollzugs Tatsachen - und zwar neue Tatsachen - erkennbar werden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit hinweisen und in einem prognoserelevanten symptomatischen Zusammenhang mit der Anlassverurteilung stehen (vgl. BGH, Urt. vom 25. November 2005 - 2 StR 272/05 - [BGHSt 50, 284, 296]; Beschlüsse vom 12. Januar 2006 - 4 StR 485/05 - Rdn. 15; 22. Februar 2006 - 5 StR 585/05 - [BGHSt 50, 373, 378]; 9. Januar 2007 - 1 StR 605/06 - Rdn. 10, insoweit in BGHSt 51, 191 nicht abgedruckt ; 17. Juni 2008 - 1 StR 227/08 - Rdn. 13; 7. Oktober 2008 - GSSt 1/08 - [BGHSt 52, 379, 389 Rdn. 32]; BVerfG - Kammer - Beschl. vom 23. August 2006 - 2 BvR 226/06 - [BVerfGK 9, 108]).
36
Denn § 66b Abs. 2 StGB eröffnet nicht die Möglichkeit, die bei der Anlassverurteilung gemäß der damaligen und insoweit bis heute unveränderten Rechtslage verwehrte primäre Anordnung der Sicherungsverwahrung (gemäß § 66 Abs. 1 StGB) bei Strafende aufgrund derselben Erkenntnisgrundlage wie zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung nachzuholen.
37
§ 66b Abs. 1 Satz 2 StGB, der keine neuen Tatsachen voraussetzt, gilt - ersichtlich - nicht für § 66b Abs. 2 StGB. Dies hat der Gesetzgeber klargestellt: Diese Regelung wurde für „Altfälle“ geschaffen (insbesondere im Hinblick darauf , dass § 66 StGB auf im Beitrittsgebiet begangene Taten zunächst nicht anwendbar war). Durch dieses Gesetz - das am 18. April 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Reform zur Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl I 513) - wurden zugleich in § 66b Abs. 2 StGB die Worte eingefügt, dass „Tatsachen der in Absatz 1 Satz 1 genannten Art“ verwertet werden dürfen, die „nach einer Verurteilung... erkennbar“ geworden sind. Solche Tatsachen müssen also „neu“ sein.
38
Rechtspolitische Anregungen im Zusammenhang mit dem damaligen Gesetzgebungsverfahren, die nachträgliche Sicherungsverwahrung auch für diejenigen Fälle im Grundsatz zu ermöglichen, in denen - etwa wie hier wegen der eingetretenen „Rückfallverjährung“ - bei der Anlassverurteilung aus rechtlichen Gründen keine Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB angeordnet werden konnte und auch gegenwärtig nicht angeordnet werden könnte, blieben erfolglos (vgl. BGH, Urt. vom 17. Juni 2008 - 1 StR 227/08 - Rdn. 14 ff.; Kett-Straub GA 2009, 586, 599 f.; zum Anwendungsbereich des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB vgl. auch BGH, Urt. vom 27. Oktober 2009 - 5 StR 296/09 - Rdn. 25 ff.). Inwieweit eine derartige Regelung in Fällen der vorliegenden Art allerdings überhaupt möglich wäre ohne mit den bestehenden Vorschriften über die „Rückfallverjährung“ (§ 66b Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB) in einen Wertungswiderspruch zu geraten, kann hier dahinstehen.
39
„Neue Tatsachen“ liegen dann nicht vor, wenn sie dem früheren Tatrichter bekannt waren oder wenn sie ein sorgfältiger Tatrichter hätte aufklären und erkennen müssen. In diesem Sinne erkennbar sind zunächst solche Umstände, die ein Tatrichter nach Maßstab des § 244 Abs. 2 StPO für die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung hätte aufklären müssen.
40
Hier kam im Zusammenhang mit der Anlassverurteilung die Anordnung einer Sicherungsverwahrung allerdings schon aus formellen Gründen von vorneherein nicht in Betracht. Dann musste sich das damals zuständige Gericht mit der Frage eines Hanges des Angeklagten und seiner Gefährlichkeit im Hinblick auf die Maßregel seinerzeit im Grundsatz auch nicht auseinandersetzen.
41
Für die Beantwortung der Frage, ob in derartigen Fällen eine Tatsache im Sinne von § 66b Abs. 2 StGB neu ist, kann aber auch dann nur maßgebend sein, ob die der Bewertung (von Hang und Gefährlichkeit) zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen im Zeitpunkt der Anlassverurteilung bereits vorlagen und für das damals erkennende Gericht erkennbar waren (vgl. auch BGH, Beschl. vom 25. Juli 2006 - 1 StR 274/06 - Rdn. 12). Nicht neu sind demnach in diesen Fällen solche Tatsachen, die das Gericht, hätte es die Anordnung einer Sicherungsverwahrung zu prüfen gehabt, seinerzeit hätte feststellen müssen und können.
42
Allerdings wird es auf derartige außerhalb der Kognitionspflicht des Gerichts der Anlassverurteilung liegende Erkenntnismöglichkeiten in aller Regel nicht ankommen. Denn Umstände, die den Hang eines Angeklagten zu erheblichen Straftaten und seine Gefährlichkeit begründen, kennzeichnen auch maßgeblich seine Persönlichkeit und sind für die Strafzumessung und die Frage der Schuldfähigkeit von grundlegender Bedeutung. So liegt es jedenfalls in diesem Fall. Deshalb konnte sich der zur Frage der Schuldfähigkeit des damaligen Angeklagten gehörte Sachverständige im Verfahren, das der Anlassverurteilung zugrunde lag, auf derselben Tatsachenbasis auch zum Hang äußern.
43
Dass die Sachverständigen die Frage des Hangs des Verurteilten zu erheblichen Straftaten und seine Gefährlichkeit nunmehr - 14 Jahre später - und zwar aufgrund derselben Anknüpfungstatsachen anders beurteilen, stellt keine neue Tatsache im Sinne von § 66b Abs. 1 und 2 StGB dar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. November 2005 - 4 StR 483/05 - [BGHSt 50, 275, 279]; 22. Februar 2006 - 5 StR 585/05 - [BGHSt 50, 373, 379, 383]; 25. Juli 2006 - 1 StR 274/06 - Rdn. 11 f.; im Unterschied zu § 66b Abs. 3 StGB, vgl. BVerfG - Kammer - Beschl. vom 5. August 2009 - 2 BvR 2098, 2633/08 - B. I. 3. b) aa)

(3)).

44
Voraussetzung für die Einordnung eines während des Strafvollzugs bekannt gewordenen Sachverhalts als „neue Tatsache“ im Sinne des § 66b StGB ist, dass er die Gefährlichkeit des Betroffenen höher oder in einem grundsätzlich anderen Licht erscheinen lässt (vgl. BGH, Beschl. vom 12. September 2007 - 1 StR 391/07). Derartiges konnte die Strafkammer vorliegend nicht feststellen (wie dies auch das Oberlandesgericht München in seinem eingehend begründeten Beschluss vom 7. Mai 2009 zutreffend dargelegt hat).
45
Als möglicherweise „neue Tatsachen“ standen allein die gegenüber Mitgefangenen geäußerten Drohungen in Bezug auf die Tatopfer im Raum. Dass hieraus kein Schluss auf eine erhöhte Gefährlichkeit gezogen werden kann, hat die Strafkammer ausführlich und tragfähig damit begründet, dass dies lediglich Teil der - in der Vollzugsanstalt für einen Sexualstraftäter mit jugendlichen Opfern geradezu existenznotwendigen - Unschuldslegende gewesen sei. Diese Bewertung des Landgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
46
Der Generalbundesanwalt hat dies mit seinen Ausführungen in der Revisionshauptverhandlung ebenso beurteilt und deshalb beantragt, die Revision der Staatsanwaltschaft zu verwerfen. Dem folgte der Senat aus den dargelegten Gründen. Nack Rothfuß Hebenstreit Elf Jäger

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Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 605/06
vom
9. Januar 2007
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
____________________
Eine im Strafvollzug aufgetretene psychische Erkrankung des
Verurteilten kann für sich genommen die nachträgliche Anordnung
der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b StGB regelmäßig
nicht begründen. Maßgebliches Kriterium ist, dass
sich die Erkrankung während der Strafhaft in einer für die
Gefährlichkeitsprognose relevanten Weise im Verhalten des
Verurteilten ausgedrückt hat.
BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 - 1 StR 605/06 - Landgericht
Passau
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2007 beschlossen:
1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts Passau vom 9. Oktober 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gem. § 66b Abs. 2 StGB angeordnet. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Dem Urteil des Landgerichts liegt Folgendes zugrunde:
3
1. Gegen den Verurteilten wurde vom Landgericht Passau am 9. Oktober 1997 wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf einen Kraftfahrer und mit versuchtem schwerem Raub eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren verhängt (Anlassverurteilung). Der Verurteilte und dessen mitverurteilter Bruder hatten versucht, einen Taxifahrer während der Fahrt mit mitgeführten Tapezier- und Küchenmessern zu erstechen, um in den Besitz seiner Einnahmen zu gelangen und die Kosten für die Fahrt zu sparen. Dem Tatopfer gelang mit erheblichen Verletzungen die Flucht.
4
Der Verurteilte war wegen Delikten aus dem Bereich der mittleren Kriminalität , darunter Körperverletzungen, bereits mehrfach vorgeahndet. Nach den Feststellungen des sachverständig beratenen Ausgangsgerichts liegt bei ihm eine schwere Persönlichkeitsstörung vor, die mit erheblicher Impulsivität und mit auto- und fremdaggressivem Verhalten einhergeht. Wegen dieser Persönlichkeitsstruktur und einer aktuellen Alkoholintoxikation ist das Ausgangsgericht von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Verurteilten im Tatzeitpunkt ausgegangen. Von einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hat es abgesehen, „weil der Angeklagte jede Therapie ablehnt, insbesondere auch eine Therapie nach der Strafe und er deswegen nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht therapiefähig ist, eine Unterbringung von Vornherein also aussichtslos wäre.“
5
2. Der Verurteilte verbüßte die verhängte Freiheitsstrafe vollständig. Wie die nunmehr befasste Strafkammer feststellt, erkrankte er im Verlaufe des Strafvollzuges an einer paranoiden Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Die Krankheit äußert sich in Denkstörungen und paranoiden Wahnvorstellungen. Der Verurteilte zeigt weder Krankheitseinsicht noch Behandlungsbereitschaft ; eine Medikation muss daher im Rahmen einer Betreuung zwangsweise durchgeführt werden. Darüber hinausgehende Feststellungen zu den Auswirkungen der Erkrankung, insbesondere zu den bei dem Verurteilten konkret aufgetretenen Krankheitssymptomen und deren Einfluss auf sein Vollzugsverhalten trifft das Landgericht nicht.
6
3. Das Landgericht hat die Voraussetzungen für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB bejaht. Als neue Tatsache im Sinne von § 66b Abs. 1 StGB hat es die psychiatrische Erkrankung des Verurteilten gewertet. Im Anschluss an die eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachten führt es aus, dass der Verurteilte ohne die von ihm abgelehnte medikamentöse Behandlung einem wahnhaftem Beeinträchtigungsund Beeinflussungserleben unterliegen werde. Seine bereits persönlichkeitsbedingt angelegte Neigung zu Aggressivität und Impulsivität, auf die sich die Anlasstat gegründet habe, werde hierdurch deutlich erhöht. Das Landgericht sieht aus diesem Grunde auch einen prognoserelevanten symptomatischen Zusammenhang mit der Anlassverurteilung.
7
Als neue Tatsache wertet das Landgericht auch die Therapieunwilligkeit des Verurteilten, misst ihr allerdings keine eigene entscheidungserhebliche Bedeutung bei. Das Vollzugsverhalten des Verurteilten, auf das der im vorbereitenden Antragsverfahren von der Staatsanwaltschaft beauftragte Sachverständige noch seine Gefährlichkeitsprognose gestützt hatte (UA S. 12), hält es für insgesamt „nicht relevant“. Nach Auffassung des Landgerichts bedurften daher Umstände wie „beispielsweise das Auffinden der beiden selbstgefertigten Schneidewerkzeuge in der Zelle des Betroffenen“ oder die Frage, „ob der Betroffene tatsächlich einem Mitgefangenen gegenüber geäußert hatte, er werde /wolle mit den selbstgefertigten Schneidwerkzeugen Anstaltspersonal aufschlitzen“ (UA S. 19), keiner näheren Aufklärung und Feststellung.

II.


8
Das angefochtene Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die formellen Eingangsvoraussetzungen des § 66b Abs. 2 StGB zwar zu Recht bejaht. Auch ist der vom Landgericht herangezogene Umstand der psychiatrischen Erkrankung des Verurteilten „neu“ im Sinne des § 66b StGB. Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung kann gleichwohl keinen Bestand haben, weil der festgestellte Zustand des Verurteilten für sich genommen keine hinreichende Tatsachengrundlage bietet, um hieraus eine den Anforderungen von § 66b StGB genügende qualifizierte Gefährlichkeit des Verurteilten abzuleiten.
9
1. Nicht zu beanstanden ist die Bewertung des Landgerichts, dass es sich bei der im Verlaufe des Strafvollzugs hervorgetretenen Erkrankung des Verurteilten um eine „neue“, im Verfahren zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung grundsätzlich berücksichtigungsfähige Tatsache handelt.
10
a) Neue Tatsachen im Sinne des § 66b Abs. 1 StGB sind nur solche, die nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz und vor Ende des Vollzuges der verhängten Freiheitsstrafe bekannt oder erkennbar geworden sind. Demgegenüber können Umstände, die dem ersten Tatrichter bekannt waren oder die er bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und erforderlichenfalls näher aufklären müssen, im Verfahren nach § 66b StGB keine Berücksichtigung finden (BGHSt 50, 180, 187; 373, 378 f.). Im Falle psychischer Auffälligkeiten des Verurteilten kommt es nicht darauf an, wann diese Auffälligkeiten erstmals zur Diagnose einer psychischen Störung oder psychiatrischen Krank- heit geführt haben; maßgeblich ist vielmehr, ob die der psychologischen oder medizinischen Bewertung zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen im Zeitpunkt der Aburteilung bereits vorlagen und bekannt oder zumindest erkennbar waren (vgl. BGHSt 50, 275, 278 f.; 373, 379, 383; BGH NStZ-RR 2006, 302). Eine erstmalige oder neue Bewertung derartiger Tatsachen stellt selbst keine neue Tatsache im Sinne des § 66b Abs. 1 StGB dar (BGH, Beschluss vom 24. März 2006 - 1 StR 27/06).
11
Um den Fall einer solch nachträglichen Diagnose auf der Grundlage bereits früher bekannter oder erkennbarer Tatsachen handelt es sich hier nicht. Zwar sind bereits im Ausgangsverfahren bei dem Verurteilten Verhaltensweisen und Auffälligkeiten festgestellt worden, die der hinzugezogene Sachverständige als Persönlichkeitsstörung in der Ausprägung einer dissozialen Entwicklung mit emotionaler Instabilität bewertet hatte. Die Urteilsgründe belegen jedoch hinreichend , dass es sich bei diesen Symptomen um andere handelt als jene, auf die sich die jetzige Diagnose einer paranoiden Schizophrenie gründet. Soweit der nunmehr angehörte Sachverständige es für möglich hält, dass der aktuellen Erkrankung ein unspezifisches Vorstadium vorangegangen ist, das bereits vor der Anlassverurteilung aufgetreten sein könnte, war dies für den damaligen Tatrichter jedenfalls nicht erkennbar. Wie das Landgericht feststellt, hatte der im damaligen Verfahren gehörte Sachverständige keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer schizophrenen Erkrankung oder eines möglichen Vorstadiums wahrgenommen. Dass der Sachverständige einen entsprechenden Befund hätte gewinnen können, ist nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund bestand auch für den damaligen Tatrichter kein Anhaltspunkt für einen über die diagnostizierte Störung hinausgehenden psychischen Defekt und daher auch kein Anlass, Aufklärungsbemühungen in diese Richtung zu entfalten.

12
b) Keinen Bedenken begegnet auch, dass das Landgericht die fehlende Krankheitseinsicht und die Therapieunwilligkeit des Verurteilten als „neu“ bewertet. Der Verurteilte hatte zwar bereits vor der Ausgangsverurteilung keine Therapiebereitschaft gezeigt. Sofern sich seine jetzige Verweigerung nur als Fortsetzung dieses Verhaltens darstellt, wäre sie kein Umstand, auf den die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gestützt werden könnte (vgl. BGHSt 50, 121, 130; 275, 280 f.). So liegt es hier jedoch nicht. Das Landgericht hat nicht die bekannte Therapieverweigerung des Verurteilten im Hinblick auf dessen Persönlichkeitsstörung herangezogen, sondern allein die Uneinsichtigkeit , die sich auf das Vorliegen und die Behandlungsbedürftigkeit seiner neu hervorgetretenen Erkrankung bezieht. Nach den Feststellungen stellt sich diese Haltung als spezifischer Ausdruck der - sich auch im Übrigen in einer umfassenden Wirklichkeitsverkennung manifestierenden – paranoiden Schizophrenie dar. Das Landgericht durfte sie daher neben anderen Symptomen der Krankheit berücksichtigen und bei Bewertung der von dem Verurteilten ausgehenden Gefahr auf seinen unbehandelten Zustand abstellen. Ob die fehlende Krankheitseinsicht trotz ihrer offensichtlichen Verknüpfung mit der psychiatrischen Erkrankung des Verurteilten darüber hinaus – wie das Landgericht annimmt - Geltung als eigenständige neue Tatsache im Sinne des § 66b StGB beanspruchen kann, kann offen bleiben, da das Landgericht dieser Einordnung ausdrücklich keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen hat.
13
2. Allerdings ist hier die Feststellung der schizophrenen Erkrankung des Verurteilten für sich nicht hinreichend, um die Anordnung der Maßregel der Sicherungsverwahrung zu tragen. Das Landgericht hätte über die Diagnose der Krankheit und die abstrakte Beschreibung der durch sie bewirkten Veränderun- gen in der Person des Verurteilten hinaus konkret feststellen müssen, auf welche Weise die Erkrankung sich auf das Verhalten des Verurteilten ausgewirkt hat. Es hätte belegen müssen, dass derartige Entäußerungen der Krankheit eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 66b StGB indizieren und in einen symptomatischen Zusammenhang mit der Anlasstat gebracht werden können.
14
a) Das Landgericht geht von dem zutreffenden rechtlichen Ansatz aus, dass auch innere Tatsachen wie Veränderungen in der Persönlichkeit und Psyche des Verurteilten neue Tatsachen im Sinne des § 66b StGB sein können (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2006 - 2 StR 475/06). Dies gilt auch für psychiatrische Befundtatsachen (BGHSt 50, 275, 279 f.; BGH, Beschluss vom 24. März 2006 - 1 StR 27/06; Beschluss vom 15. Februar 2006 - 2 StR 4/06). Wie alle sonstigen „nova“ müssen auch solche Umstände eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten und in einem prognoserelevanten symptomatischen Zusammenhang mit der Anlassverurteilung stehen (BGH NStZ 2006, 276, 278; Beschluss vom 24. März 2006 - 1 StR 27/06). Diesen Anforderungen hat das Landgericht Rechnung getragen, indem es die Erkrankung des Verurteilten im Anschluss an die Ausführungen der angehörten Sachverständigen dahingehend charakterisiert hat, dass sie die bereits durch die Persönlichkeitsstörung reduzierte Impulskontrolle des Verurteilten weiter verringern und damit zu einer Erhöhung der Gefahr impulshafter Aggressionshandlungen, die sich bereits in der Anlasstat realisiert hat, führen wird. Hiergegen ist nichts zu erinnern.
15
b) Im Falle einer psychischen Erkrankung des Verurteilten ist allerdings darüber hinaus zu verlangen, dass sich die Krankheit während der Strafhaft nach außen manifestiert und in einer prognoserelevanten Weise ausgedrückt hat (BGH, Urteil vom 23. März 2006 - 1 StR 476/05; Beschluss vom 24. März 2006 - 1 StR 27/06). Nur so ist gewährleistet, dass sich die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung auf eine hinreichende Tatsachengrundlage stützt und damit ihren vom Gesetzgeber zugedachten (BTDrucks. 15/2887, S. 10, 12f.) und von Verfassungs wegen gebotenen (vgl. BVerfGE 109, 190, 236, 242; BVerfG - Kammer - NJW 2006, 3483, 3484) Charakter einer auf seltene Ausnahmefälle beschränkten Maßnahme bewahrt.
16
aa) Die zeitlich unbefristete Unterbringung in der nachträglichen Sicherungsverwahrung nach voller Verbüßung der verhängten Schuldstrafe bildet eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Im Hinblick auf den erheblichen Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Verurteilten ist ihre Anordnung nur dann verhältnismäßig, wenn die Gefahrenprognose auf einer umfassenden Gesamtwürdigung beruht, die sich an die Feststellung der neuen erheblichen Tatsachen anschließt, und in die sämtliche weitere prognoserelevante Umstände einfließen (BGHSt 50, 121, 125; 275, 277 f.). Bereits die Gesetzesmaterialien betonen, dass monokausale Erklärungsmuster bei der Beurteilung der Gefährlichkeit des Verurteilten fehl am Platze sind, die Qualität der Prognose vielmehr entscheidend von der Breite der Prognosegrundlage abhängt (BT Drucks. 15/2887 S.12 f.; vgl. auch BVerfG - Kammer - NJW 2006, 3483, 3485).
17
Hierzu stünde in Widerspruch, wenn psychologisch oder medizinisch begründeten inneren Tatsachen bereits eine ausreichende Indizwirkung für die Gefährlichkeit des Verurteilten zukäme. Eine solche Betrachtungsweise verengt den Blick, der im Rahmen des § 66b StGB auf alle den Verurteilten betreffenden kriminogenen Faktoren gerichtet sein muss, in unzulässiger Weise auf den Innenbereich des Verurteilten. So kann eine dort festgestellte psychiatrische Erkrankung zwar abstrakt geeignet sein, eine von dem Verurteilten ausgehende Gefahr zu begründen oder eine an sich bereits gegebene Gefährlichkeit zu erhöhen. In Ermangelung nach außen getretener Hinweise würde sich eine derartige Gefährlichkeitsprognose aber allein auf medizinische Erfahrungswerte und statistische Wahrscheinlichkeiten stützen. Dies wäre angesichts der Schwere des Eingriffes in die Freiheitsrechte des Verurteilten nicht ausreichend (BGHSt 50, 121, 130 f.; vgl. zu § 66 StGB BGH, Urteil vom 10. Januar 2007 – 1 StR 530/06).
18
Erst konkrete Auswirkungen der Krankheit verbreitern daher die Entscheidungsgrundlage in der von § 66b StGB geforderten Weise und verleihen der Erkrankung ein die Gefährlichkeitsprognose tragendes Gewicht. Solche Auswirkungen werden regelmäßig im Vollzugsverhalten des Verurteilten zu suchen sein. Sie müssen nicht bereits für sich genommen geeignet sein, die Anordnung der Maßregel zu tragen; sie dürfen sich andererseits aber auch nicht in prognoseneutralen Symptomen der psychiatrischen Krankheit erschöpfen, sondern müssen einen Rückschluss auf die krankheitsbedingt erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten zulassen. So wird im Falle eines psychotisch erkrankten Verurteilten selbst Auffälligkeiten, die eine hochgradige Wirklichkeitsverkennung belegen (z.B. Wahnerleben durch Stimmenhören), keine prognostische Bedeutung beizumessen sein, solange sie ohne bedrohlichen Charakter bleiben. Anders verhält es sich, wenn etwa aus wahnhaften Äußerungen die Bereitschaft erkennbar wird, nach Entlassung aus dem Strafvollzug erhebliche Straftaten zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2006 - 1 StR 27/06), oder wenn die Krankheit sich bereits im Vollzug in einem aggressiven Verhalten ausgedrückt hat, das nicht allein auf die Besonderheiten der Vollzugssituation zurück- zuführen ist, sondern konkrete Rückschlüsse auf das Verhalten im Fall der Entlassung zulässt (vgl. hierzu BVerfG - Kammer - NJW 2006, 3483, 3484; BGHSt 50, 284, 297; BGH, Beschluss vom 29. August 2006 - 1 StR 306/06).
19
bb) Die Rechtsnatur der nachträglichen Sicherungsverwahrung als eine zum Strafrecht gehörende Maßnahme (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) verlangt, dass ihre Anordnung an eine Straftat anknüpft und ihre sachliche Rechtfertigung aus ihr beziehen kann (BVerfGE 109, 190; BGHSt 50, 275, 278 f.). Der Bundesgerichtshof hat dieses Erfordernis in inzwischen ständiger Rechtsprechung (BGH a.a.O.; NStZ 2006, 276) dahingehend konkretisiert, dass sich in den neuen Tatsachen die bei der Anlasstat hervorgetretene spezifische Gefährlichkeit des Verurteilten widerspiegeln muss, die „nova“ mithin in einem prognoserelevanten symptomatischen Zusammenhang mit der Anlassverurteilung stehen müssen. Auch aus diesem Grundsatz folgt für die Fallgruppe psychisch erkrankter Verurteilter , dass die Krankheit ihren Ausdruck in Auffälligkeiten gefunden haben muss, die sich als Fortsetzung oder Verstärkung der Gefahrenlage bei der Anlasstat darstellen. Dagegen kämen allenfalls präventive polizeirechtliche Maßnahmen in Betracht, wenn allein aufgrund der aufgetretenen Krankheit ein deliktisches Verhalten des Verurteilten zu erwarten wäre, ein konkreter Zusammenhang mit der zurückliegenden Straftat sich jedoch nicht herstellen ließe. Eine auf solcher Grundlage gleichwohl angeordnete Maßregel würde nur gelegentlich des laufenden Strafvollzuges verhängt, wäre aus der Anlasstat jedoch nicht mehr zu rechtfertigen.
20
cc) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat im Rahmen seiner Feststellungen allein den von den hinzugezogenen Sachverständigen ermittelten und bewerteten klinischen Zustand des Verurteilten in einem hohen Abstraktionsgrad beschrieben. Es kommt dann im Anschluss an die Sachverständigen zu der Einschätzung, dass es, „wie die Erfahrung lehrt“ (UA S. 17), ohne konsequente Behandlung erneut zu einem psychotischen Krankheitserleben bei dem Verurteilten kommen werde, und leitet hieraus ein dem Verurteilten innewohnendes erhebliches Gefährdungspotential ab. Aufgrund welcher konkreten Befundtatsachen die Sachverständigen zu ihrer Einschätzung gelangt sind, teilt das Landgericht nicht mit. Auch das Krankheitsbild schildert es pauschal („wahnhaftes Denken“; „Situationsverkennung“ ), ohne konkrete Ausprägungen der Symptomatik zu benennen und im Zusammenhang mit der Anlassverurteilung zu bewerten. Der Vollzugsverlauf bleibt - auch im Rahmen der abschließenden Gesamtwürdigung - insgesamt ausgeblendet, obwohl sich Anhaltspunkte für Verhaltensweisen des Verurteilten bieten, die in augenfälliger Übereinstimmung mit der Situation vor Begehung der Anlasstat stehen.
21
3. Der Senat hält - wie bereits für § 66b Abs. 1 StGB ausgesprochen (BGHSt 50, 121, 132) - auch im vorliegenden Fall, in welchem die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung sich auf § 66b Abs. 2 StGB stützt, Feststellungen zum Vorliegen eines Hanges zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB für erforderlich (so auch BGHSt 50, 373, 381; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 66b Rdn. 20; a.A. BVerfG - Kammer - NJW 2006, 3483, 3484; Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 66b Rdn. 8). Zwar nimmt § 66b Abs. 2 StGB im Unterschied zu § 66b Abs. 1 StGB nicht auf die Voraussetzungen des § 66 StGB Bezug, zu denen auch das Hangerfordernis gem. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB zählt. Die Gesetzesbegründung legt allerdings nahe, dass die unterschiedliche Anknüpfung sich in erster Linie auf die formellen Eingangsvoraussetzungen der Maßregel beziehen soll (BTDrucks. 15/2887 S. 13). Demgegenüber setzt der Wortlaut von § 67d Abs. 3 StGB, § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO für alle Fallgestaltungen der Sicherungsverwahrung unterschiedslos das Vorliegen eines Hanges voraus. Ein Auseinanderfallen der Anordnungsvoraussetzungen bei § 66b Abs. 1 StGB und § 66b Abs. 2 StGB wäre auch im Hinblick auf die identische Eingriffstiefe und die angesprochene Tätergruppe wenig plausibel (vgl. näher BGHSt 50, 373, 381).
22
Die hangbedingte Gefährlichkeit des Verurteilten erweist sich zudem als notwendiges Merkmal, um die nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwahrung von jener in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB abzugrenzen und einer Umgehung der Grenzen des § 63 StGB durch Anwendung von § 66b StGB - gleich welcher Variante - in den Fällen psychiatrischer Erkrankungen als „nova“ vorzubeugen.
23
Anknüpfungspunkt für eine Unterbringung nach § 63 StGB bildet eine andauernde psychische Störung des Betroffenen („Zustand“), die ihren Ausdruck in der Anlasstat gefunden hat. Demgegenüber dient die - auch nachträgliche - Sicherungsverwahrung in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit vor hochgefährlichen nicht-kranken Rechtsbrechern, deren Lebens- und Kriminalgeschichte die Begehung weiterer schwerwiegender Straftaten erwarten lässt („bad or mad“, vgl. Kröber, Behavioral Sciences and the Law 18, 679 [2000]; zum Verhältnis der Maßregeln vgl. auch Stree in: Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 66 Rdn. 76). Dieser Unterscheidung entspricht die in § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB enthaltene Voraussetzung eines „Hanges“ als einer anlagebedingten oder durch Übung erworbenen intensiven Neigung zu Rechtsbrüchen (BGH NStZ 2005, 265; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 66 Rdn. 18), der mit dem von § 63 StGB vorausgesetzten krankhaften oder krankheitsgleichen Zustand nicht gleichgesetzt werden kann.
24
Führt das Auftreten einer psychiatrischen Erkrankung zur Einleitung eines auf die nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung gerichteten Verfahrens, so darf ihre Einordnung als neue Tatsache daher nicht den Blick darauf verstellen, dass die Erkrankung in erster Linie einen Zustand begründet, der - unter den weiteren Voraussetzungen des § 63 StGB - nur eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen könnte. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB kann hierauf allein nicht gestützt werden. Denn anderenfalls würden die Voraussetzungen des § 63 StGB faktisch umgangen, indem psychisch Erkrankte zunächst in Sicherungsverwahrung genommen und sodann in den Vollzug der Maßregel des § 63 StGB überwiesen werden könnten (§ 67a Abs. 2 StGB), ohne dass ihre Krankheit für die Anlasstat oder eine sonstige erhebliche Straftat ursächlich gewesen ist. Eine derartige „nachträgliche“ Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist dem Gesetz jedoch fremd (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2006 - 2 StR 475/06; Urteil vom 23. März 2006 - 1 StR 476/05). Sie scheidet auch dann aus, wenn die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB - wie vorliegend - im Ausgangsverfahren mit einer nicht tragfähigen Begründung abgelehnt wurde; auch insoweit gilt, dass das Verfahren nach § 66b StGB nicht der Korrektur früherer Entscheidungen dient, in denen eine Prüfung geeigneter Maßregeln rechtsfehlerhaft vorgenommen wurde oder gänzlich unterblieben ist.
25
Der Senat ist an der vorgenommenen Auslegung von § 66b Abs. 2 StGB nicht durch die Entscheidung einer Kammer des Bundesverfassungsgerichtes gehindert, wonach eine gesetzgeberische Entscheidung, auf die Feststellung eines Hanges zu verzichten, unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden ist (BVerfG - Kammer - NJW 2006, 3483, 3484; hierzu kritisch Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 66 Rdn. 20a). Die Auslegung der neugestalteten Vorschrift des § 66b StGB, die hier zum Erfordernis eines Hanges geführt hat, obliegt den Fachgerichten. Zudem berührt die Bewertung, dass die nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung ohne Feststellung einer hangbedingten Gefährlichkeit nicht in verfassungswidriger Weise in das Freiheitsgrundrecht des Verurteilten eingreift, nicht die vorgenommene Auslegung, die dem Grundrecht des Verurteilten in noch weitgehender Weise Rechnung trägt. Im Übrigen führt die Kammer des Bundesverfassungsgerichts selbst aus, dass die Feststellung eines Hanges auch im Rahmen des § 66b Abs. 2 StGB im Einzelfall geboten sein kann (BVerfG a.a.O.).

III.


26
1. Die Sache war demzufolge zu neuer Prüfung an das Landgericht zurückzuverweisen. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Kammer wird insbesondere aufzuklären haben, in welchem äußerlichen Verhalten die Erkrankung des Verurteilten ihren Niederschlag gefunden hat. Hierbei wird es sich aufdrängen , zunächst dem im angefochtenen Urteil angesprochenen Vollzugsverhalten (UA S. 19) nachzugehen, das sich auf von dem Verurteilten selbstgefertigte Schneidewerkzeuge und deren beabsichtigte Verwendung bezieht. Das Landgericht wird sich zudem damit auseinanderzusetzen haben, ob die bisherige Kriminalitätsentwicklung, die Anlasstat und die Entwicklung im Strafvollzug geeignet sind, ein kriminelles Verhaltensmuster des Verurteilten im Sinne eines Hanges offen zu legen. Dabei können auch seine Persönlichkeit und die psy- chiatrische Erkrankung eine Rolle spielen, ohne dass dem gegenwärtigen krankheitsbedingten Zustand allerdings ein Übergewicht für die Beurteilung zukommen darf.
27
2. Der Senat bemerkt, dass es sich in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die besondere Gefährlichkeit des Verurteilten sich in einer psychiatrischen Erkrankung gründet, empfehlen wird, parallel zu dem auf die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gerichteten strafrechtlichen Verfahren ein polizeirechtliches Verfahren nach dem landesrechtlichen Unterbringungsgesetz einzuleiten. Sollte sich im Verfahren nach § 66b StGB erweisen, dass von dem Verurteilten eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht, eine Anordnung der Maßregel - etwa mangels tragfähiger neuer Tatsachen oder mangels eines Hanges - aber gleichwohl nicht in Betracht kommt, könnte der erkannten Gefahrenlage durch Ausschöpfung der auf polizeirechtlicher Grundlage zulässigen Maßnahmen (vgl. §§ 9 f. BayUntbrG) begegnet werden. Da solche Maßnahmen , sollen sie einen effektiven Schutz der Allgemeinheit vor den vom Verurteilten ausgehenden Gefahren bewirken, bereits bei Entlassung des Verurteilten eingreifen müssten, erscheint es unzweckmäßig, wenn die Verwaltungsbehörde - wie dem landgerichtlichen Urteil zu entnehmen ist - ein Verfahren unter Hinweis auf den Vorrang der Unterbringung nach § 66b StGB (vgl. § 1 Abs. 2 BayUntbrG) zunächst nicht betreibt. Es wird sich vielmehr als notwendig erweisen , dass die Staatsanwaltschaft in geeigneten Fällen bereits im Antragsverfahren die Verwaltungsbehörde von der Einleitung des Verfahrens unterrichtet (§§ 481 f. StPO), damit diese Gelegenheit erhält, die Voraussetzungen einer Unterbringung in eigener Zuständigkeit zu prüfen und gegebenenfalls entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Sollte auch eine Unterbringung auf landesrechtlicher Grundlage nicht in Betracht kommen, verweist der Senat auf die Möglichkeit, mithilfe geeigneter organisatorischer Maßnahmen, insbesondere solcher der Führungsaufsicht gem. §§ 68 ff. StGB, das Rückfallrisiko des in Freiheit entlassenen Verurteilten zu mindern (vgl. näher BGHSt 50, 373, 384 f.; BGH, Beschluss vom 29. August 2006 - 1 StR 306/06).
Nack Wahl Boetticher
Elf Graf

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 485/05
vom
12. Januar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. Januar 2006 gemäß § 349 Abs.
4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 2. Juni 2005 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b Abs. 2 StGB angeordnet. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Der Verurteilte war am 20. Dezember 1995 vom Landgericht Magdeburg wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt worden. Diese Freiheitsstrafe hatte er am 22. November 2004 vollständig verbüßt. Als Entlasstermin war der 5. November 2004 vorgesehen. Am 5. Oktober 2004 beantragte die Staatsanwaltschaft, die nachträgliche Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b Abs. 1 StGB anzuordnen. Am 29. Oktober 2004 erging gegen den Verurteilten Unterbringungsbefehl nach § 275 a Abs. 5 StPO.
3
Gegenstand der Verurteilung war ein Tatgeschehen vom 17. Juni 1995, in dessen Verlauf der Verurteilte in alkoholisiertem Zustand (BAK zur Tatzeit 2,28 o/oo) seinem Nachbarn im Rahmen eines Streits mit erheblicher Kraft einen Messerstich in den Brustbereich versetzte, an dessen Folgen das Tatopfer wenig später verstarb. Das Landgericht ging davon aus, dass der Verurteilte bei Begehung der Anlasstat infolge des genossenen Alkohols in seiner Steuerungsfähigkeit nicht ausschließbar im Sinne des § 21 StGB erheblich eingeschränkt war. Einen psychiatrischen Sachverständigen hatte das Landgericht in diesem Verfahren nicht hinzugezogen.
4
Vor Begehung dieser Tat war der Verurteilte bereits viermal wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Erscheinung getreten und deswegen in der ehemaligen DDR zwischen 1973 und 1987 - die letzte Tat ereignete sich am 5. September 1986 - dreimal zu Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Ein weiteres gegen den Verurteilten geführtes Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern (Tatzeit: 24. Mai 1992) wurde nach Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens im Hinblick auf das der Anlassverurteilung zugrunde liegende Strafverfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
5
2. Entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu Recht nicht auf § 66 b Abs. 1 StGB gestützt. Eine nachträgliche Unterbringungsanordnung nach § 66 b Abs. 1 StGB scheidet hier schon deshalb aus, weil die Voraussetzungen des § 66 StGB, auf die § 66 b Abs. 1 StGB Bezug nimmt, nicht erfüllt sind. Die der Anlasstat vorausgegangenen Taten unterfallen der Verjährungsregelung des § 66 Abs. 4 Satz 3 und 4 StGB und können deshalb zur Begründung der hier allein in Betracht kommenden Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 StGB nicht herangezogen werden.
6
3. Das Landgericht hat jedoch die Voraussetzungen des § 66 b Abs. 2 StGB bejaht.
7
Als "neue Tatsachen" hat es, beraten durch zwei psychiatrische Sachverständige , gewertet, dass der Verurteilte eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Merkmalen aufweise. Auf der Grundlage dieser Persönlichkeitsstörung habe sich bei ihm eine Störung der Sexualpräferenz im Sinne einer "Kernpädophilie" sowie ein Alkoholabusus entwickelt. Soweit der Verurteilte während des Strafvollzugs Auffälligkeiten gezeigt habe, sei diesen Umständen eine eigenständige Bedeutung als "neue Tatsachen" nicht beizumessen, da diese lediglich Ausdruck der Persönlichkeitsstörung des Verurteilten seien.
8
Das Landgericht ist sodann im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu der Einschätzung gelangt, der Verurteilte werde in Freiheit aufgrund der festgestellten Persönlichkeitsstörung und der Störung der Sexualpräferenz und aufgrund eines bei ihm bereits "eingeschliffenen Verhaltensmusters" mit hoher Wahrscheinlichkeit auch künftig erhebliche Straftaten begehen, durch die die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
9
4. Diese Beurteilung begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken.
10
a) Das Landgericht ist bei seiner Prüfung zwar im Ansatz zutreffend von den Anordnungsvoraussetzungen des § 66 b Abs. 2 StGB ausgegangen. Die Anlassverurteilung erfüllt die Eingangsvoraussetzungen dieser Vorschrift, da der Verurteilte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt worden ist.
11
b) Auch bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 66 b Abs. 2 StGB weder im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 109, 133, 167) noch unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebots aus Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG Bedenken. Angesichts des berechtigten Interesses der Allgemeinheit, potentielle Opfer vor schwersten Verletzungen durch Straftäter zu schützen, ist die gesetzgeberische Entscheidung, in besonderen Ausnahmefällen, bei denen die formellen Voraussetzungen etwaiger früherer Verurteilungen fehlen, die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu ermöglichen, nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2005 - 2 StR 272/05 - zum Abdruck in BGHSt bestimmt).
12
Dieser Beurteilung steht hier nicht entgegen, dass gegen den Verurteilten , selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 66 StGB, im Zeitpunkt der Aburteilung der Anlasstat Sicherungsverwahrung nicht hätte angeordnet werden dürfen. Der Verurteilte hatte die Anlasstat vor dem 1. August 1995 im Beitrittsgebiet begangen und unterfiel deshalb der Regelung des Art. 1 a EGStGB in der zurzeit des Strafurteils geltenden Fassung des SichVG vom 16. Juni 1995 (BGBl. I S. 818). Diese Vorschrift schloss - für einen Fall wie den vorliegenden - die Anwendbarkeit der Vorschriften der Sicherungsverwahrung generell aus.
13
Dieser Umstand mag - was der Senat nicht zu entscheiden braucht - unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung und insbesondere des Vertrauensschutzes bei Altfällen im Rahmen der Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen des § 66 b Abs. 1 StGB von Bedeutung sein, weil diese Vorschrift auf § 66 StGB Bezug nimmt (zu dem vergleichbaren Fall des § 66 Abs. 3 StGB i.V.m. Art. 1 a EGStGB i.d.F. des Gesetzes vom 26. Januar 1998 - BGBl. I S. 160 - vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2005 - 2 StR 272/05). Anders verhält es sich jedoch bei der hier allein in Betracht kommenden Anordnungsgrundlage des § 66 b Abs. 2 StGB, da diese Vorschrift gerade unabhängig vom Vorliegen der formellen Voraussetzungen des § 66 StGB Anwendung findet.
14
c) Den Anforderungen, die an das Vorliegen "neuer Tatsachen" zu stellen sind, wird das angefochtene Urteil indes nicht gerecht. An diese Voraussetzungen sind strenge Anforderungen zu stellen. Im Einzelnen:
15
aa) "Neue Tatsachen" im Sinne des § 66 b StGB sind zunächst nur solche , die nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz und vor Ende des Vollzugs der verhängten Freiheitsstrafe bekannt oder erkennbar geworden sind (vgl. BGH NJW 2005, 3078, 3080; NStZ 2005, 561, 562). Umstände, die dem ersten Tatrichter bekannt waren, scheiden daher in jedem Fall aus. Aber auch Tatsachen, die ein sorgfältiger Tatrichter mit Blick auf § 244 Abs. 2 StPO hätte aufklären müssen, um entscheiden zu können, ob eine Maßregel nach §§ 63, 64, 66, 66 a StGB anzuordnen ist, waren erkennbar und sind nicht neu im Sinne des § 66 b StGB. Rechtsfehler, die durch Nichtberücksichtigung solcher Tatsachen entstanden sind, können nicht durch die Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung korrigiert werden (BGH aaO). Eine Bewertung bereits bei der Anlassverurteilung bekannter oder erkennbarer Tatsachen stellt ebenfalls keine neue Tatsache dar (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - 4 StR 483/05 - zum Abdruck in BGHSt bestimmt).
16
bb) Darüber hinaus müssen die nachträglich erkennbar gewordenen Tatsachen eine "gewisse Erheblichkeitsschwelle" überschreiten (BTDrucks. 15/ 2887 S. 12; Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 66 b Rdn. 4). Die Frage der Erheblichkeit der "neuen Tatsache" für die Gefährlichkeitsprognose ist eine Rechtsfrage , die vom Gericht in eigener Verantwortung ohne Bindung an die Auffassung der gehörten Sachverständigen zu beantworten ist. Aus der Rechtsnatur der nachträglichen Sicherungsverwahrung als einer zum Strafrecht im Sinne des § 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gehörenden Maßnahme, die an eine Straftat anknüpft und ihre sachliche Rechtfertigung auch aus der Anlasstat bezieht (vgl. BVerfGE 109, 190, Leitsatz Ziff. 1 Buchst. a) folgt, dass die Erheblichkeit der berücksichtigungsfähigen "neuen Tatsache" vor dem Hintergrund der bei der Anlassverurteilung bereits hervorgetretenen Gefährlichkeit beurteilt werden muss. Die "nova" müssen daher in einem prognoserelevanten symptomatischen Zusammenhang mit der Anlassverurteilung stehen (vgl. Senatsbeschluss aaO).
17
d) Diesen Grundsätzen tragen die Ausführungen des Landgerichts nicht hinreichend Rechnung.
18
aa) Die Auffassung des Landgerichts, die kombinierte (dissoziale) Persönlichkeitsstörung des Verurteilten stelle in Verbindung mit der Störung der Sexualpräferenz eine "neue Tatsache" dar, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, die Persönlichkeitsstörung sei beim Verurteilten zwar bereits im jungen Erwachsenenalter - etwa seit 1975 - vorhanden gewesen. Auch habe die Störung der Sexualpräferenz bereits im Zeitpunkt der Aburteilung der Anlasstat vorgelegen. Jedoch seien der erkennenden Strafkammer, diese Störungen weder bekannt noch erkennbar gewesen , da sie erstmals, jedenfalls in "ihrem vollen Ausmaß", durch die im vorliegenden Verfahren tätigen psychiatrischen Sachverständigen diagnostiziert worden seien.
19
Dieser Begründung des Landgerichts liegt bereits ein falscher Ansatz zugrunde, weil es rechtsfehlerhaft allein auf die Bewertung der Persönlichkeitsauffälligkeiten des Verurteilten abgestellt hat. Dabei hat das Landgericht verkannt , dass für die Beurteilung der Frage, ob "neue Tatsachen" gegeben sind, nicht die neue oder möglicherweise sogar erstmalige Bewertung von Tatsachen maßgeblich ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die dieser Bewertung zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen im Zeitpunkt der Aburteilung der Anlasstat bereits vorlagen und ob diese dem damaligen Tatrichter bekannt oder für ihn erkennbar waren. Es ist dabei - jedenfalls bei der Diagnose "Persönlichkeitsstörung" - nicht von Bedeutung, ob diese (Anknüpfungs-)Tatsachen bereits im Ausgangsverfahren oder in einem früheren Verfahren Grundlage einer sachverständigen Bewertung waren.
20
Dass maßgebliche, den diagnostizierten Störungen zugrunde liegende (Anknüpfungs-)Tatsachen bereits im Zeitpunkt der Aburteilung der Anlasstat gegeben waren, steht hier nach den getroffenen Feststellungen außer Frage. Diese Anknüpfungstatsachen - etwa Erkenntnisse zu den persönlichen Verhältnissen des Verurteilten, insbesondere zu seinem Werdegang, der frühe Deliquenzbeginn , seine Alkoholproblematik und seine Vorstrafen, vor allem die mehrfachen Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, auf die die Diagnose "Störung der Sexualpräferenz" ausschließlich gestützt wird - waren im Ausgangsverfahren auch schon bekannt. Hinzu kommt, dass sich in jenem Verfahren in Anbetracht der erheblichen, auf eine Gewöhnung hindeutenden Alkoholisierung des Verurteilten bei der Anlasstat und zumindest bei einigen Vortaten einem sorgfältigen Tatrichter die Prüfung der Voraussetzungen einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB aufdrängen musste. Erkenntnisse, die er insoweit - etwa anhand der Vorstrafenakten - unter Aufklärungsgesichtspunkten hätte gewinnen können und müssen, waren für ihn, wie oben dargelegt , jedenfalls erkennbar und können als "neue Tatsachen" im vorliegenden Verfahren nicht mehr herangezogen werden.
21
Soweit das Landgericht darauf abstellt, die Persönlichkeitsstörung des Verurteilten, sowie seine "Kernpädophilie" seien jedenfalls "in ihrem vollen Ausmaß" zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung nicht bekannt gewesen, lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob diese Feststellung auf konkreten "neuen" Anknüpfungstatsachen gründet oder ob sie, was nicht ausreichend wäre, lediglich auf der jetzigen Bewertung schon im Ausgangsverfahren bekannter oder erkennbarer Tatsachen durch die Sachverständigen beruht.
22
bb) Soweit das Landgericht die "Kernpädophilie" des Verurteilten als "novum" heranzieht, kommt unabhängig davon, dass es sich dabei nicht um eine Tatsache, sondern um eine Wertung handelt, hinzu, dass nach den bisherigen Feststellungen nicht zu erkennen ist, ob dieser Umstand in einem für die Erheblichkeitsbeurteilung der "nova" erforderlichen prognoserelevanten, symptomatischen Zusammenhang mit der Anlasstat steht. Die Erheblichkeit einer berücksichtigungsfähigen "neuen Tatsache" darf, wie oben dargelegt, nicht losgelöst von der bei der Anlasstat hervorgetretenen spezifischen Gefährlichkeit beurteilt werden, sondern muss eine innere Beziehung zu dieser Gefährlichkeit aufweisen. In Bezug auf die "Kernpädophilie" des Verurteilten ergeben dies die Urteilsgründe nicht. Bei der Anlasstat handelte es sich um ein aus einem Konflikt heraus begangenes, spontanes Gewaltdelikt. Inwieweit die auf die Kernpädophilie zurückzuführenden Sexualdelikte des Verurteilten, bei denen es zu keiner unmittelbaren Gewaltanwendung gegenüber den Tatopfern kam, eine wie auch immer geartete innere Verknüpfung zu der bei dem Tötungsdelikt zutage getretenen Gefährlichkeit aufweisen, ist nicht zu erkennen.
23
5. Der Senat kann nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, dass das Vollzugsverhalten, das bislang unter diesem Gesichtspunkt nicht Gegenstand tatrichterlicher Beurteilung war, die Annahme "neuer Tatsachen" im Sinne des § 66 b StGB rechtfertigen kann. Bei der dem neuen Tatrichter insoweit obliegenden Prüfung wird dieser allerdings zu beachten haben, dass nicht schon jeder während des Vollzugs aufgetretene Ungehorsam als "novum" im Sinne des § 66 b StGB herangezogen werden kann. Vielmehr ist bei Vollzugsauffällig- keiten - neben den oben dargelegten Grundsätzen - bei Beurteilung der Erheblichkeit in besonderem Maße zu prüfen, ob sie für sich genommen oder jedenfalls in ihrer Gesamtheit Gewicht haben im Hinblick auf mögliche Beeinträchtigungen des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung anderer (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2005 - 2 StR 272/05). Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der besonderen Bedingungen des Vollzugs zu beurteilen. Haben Auffälligkeiten oder während der Haft begangene Straftaten ihre Ursache überwiegend in den besonderen Bedingungen des Vollzugs, wird ihnen in der Regel die erforderliche erhebliche Indizwirkung für die Gefährlichkeit des Verurteilten nicht zukommen (vgl. BGH, aaO; zum vergleichbaren Fall der Bewertung von Straftaten während der Unterbringung nach § 63 StGB: vgl. BGH NStZ 1998, 405; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 26; Senatsbeschluss vom 25. August 1998 - 4 StR 385/98). Tepperwien Maatz Kuckein Solin-Stojanović Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 227/08
vom
17. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juni 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 9. Januar 2008 wird verworfen. 2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Betroffenen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat es abgelehnt, gegen den Betroffenen gemäß § 66b Abs. 2 StGB nachträglich die Sicherungsverwahrung anzuordnen. Die hiergegen gerichtete auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, hat keinen Erfolg.

I.

2
Dem Urteil des Landgerichts liegt Folgendes zugrunde.
3
1. Der heute 64-jährige Betroffene ist mehrfach vorgeahndet. Insbesondere wurde er schon durch Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 13. Oktober 1965 wegen Totschlags in Tateinheit mit versuchter Notzucht mit Todesfolge zu einer Zuchthausstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt. Diese Strafe verbüßte der Betroffene bis zum 27. November 1979. Anlassverurteilung war das Urteil vom 24. September 1997, mit dem das Landgericht den Betroffenen wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilte. Er drang im August 1996 in ein nahe gelegenes Wohnanwesen ein, um sich notfalls mit Gewalt Geld zu verschaffen. Hierzu nahm er aus dem Kofferraum seines Fahrzeugs ein Kabel, das an beiden Enden mit einem Schukostecker versehen war, an sich und zog ein paar braune Lederhandschuhe an. Nach Eindringen in das Wohnzimmer der damals 75-jährigen Geschädigten schloss er das eine Ende des Kabels an das Stromnetz und drückte das andere Ende an verschiedene Stellen u.a. des Kopfes und des Halses der Geschädigten, um diese zur Erleichterung seiner Suche nach Geld bewusstlos zu machen. Nachdem die nur benommene Geschädigte schließlich um Hilfe schrie, ließ er von ihr ab und flüchtete. Die Geschädigte erlitt durch diese lebensgefährlichen Stromstöße an den betroffenen Stellen teilweise bis auf die Schädelknochen reichende Hautverbrennungen.
4
Im Rahmen der Ermittlungen wurden bei der Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen 83 Porno-Videokassetten mit teils gewalttätigen Sexszenen und einer vermutlich authentischen Vergewaltigungsszene gefunden. Zudem wurde dort der erste Band des Comic-Heftes "Marie-Gabrielle de SaintEutrope" sichergestellt, in welchem drastische sexuelle Handlungen an Frauen und Gewalt gegen weibliche Opfer mit eindeutig "sadomasochistischem Charakter" dargestellt werden. Der damalige polizeiliche Sachbearbeiter dokumentierte die Funde durch Vermerke in den Ermittlungsakten und fügte die Videokassette mit der Vergewaltigungsszene sowie ein Comic-Pornoheft mit sexuellsadistischem Inhalt seiner Strafanzeige bei, in welcher er die Tat als "versuchter RaubIversuchter Sexualmord" qualifizierte. Ebenfalls dokumentiert und in der Anklage als Augenscheinsobjekt aufgeführt wurden in dem Kofferraum des Fahrzeugs des Betroffenen aufgefundene Gegenstände, nämlich eine PolaroidSofortbildkamera , ein Elektroschockgerät, eine Handfessel, eine Tube Vaseline und eine Fettspritze für Kfz-Wartungsarbeiten. In seinem dem erkennenden Schwurgericht in den Strafakten vorliegenden Schlussvermerk sowie als Zeuge in der Hauptverhandlung vertrat der Polizeibeamte die Auffassung, der Straftat zum Nachteil der Geschädigten liege ein primär sexuelles Motiv zugrunde. Der vom damaligen Schwurgericht beauftragte Sachverständige diagnostizierte einen offenkundigen Voyeurismus des Betroffenen, der bereits im Vorfeld des Tötungsdeliktes von 1964 erkennbar geworden sei und auch weiterhin sein Sexualverhalten bestimme. Die bei der Durchsuchung seiner Wohnung sichergestellten pornographischen Erzeugnisse und Videos unterstrichen die Triebstärke des Betroffenen; gleichzeitig aber stellten sie Instrumente zu ihrer Kanalisierung und Steuerung dar. Das Persönlichkeitsbild des Betroffenen lasse sich als eine seelische Abnormität, also als (dissoziale) Persönlichkeitsstörung bewerten, wenn diese auch nicht unter die §§ 20, 21 StGB subsumiert werden könne. Dass dem Tatgeschehen eine primär sexuelle Motivation zugrunde liege und dass sich der Betroffene an seinem Opfer habe postmortal vergehen wollen, erscheine äußerst unwahrscheinlich. Gleichfalls lasse sich ein motivationaler Zusammenhang zwischen der Sexualproblematik des Betroffenen und dem Delikt ausschließen (UA S. 13).
5
2. Im Februar 2007 wurden bei einer Haftraumkontrolle der Comic „Marie -Gabrielle de Saint-Eutrope“ sowie in der Habe des Betroffenen zahlreiche Druckwerke, Spielfilme ohne pornographischen Bezug und diverse Erotik- und Porno-Filme, die den Bereichen „Horror/Splatter“ und „Hardcore-Porno“ zuzuordnen waren, sichergestellt. Der Betroffene wurde vom offenen Vollzug abgelöst und verbüßte seine Strafe bis zum 27. Juli 2007 vollständig.
6
3. Am 29. Mai 2007 stellte die Staatsanwaltschaft den Antrag, gegen den Betroffenen Sicherungsverwahrung nachträglich anzuordnen, und beantragte zugleich den Erlass eines Unterbringungsbefehls gemäß § 275a StPO. Das Landgericht erließ den Unterbringungsbefehl gegen den Betroffenen, aufgrund dessen dieser im Anschluss an die Haftverbüßung seit dem 28. Juli 2007 unter- gebracht war. Am 9. Januar 2008 hob das Landgericht den Unterbringungsbefehl wieder auf. Der Betroffene befindet sich jetzt auf freiem Fuß (UA S. 5). Gegen ihn bestand die bereits am 3. September 2007 von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts angeordnete Führungsaufsicht. Ihm wurde der Besitz von gewalt- und kinderpornographischen Schriften, Bildträgern, Filmen und Computerdateien untersagt (UA S. 23).
7
4. Das Landgericht holte gemäß § 275a Abs. 4 StPO zwei Gutachten der Sachverständigen Dr. P. und Dr. B. ein.
8
a) Der Betroffene fand sich nach seiner Entlassung anlässlich der Exploration durch den Sachverständigen Dr. P. erstmals zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit seiner sexuellen Problematik bereit. Er gab an, bereits mit sechzehn, siebzehn Jahren sei Gewalt für ihn eine erregende Vorstellung gewesen. Aufgrund der aktuellen Angaben kommt der Sachverständige Dr. P. zu dem Ergebnis, dass sich der Betroffene bereits seit ca. seinem 16. Lebensjahr gedanklich mit sexuell motivierter Gewalt beschäftigt habe. Bereits im 20. Lebensjahr sei es zu einer weiteren Ausdifferenzierung der Phantasien gekommen. Die Festlegung des sexuellen Erregungsmusters auf die geschilderte Thematik lasse keine Alternative zur Diagnose des sexuellen Sadismus (ICD 10 F 65.5) zu. Die jetzt aufgefundenen Bild- und Schriftdokumente, so der Sachverständige, legten nahe, dass die sexuell-sadistische Perversion weiter in Entwicklung und Ausdifferenzierung begriffen sei. Der Sachverständige Dr. P. kam nach eingehender Auseinandersetzung auch mit den bislang über den Betroffenen vorliegenden Erkenntnissen und Begutachtungen zu der Einschätzung, dass sich nach Zusammenführung der im Rahmen der aktuellen Begutachtung erhobenen Befunde mit den aktuarischen Feststellungen in der Gesamtschau zur Persönlichkeit des Betroffenen keine neue Einschätzung ergebe.
9
b) Der Sachverständige Dr. B. kam zu dem Ergebnis, dass weder die bis zur Exploration durch Dr. P. stets gleich lautenden Angaben des Betroffenen zu seiner Sexualanamnese, insbesondere zu seinem Masturbationsverhalten , noch der Besitz von pornographischen Filmen und Büchern, noch seine Sexualstraftaten einen besonders ausgeprägten Sexualtrieb belegen könnten. Es liege keine sexuelle Deviation (Paraphilie) vor; insbesondere seien die Sexualstraftaten des Betroffenen nicht Ausdruck eines Sadismus. Auch nach Kenntnis der Angaben des Betroffenen gegenüber Dr. P. zu seinem inneren sexuellen Erleben stellte er nicht die Diagnose des sexuellen Sadismus , sondern blieb bei der Bewertung der Problematik des Betroffenen als einer "undifferenzierten Sexualität".

II.

10
Das Landgericht hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei von der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 und 2 StGB abgesehen.
11
1. Für eine Anordnung nach § 66b Abs. 1 StGB liegen schon die formellen Voraussetzungen des § 66 StGB nicht vor. Die als Voraussetzung in Betracht kommende Verurteilung des Landgerichts Ravensburg vom 13. Oktober 1965 wegen des Sexualmordes, die der Betroffene bis zum 17. November 1979 verbüßt hat, kann wegen der eingetretenen Rückfallverjährung gemäß § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB bei der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht berücksichtigt werden.
12
2. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei das Vorliegen der formellen Eingangsvoraussetzungen des § 66b Abs. 2 StGB bejaht; denn der Betroffene war wegen des mit der Anlasstat begangenen Verbrechens gegen das Leben zu einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt worden. Zu Recht ist die Strafkammer auch davon ausgegangen, dass beim Betroffenen ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten besteht (vgl. BGH NJW 2006, 1442). Sie ist nach umfassender Würdigung der Persönlichkeit des Betroffenen, seiner Taten und seiner Entwicklung während des Strafvollzuges auch davon ausgegangen, dass von diesem - wie auch vor der Anlasstat - eine erhebliche Gefahr ausgeht und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass er weitere erhebliche Straftaten begehen wird.
13
a) § 66b Abs. 2 StGB setzt aber auch voraus, dass nach der Anlassverurteilung vor dem Ende des Strafvollzuges (neue) "Tatsachen" erkennbar werden , die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit hinweisen (vgl. BGH NJW 2006, 531).
14
"Neue Tatsachen" müssen vorliegen, weil der durch das am 18. April 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Reform zur Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl I 513) eingefügte § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB für den hier einschlägigen § 66b Abs. 2 StGB nicht anwendbar ist.
15
Nach § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB kann das Gericht, wenn die Anordnung der Sicherungsverwahrung im Zeitpunkt der Verurteilung aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist, auch solche Tatsachen berücksichtigen, die im Zeitpunkt der Verurteilung bereits bekannt waren. Mit der Ergänzung des § 66b Abs. 1 StGB durch den eingefügten Satz 2 sollten nach den Gesetzesmaterialien vor allem die in den neuen Bundesländern demnächst zur Entlassung anstehenden Täter erfasst werden, bei denen bereits im Zeitpunkt ihrer Verurteilung deutliche tatsächliche Hinweise auf ihre Gefährlichkeit für die Allgemeinheit bestanden, die jedoch aus rechtlichen Gründen - die Vorschrift des § 66 StGB war damals auf im Beitrittsgebiet begangene Taten nicht anwendbar - nicht in der Siche- rungsverwahrung untergebracht werden konnten (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform der Führungsaufsicht - BTDrucks. 16/4740 S. 22 f.; BGH NJW 2008, 1682; Kinzig, Stellungnahme für die Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 19. März 2007 S. 3 f.; Peglau NJW 2007, 1558, 1561 f.).
16
Zugleich mit der Schaffung der Regelung für Altfälle in § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB hat der Gesetzgeber durch eine Änderung des § 66b Abs. 2 StGB klar gestellt, dass hier nur "Tatsachen der in Absatz 1 Satz 1 genannten Art" verwertet werden dürfen, die "nach einer Verurteilung … erkennbar" geworden sind. Von dem Verweis in § 66b Abs. 2 StGB hat er somit die "Altfall-Regelung" ausgenommen (vgl. Peglau aaO 1562). Diese Regelung ist allein für § 66b Abs. 1 StGB konzipiert (vgl. auch BTDrucks. aaO 23) und knüpft daran an, dass bei der Entscheidung über die nachträgliche Sicherungsverwahrung die Voraussetzungen des § 66 StGB vorliegen, dieser zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung aber nicht anwendbar war. Hier dagegen liegen auch gegenwärtig - nach dem oben unter II 1 Gesagten - die Voraussetzungen des § 66 StGB wegen der eingetretenen Rückfallverjährung nach dessen Absatz 4 Satz 3 nicht vor.
17
Die Nichtanwendbarkeit des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB im Rahmen des § 66b Abs. 2 StGB wird auch durch die Gesetzgebungsgeschichte belegt: Der Bundesrat hatte mit seinem Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes zur Stärkung der Sicherungsverwahrung vom 28. Juni 2006 (BTDrucks. 16/1992) eine ausdrückliche Erstreckung auch der sog. "Ersttäter-Regelung" des § 66b Abs. 2 StGB auf bei der Anlassverurteilung bereits bekannte oder erkennbare Tatsachen in "Altfällen" erstrebt, in denen - etwa wie hier wegen der eingetretenen Rückfallverjährung - aus rechtlichen Gründen keine Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB angeordnet werden konnte und auch gegenwärtig nicht angeordnet werden könnte. Der Bundesrat hat deshalb in seiner 832. Plenarsitzung vom 30. März 2007 in einer Entschließung festgestellt, dass insoweit weiterer Regelungsbedarf bestehe. Er hat daher den Deutschen Bundestag gebeten , den bisher nicht abschließend behandelten Vorschlag des Bundesrates rasch aufzugreifen und umzusetzen (BRDrucks. 192/07 [Beschluss]). Dem ist der Deutsche Bundestag aber bislang nicht nachgekommen.
18
b) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei das Vorliegen prognoserelevanter "neuer Tatsachen" im Sinne des § 66b Abs. 2 StGB verneint.
19
Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass auch § 66b Abs. 2 StGB voraussetzt, dass nach der Anlassverurteilung, jedoch vor Vollzugsende der deswegen verhängten Freiheitsstrafe "neue Tatsachen" erkennbar sein müssen, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit hinweisen (vgl. BGH NJW 2006, 531). "Neue Tatsachen" liegen dann nicht vor, wenn sie dem früheren Tatrichter bekannt waren - wie etwa die kriminelle Entwicklung des Betroffenen (vgl. OLG Frankfurt StV 2005, 142) - oder wenn sie ein sorgfältiger Tatrichter hätte aufklären und erkennen müssen. Durch die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung dürfen Versäumnisse der Strafverfolgungsbehörden im Ausgangsverfahren zu Lasten des Betroffenen im Nachhinein nicht korrigiert werden (vgl. BGHSt 50, 121; BGH NJW 2006, 531). Umstände, die schon für den früheren Tatrichter erkennbar waren, die er aber nicht erkannt habe, schieden daher als neue Tatsachen aus. In diesem Sinne erkennbar seien auch solche Umstände, die ein Tatrichter nach Maßstab des § 244 Abs. 2 StPO für die Frage der Anordnung freiheitsentziehender Maßregeln hätte aufklären müssen (vgl. BGH StV 2006, 243; NJW 2006, 1442 m.w.N.).
20
Eine solche Fallgestaltung liegt hier allerdings nicht vor. Hier hatte die sachverständig beratene Strafkammer des Anlassverfahrens die Frage des sexuellen Hintergrunds bei Begehung der Anlasstat ausdrücklich geprüft, eine sexuelle Motivation verneint und damit keine ansonsten gebotene Aufklärung unterlassen. Unabhängig davon hätte die Strafkammer - selbst wenn sie eine Sexualstraftat angenommen hätte - wegen der eingetretenen Rückfallverjährung nach § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB ohnehin keine Sicherungsverwahrung anordnen können.
21
c) Die während des Strafvollzuges bekannt gewordenen Umstände mögen zwar zeitlich "neu" sein; sie hatten aber nicht die Qualität "neuer Tatsachen" und insoweit waren sie bereits bekannt.
22
Der Umstand, dass sich der Betroffene nach seiner Verlegung in den offenen Vollzug neben bereits in seinem Besitz befindlichem Material mit erotischen Inhalten weitere pornographische Filme, Bücher und Comic-Hefte beschafft habe, in welchen zum Teil Vergewaltigungsszenen sowie Fesselungen und Misshandlungen weiblicher Opfer dargestellt werden, stellt danach inhaltlich keine "neue Tatsache" dar. Die Vorliebe des Betroffenen für Film- und Druckmedien mit pornographischen, auch sadomasochistischen Inhalten war spätestens im Rahmen der Ermittlungen wegen der Anlasstat im Jahr 1996 bekannt geworden und entsprechendes sichergestelltes Material war zu Beweiszwecken benannt und zur Einsicht bereit gehalten worden.
23
Ebenso ist auch das verbotene Einbringen pornographischen Materials in den offenen Vollzug hier keine relevante Anknüpfungstatsache (vgl. auch BGH NJW 2006, 531).
24
Die Äußerung des Betroffenen in der Vollzugsplankonferenz, er erkenne die Gefahr bei sich und habe keine Mechanismen zur Kontrolle sowie die nach- folgenden Angaben gegenüber der Anstaltspsychologin, er habe diese Phantasien , welche mit Gewalt assoziiert seien, sind ebenfalls nicht als neue Tatsachen zu bewerten. Bereits gegenüber dem Gutachter Dr. S. hatte der Betroffene vergleichbare Angaben gemacht. Bei der Anlassverurteilung war bereits bekannt, dass dem Betroffenen seine Neigung und die hieraus folgende Gefahr der Begehung von weiteren, auch schwerwiegenden Straftaten durchaus bewusst waren. Ebenso war auch die aus der beschriebenen Neigung resultierende Gefährlichkeit des Betroffenen deutlich angesprochen worden. Seine nunmehr im Vollzug wiederholte Äußerung, er erkenne bei sich eine Gefahr , ist daher nicht als neue Tatsache zu bewerten.
25
Schließlich stellen die im Rahmen der nach Vollzugsende durchgeführten Exploration gegenüber dem Sachverständigen gemachten Äußerungen Dr. P. keine "neue Tatsachen" dar. Zwar können die ausführlichen umfangreichen Angaben des Betroffenen zu seinen sexuellen sadistischen Phantasien , welche erstmals einen tieferen Einblick in sein Binnenerleben ermöglichen , Anknüpfungstatsachen im Sinne des § 66b StGB sein. Seine nunmehr verbalisierten Phantasien waren den vor der Anlassverurteilung tätigen Sachverständigen nicht bekannt, da sich der Betroffene ihnen gegenüber nicht öffnete. Auch hat der Sachverständige Dr. P. aufgrund dieser Anknüpfungstatsachen eine grundlegende diagnostische Neubewertung vorgenommen und gelangt zu dem Ergebnis, dass kein Zweifel an dem Vorliegen einer hochgradig devianten Sexualität, eines sexuellen Sadismus bestehe.
26
d) Voraussetzung für die Einordnung der Anknüpfungstatsachen als "neue Tatsachen" im Sinne des § 66b StGB ist jedoch, dass sie die Gefährlichkeit des Betroffenen höher (vgl. BVerfG NJW 2006, 3483) bzw. - was hier relevant ist - in einem grundsätzlich anderen Licht erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschl. vom 12. September 2007 - 1 StR 391/07). Letzteres kann vorliegend nicht festgestellt werden. Bereits auf der Grundlage der zuvor stets gleich lautenden Angaben des Betroffenen zu seiner Sexualanamnese haben der Sachverständige Dr. B. und der im Jahr 2004 mit der Erstellung eines kriminalprognostischen Gutachtens beauftragte Sachverständige Dr. Sp. eine ungünstige Legalprognose gestellt.
27
Auch nach Kenntnis der umfangreichen Angaben des Betroffenen zu seinen sexuellen Phantasien ist der Sachverständige Dr. B. nicht zu einer diagnostischen Neubewertung und insbesondere nicht zu der Annahme einer devianten Sexualität gelangt. Nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. P. und Dr. B. hat sich in der Gesamtschau unbeschadet einer möglichen diagnostischen Neubewertung keine neue Einschätzung zur Persönlichkeit des Betroffenen ergeben. Der Sachverständige Dr. S. hat ihn bereits im Anlassverfahren als gefährlichen Hangtäter im Sinn des § 66 StGB charakterisiert. Nicht zuletzt wurde die hohe Gefährlichkeit des Betroffenen auch durch seine Straftaten, insbesondere die von ihm nach langer Strafhaft und über fünfzehnjähriger, relativ stabiler Zeit in Freiheit begangene Anlasstat belegt.
28
e) Es ist demnach revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht nach einer umfassenden Gesamtwürdigung der Anknüpfungstatsachen davon ausgegangen ist, dass die von dem Betroffenen ausgehende Gefahr seit langem zutreffend beschrieben worden und bereits im Anlassverfahren nicht nur erkennbar gewesen ist, sondern sogar ausdrücklich bekannt war. Die Angaben des Betroffenen über seine sexuell-sadistischen Phantasien sind zwar wesentlich für die diagnostische Bewertung, lassen aber die bereits zuvor bekannte Gefährlichkeit des Betroffenen nicht in einem grundlegend neuen Licht erscheinen.
29
f) Dem Senat ist bewusst, dass der Betroffene aufgrund seiner Vorgeschichte gefährlich ist. Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, der in § 66b StGB klar zum Ausdruck gekommen ist, besteht jedoch keine rechtliche Möglichkeit, nachträglich die Sicherungsverwahrung anzuordnen. Nack Wahl Boetticher Kolz Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
GSSt 1/08
vom
7. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
1. Hat der Betroffene nach Erklärung der Erledigung der Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 6 StGB) noch Freiheitsstrafe
zu verbüßen, auf die zugleich mit der Unterbringung erkannt
worden ist, so steht dies der nachträglichen Anordnung der Unterbringung
in der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 StGB entgegen
(Bestätigung von BGHSt 52, 31).
2. In diesen Fällen kommt indes die nachträgliche Anordnung der Unterbringung
in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 1 Satz 1 oder
Abs. 2 StGB in Betracht. Insoweit genügt für die Annahme neuer Tatsachen
, dass vor dem Hintergrund der nicht (mehr) vorhandenen Voraussetzungen
der Unterbringung nach § 63 StGB die qualifizierte Gefährlichkeit
des Verurteilten auf abweichender Grundlage belegt wird.
3. Nur die Vollstreckung des Restes derjenigen Strafe, die in der Anlassverurteilung
ausgesprochen worden war, steht der Anwendung des
BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 7. Oktober 2008
- GSSt 1/08 - Landgerichte Bielefeld und Saarbrücken
1.
2.
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat durch den Präsidenten
Prof. Dr. Tolksdorf, die Vorsitzenden Richter Nack, Basdorf und Becker
sowie die Richter Maatz, Dr. Wahl, Prof. Dr. Kuckein, Pfister, Rothfuß,
Dr. Raum und Prof. Dr. Fischer am 7. Oktober 2008 beschlossen:
Hat der Betroffene nach Erklärung der Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 6 StGB) noch Freiheitsstrafe zu verbüßen, auf die zugleich mit der Unterbringung erkannt worden ist, so steht dies der nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 StGB entgegen.

Gründe:


I.

1
Die Vorlage betrifft die Frage, ob es der nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 StGB entgegensteht , dass der Betroffene nach Erklärung der Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 6 StGB) noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, auf die zugleich mit der Unterbringung erkannt worden ist.
2
1. Dem 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs liegen zwei Revisionssachen vor, deren Entscheidung nach dessen Auffassung jeweils von der Beantwortung dieser Frage abhängt.
3
a) Verfahren 4 StR 314/07 gegen J. W. :
4
Dem Verfahren liegt eine Verurteilung durch das Landgericht Bielefeld wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten zugrunde. Der vielfach und massiv vorbestrafte Verurteilte hatte sich - insoweit noch uneingeschränkt schuldfähig - vorsätzlich betrunken. Zu seinen Gunsten wurde eine Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von über vier Promille festgestellt; seine Schuldfähigkeit war jedenfalls erheblich vermindert, möglicherweise sogar völlig aufgehoben. In diesem Zustand beging er eine gefährliche Körperverletzung, durch die er dem Tatopfer schwere Verletzungen zufügte. Nachdem in einem ersten Revisionsverfahren die neben der Strafe angeordnete Sicherungsverwahrung aufgehoben worden war, ordnete das Landgericht nach erneuter Verhandlung und Entscheidung über den Maßregelausspruch die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB an. Dieser leide an einer schweren dissozialen Persönlichkeitsstörung, die zwar für sich betrachtet seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht erheblich beeinträchtigt habe. Wegen einer Wechselwirkung zwischen der Persönlichkeitsstörung und einer hierauf beruhenden Alkoholsucht sei der Verurteilte jedoch entweder gar nicht oder nur erheblich vermindert in der Lage gewesen, sein Verhalten im Hinblick auf die von ihm begangene gefährliche Körperverletzung zu steuern. Während er in Anwendung des Zweifelssatzes (nur) wegen Vollrausches schuldig gesprochen und bestraft worden sei, müsse in Befolgung der Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich des Maßregelausspruchs der Zweifelssatz gewendet werden: Insoweit sei lediglich von einer gesicherten erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit durch den fortdauernden Zustand schwerer seelischer Abartigkeit (in Verbindung mit einer deutlichen Alkoholisierung) auszugehen ; in dessen Folge seien auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten, die eine Gefahr für die Allgemeinheit begründeten. Auf dieser Grund- lage ordnete das Landgericht die Unterbringung des Verurteilten nach § 63 StGB an, da diese im Verhältnis zu § 66 Abs. 1 StGB die weniger beschwerende Maßregel darstelle. Das Urteil wurde am 11. August 2004 rechtskräftig.
5
Der Verurteilte befand sich ab 16. November 2004 im Maßregelvollzug. Mit Beschluss vom 22. September 2006 erklärte eine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn die Unterbringung gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB für erledigt, weil bei dem Verurteilten keine Persönlichkeitsstörung vorliege , so dass - obwohl er weiterhin gefährlich sei - die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorlägen. Die noch offene Restfreiheitsstrafe von knapp vier Monaten verbüßte der Verurteilte bis 25. Januar 2007. Seit 26. Januar 2007 wird der nach § 275a Abs. 5 StPO erlassene Unterbringungsbefehl des Landgerichts Bielefeld gegen ihn vollzogen.
6
Die Staatsanwaltschaft hat am 26. Oktober 2006 die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Verurteilten gemäß § 66b Abs. 3 StGB beantragt. Dem ist das Landgericht Bielefeld gefolgt. Gegen dessen Urteil wendet sich der Verurteilte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
7
b) Verfahren 4 StR 391/07 gegen W. H. :
8
Der wiederholt, unter anderem wegen Mordes und gefährlicher Körperverletzung vorbestrafte Verurteilte war durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28. September 1989 wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Zugleich hatte das Landgericht seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet. Der Verurteilte hatte in einem Rausch die Tatbestände der gefährlichen Körperverletzung, der versuchten Vergewaltigung und des versuchten Totschlags verwirklicht. Die Maßregel hatte das Landgericht damit begründet, dass der Verurteilte aufgrund einer Persönlichkeitsstörung zur Begehung schwerster, sexuell motivierter Straftaten neige.
9
Durch Urteil des Landgerichts Trier vom 28. Februar 1991 wurde in einem Sicherungsverfahren erneut die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Gegenstand dieses Verfahrens war eine gefährliche Körperverletzung, die der Verurteilte während einer Flucht aus dem Maßregelvollzug begangen hatte.
10
Der Verurteilte befand sich anschließend nahezu ununterbrochen im Maßregelvollzug. Mit Beschluss vom 28. November 2005 erklärte eine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Saarbrücken gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB die Unterbringungsanordnungen für erledigt, da ein Zustand im Sinne des § 20 StGB nicht (mehr) gegeben sei; gleichwohl sei der Verurteilte weiterhin als gefährlich für die Allgemeinheit einzustufen. Seit 23. Dezember 2005 befand sich der Verurteilte sodann in Strafhaft. Er verbüßte bis 22. Juni 2007 eine Restfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Seitdem ist er einstweilen untergebracht (§ 275a Abs. 5 StPO).
11
Die Staatsanwaltschaft hat am 14. November 2006 die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Verurteilten gemäß § 66b Abs. 3 StGB beantragt. Dem ist das Landgericht Saarbrücken gefolgt. Gegen dessen Urteil wendet sich die Revision des Verurteilten, der die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
12
2. Der 4. Strafsenat beabsichtigt, beide Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen. Hieran sieht er sich jedoch durch das Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. August 2007 - 1 StR 268/07 (BGHSt 52, 31) gehindert.
13
a) Der 1. Strafsenat hat dort ausgesprochen, dass die Entscheidung nach § 67d Abs. 6 StGB, die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus sei erledigt, regelmäßig nur dann Grundlage für die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 StGB sein könne, wenn andernfalls der Betroffene in die Freiheit entlassen werden müsste. Habe er dagegen im Anschluss an die Erledigung noch Freiheitsstrafe zu verbüßen, auf die zugleich mit der Unterbringung erkannt worden sei, so könne nachträgliche Sicherungsverwahrung regelmäßig nur unter den Voraussetzungen von § 66b Abs. 1 oder Abs. 2 StGB angeordnet werden.
14
Für diese Auffassung hat sich der 1. Strafsenat maßgeblich auf den Willen des Gesetzgebers gestützt, wie er in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (BTDrucks. 15/2887 S.14) Ausdruck gefunden habe. Bei seiner Entscheidung hat der 1. Strafsenat zwar eine Ausnahme für Fälle erwogen, in denen nach der Erledigungsentscheidung nur noch für sehr kurze Zeit Strafe zu vollstrecken wäre, er hat dies jedoch angesichts einer Restfreiheitsstrafe von mehr als zehn Monaten in dem entschiedenen Fall offen gelassen.
15
b) Dem will der 4. Strafsenat nicht folgen. Er hält die Gesetzesmaterialien für unklar, möchte ihnen aber jedenfalls nicht in dem vom 1. Senat befürworteten Verständnis ausschlaggebende Bedeutung für die Auslegung des § 66b StGB beimessen. Diese Auslegung hätte nämlich wegen des grundsätzlichen Vorwegvollzugs der Maßregel nach § 63 StGB67 Abs. 1 StGB) und deren Teilanrechnung lediglich bis zu zwei Dritteln der zugleich verhängten Strafe (§ 67 Abs. 4 StGB) zur Folge, dass der Anwendungsbereich des § 66b Abs. 3 StGB in unvertretbarer Weise verkürzt werde; denn hierdurch würden regelmäßig die von seinem Wortlaut eindeutig erfassten Fälle ausgenommen, in denen gleichzeitig auf Strafe und Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus erkannt worden war. Die Anwendung des § 66b Abs. 3 StGB allein auf schuldlos handelnde Täter führe auch zu Wertungswidersprüchen. Abgesehen davon könnte es zu sachlich nicht gerechtfertigten Unterschieden aufgrund von Zufälligkeiten im Vollstreckungsverlauf kommen. Zudem sei eine Anordnung nach § 66b Abs. 3 StGB unter geringeren Anforderungen im Vergleich zu den Fällen des § 66b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StGB, namentlich ohne neue Tatsachen („Nova“) durchweg gerechtfertigt, weil in jenen Fällen eine im Erkenntnisverfahren nicht angeordnete freiheitsentziehende Maßregel von unbestimmter Dauer nachträglich hinzugefügt werde, während durch § 66b Abs. 3 StGB bei einem nach wie vor hochgefährlichen Täter eine bereits angeordnete, dann aber für erledigt erklärte freiheitsentziehende Maßregel von unbestimmter Dauer (§ 63 StGB) nur durch eine andere ersetzt werde. Die vom 1. Strafsenat erwogene Ausnahme für kurze Reststrafen führe mangels klarer Grenzziehung zu großer Rechtsunsicherheit in einem außerordentlich sensiblen Rechtskreis; dagegen würden die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschritten, wenn der Bundesgerichtshof insoweit eine eindeutige Grenze festlegen wollte.
16
3. Auf Anfragebeschluss (§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG) des 4. Strafsenats vom 5. Februar 2008 (NStZ 2008, 333 m. Anm. Ullenbruch) hat der 1. Strafsenat mit Beschluss vom 2. April 2008 - 1 ARs 3/08 (JR 2008, 255 m. Anm. Kudlich) an seiner Rechtsauffassung festgehalten. Daraufhin hat der 4. Strafsenat mit Beschluss vom 19. Juni 2008 (NJW 2008, 2661) dem Großen Senat gemäß § 132 Abs. 2 und Abs. 4 GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt: Steht es der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 StGB entgegen, dass der Betroffene nach Erklärung der Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 6 StGB) noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, auf die zugleich mit der Unterbringung erkannt worden ist?
17
Da in beiden ihm vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 StGB nicht vorlägen und - jedenfalls in der zweiten Sache - nach der Erledigungsentscheidung noch längere Freiheitsstrafe zu vollstrecken gewesen sei, sei die divergierend beurteilte Frage entscheidungserheblich.
18
4. Der Generalbundesanwalt folgt im Wesentlichen der Auffassung des 4. Strafsenats. Er beantragt zu beschließen: Der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 StGB steht nicht entgegen, dass der Betroffene nach Erklärung der Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 6 StGB) noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, auf die zugleich mit der Unterbringung erkannt worden ist.

II.

19
Die Vorlegungsvoraussetzungen sowohl für eine Divergenzvorlage (§ 132 Abs. 2 GVG) als auch für eine Grundsatzvorlage (§ 132 Abs. 4 GVG) sind gegeben. Die Divergenz zwischen den beteiligten Senaten in der vorgelegten Rechtsfrage ist offensichtlich. Deren zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung klärungsbedürftige grundsätzliche Bedeutung ergibt sich aus einer zunehmenden Praxisrelevanz in Verfahren mit überaus weit reichender und einschneidender Auswirkung für die betroffenen Verurteilten. Die Beurteilung des vorlegenden Senats im Hinblick auf die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage in den beiden der Vorlage zu Grunde liegenden Verfahren ist jedenfalls vertretbar und damit für den Großen Senat für Strafsachen bindend (vgl. BGHSt 41, 187, 194; 51, 298, 302).

III.

20
In der Sache hält der Große Senat für Strafsachen eine Auslegung des § 66b Abs. 3 StGB für geboten, die von dessen Anwendung die Fälle ausnimmt, in denen im Zeitpunkt der Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6 StGB noch die Verbüßung von Freiheitsstrafe aussteht, auf die zugleich mit der Unterbringung nach § 63 StGB erkannt worden war. Eine solche Einschränkung, welche stattdessen die Anwendung des § 66b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 StGB offen lässt, entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Sie widerstreitet dem Wortlaut der Norm nicht und steht im Einklang mit Systematik und Zweck des Gesetzes. Eine Ausnahme für den Fall ausstehender kurzer Reststrafe verwirft der Große Senat.
21
1. Nach dem zweifelsfreien Willen des Gesetzgebers soll in den Fällen, in denen der Verurteilte nach der Erledigungserklärung gemäß § 67d Abs. 6 StGB noch den Rest einer zugleich mit der Maßregelanordnung nach § 63 StGB verhängten Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, § 66b Abs. 3 StGB keine Anwendung finden; vielmehr soll zu gegebener Zeit geprüft werden, ob die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 StGB zu verhängen ist. Dies ergibt sich eindeutig aus der Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks. 15/2887 S. 14). Dort heißt es:
22
"Anwendung soll die Vorschrift (§ 66b Abs. 3 StGB) vor allem in denjenigen Fällen finden, in denen der Untergebrachte von dem erkennenden Gericht für schuldunfähig gehalten und deshalb nur die Unterbringung in einem psychi- atrischen Krankenhaus angeordnet wurde, ohne dass parallel eine Freiheitsstrafe verhängt werden konnte. Erfasst werden von der Vorschrift daneben aber auch die Fälle, in denen das Gericht unter Anwendung des § 21 StGB neben der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eine Freiheitsstrafe verhängt hatte, in denen die Freiheitsstrafe aber in Umkehrung der regelmäßigen Vollstreckungsreihenfolge (§ 67 Abs. 1 und 2 StGB) bereits vor dem Vollzug der Maßregel vollständig vollstreckt wurde und somit der Untergebrachte nunmehr aus der Maßregel in die Freiheit zu entlassen wäre. In Fällen, in denen nach Erledigung der Maßregel noch eine parallel verhängte Freiheitsstrafe zu vollstrecken ist, ergibt sich demgegenüber zunächst kein Bedürfnis für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 StGB - neu -. Hier kommt ggf. vor Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 und 2 StGB - neu - in Betracht."
23
Das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (BGBl I 1838) ging im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu kompetenzwidrigen Landesunterbringungsgesetzen vom 10. Februar 2004 (BVerfGE 109, 190) auf ein notgedrungen überaus eilig durchgeführtes Gesetzgebungsverfahren zurück. Darin traten zwar Divergenzen und Unstimmigkeiten zu Einzelpunkten auf. All dies änderte indes für die hier in Rede stehende Frage letztlich nichts an der zitierten Auffassung, da die Bundesregierung gegenüber abweic henden Vorstellungen ausdrücklich am Gesetzentwurf und an seiner Begründung festgehalten hat (vgl. Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung, BTDrucks. 15/2945 S. 2 f., 4 f.; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, BTDrucks. 15/3346 S. 17). Dieser ist der Gesetzgeber gefolgt. Ihr kommt bei der Auslegung der erst vor relativ kurzer Zeit in Kraft getretenen Norm maßgebliche und ausschlaggebende Bedeutung zu.
24
2. Auf den ersten Blick deutet allerdings der Wortlaut des § 66b Abs. 3 StGB darauf hin, dass die Vorschrift auch dann Anwendung finden soll, wenn neben der Maßregel des § 63 StGB, weil die Schuldfähigkeit des Täters nicht ausgeschlossen, sondern nur erheblich vermindert war (§ 21 StGB), auch Strafe verhängt wurde. Gerade diese Fälle würden aber - aufgrund des Zusammenspiels der Regelungen zu Vorverbüßung und Anrechnung (§ 67 Abs. 1 und 4 StGB) - bei der dem Willen des Gesetzgebers entsprechenden Auslegung des § 66b Abs. 3 StGB vom Anwendungsbereich der Norm regelmäßig ausgenommen. Es verblieben insoweit nur die eher seltenen Fälle der Vollstreckungsumkehr (in der Entwurfsbegründung ausdrücklich benannt) und der vollständigen Erledigung der verhängten Strafe durch Anrechnung nach § 51 StGB. Jedoch ist der Wortlaut des § 66b Abs. 3 StGB nicht in der Weise eindeutig, dass er einer restriktiven, dem Willen des Gesetzgebers Rechnung tragenden Auslegung zwingend entgegenstünde.
25
Hinzu kommt, dass sich im Gesamtwortlaut des § 66b StGB durchaus Hinweise finden, die das vom Gesetzgeber gewollte Verständnis des § 66b Abs. 3 StGB widerspiegeln. Während Absatz 1 und Absatz 2 der Vorschrift die Entwicklung des Verurteilten im Strafvollzug als ergänzendes Element der Gesamtwürdigung , auf welche die negative Wahrscheinlichkeitsprognose zu stützen ist, ausdrücklich bezeichnen, ist in Absatz 3 Nr. 2 ausdrücklich nur die Entwicklung des Verurteilten während des Vollzugs der Maßregel benannt. Dies lässt sich im Hinblick auf das Gebot einer sorgfältigen und auf umfassender Grundlage zu treffenden Prognoseentscheidung (vgl. BVerfGE 109, 190, 241), bei der auch das Vollzugsverhalten ein maßgebliches Entscheidungskriterium ist (vgl. dazu Bericht des Rechtsausschusses aaO S. 17), im Sinne des gesetzgeberischen Willens dahin deuten, dass die Vorschrift des § 66b Abs. 3 StGB bei noch offenem Strafvollzug nicht zur Anwendung gelangen soll.
26
3. Durch die vom Gesetzgeber gewollte restriktive Normenanwendung entstehen keine Wertungswidersprüche, die deren Beachtlichkeit entgegenstehen könnten. Insofern gilt:
27
a) Zwar werden ursprünglich als schuldlos beurteilte Täter bei der in Frage stehenden einschränkenden Anwendung des § 66b Abs. 3 StGB im Ausgangspunkt scheinbar strenger behandelt als Täter, die mit, wenn auch erheblich verminderter, Schuld straffällig geworden sind; bei ihnen bestehen - abgesehen davon, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 StGB nie nach der Begehung nur einer der dort in Nr. 1 benannten Taten angeordnet werden kann (s. demgegenüber § 66b Abs. 2 StGB) - grundsätzlich geringere formelle Voraussetzungen für die Anordnung als bei den von § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB erfassten Tätern. Dies ist jedoch nicht von vornherein sachwidrig. Denn gegenüber dem Täter, auf den mit Mitteln des Strafvollzugs noch eingewirkt werden kann, steht hierdurch immerhin ein, wenn auch begrenztes , Mittel zur Eindämmung seiner Gemeingefährlichkeit zur Verfügung. Anders liegt es dagegen bei demjenigen, der wegen Schuldunfähigkeit nicht bestraft werden konnte und daher allein der Maßregel nach § 63 StGB unterworfen wurde. Muss dessen Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus nach einer maßgeblichen Veränderung seines psychischen Zustands oder besserer Erkenntnis hierüber gemäß § 67d Abs. 6 StGB beendet werden, so bleibt, wenn seine besondere Gefährlichkeit unvermindert fortbesteht, keine andere Möglichkeit als die Fortsetzung der die Allgemeinheit schützenden Unterbringung in der veränderten Form der Sicherungsverwahrung.
28
b) Auf Täter, die (nur) mit erheblich verminderter Schuld gehandelt hatten und daher sowohl zu Freiheitsstrafe verurteilt als auch nach § 63 StGB untergebracht wurden, wird § 66b Abs. 3 StGB bei der dem gesetzgeberischen Willen entsprechenden Norminterpretation - wie dargelegt - nur ausnahmsweise Anwendung finden. Dabei werden in der Praxis Ausnahmefälle um so eher in Betracht kommen, je kürzer die verhängte Freiheitsstrafe war; denn regelmäßig werden nur kurze Freiheitsstrafen, etwa durch Anrechnung nach § 51 StGB, im Zeitpunkt der Entscheidung nach § 67d Abs. 6 StGB bereits vollständig erledigt sein können. Darin könnte eine Besserstellung von Tätern gesehen werden, die zu höheren Freiheitsstrafen verurteilt worden sind und deshalb dem Anwendungsbereich des § 66b Abs. 3 StGB eher entzogen sind. Ein gegen die Beachtlichkeit der historischen Auslegung sprechender Wertungswiderspruch liegt indes auch hierin nicht:
29
Die für die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung erforderliche besonders hohe Gemeingefährlichkeit wird bei jenen geringer Bestraften nicht so häufig vorkommen. Erfüllt ein solcher Verurteilter wegen ausnahmsweise bereits vollständiger Strafvollstreckung die formellen Voraussetzungen des § 66b Abs. 3 StGB, so wird bei ihm daher besonders sorgfältig zu prüfen sein, ob nicht bei Ausübung des tatrichterlichen Ermessens die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ausscheidet. Die zu treffende Ermessensentscheidung wird bei der einschränkenden Auslegung des § 66b Abs. 3 StGB weitgehend die Gefahr bannen können, dass nach der Zufälligkeit des Vollstreckungsablaufs unterschiedliche Entscheidungen über die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung getroffen werden, je nachdem, ob § 66b Abs. 3 StGB oder später - nur - § 66b Abs. 1 oder Abs. 2 StGB zur Anwendung kommt.
30
4. Die Auslegung des § 66b Abs. 3 StGB entsprechend den Aussagen der Gesetzesmaterialien führt auch nicht zu einer vom Gesetz nicht gewollten Einschränkung des Schutzes der Allgemeinheit vor hochgefährlichen Tätern. Diese werden in aller Regel - trotz Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB - noch so hoch bestraft worden sein, dass dem Interesse der Allgemeinheit , gegen sie nach Erledigung ihrer Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus die nachträgliche Sicherungsverwahrung anzuordnen, nach dem anschließenden Strafvollzug durch Anwendung des § 66b Abs. 1 oder Abs. 2 StGB Rechnung getragen werden kann. Der Rückgriff auf diese Bestimmungen wäre freilich ausgeschlossen, wenn die Regelung des § 66b Abs. 3 StGB ihnen gegenüber Sperrwirkung entfaltete oder wenn ihrer Anwendung mit Blick auf die Notwendigkeit des Erkennbarwerdens neuer Tatsachen (vgl. § 66b Abs. 1 oder Abs. 2 StGB) regelmäßig unüberwindbare rechtliche Hindernisse entgegenstünden. Beides ist indes nicht der Fall:
31
a) Eine Sperrwirkung des § 66b Abs. 3 StGB gegenüber § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB ist dem Gesetz nicht zu entnehmen; ihre Annahme würde dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen (vgl. auch insoweit die Begründung des Gesetzentwurfs aaO S. 14).
32
b) Auch die erforderlichen sog. Nova werden in aller Regel mit Blick auf die Besonderheiten der hier in Rede stehenden Konstellation zu bejahen sein. Allerdings trifft zu, dass im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot grundsätzlich strenge Anforderungen an die Annahme neu erkennbar werdender Tatsachen zu stellen sind. Nach der Rechtsprechung aller Senate darf deshalb die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht auf Umstände gestützt werden, die der Tatrichter des Anlassverfahrens erkannt hat oder hätte erkennen müssen; denn sie darf nicht der nachträglichen Korrektur eines Urteils dienen, in dem die originäre Anordnung der Sicherungs- verwahrung fehlerhaft abgelehnt worden war (etwa BGHSt 50, 121, 125 f.; 50, 275, 278; 51, 185, 187 f.; s. die weiteren Nachw. bei Fischer, StGB 55. Aufl. § 66b Rdn. 18).
33
Diese strengen Anforderungen, die auch nach Auffassung des Großen Senats grundsätzlich keine Aufweichungen vertragen, sind indes für die Fälle entwickelt worden, in denen gegen den Verurteilten in der Anlassentscheidung allein auf Strafe erkannt worden war. Der Täter, dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit im Ursprungsverfahren nicht erkannt worden ist, bei sorgfältiger Aufklärung der maßgeblichen Umstände aber hätte erkannt werden können, soll - so der Wortlaut und auch der Sinn und Zweck des § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB - nicht unter Durchbrechung der Rechtskraft nachträglich in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden dürfen.
34
In der hier zu beurteilenden Konstellation war aber nicht nur auf Strafe, sondern gleichzeitig auch auf die Maßregel nach § 63 StGB erkannt worden. Diese Maßregelanordnung beruhte auf der Prognose, dass von dem Verurteilten aufgrund seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Damit wird vielfach aber schon im Ausgangsurteil eine Gefährlichkeit des Verurteilten festgestellt worden sein, die auch den erhöhten Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 66b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StGB genügt; im Verfahren zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung ist daher insoweit allein die Frage zu beantworten, ob diese Gefahr fortbesteht. Dies hat notwendigerweise Auswirkungen für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der nach der Anlassverurteilung erkennbar werdenden Tatsachen, die auf die Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hindeuten. Anders als in den von der dargestellten Rechtsprechung erfassten Fällen, in denen die nachträgliche Sicherungsverwahrung eines Verurteilten zu prüfen ist, gegen den im Anlassurteil allein auf Strafe erkannt worden war, kann hier nicht darauf abgestellt werden, ob nachträglich neue Tatsachen erkennbar werden, die erstmals auf die besondere Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen. Vielmehr kann es nur darauf ankommen, ob die fortbestehende (qualifizierte) Gefährlichkeit aus anderen Tatsachen herzuleiten ist als denjenigen, die im Anlassurteil zur Begründung des länger andauernden Zustands herangezogen wurden, der zur positiven Feststellung erheblich verminderter Schuldfähigkeit bei Tatbegehung (§ 21 StGB) und zur Anordnung nach § 63 StGB führte. Ob diese Tatsachen dem ursprünglichen Tatrichter bekannt waren oder bei pflichtgemäßer Beachtung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) hätten bekannt sein müssen , ist demgegenüber ohne Bedeutung. Es genügt, dass sie vor dem Hintergrund der nicht (mehr) vorhandenen Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 6 StGB) die qualifizierte Gefährlichkeit des Verurteilten auf abweichender Grundlage belegen und somit rechtlich in einem neuen Licht erscheinen (vgl. BVerfG - Kammer - JR 2006, 474, 476).
35
Waren etwa in der Lebensführung des Verurteilten bis zur Anlassverurteilung Tatsachen erkennbar, die einen Hang zur Begehung von Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB belegen konnten, wurde diesen aber deswegen im Ausgangsverfahren rechtlich keine eigenständige Beachtung geschenkt, weil sich der Tatrichter von einer dauerhaften psychischen Störung des Verurteilten überzeugte, die über die positive Feststellung der Voraussetzungen des § 21 StGB in Verbindung mit der lediglich indiziellen Bedeutung der früheren Straffälligkeit des Verurteilten für dessen zukünftige Gefährlichkeit zur Unterbringung nach § 63 StGB führte, so stellt es eine neue Tatsache im Sinne von § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB dar, wenn nunmehr allein aus der Disposition des Verurteilten zur Begehung von schwerwiegenden Straftaten auch ohne das Hinzutreten einer dauerhaften psychischen Störung seine qualifizierte Gefähr- lichkeit für die Allgemeinheit rechtlich eigenständig herzuleiten ist. Ein derartiges Verständnis wird durch das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot nicht gehindert. Denn hier steht nicht die erstmalige Anordnung einer zeitlich nicht begrenzten freiheitsentziehenden Maßregel in Rede, sondern im Kern - bei durchgängig angenommener Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit - die Überweisung von einer derartigen Maßregel in eine andere unter verschärften Anordnungsvoraussetzungen. Die Rückwirkungsproblematik stellt sich somit allenfalls in stark abgeschwächter Form. Das rechtfertigt in diesen Fällen die großzügigere Auslegung des Tatbestandsmerkmals der neu erkennbar werdenden Tatsachen.
36
5. Wegen des aus dem Normgefüge der § 66b StGB, § 275a StPO, § 74f GVG folgenden strikten Zusammenhangs der nachträglich anzuordnenden Maßregel mit der Anlassverurteilung steht nur die Vollstreckung des Restes der Strafe, die in der Anlassverurteilung ausgesprochen worden war, der Anwendung des § 66b Abs. 3 StGB entgegen. Dies ist - entsprechend der Formulierung der Ausgangsentscheidung des 1. Strafsenats und der Vorlage - ausdrücklich klarzustellen, und zwar mit Rücksicht auf Fälle, in denen gemäß § 67d Abs. 6 StGB zugleich mehrere Maßregelanordnungen für erledigt erklärt wurden (vgl. den zweiten Vorlagefall).
37
6. § 66b Abs. 3 StGB findet nach der Erledigungserklärung gemäß § 67d Abs. 6 StGB auch dann keine Anwendung, wenn nur noch ein kurzer Strafrest zur Vollstreckung ansteht. Zwar verblasst in diesen Fällen das Argument der unvollständigen Gesamtwürdigung, da von dem nur kurzfristigen Reststrafvollzug relevante Auswirkungen auf die Gefährlichkeit des Verurteilten und Erkenntnisse hierzu im Allgemeinen nicht mehr ernstlich zu erwarten sind. Gleichwohl ist die insoweit vom 1. Strafsenat erwogene Ausnahme von der einschränkenden Auslegung des § 66b Abs. 3 StGB nicht anzuerkennen. Ihr wi- derstreitet das vom vorlegenden Senat zutreffend benannte Anliegen der Rechtsklarheit, das in Fällen mit großer Eingriffsintensität besonders hohen Stellenwert hat. Der Große Senat verkennt nicht die praktischen Schwierigkeiten , die sich in diesen Fällen für die notwendig kurzfristige Antragstellung nach § 66b Abs. 1 oder Abs. 2 StGB stellen. Dieses Problem ist indes eine vom Gesetzgeber möglicherweise nicht bedachte Folge der von ihm gewollten restriktiven Anwendung des § 66b Abs. 3 StGB und vom Rechtsanwender, dem die Festlegung von Fristen mangels vorgegebener Maßstäbe versagt ist, im Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen. Prof. Dr. Tolksdorf Nack Basdorf Becker Maatz Dr. Wahl Prof. Dr. Kuckein Pfister Rothfuß Dr. Raum Prof. Dr. Fischer

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 227/08
vom
17. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juni 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 9. Januar 2008 wird verworfen. 2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Betroffenen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat es abgelehnt, gegen den Betroffenen gemäß § 66b Abs. 2 StGB nachträglich die Sicherungsverwahrung anzuordnen. Die hiergegen gerichtete auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, hat keinen Erfolg.

I.

2
Dem Urteil des Landgerichts liegt Folgendes zugrunde.
3
1. Der heute 64-jährige Betroffene ist mehrfach vorgeahndet. Insbesondere wurde er schon durch Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 13. Oktober 1965 wegen Totschlags in Tateinheit mit versuchter Notzucht mit Todesfolge zu einer Zuchthausstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt. Diese Strafe verbüßte der Betroffene bis zum 27. November 1979. Anlassverurteilung war das Urteil vom 24. September 1997, mit dem das Landgericht den Betroffenen wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilte. Er drang im August 1996 in ein nahe gelegenes Wohnanwesen ein, um sich notfalls mit Gewalt Geld zu verschaffen. Hierzu nahm er aus dem Kofferraum seines Fahrzeugs ein Kabel, das an beiden Enden mit einem Schukostecker versehen war, an sich und zog ein paar braune Lederhandschuhe an. Nach Eindringen in das Wohnzimmer der damals 75-jährigen Geschädigten schloss er das eine Ende des Kabels an das Stromnetz und drückte das andere Ende an verschiedene Stellen u.a. des Kopfes und des Halses der Geschädigten, um diese zur Erleichterung seiner Suche nach Geld bewusstlos zu machen. Nachdem die nur benommene Geschädigte schließlich um Hilfe schrie, ließ er von ihr ab und flüchtete. Die Geschädigte erlitt durch diese lebensgefährlichen Stromstöße an den betroffenen Stellen teilweise bis auf die Schädelknochen reichende Hautverbrennungen.
4
Im Rahmen der Ermittlungen wurden bei der Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen 83 Porno-Videokassetten mit teils gewalttätigen Sexszenen und einer vermutlich authentischen Vergewaltigungsszene gefunden. Zudem wurde dort der erste Band des Comic-Heftes "Marie-Gabrielle de SaintEutrope" sichergestellt, in welchem drastische sexuelle Handlungen an Frauen und Gewalt gegen weibliche Opfer mit eindeutig "sadomasochistischem Charakter" dargestellt werden. Der damalige polizeiliche Sachbearbeiter dokumentierte die Funde durch Vermerke in den Ermittlungsakten und fügte die Videokassette mit der Vergewaltigungsszene sowie ein Comic-Pornoheft mit sexuellsadistischem Inhalt seiner Strafanzeige bei, in welcher er die Tat als "versuchter RaubIversuchter Sexualmord" qualifizierte. Ebenfalls dokumentiert und in der Anklage als Augenscheinsobjekt aufgeführt wurden in dem Kofferraum des Fahrzeugs des Betroffenen aufgefundene Gegenstände, nämlich eine PolaroidSofortbildkamera , ein Elektroschockgerät, eine Handfessel, eine Tube Vaseline und eine Fettspritze für Kfz-Wartungsarbeiten. In seinem dem erkennenden Schwurgericht in den Strafakten vorliegenden Schlussvermerk sowie als Zeuge in der Hauptverhandlung vertrat der Polizeibeamte die Auffassung, der Straftat zum Nachteil der Geschädigten liege ein primär sexuelles Motiv zugrunde. Der vom damaligen Schwurgericht beauftragte Sachverständige diagnostizierte einen offenkundigen Voyeurismus des Betroffenen, der bereits im Vorfeld des Tötungsdeliktes von 1964 erkennbar geworden sei und auch weiterhin sein Sexualverhalten bestimme. Die bei der Durchsuchung seiner Wohnung sichergestellten pornographischen Erzeugnisse und Videos unterstrichen die Triebstärke des Betroffenen; gleichzeitig aber stellten sie Instrumente zu ihrer Kanalisierung und Steuerung dar. Das Persönlichkeitsbild des Betroffenen lasse sich als eine seelische Abnormität, also als (dissoziale) Persönlichkeitsstörung bewerten, wenn diese auch nicht unter die §§ 20, 21 StGB subsumiert werden könne. Dass dem Tatgeschehen eine primär sexuelle Motivation zugrunde liege und dass sich der Betroffene an seinem Opfer habe postmortal vergehen wollen, erscheine äußerst unwahrscheinlich. Gleichfalls lasse sich ein motivationaler Zusammenhang zwischen der Sexualproblematik des Betroffenen und dem Delikt ausschließen (UA S. 13).
5
2. Im Februar 2007 wurden bei einer Haftraumkontrolle der Comic „Marie -Gabrielle de Saint-Eutrope“ sowie in der Habe des Betroffenen zahlreiche Druckwerke, Spielfilme ohne pornographischen Bezug und diverse Erotik- und Porno-Filme, die den Bereichen „Horror/Splatter“ und „Hardcore-Porno“ zuzuordnen waren, sichergestellt. Der Betroffene wurde vom offenen Vollzug abgelöst und verbüßte seine Strafe bis zum 27. Juli 2007 vollständig.
6
3. Am 29. Mai 2007 stellte die Staatsanwaltschaft den Antrag, gegen den Betroffenen Sicherungsverwahrung nachträglich anzuordnen, und beantragte zugleich den Erlass eines Unterbringungsbefehls gemäß § 275a StPO. Das Landgericht erließ den Unterbringungsbefehl gegen den Betroffenen, aufgrund dessen dieser im Anschluss an die Haftverbüßung seit dem 28. Juli 2007 unter- gebracht war. Am 9. Januar 2008 hob das Landgericht den Unterbringungsbefehl wieder auf. Der Betroffene befindet sich jetzt auf freiem Fuß (UA S. 5). Gegen ihn bestand die bereits am 3. September 2007 von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts angeordnete Führungsaufsicht. Ihm wurde der Besitz von gewalt- und kinderpornographischen Schriften, Bildträgern, Filmen und Computerdateien untersagt (UA S. 23).
7
4. Das Landgericht holte gemäß § 275a Abs. 4 StPO zwei Gutachten der Sachverständigen Dr. P. und Dr. B. ein.
8
a) Der Betroffene fand sich nach seiner Entlassung anlässlich der Exploration durch den Sachverständigen Dr. P. erstmals zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit seiner sexuellen Problematik bereit. Er gab an, bereits mit sechzehn, siebzehn Jahren sei Gewalt für ihn eine erregende Vorstellung gewesen. Aufgrund der aktuellen Angaben kommt der Sachverständige Dr. P. zu dem Ergebnis, dass sich der Betroffene bereits seit ca. seinem 16. Lebensjahr gedanklich mit sexuell motivierter Gewalt beschäftigt habe. Bereits im 20. Lebensjahr sei es zu einer weiteren Ausdifferenzierung der Phantasien gekommen. Die Festlegung des sexuellen Erregungsmusters auf die geschilderte Thematik lasse keine Alternative zur Diagnose des sexuellen Sadismus (ICD 10 F 65.5) zu. Die jetzt aufgefundenen Bild- und Schriftdokumente, so der Sachverständige, legten nahe, dass die sexuell-sadistische Perversion weiter in Entwicklung und Ausdifferenzierung begriffen sei. Der Sachverständige Dr. P. kam nach eingehender Auseinandersetzung auch mit den bislang über den Betroffenen vorliegenden Erkenntnissen und Begutachtungen zu der Einschätzung, dass sich nach Zusammenführung der im Rahmen der aktuellen Begutachtung erhobenen Befunde mit den aktuarischen Feststellungen in der Gesamtschau zur Persönlichkeit des Betroffenen keine neue Einschätzung ergebe.
9
b) Der Sachverständige Dr. B. kam zu dem Ergebnis, dass weder die bis zur Exploration durch Dr. P. stets gleich lautenden Angaben des Betroffenen zu seiner Sexualanamnese, insbesondere zu seinem Masturbationsverhalten , noch der Besitz von pornographischen Filmen und Büchern, noch seine Sexualstraftaten einen besonders ausgeprägten Sexualtrieb belegen könnten. Es liege keine sexuelle Deviation (Paraphilie) vor; insbesondere seien die Sexualstraftaten des Betroffenen nicht Ausdruck eines Sadismus. Auch nach Kenntnis der Angaben des Betroffenen gegenüber Dr. P. zu seinem inneren sexuellen Erleben stellte er nicht die Diagnose des sexuellen Sadismus , sondern blieb bei der Bewertung der Problematik des Betroffenen als einer "undifferenzierten Sexualität".

II.

10
Das Landgericht hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei von der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 und 2 StGB abgesehen.
11
1. Für eine Anordnung nach § 66b Abs. 1 StGB liegen schon die formellen Voraussetzungen des § 66 StGB nicht vor. Die als Voraussetzung in Betracht kommende Verurteilung des Landgerichts Ravensburg vom 13. Oktober 1965 wegen des Sexualmordes, die der Betroffene bis zum 17. November 1979 verbüßt hat, kann wegen der eingetretenen Rückfallverjährung gemäß § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB bei der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht berücksichtigt werden.
12
2. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei das Vorliegen der formellen Eingangsvoraussetzungen des § 66b Abs. 2 StGB bejaht; denn der Betroffene war wegen des mit der Anlasstat begangenen Verbrechens gegen das Leben zu einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt worden. Zu Recht ist die Strafkammer auch davon ausgegangen, dass beim Betroffenen ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten besteht (vgl. BGH NJW 2006, 1442). Sie ist nach umfassender Würdigung der Persönlichkeit des Betroffenen, seiner Taten und seiner Entwicklung während des Strafvollzuges auch davon ausgegangen, dass von diesem - wie auch vor der Anlasstat - eine erhebliche Gefahr ausgeht und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass er weitere erhebliche Straftaten begehen wird.
13
a) § 66b Abs. 2 StGB setzt aber auch voraus, dass nach der Anlassverurteilung vor dem Ende des Strafvollzuges (neue) "Tatsachen" erkennbar werden , die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit hinweisen (vgl. BGH NJW 2006, 531).
14
"Neue Tatsachen" müssen vorliegen, weil der durch das am 18. April 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Reform zur Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl I 513) eingefügte § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB für den hier einschlägigen § 66b Abs. 2 StGB nicht anwendbar ist.
15
Nach § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB kann das Gericht, wenn die Anordnung der Sicherungsverwahrung im Zeitpunkt der Verurteilung aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist, auch solche Tatsachen berücksichtigen, die im Zeitpunkt der Verurteilung bereits bekannt waren. Mit der Ergänzung des § 66b Abs. 1 StGB durch den eingefügten Satz 2 sollten nach den Gesetzesmaterialien vor allem die in den neuen Bundesländern demnächst zur Entlassung anstehenden Täter erfasst werden, bei denen bereits im Zeitpunkt ihrer Verurteilung deutliche tatsächliche Hinweise auf ihre Gefährlichkeit für die Allgemeinheit bestanden, die jedoch aus rechtlichen Gründen - die Vorschrift des § 66 StGB war damals auf im Beitrittsgebiet begangene Taten nicht anwendbar - nicht in der Siche- rungsverwahrung untergebracht werden konnten (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform der Führungsaufsicht - BTDrucks. 16/4740 S. 22 f.; BGH NJW 2008, 1682; Kinzig, Stellungnahme für die Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 19. März 2007 S. 3 f.; Peglau NJW 2007, 1558, 1561 f.).
16
Zugleich mit der Schaffung der Regelung für Altfälle in § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB hat der Gesetzgeber durch eine Änderung des § 66b Abs. 2 StGB klar gestellt, dass hier nur "Tatsachen der in Absatz 1 Satz 1 genannten Art" verwertet werden dürfen, die "nach einer Verurteilung … erkennbar" geworden sind. Von dem Verweis in § 66b Abs. 2 StGB hat er somit die "Altfall-Regelung" ausgenommen (vgl. Peglau aaO 1562). Diese Regelung ist allein für § 66b Abs. 1 StGB konzipiert (vgl. auch BTDrucks. aaO 23) und knüpft daran an, dass bei der Entscheidung über die nachträgliche Sicherungsverwahrung die Voraussetzungen des § 66 StGB vorliegen, dieser zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung aber nicht anwendbar war. Hier dagegen liegen auch gegenwärtig - nach dem oben unter II 1 Gesagten - die Voraussetzungen des § 66 StGB wegen der eingetretenen Rückfallverjährung nach dessen Absatz 4 Satz 3 nicht vor.
17
Die Nichtanwendbarkeit des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB im Rahmen des § 66b Abs. 2 StGB wird auch durch die Gesetzgebungsgeschichte belegt: Der Bundesrat hatte mit seinem Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes zur Stärkung der Sicherungsverwahrung vom 28. Juni 2006 (BTDrucks. 16/1992) eine ausdrückliche Erstreckung auch der sog. "Ersttäter-Regelung" des § 66b Abs. 2 StGB auf bei der Anlassverurteilung bereits bekannte oder erkennbare Tatsachen in "Altfällen" erstrebt, in denen - etwa wie hier wegen der eingetretenen Rückfallverjährung - aus rechtlichen Gründen keine Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB angeordnet werden konnte und auch gegenwärtig nicht angeordnet werden könnte. Der Bundesrat hat deshalb in seiner 832. Plenarsitzung vom 30. März 2007 in einer Entschließung festgestellt, dass insoweit weiterer Regelungsbedarf bestehe. Er hat daher den Deutschen Bundestag gebeten , den bisher nicht abschließend behandelten Vorschlag des Bundesrates rasch aufzugreifen und umzusetzen (BRDrucks. 192/07 [Beschluss]). Dem ist der Deutsche Bundestag aber bislang nicht nachgekommen.
18
b) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei das Vorliegen prognoserelevanter "neuer Tatsachen" im Sinne des § 66b Abs. 2 StGB verneint.
19
Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass auch § 66b Abs. 2 StGB voraussetzt, dass nach der Anlassverurteilung, jedoch vor Vollzugsende der deswegen verhängten Freiheitsstrafe "neue Tatsachen" erkennbar sein müssen, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit hinweisen (vgl. BGH NJW 2006, 531). "Neue Tatsachen" liegen dann nicht vor, wenn sie dem früheren Tatrichter bekannt waren - wie etwa die kriminelle Entwicklung des Betroffenen (vgl. OLG Frankfurt StV 2005, 142) - oder wenn sie ein sorgfältiger Tatrichter hätte aufklären und erkennen müssen. Durch die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung dürfen Versäumnisse der Strafverfolgungsbehörden im Ausgangsverfahren zu Lasten des Betroffenen im Nachhinein nicht korrigiert werden (vgl. BGHSt 50, 121; BGH NJW 2006, 531). Umstände, die schon für den früheren Tatrichter erkennbar waren, die er aber nicht erkannt habe, schieden daher als neue Tatsachen aus. In diesem Sinne erkennbar seien auch solche Umstände, die ein Tatrichter nach Maßstab des § 244 Abs. 2 StPO für die Frage der Anordnung freiheitsentziehender Maßregeln hätte aufklären müssen (vgl. BGH StV 2006, 243; NJW 2006, 1442 m.w.N.).
20
Eine solche Fallgestaltung liegt hier allerdings nicht vor. Hier hatte die sachverständig beratene Strafkammer des Anlassverfahrens die Frage des sexuellen Hintergrunds bei Begehung der Anlasstat ausdrücklich geprüft, eine sexuelle Motivation verneint und damit keine ansonsten gebotene Aufklärung unterlassen. Unabhängig davon hätte die Strafkammer - selbst wenn sie eine Sexualstraftat angenommen hätte - wegen der eingetretenen Rückfallverjährung nach § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB ohnehin keine Sicherungsverwahrung anordnen können.
21
c) Die während des Strafvollzuges bekannt gewordenen Umstände mögen zwar zeitlich "neu" sein; sie hatten aber nicht die Qualität "neuer Tatsachen" und insoweit waren sie bereits bekannt.
22
Der Umstand, dass sich der Betroffene nach seiner Verlegung in den offenen Vollzug neben bereits in seinem Besitz befindlichem Material mit erotischen Inhalten weitere pornographische Filme, Bücher und Comic-Hefte beschafft habe, in welchen zum Teil Vergewaltigungsszenen sowie Fesselungen und Misshandlungen weiblicher Opfer dargestellt werden, stellt danach inhaltlich keine "neue Tatsache" dar. Die Vorliebe des Betroffenen für Film- und Druckmedien mit pornographischen, auch sadomasochistischen Inhalten war spätestens im Rahmen der Ermittlungen wegen der Anlasstat im Jahr 1996 bekannt geworden und entsprechendes sichergestelltes Material war zu Beweiszwecken benannt und zur Einsicht bereit gehalten worden.
23
Ebenso ist auch das verbotene Einbringen pornographischen Materials in den offenen Vollzug hier keine relevante Anknüpfungstatsache (vgl. auch BGH NJW 2006, 531).
24
Die Äußerung des Betroffenen in der Vollzugsplankonferenz, er erkenne die Gefahr bei sich und habe keine Mechanismen zur Kontrolle sowie die nach- folgenden Angaben gegenüber der Anstaltspsychologin, er habe diese Phantasien , welche mit Gewalt assoziiert seien, sind ebenfalls nicht als neue Tatsachen zu bewerten. Bereits gegenüber dem Gutachter Dr. S. hatte der Betroffene vergleichbare Angaben gemacht. Bei der Anlassverurteilung war bereits bekannt, dass dem Betroffenen seine Neigung und die hieraus folgende Gefahr der Begehung von weiteren, auch schwerwiegenden Straftaten durchaus bewusst waren. Ebenso war auch die aus der beschriebenen Neigung resultierende Gefährlichkeit des Betroffenen deutlich angesprochen worden. Seine nunmehr im Vollzug wiederholte Äußerung, er erkenne bei sich eine Gefahr , ist daher nicht als neue Tatsache zu bewerten.
25
Schließlich stellen die im Rahmen der nach Vollzugsende durchgeführten Exploration gegenüber dem Sachverständigen gemachten Äußerungen Dr. P. keine "neue Tatsachen" dar. Zwar können die ausführlichen umfangreichen Angaben des Betroffenen zu seinen sexuellen sadistischen Phantasien , welche erstmals einen tieferen Einblick in sein Binnenerleben ermöglichen , Anknüpfungstatsachen im Sinne des § 66b StGB sein. Seine nunmehr verbalisierten Phantasien waren den vor der Anlassverurteilung tätigen Sachverständigen nicht bekannt, da sich der Betroffene ihnen gegenüber nicht öffnete. Auch hat der Sachverständige Dr. P. aufgrund dieser Anknüpfungstatsachen eine grundlegende diagnostische Neubewertung vorgenommen und gelangt zu dem Ergebnis, dass kein Zweifel an dem Vorliegen einer hochgradig devianten Sexualität, eines sexuellen Sadismus bestehe.
26
d) Voraussetzung für die Einordnung der Anknüpfungstatsachen als "neue Tatsachen" im Sinne des § 66b StGB ist jedoch, dass sie die Gefährlichkeit des Betroffenen höher (vgl. BVerfG NJW 2006, 3483) bzw. - was hier relevant ist - in einem grundsätzlich anderen Licht erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschl. vom 12. September 2007 - 1 StR 391/07). Letzteres kann vorliegend nicht festgestellt werden. Bereits auf der Grundlage der zuvor stets gleich lautenden Angaben des Betroffenen zu seiner Sexualanamnese haben der Sachverständige Dr. B. und der im Jahr 2004 mit der Erstellung eines kriminalprognostischen Gutachtens beauftragte Sachverständige Dr. Sp. eine ungünstige Legalprognose gestellt.
27
Auch nach Kenntnis der umfangreichen Angaben des Betroffenen zu seinen sexuellen Phantasien ist der Sachverständige Dr. B. nicht zu einer diagnostischen Neubewertung und insbesondere nicht zu der Annahme einer devianten Sexualität gelangt. Nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. P. und Dr. B. hat sich in der Gesamtschau unbeschadet einer möglichen diagnostischen Neubewertung keine neue Einschätzung zur Persönlichkeit des Betroffenen ergeben. Der Sachverständige Dr. S. hat ihn bereits im Anlassverfahren als gefährlichen Hangtäter im Sinn des § 66 StGB charakterisiert. Nicht zuletzt wurde die hohe Gefährlichkeit des Betroffenen auch durch seine Straftaten, insbesondere die von ihm nach langer Strafhaft und über fünfzehnjähriger, relativ stabiler Zeit in Freiheit begangene Anlasstat belegt.
28
e) Es ist demnach revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht nach einer umfassenden Gesamtwürdigung der Anknüpfungstatsachen davon ausgegangen ist, dass die von dem Betroffenen ausgehende Gefahr seit langem zutreffend beschrieben worden und bereits im Anlassverfahren nicht nur erkennbar gewesen ist, sondern sogar ausdrücklich bekannt war. Die Angaben des Betroffenen über seine sexuell-sadistischen Phantasien sind zwar wesentlich für die diagnostische Bewertung, lassen aber die bereits zuvor bekannte Gefährlichkeit des Betroffenen nicht in einem grundlegend neuen Licht erscheinen.
29
f) Dem Senat ist bewusst, dass der Betroffene aufgrund seiner Vorgeschichte gefährlich ist. Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, der in § 66b StGB klar zum Ausdruck gekommen ist, besteht jedoch keine rechtliche Möglichkeit, nachträglich die Sicherungsverwahrung anzuordnen. Nack Wahl Boetticher Kolz Graf

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Zur Anwendbarkeit der Vorschrift des § 66b Abs. 1 Satz 2
StGB (im Anschluss an BGHSt 52, 205).
BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 – 5 StR 296/09
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 27. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Oktober
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Sch. ,
Rechtsanwalt R.
alsVerteidiger,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. Februar 2009 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB angeordnet. Der Verurteilte hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Der Verurteilte ist schon mehrfach bestraft worden.
4
a) Erstmals wurde er 1978 in der DDR wegen „Rowdytums“ zu einer achtmonatigen Haftstrafe verurteilt. Drei Wochen nach vollständiger Verbüßung dieser Strafe wurde er wiederum wegen „Rowdytums“ zu „17 Monaten Haft“ verurteilt. Es folgte am 27. November 1981 eine Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug. Nach Erlass dieser Strafe kam es am 25. August 1983 zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen Hehlerei, die der Verurteilte bis Dezember 1984 verbüßte.
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b) Am 5. Oktober 1987 verurteilte ihn das Stadtgericht Berlin wegen eines am 26. Dezember 1986 begangenen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren. Dem lag folgendes Geschehen zugrunde:
6
Der Verurteilte geriet mit einem Arbeitskollegen im Aufenthaltsraum in einen Streit, wobei er von seinem Kontrahenten geohrfeigt wurde. Hierüber wütend geworden zog er sich in den angrenzenden Heizungskeller zurück, wo er zunächst seine Tätigkeit als Heizer aufnahm. Nicht mehr konkret feststellbare Zeit später kehrte er jedoch mit einer auf 600 bis 800 Grad Celsius erhitzten Schürstange in den Aufenthaltsraum zurück und durchbohrte damit den in einem Sessel sitzenden Kollegen im linken Unterbauch.
7
Nach Verbüßung von zwei Dritteln der erkannten Strafe ist der Verurteilte am 21. Dezember 1994 unter Reststrafaussetzung zur Bewährung entlassen worden.
8
c) Am 13. Dezember 1996 tötete der Verurteilte seine Ehefrau. Der Tat war eine mehrjährige äußerst spannungsreich geführte Beziehung vorausgegangen. Nach einer Trennung war der Verurteilte Anfang Dezember 1996 auf Betreiben seiner Ehefrau wieder bei dieser eingezogen. Schon nach wenigen Tagen verschlechterte sich die Stimmung zwischen beiden erneut. Am Tattag wurde der Verurteilte von seiner Ehefrau aufgefordert, aus der Wohnung zu „verschwinden“. Hierauf und auf ihre Beschimpfungen reagierte er „gereizt und verzweifelt“. Nach kurzzeitiger Versöhnung und einverständlichem Geschlechtsverkehr geriet die Ehefrau wiederum in Wut über den Verurteilten und verlangte abermals von ihm, die Wohnung zu verlassen. Nun konnte der Verurteilte den ständigen Wechsel von Zuwendung und Ab- lehnung nicht mehr ertragen. Er schubste seine Frau so heftig, dass sie zu Boden fiel. Dann setzte er sich auf sie und fixierte ihre Arme. Als sie lachte und ihn weiter beschimpfte, würgte er sie mit beiden Händen so kraftvoll, dass schon nach wenigen Sekunden Bewusstlosigkeit und schließlich der Tod eintraten. Der Verurteilte hielt das Opfer fünf Minuten im Würgegriff, um es „seinen Schmerz fühlen zu lassen“.
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Aufgrund dieser Tat ist er am 4. Juli 1997 durch das Landgericht Berlin zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren wegen Totschlags verurteilt worden.
10
d) Seit seiner Selbststellung am 15. Dezember 1996 befand sich der Verurteilte ununterbrochen in Haft. Therapeutische Maßnahmen erfolgten während des Strafvollzugs im Wesentlichen deshalb nicht, weil er entsprechende Angebote nicht wahrnahm.
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Im Strafvollzug wurden gegen den Verurteilten disziplinarische Maßnahmen infolge dort „üblicher Beleidigungen gegen Bedienstete der Justizvollzugsanstalt oder geringfügigerer körperlicher Auseinandersetzungen mit Mitgefangenen“ getroffen. Jeweils wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil von Mitgefangenen wurde er im Jahr 2003 zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten und im Jahr 2008 zu einer Geldstrafe verurteilt.
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2. Das Landgericht ist sachverständig beraten zu der Überzeugung gelangt, dass der Verurteilte gefährlich sei, da er eine intensive Neigung zu Gewalttaten aufweise. Die von ihm ausgehende Gefahr sei zwar schon in dem 1997 geführten Verfahren erkennbar gewesen. Damals sei die Anordnung der Sicherungsverwahrung aber rechtlich nicht möglich gewesen, weil die Vorschrift des § 66 Abs. 3 StGB noch nicht gegolten habe.

II.


13
Die Verfahrensrügen versagen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Die Maßregelanordnung gemäß § 66b Abs. 1 Satz 1, 2 StGB hält auch der sachlichrechtlichen Überprüfung stand.
14
1. Das Landgericht hat die formellen Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB zu Recht bejaht. In Übereinstimmung mit § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB n.F. hat es dabei hinsichtlich der Voraussetzungen des § 66 StGB allein auf die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Rechtslage abgestellt (vgl. BGHSt 52, 205, 207). Der Verurteilte ist wegen Totschlags und damit wegen einer Tat im Sinne des § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB zu einer zwei Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt. 1987 war er durch ein Gericht der DDR bereits wegen einer Katalogtat – versuchter Mord – zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden. Angesichts des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts und der hierzu mitgeteilten Verfahrenstatsachen ist diese Verurteilung ohne Weiteres berücksichtigungsfähig (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 66 Rdn. 22). Von der Strafe verbüßte der Verurteilte acht Jahre, ohne dass er sich im Zeitraum zwischen dieser Tat und der Anlasstat für einen Zeitraum von fünf Jahren auf freiem Fuß befand.
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2. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht einen Hang des Verurteilten zur Begehung schwerer Straftaten sowie seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit festgestellt. Die Gefährlichkeitsprognose hat es auf eine umfassende Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Verurteilten unter besonderer Berücksichtigung seiner Vorverurteilungen gestützt. Dabei hat es sich an den individuell bedeutsamen Bedingungsfaktoren für die bisherige Delinquenz, deren Fortbestand, der fehlenden Kompensation durch protektive Umstände und dem Gewicht dieser Faktoren in zukünftigen Risikosituationen ausgerichtet. Die bei der Darstellung der Gutachten der beiden Sachverständigen erörterten Ergebnisse der operationalisierten Prognoseinstrumente (PCL-R und HCR 20) hat es ersichtlich nur zur vollständigen Erfassung der Beurteilungsaspekte verwandt, ohne dass es dem hierdurch erlangten empirischen Wissen bzw. dem statistischen Rückfallrisiko gegenüber den individuell bedeutsamen Faktoren zu viel Bedeutung beigemessen hätte (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2009, 980, 982; BGHSt 50, 121, 130 f.; BGH StV 2008, 300; 301; NStZ 2009, 323; NStZ-RR 2009, 75; Boetticher/Dittmann/Nedopil/Nowara /Wolf NStZ 2009, 478).
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Auf der Grundlage der Gutachten der beiden Sachverständigen hat das Landgericht nachvollziehbar ausgeführt, dass der Hang des Verurteilten zur Begehung schwerwiegender Taten aus seiner dissozialen Persönlichkeitsstörung erwachse. Er erlebe vermehrt Wut- und Zornausbrüche, die in Verbindung mit einem Mangel an Affektsteuerung, Selbstreflexion und Empathie sowie der fehlenden Kompetenz zum Umgang mit sozialen Konflikten auch für die Zukunft erwarten ließen, dass sich bei Auseinandersetzungen ein aggressiver Impuls ungehemmt Bahn breche. Sowohl bei der zum Nachteil seiner Ehefrau begangenen Anlasstat – die zwar auch einige Züge einer Affekttat getragen habe, aber elementar von den in seiner Persönlichkeitsstruktur wurzelnden Reaktionsmustern bestimmt gewesen sei – als auch bei dem im Jahr 1987 verübten versuchten Mord seien diese Mechanismen wirksam geworden. Die Taten seien daher symptomatisch für den festgestellten Hang. Auch die Entwicklung während des Strafvollzugs hat das Landgericht in hinreichender Weise – keine Behandlung während des Vollzugs, aktuelle Sicht auf die eigene Delinquenz und ihre Ursachen, fehlender Veränderungswille – in die Gesamtbewertung der Gefährlichkeit einbezogen.
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Eine Neigung zu Eigentums- oder Vermögensdelikten hat es hingegen nicht festgestellt.
18
3. Die Anordnung ist auch im Übrigen durch § 66b Abs. 1 StGB gedeckt.
19
Das Landgericht hat freilich neue Tatsachen im Sinne des § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB, das heißt solche, die erst nach der Anlassverurteilung entstanden sind oder vom Richter des Ausgangsverfahrens nicht erkannt werden konnten und auf eine erhebliche Gefährlichkeit hinweisen (BGHSt 50, 180, 187; 275, 278; 373, 378; 52, 213, 215 ff.; BGHR StGB § 66b Neue Tatsachen 5), nicht feststellen können. Denn das strafrechtlich relevante Fehlverhalten während des Vollzugs sei jedenfalls Ausfluss des schon bei der Anlassverurteilung zutage getretenen Gefährdungspotenzials des Verurteilten. Von den Vorgutachtern in den Verfahren wegen der beiden Kapitalverbrechen sei zwar nicht die Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung gestellt, aber das entsprechende Persönlichkeitsbild klar beschrieben worden.
20
Das Landgericht hat seine Entscheidung auf § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB gestützt. Danach kann materieller Anlass für die nachträgliche Anordnung der Maßregel auch sein, dass die vom Verurteilten ausgehende Gefahr zur Zeit der Verurteilung zwar schon erkennbar gewesen ist, Sicherungsverwahrung seinerzeit aber aus rechtlichen Gründen nicht angeordnet werden konnte. Die Entscheidung ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
21
a) Die sachlichen Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB hat das Landgericht zutreffend angenommen. Gegen den Verurteilten konnte bei der Verurteilung vom 4. Juli 1997 aus rechtlichen Gründen keine Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Denn die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1, 2 StGB waren nicht erfüllt. Mit fehlerfreien Erwägungen ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es zur Zeit der Anlassverurteilung der nach § 66 Abs. 1 StGB erforderlichen zweiten Vorverurteilung mit Symptomcharakter (vgl. BGH StV 2007, 633; NStZ 2008, 453) ermangelte. Erst der durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) mit Wirkung zum 31. Januar 1998 – und damit nach der Anlassverurteilung – eingeführte § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB schuf die Möglichkeit der Anordnung der Maßregel bei der Begehung von nur zwei Symptomtaten (vgl. BGH NJW 2006, 3154).
22
Die Verurteilung vom 25. August 1983 zu Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen Hehlerei konnte zur Begründung der formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB nicht herangezogen werden. Denn ihr wohnt kein Symptomcharakter für den Hang des Verurteilten zur Begehung schwerer Gewaltdelikte inne.
23
Die zweite Verurteilung wegen Rowdytums zu „17 Monaten Haft“ schied als relevante Vorverurteilung schon aus formalen Gründen aus. Denn zwischen der zugrunde liegenden Tat und dem versuchten Mord als nächster Symptomtat war „Rückfallverjährung“ (§ 66 Abs. 4 Satz 3 und 4 StGB) eingetreten. Das erschließt sich letztlich aus dem Gesamtzusammenhang des angefochtenen Urteils, das sonst hinsichtlich der Bezeichnung maßgeblicher Fristen sehr genau abgefasst, danach auch in diesem Punkt nicht als lückenhaft anzusehen ist. Daher bedarf die Frage keiner weiteren Vertiefung, ob – was fern liegt – eine derartige Vorverurteilung mit ihrem Strafmaß – ungeachtet der Frage ihrer Verwertbarkeit gemäß § 64a Abs. 3 Satz 2, § 51 BZRG – überhaupt als Symptomtat für die Anordnung von Sicherungsverwahrung herangezogen werden durfte.
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Die Verurteilung erfolgte spätestens im Jahr 1979, die Verbüßung war danach, wie die Revision selbst einräumt, schon etwa Mitte 1980 erledigt. Anschließend befand sich der Verurteilte, unterbrochen nur von der einjährigen Strafvollstreckung aufgrund der Verurteilung wegen Hehlerei, bis zur ersten entscheidenden Tatbegehung am 26. Dezember 1986 mehr als fünf Jahre auf freiem Fuß (§ 66 Abs. 4 Satz 4 StGB). Die zwischenzeitlich begangenen Taten der Urkundenfälschung (in Tateinheit mit versuchtem Betrug) und Hehlerei, derentwegen er in den Jahren 1981 und 1983 verurteilt worden ist, unterbrechen den Lauf der Frist nach § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB nicht, weil es sich bei ihnen nicht um Symptomtaten handelt und hinsichtlich der Verur- teilung aus dem Jahr 1981 die Strafgrenze von einem Jahr nicht erreicht ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 1989 – 3 StR 150/89, insoweit in BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 4 nicht abgedruckt; Fischer aaO § 66 Rdn. 20).
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b) Die – verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende (BVerfG – Kammer – NJW 2009, 980, 981; BGHSt 52, 205, 209 ff. mit Anm. Peglau NJW 2008, 1634) – Regelung des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB beansprucht zunächst Gültigkeit für solche sogenannten „Altfälle“, in denen bis zum 29. Juli 2004 aufgrund fehlender bzw. eingeschränkter Anwendbarkeit des Rechts der Sicherungsverwahrung auf im Beitrittsgebiet begangene Taten Sicherungsverwahrung nicht angeordnet werden konnte (zur historischen Entwicklung BVerfG – Kammer – NJW 2009, 980, 982). Ferner erfasst sie ohne weitere Einschränkung Taten, die die Voraussetzungen des mit Wirkung zum 31. Januar 1998 (BGBl I S. 160) in Kraft gesetzten § 66 Abs. 3 StGB erfüllten, aber vor dessen Inkrafttreten begangen bzw. vor der mit Wirkung zum 29. Juli 2004 erfolgten Streichung des Art. 1a Abs. 2 EGStGB durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (BGBl I S. 1838) abgeurteilt wurden.
26
Vorliegend wurden die Taten vor dem Inkrafttreten des § 66 Abs. 3 StGB begangen und abgeurteilt. Sie bilden damit einen Teilkomplex der letztgenannten Fallgruppe. Es besteht kein Anlass, § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB in dem Sinne einengend zu interpretieren, dass die Vorschrift lediglich Fälle erfasst, in denen die Norm, welche die Anordnung von Sicherungsverwahrung gestattet, bei Aburteilung prinzipiell schon in Kraft war und lediglich aufgrund räumlicher und/oder zeitlicher Begrenzung auf den Verurteilten nicht anzuwenden war (so möglicherweise Rissing-van Saan/Peglau in LK 12. Aufl. § 66b Rdn. 125, 127; wie hier Jehle in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB 2009 § 66b Rdn. 19).
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(1) Eine derartige Einschränkung ist dem Wortlaut des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB nicht zu entnehmen. Sie würde dem Willen des Gesetzgebers und den von ihm verfolgten Schutzzwecken widersprechen. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien eindeutig ergibt (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – BTDrucks. 16/4740 S. 22 f.), wollte der Gesetzgeber gerade auch diese Fallgruppe erfassen. Der auf eine engere Gesetzesfassung abzielende Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drucks. 16/4740 S. 18) vermochte sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchzusetzen.
28
(2) Sachgründe für eine unterschiedliche Behandlung der in Frage stehenden Gruppen von „Altfällen“ sind nicht vorhanden. Namentlich ist eine einengende Interpretation im bezeichneten Sinn nicht unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes geboten, sondern würde im Gegenteil – auch von Verfassungs wegen – nicht zu rechtfertigende Widersprüche bewirken. Denn das Vertrauen auf den Nichtbestand einer § 66 Abs. 3 StGB entsprechenden Regelung verdient jedenfalls keinen höheren Schutz als das Vertrauen in den anderen „Altfällen“. So war im Einigungsvertrag für im Beitrittsgebiet begangene „Alttaten“ ein Vertrauenstatbestand in Bezug auf den Ausschluss der Sicherungsverwahrung geschaffen und in der Folge durch den Gesetzgeber mehrfach bestätigt worden. Trotz des hierdurch begründeten schutzwürdigen Vertrauens „der höchsten Stufe“ (BVerfG – Kammer – NJW 2009, 980, 982, im Anschluss an Peglau NJW 2008, 1634) ist der durch § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB eingeräumte Vorrang des Schutzes der Rechtsgemeinschaft vor einzelnen besonders gefährlichen Tätern als überragendes Gemeinwohlinteresse verfassungsrechtlich anerkannt worden (BVerfG aaO; BGHSt 52, 205, 211 f.; zur Abwägung vgl. auch BVerfGE 109, 133, 186; 109, 190, 236; BVerfG – Kammer – NJW 2006, 3483, 3484). Die Abwägung kann in Fällen wie dem hier zu beurteilenden nicht abweichend ausfallen.
29
(3) Die Anwendbarkeit des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB auf die vorliegende Fallkonstellation lässt sich zudem bereits eindeutig aus der Grundsatzentscheidung des Senats zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm entnehmen (BGHSt 52, 205, 209). Die Entscheidung betraf zwar einen im Beitrittsgebiet abgeurteilten „Altfall“, der indes vor Inkrafttreten der allein die Sicherungsverwahrung ermöglichenden Vorschrift des § 66 Abs. 3 StGB abgeurteilt worden war. Wollte man die Norm nur auf Fälle besonderer räumlicher und zeitlicher Ausnahmen von der generell gegebenen Möglichkeit der Verhängung von Sicherungsverwahrung beschränken, hätte nachträgliche Sicherungsverwahrung gegen den damals betroffenen Verurteilten genauso wenig angeordnet werden dürfen wie gegen einen zur selben Zeit in den alten Ländern Abgeurteilten.
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c) Zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist der Anwendungsbereich des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB – noch über die für die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung generell bestehenden engen Grenzen hinaus – besonders stark einzuschränken. Die notwendige Beschränkung ist innerhalb des Kreises derjenigen Verurteilten, die die sachlichen Voraussetzungen für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung i.V.m. § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB erfüllen, nach Gefährlichkeitsaspekten (zur Abgrenzung vgl. BGHR StGB § 66b Abs. 1 Satz 2 Voraussetzungen 2; BGH StraFo 2008, 435, 436) vorzunehmen. Danach kann die Regelung nur in besonderen Ausnahmefällen einiger weniger hochgefährlicher Täter angewendet werden (BVerfG – Kammer – NJW 2009, 980, 982 m.w.N.). Der verfassungsrechtlich zwingend erforderlichen restriktiven Handhabung der Vorschrift des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB ist dabei schon durch eine entsprechende Prüfung der Antragstellung durch die Staatsanwaltschaften Rechnung zu tragen.
31
Die genannten einschränkenden Voraussetzungen sind indes im vorliegenden Fall zweier schwerer Kapitalverbrechen fraglos erfüllt.
Basdorf Raum Brause Schaal König

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 274/06
vom
25. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juli 2006 beschlossen:
Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. Februar 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den Verurteilten die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB nachträglich angeordnet. Grundlage war die Verurteilung des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Juni 1998 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Bedrohung zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Die Revision des Verurteilten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2
Die Strafkammer hat die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung auf folgende Umstände gestützt, die sie als neue Tatsachen im Sinne von § 66b Absätze 1 und 2 StGB bewertete:
3
1. Der Verurteilte war am 7. April 1993 vor der Anlassverurteilung schon einmal wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Bei der Entscheidung am 8. Juni 1998 konnte diese - bekannte - Vorverurteilung trotz § 2 Abs. 6 StGB nicht Grundlage der Anordnung von Sicherungsverwahrung aufgrund des am 31. Januar 1998 in Kraft getretenen § 66 Abs. 3 StGB sein, da gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 1a Abs. 2 EGStGB in der Fassung vom 26. Januar 1998 § 66 Abs. 3 StGB nur Anwendung fand, wenn der Täter eine einschlägige (§ 66 Abs. 1 Satz 1 StGB) Straftat nach dem 31. Januar 1998 begangen hatte. Mit der Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b StGB mit Gesetz vom 23. Juli 2004 sei die Vorverurteilung jetzt aber relevant geworden. Aufgrund einer Gesetzesänderung nunmehr relevante Tatsachen seien den erst nachträglich erkennbar gewordenen Tatsachen gleichzustellen.
4
2. Die Persönlichkeit des Verurteilten sei erst im Laufe der Inhaftierung aufgrund der Anlassverurteilung umfassend zutreffend bewertet worden. Bei der Verurteilung am 8. Juni 1998 habe die Strafkammer seine dissoziale Persönlichkeitsstruktur verkannt und die Tat überwiegend auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückgeführt. Bei der Begutachtung zur Vorbereitung der Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der am 7. April 1993 erkannten Strafe zur Bewährung durch die Strafvollstreckungskammer habe der Sachverständige - fehlerhaft - keine psychopathologischen Auffälligkeiten feststellen können, ihn als psychisch stabil bezeichnet und das Rückfallrisiko als gering eingestuft. Dies habe die Strafkammer bei der Anlassverurteilung am 8. Juni 1998 zwar als unzutreffend erkannt gehabt. Mangels einer rechtlichen Möglichkeit der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sei das damals aber nicht relevant gewesen. Darüber hinaus sei die Diagnose seinerzeit auch noch - nicht erkennbar, so ist das angefochtene Urteil wohl zu verstehen - unvollständig gewesen. Bei einer weiteren Begutachtung des Verurteil- ten im Jahre 2002 im Zusammenhang mit der Prüfung, ob die Vollstreckung des Strafrestes aus der Verurteilung vom 8. Juni 1998 zur Bewährung ausgesetzt werden kann, seien von einem - anderen - Sachverständigen zwar zunehmend dissoziale, aggressive und in Ansätzen sadistische Persönlichkeitszüge festgestellt worden, ohne dass dies aber die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung im engeren Sinne erfülle. Daneben bestehe aber eine ausgeprägte Alkoholabhängigkeit. Diese - insgesamt aber immer noch unzutreffende - Diagnose beruhe darauf, dass sich dieser Sachverständige - wie schon die im Jahre 1997 tätigen Sachverständigen, so meint die Strafkammer wohl - durch übertriebene Angaben des Verurteilten über das Ausmaß seines Alkoholkonsums habe täuschen lassen, wie dieser zwischenzeitlich gegenüber den in diesem Verfahren (über die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung) bestellten Sachverständigen eingeräumt habe.
5
3. Der soziale Empfangsraum - die Familie - sei nicht mehr vorhanden. Zwar habe sich seine Ehefrau schon im März 1997 von ihm getrennt. Dies sei damit zum Zeitpunkt der Verurteilung am 8. Juni 1998 zwar „erkennbar, aber aus den genannten Gründen nicht relevant“ gewesen. Hinzu komme, dass während der Haft seine Mutter, zu der er noch Kontakt gehabt habe, verstorben sei.
6
4. Schließlich habe sich während der letzten Haftjahre gezeigt, dass bei dem Verurteilten - einer durchsetzungsstarken, chauvinistischen, dissozialen und narzisstischen Persönlichkeit - kein Therapiewille vorhanden sei. Das Landgericht habe es in seinem Urteil vom 8. Juni 1998 für unbedingt erforderlich gehalten, dass sich der Verurteilte im Rahmen einer Therapie mit seinen Sexualverbrechen ernsthaft auseinandersetzt. Diesen Rat habe der Verurteilte nicht befolgt. Eine Therapie sei von ihm abgebrochen worden. Spätere Bemühungen des Verurteilten gegen Ende der Haftzeit um die Aufnahme in eine sozialtherapeutische Anstalt oder um eine ambulante Therapie bewertet die Straf- kammer als nicht ernsthaft. Der Verurteilte habe gegenüber dem Sachverständigen , wie auch in der Hauptverhandlung, jede sexualtherapeutische Behandlungsbedürftigkeit verneint.

II.

7
Die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
Zwar hat die Strafkammer die Eingangsvoraussetzungen des § 66b Abs. 2 StGB sowie die Gefährlichkeit des Verurteilten, insbesondere die hohe Rückfallwahrscheinlichkeit in Folge seines Hangs zu Sexualstraftaten von Gewicht , rechtsfehlerfrei festgestellt.
9
Das Landgericht hat seine Entscheidung aber nicht auf Umstände gestützt , die als neue Tatsachen im Sinne von § 66b Abs. 2 StGB bewertet werden können oder die zum Zeitpunkt der Verurteilung am 8. Juni 1998 noch nicht bekannt oder erkennbar waren beziehungsweise bei denen die - erst - spätere Erkennbarkeit aus den bisherigen Feststellungen hinreichend deutlich wird.
10
1. Die Änderung der Rechtslage durch In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung, wonach gemäß § 66b Abs. 2 StGB (nachträgliche) Sicherungsverwahrung gegen Täter angeordnet werden kann, bei denen die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB nicht erfüllt waren, ist keine neue Tatsache im Sinne des Gesetzes. Der Gesetzgeber hat bewusst auch in diesen Fällen an die strengen Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 StGB angeknüpft (vgl. BGH NStZ 2006, 156 [158 f., Rdn. 9]; BGH, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 5 StR 125/06 - Rdn. 8; a.A. Veh, Nachträgliche Sicherungsverwahrung und nachträgliche Tatsachenerkennbar- keit, NStZ 2005, 307). Deshalb können auch nicht bei der Anlassverurteilung bereits bekannte oder erkennbare Tatsachen „neuen Tatsachen“ nur deshalb gleichgesetzt werden, weil jene erst jetzt für die (nachträgliche) Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung eine Grundlage bilden, relevant sein könnten. Die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dient nicht dazu, frühere Entscheidungen über die (Nicht )Anordnung der Sicherungsverwahrung zu korrigieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt dies selbst dann, wenn das Gericht im Zusammenhang mit der Anlassverurteilung die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung rechtsfehlerhaft unterlassen hat (vgl. BGH NStZ 2006, 156 [159, Rdn. 10] m.w.N.). Erst Recht darf sich die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht darin erschöpfen, darf sie nicht dazu instrumentalisiert werden, eine zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung der Gesetzeslage entsprechende Entscheidung zu korrigieren.
11
2. Die von früheren Bewertungen abweichende Beurteilung der Persönlichkeit stellt keine „neue Tatsache“ dar.
12
Neue Tatsachen der in § 66b StGB genannten Art sind nur solche, die nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz und vor Ende des Vollzugs der verhängten Freiheitsstrafe bekannt oder erkennbar geworden sind. Ob diese Tatsachen bereits im Ausgangs- oder in einem anderen Verfahren Grundlage - von der jetzigen Sicht abweichender - sachverständiger Bewertung waren , ist ohne Belang. Maßgeblich ist nicht die neue oder sogar erstmalige Bewertung von Tatsachen. Entscheidend ist vielmehr allein, ob die dieser Einschätzung zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen im Zeitpunkt der Aburteilung bereits vorlagen oder erkennbar waren (vgl. BGHSt 50, 180 [187]; BGHSt 50, 275 [278]; BGH NJW 2006, 1442 [1444]; BGH NStZ 2006, 155 [156, Rdn. 3]; BGH NStZ 2006, 276 [278, Rdn. 15]; BGH, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 5 StR 125/06 - Rdn. 9).
13
Nach den bisherigen Feststellungen liegt es nahe, dass die nunmehr von der Strafkammer festgestellten Persönlichkeitsdefizite bereits zum Zeitpunkt der Verurteilung am 8. Juni 1998 vorlagen und umfassend erkennbar waren. Darauf deuten schon die dieser Entscheidung sowie der Vorverurteilung vom 7. April 1993 zugrunde liegenden Sachverhalte hin.
14
Die Äußerungen des Verurteilten zu seinem Alkoholkonsum scheinen nach den bisherigen Feststellungen taktisch bestimmt. Und es deutet viel darauf hin, dass dies schon bei der Anlassverurteilung erkennbar war. Bei der Tat am 16. August 1992 (von 03.50 bis 04.50 Uhr) betrug die nach dem von ihm angegebenen Konsum berechnete maximale Blutalkoholkonzentration 0,54 Promille - erheblich verminderte Schuldfähigkeit wurde verneint. Bei der Tat am 23. Oktober 1997 ab 05.00 Uhr (Gegenstand der Anlassverurteilung) wurde eine Blutalkoholkonzentration von 2,58 Promille errechnet - die Steuerungsfähigkeit war nun erheblich vermindert, folgerte hieraus die Strafkammer. Dabei wirken die vom Verurteilten seinerzeit genannten Trinkmengen übertrieben und sein Leistungsverhalten widerstreitet der errechneten Alkoholisierung.
15
Dass die fehlende Relevanz von zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung bekannten Tatsachen für eine - damals rechtlich ausgeschlossene - Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unerheblich ist, wurde bereits oben ausgeführt.
16
3. Dass der wesentliche Umstand - Trennung der Ehefrau -, aus der die Strafkammer den Wegfall des „sozialen Empfangsraums“ folgert, vor der Verurteilung bereits erkennbar war, teilt die Strafkammer selbst mit. Die Einführung der Möglichkeit der nachträglichen der Sicherungsverwahrung ändert daran - wie dargelegt - nichts. Im Übrigen mag dieser Aspekt - „sozialer Empfangsraum“ - bei der Gesamtwürdigung zur Rückfallprognose eine Rolle spielen, ist aber wohl kaum als Tatsache zu bewerten, aus der die Gefährlichkeit eines Täters originär erkennbar werden kann.
17
4. Therapieunwilligkeit, die Verweigerung oder der Abbruch einer Therapie kann zwar grundsätzlich zu den in § 66b Abs. 1, 2 StGB genannten „neuen Tatsachen“ gehören (vgl. BGHSt 50, 121 [126]; 275 [280 f.]; BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - 4 StR 483/05; Beschluss von 11. Juli 2006 - 5 StR 113/06 -, Rdn. 11). Dies kann allerdings nur dann als berücksichtigungsfähige „neue Tatsache“ angesehen werden, wenn zum Zeitpunkt der Verurteilung anzunehmen war, der Verurteilte werde sich im Vollzug einer Therapie unterziehen. Insoweit mangelt es bislang an tragfähigen Feststellungen. Wie sich der Verurteilte seinerzeit zu dem Rat der Strafkammer, eine Therapie anzutreten, verhielt, wird nicht mitgeteilt. Erst wenn feststeht, dass es sich insoweit um eine „neue Tatsache“ handelt, kann dieser Aspekt - Therapieunwilligkeit, Therapieabbruch - in die Gesamtwürdigung (vgl. BGHSt 50, 121 [126 ff.]) Eingang finden. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 391/07
vom
12. September 2007
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. September 2007 beschlossen
:
Die Revision des Betroffenen gegen das Urteil des Landgerichts
München II vom 12. April 2007 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 1 StGB angeordnet. Hiergegen wendet sich die Revision des Betroffenen mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


2
1. Der Betroffene war vom Landgericht München II am 22. November 2001 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 245 Fällen sowie versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Hauptsächlicher Gegenstand des Urteils waren sexuelle Übergriffe des Betroffenen auf seine am 9. September 1982 geborene Tochter R. und die am 5. Mai 1987 geborene Tochter A. im Zeitraum zwischen September 1988 und März 2001. Der Betroffene führte die Taten in jeweils ähnlicher Weise aus. Seine Töchter mussten mehrfach sein Glied in den Mund nehmen, mussten ihn oral und mit der Hand befriedigen. Der Betroffene onanierte auch vor den Mädchen, küsste A. , leckte ihre Scheide und versuchte auch sein Glied in ihre Scheide einzuführen. Die Vorfälle fanden jeweils in der elterlichen Wohnung statt.
3
Die Jugendkammer hatte zugunsten des Betroffenen das umfassende, von Schuldeinsicht getragene Geständnis berücksichtigt. Dieses Geständnis erfolgte von Anfang an bereits vor der Polizei und wurde vom Betroffenen in der Hauptverhandlung voll aufrechterhalten. Er brachte von vornherein zum Ausdruck , dass er seinen Töchtern eine belastende Vernehmung in der Hauptverhandlung unbedingt ersparen wollte. Der Betroffene zeigte eine Geständnisbereitschaft in einem Umfange, wie sie bei derartigen Delikten selten vorkommt. Außerdem hatte die Jugendkammer berücksichtigt, dass der Betroffene bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten war und auch ihn die Folgen der Straftaten schwer getroffen hatten, weil seine Ehe zerstört war und er seine Arbeitsstelle verloren hatte.
4
2. Nach den Feststellungen der nunmehr befassten Jugendkammer begann der Betroffene am 2. Oktober 2002 eine Therapie auf der sozialtherapeutischen Abteilung der JVA Amberg, die er am 21. Oktober 2003 abbrach. Nach seiner Rückverlegung in die JVA Straubing wurde der Betroffene am 19. Juli 2004 in die dortige sozialtherapeutische Abteilung aufgenommen. Am 2. Juni 2005 wurde er aus der Behandlungsmaßnahme abgelöst und am 14. Juni 2005 in die JVA Bernau verlegt.
5
Zum Verlauf der therapeutischen Maßnahmen hat die Jugendkammer folgende Feststellungen getroffen: In der sozialtherapeutischen Abteilung der JVA Amberg arbeitete der Betroffene zunächst in den Gruppensitzungen und den Einzelgesprächen engagiert mit. Nach etwa einem halben Jahr begann er, die Therapiesitzungen zunehmend zu sexualisieren. Seine Missbrauchsphantasien nahmen zu und gewannen verstärkt an Bedeutung. Er weigerte sich immer mehr, sich auf gruppentherapeutische Prozesse einzulassen und sich aktiv mit dem Bedeutungsgehalt seiner sexuellen Phantasien auseinanderzusetzen und Strategien zur Vermeidung künftiger Sexualtaten zu entwickeln. Im Gegenteil nahm er die Hausaufgabe an, sich binnen einer Woche mit den abgeurteilten Taten auf mindestens einer Seite schriftlich auseinanderzusetzen. Dies nahm er zum Anlass, über mehrere Wochen einen etwa 400-seitigen Bericht zu fertigen. Neben den abgeurteilten Taten beschrieb er ausführlich sexuelle Erlebnisse und Phantasien mit kleinen Kindern und Mädchen. Dieser Bericht diente dem Betroffenen nicht zur Aufarbeitung der von ihm begangenen Straftaten, sondern als Mittel zur sexuellen Erregung, mit der er auch vor anderen Mitgefangenen aus der Therapiegruppe kokettierte, obwohl diese daran kein Interesse hatten. Im weiteren Therapieverlauf erklärte er mehrfach, dass er sich nicht mehr recht entscheiden könne, ob er seine Phantasien überhaupt loslassen wolle, wobei er angab, seine Phantasien selbst steuern zu können. Er eröffnete seiner Therapeutin , die, wie auch der Leiter der sozialtherapeutischen Abteilung, ihn nochmals motivieren wollte, dass er definitiv den Abbruch und die sofortige Rückverlegung in die JVA Straubing wünsche.
6
In der sozialtherapeutischen Abteilung der JVA Straubing war der Betroffene anfangs einsichtig bezüglich des Therapiebedarfs und er war interessiert und motiviert. Seine Bereitschaft nahm jedoch ab Februar 2005 kontinuierlich ab. Absprachen hielt er nicht ein und begann zunehmend, den Therapieinhalt zu sexualisieren, um sich dadurch auch zu stimulieren. In seiner Haftzelle wurden zweimal ein Ordner mit Bildern spärlich bekleideter Kinder bzw. unbekleideter junger Mädchen und junger pubertierender Frauen gefunden. Diese Bilder dienten dem Betroffenen zur sexuellen Stimulation. Auch erledigte der Betroffe- ne seine therapeutischen Hausaufgaben nicht, er brachte vielmehr zum Ausdruck , dass er durch seinen dicken Panzer nichts durchdringen lasse. Im Verlaufe des Vollzuges in der JVA Straubing äußerte der Betroffene gegenüber einem Mitgefangenen zweimal: „Ich stehe auf kleine Kinder und werde mich auch nach der Haft erneut mit Kindern einlassen“.
7
In der JVA Bernau erklärte der Betroffene im Juli 2005 gegenüber Mitgefangenen , nachdem ihn diese in der Anstaltsküche nach seinen Straftaten befragt hatten: "Ich sitze wegen Kindesmissbrauch, stehe dazu und wenn ich rauskomme, mache ich weiter". Im Januar 2006 wurde ein Brief des Betroffenen angehalten, weil auf dem Briefumschlag ein vom Verurteilten selbst gezeichneter (durchgepauster) Säugling (sog. "Windel Winnie") unter einer Bettdecke mit erigiertem Penis (in Form einer eingezeichneten spitzen Erhebung in der Bettdecke am entsprechenden Körperbereich des Kindes) dargestellt war.
8
In der Hauptverhandlung erklärte der Betroffene, dass er nicht ohne eine Therapie "auf die Menschheit losgelassen werden wolle", auch wenn er schwöre , "niemanden mehr anzurühren".
9
3. Das Landgericht hat die Voraussetzungen der nachträglichen Sicherungsverwahrung bejaht (§ 66b Abs. 1 StGB). Als neue Tatsachen im Sinne der Vorschrift hat es die konkrete Erweiterung des sexuellen Suchverhaltens auf Opfer außerhalb des engen Familienkreises gewertet. Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene bereits damals ein Kind außerhalb des engsten Familienkreises missbraucht hatte, habe es im Ausgangsverfahren bis zu dessen Abschluss nicht gegeben. Auch eine Wiederholungsgefahr sei für die damalige Jugendkammer nur für die damals bestehende Familienbeziehung oder ähnlich gelagerte familiäre Konstellationen erkennbar gewesen. Beide Sachverständige hätten ausgeführt, dass die Erweiterung des sexuellen Suchverhaltens auf Drit- te in einem das Rückfallrisiko deutlich erhöhenden "prognoserelevanten symptomatischen Zusammenhang" stehe. Neu sei aber vor allem die zunehmende Dominanz der Missbrauchsphantasien im Laufe des Strafvollzuges. Auch wenn dem Betroffenen im Ausgangsverfahren eine Vielzahl von Taten zur Last gelegt worden seien, hätten sich die Missbrauchsphantasien erst im Verlauf des Vollzuges derart intensiviert und verselbständigt, dass sie als suchtartig zu bezeichnen seien. Es könne deshalb letztlich dahinstehen, ob bei der Anlassverurteilung eine Form der Pädophilie erkennbar gewesen wäre. Neue Tatsachen lägen dann vor, wenn ausreichende tatsächliche Anknüpfungstatsachen belegten , dass sich eine bekannte oder erkennbare Störung in nicht vorhersehbarer Weise so vertieft und verändert habe, dass sie die Gefährlichkeit des Betroffenen in einem grundsätzlich anderen Licht erscheinen lasse.
10
Keine neuen Tatsachen stellten dagegen der zweimalige Abbruch bzw. die Ablösung des Betroffenen aus der Therapie dar, weil im Anlassverfahren die Notwendigkeit einer Sexualtherapie überhaupt nicht thematisiert worden sei und der Betroffene keine Therapiewilligkeit bekundet habe.
11
In seiner Gesamtwürdigung kommt das Landgericht sachverständig beraten zu der Einschätzung, dass beim Betroffenen zwar keine Kernpädophilie zu diagnostizieren sei, sich das Rückfallrisiko aufgrund der Entwicklung zu suchtartigen Missbrauchsphantasien und die Ankündigung gleichartiger einschlägiger Straftaten – ausgehend von einer statistischen Rückfallwahrscheinlichkeit für sexuelle Missbraucher von etwa 35 % - als doppelt so hoch anzusehen sei. Die Jugendkammer hat auch angenommen, dass der Betroffene in absehbarer Zeit nach seiner Haftentlassung erhebliche einschlägige Straftaten begehen werde. Damit sei die geforderte konkrete erhebliche Wahrscheinlichkeit schwerer Schädigung von Personen auch gegenwärtig.
12
4. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
13
a) Das Landgericht hat die Eingangsvoraussetzungen des § 66b Abs. 1 StGB zu Recht bejaht.
14
b) Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung setzt weiterhin voraus, dass nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz und vor Ende des Vollzuges der verhängten Freiheitsstrafe Tatsachen erkennbar werden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit hinweisen (BGH NJW 2005, 3078, 3080; NStZ 2005, 561, 562; 2006, 155 f.). Demgegenüber scheiden Umstände, die dem ersten Tatrichter bekannt waren oder die er hätte erkennen und erforderlichenfalls aufklären müssen, als "neue" Tatsachen aus. Das Verfahren nach § 66b Abs. 1 und 2 StGB dient nicht der Korrektur früherer Entscheidungen, in denen derartige Tatsachen bei der Entscheidung über die Anordnung einer Maßregel nach § 66 StGB unberücksichtigt geblieben sind.

15
Nach diesen Kriterien ist das Landgericht, ohne dass der Senat hierzu weitere Ausführungen machen müsste, rechtsfehlerfrei vom Vorliegen "neuer" Tatsachen im Sinne des § 66b StGB ausgegangen und hat im Rahmen einer durchgeführten Gesamtwürdigung rechtsfehlerfrei die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung ausgesprochen.
Nack Wahl Boetticher
Kolz Elf