Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 367/01
vom
22. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
21. November 2001 in der Sitzung am 22. November 2001, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger
- in der Verhandlung vom 21. November 2001 -,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 23. März 2001 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von Sicherungsverwahrung abgesehen ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.


1. Die Jugendkammer hat folgendes festgestellt:

a) Im November 1998 erbot sich der Angeklagte, der als Türsteher einer Diskothek tätig war, die Zeugin und Nebenklägerin N. von der Diskothek nach Hause zu fahren. Als er in eine andere Richtung fuhr, wollte N. aus dem Auto fliehen, was der Angeklagte gewaltsam verhinderte. Er fuhr in eine Tiefgarage, wo er einen weiteren Fluchtversuch ebenso gewaltsam verhinderte. Er brachte sie in eine Wohnung, wo er gegen ihren Willen mit ihr den Geschlechtsverkehr ausübte, wobei er erkannte, daß sie nur wegen seiner vorangegangenen Gewalttätigkeit keinen weiteren Widerstand leistete.

b) Am 10. Juli 1999 bot der S. nach einem Besuch der selben Diskothek seiner Bekannten B. und deren etwa 17 Jahre alten Freundin, der Zeugin und Nebenklägerin L. an, sie nach Hause zu fahren. Der Angeklagte stieg mit in das Fahrzeug. Die Mädchen wurden in die Wohnung der M. gebracht, zu der der Angeklagte einen Schlüssel hatte. Während sich S. und B. in einem anderen Teil der Wohnung aufhielten, warf der Angeklagte die sich wehrende und schreiende L. gewaltsam auf ein Bett und führte mit ihr gewaltsam den Geschlechtsverkehr durch. L. trug mehrere Hämatome am ganzen Körper davon.

c) Schon im Herbst 1996 hatte M. die damals etwa 17 Jahre alte R. nach einem gemeinsamen Diskothekenbesuch mit zum Übernachten in die Wohnung des Angeklagten genommen. M. und der Angeklagte schliefen im Schlafzimmer, R. im Wohnzimmer. Am nächsten Morgen kam der Angeklagte und legte sich gegen den Widerstand der R. , die dabei Schmerzen und Rötungen im Brustbereich erlitt, auf ihren Körper, wobei er sie mit seinem erigierten Glied mehrfach im Bereich der Scheide berührte. R. schrie laut und der Angeklagte sah - wie die Jugendkammer feststellt, freiwillig - von dem von ihm geplanten Geschlechtsverkehr ab.
Einige Zeit später drohte der Angeklagte R. mit Schlägen, wenn sie weiterhin im Bekanntenkreis über diesen Vorfall rede.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wie folgt verurteilt:

a) wegen Vergewaltigung zum Nachteil N. zu vier Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe;

b) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zum NachteilL. zu vier Jahren Freiheitsstrafe; in diesem Fall ging die Jugendkammer im wesentlichen auf der Grundlage der Angaben des Angeklagten von alkoholbedingt erheblich verminderter Schuldfähigkeit aus (§ 21 StGB);

c) wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil R. zu zwei Jahren Freiheitsstrafe;

d) wegen versuchter Nötigung von R. zu sechs Monaten Freiheitsstrafe.
Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten gebildet.
3. Gegen dieses Urteil richten sich die auf mehrere Verfahrensrügen und die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte unbeschränkte Revision des Angeklagten und die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft , die sich nur dagegen wendet, daß von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen wurde.
Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos; die Revision der Staatsanwaltschaft greift durch.

II.


Zur Revision des Angeklagten:
1. Der Angeklagte war während der Vernehmung der Zeugin L. aus dem Sitzungssaal entfernt worden (§ 247 StPO).Während der Vernehmung legte der Verteidiger ausweislich des Protokolls "einen Stadtplan zum Zwecke des Vorhalts an die Zeugin vor; die Zeugin wurde von ihm bezüglich der Fahrtstrecke ... befragt".

Ein Verfahrensfehler (§ 247 StPO i. V. m. § 338 Nr. 5 StPO) ist entgegen der Auffassung der Revision nicht ersichtlich.
Der Ausschluß des Angeklagten von der Vernehmung eines Zeugen erstreckt sich auf alle mit der Vernehmung zusammenhängende Verfahrensvorgänge , wie z. B. auch Vorhalte (vgl. zu Vorhalten aus einer Urkunde BGH NStZ 2001, 262; 1997, 402; NJW 1968, 167; Gollwitzer in LR 25. Aufl. § 247 Rdn. 19). Der Stadtplan wurde nur als Vernehmungsbehelf verwendet. Ein darüber hinaus gehender Vorgang mit selbständiger verfahrensrechtlicher Bedeutung , wie es die Einnahme eines Augenscheins wäre, ist nicht ersichtlich.
2. Die Jugendkammer ließ die Zeugin B. gemäß § 61 Nr. 1 StPO unvereidigt , da nach pflichtgemäßem Ermessen eine Vereidigung der 17 Jahre alten Zeugin nicht geboten sei. Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Entscheidung ausreichend begründet. Hierfür genügt die Angabe der Jugendlichkeit des Zeugen oder der Gesetzesstelle (BGHSt 3, 229). Auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens sieht der Senat keine Veranlassung, hiervon abzuweichen.
3. Die Zeugen H. und K. haben im Kern übereinstimmend bekundet, die Zeugin N. hätte ihnen gegenüber behauptet, in jungen Jahren von ihrem Vater sexuell belästigt ("angefaßt") worden zu sein. Den Antrag, den Vater zum Beweis dafür zu vernehmen, daß er seine Tochter niemals sexuell belästigt habe, hat die Jugendkammer als bedeutungslos abgelehnt (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO). Zur Begründung hat sie im einzelnen dargelegt, warum die Zeugin, etwa im Hinblick auf ihr damals noch geringes Alter, inso-
weit einer Fehleinschätzung unterlegen sein kann. Damit hat die Jugendkammer mit hinlänglicher Deutlichkeit dargelegt, warum sie auch dann, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellten Behauptungen glaubhaft bestätigen würde , daraus keine Rückschlüsse auf die Unrichtigkeit der den Angeklagten belastenden Aussagen der Zeugin ziehen würde. Entgegen der Auffassung der Revision ist eine so begründete Bedeutungslosigkeit einer möglichen Indiztatsache rechtlich nicht zu beanstanden (st. Rspr., vgl. die Nachw. bei Kleinknecht /Meyer-Goûner, StPO 45. Aufl. § 244 Rdn. 56).
4. Im Hinblick auf die Angabe der Zeugin N. , sie habe 1990 eine zu ihrem Nachteil begangene Vergewaltigung angezeigt, hatte die Verteidigung die Vernehmung des Zeugen Mi. , Polizeiinspektion Lü. , zum Beweise dafür, daû dort keinerlei Unterlagen über eine Vergewaltigung zum Nachteil der Zeugin existierten und die Vernehmung des damaligen Kommissariatsleiters "Sitte" in Lü. zum Beweis dafür, daû er keinerlei Erkenntnisse über eine derartige Anzeige hat und daû er sich an die Anzeige einer "richtigen Vergewaltigung" erinnern würde, beantragt.
Die Jugendkammer hat die in das Wissen des Zeugen Mi. gestellte Behauptung als wahr unterstellt. Ebenso hat sie als wahr unterstellt, daû auch der frühere Kommissariatsleiter keine entsprechenden Erkenntnisse hat. Die Behauptung, er werde bekunden, daû er sich andernfalls an eine Anzeige erinnern würde, hat sie als bedeutungslos angesehen.
Soweit die Revision nunmehr im einzelnen darlegt, warum die Jugendkammer ausweislich der Urteilsgründe die Wahrunterstellung hinsichtlich der
Erinnerung nicht eingehalten habe, geht dies schon allein deshalb ins Leere, weil insoweit keine Wahrunterstellung erfolgt ist.
Soweit die Strafkammer Behauptungen als wahr unterstellt hat, hat sie sich dazu in den Urteilsgründen nicht in Widerspruch gesetzt. Anderes behauptet auch die Revision nicht.
5. Die Verteidigung hatte ein Sachverständigengutachten zur Glaubwürdigkeit der Aussagen der Zeugin N. beantragt und diesen Antrag nach dessen Zurückweisung im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung mit ergänzender Begründung wiederholt. Auch diesen Antrag hat die Jugendkammer unter Berufung auf eigene Sachkunde (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO) abgelehnt und zur Begründung (in beiden Beschlüssen inhaltlich im wesentlichen identisch ) ausgeführt, daû eine körperliche Behinderung oder eine psychische Auffälligkeit , die über eine "übliche Schwierigkeit bei der Verarbeitung des Erlebten hinausgeht" bei der - erwachsenen - Zeugin nicht festzustellen seien. Auch der Sachverhalt weise keine solche Besonderheiten auf, daû richterliche Sachkunde zur Glaubwürdigkeitsbeurteilung nicht ausreiche, zumal es auûerhalb der Aussage der Zeugin selbst liegende Umstände gebe, die zur Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit herangezogen werden könnten.
Damit ist die Jugendkammer von einem zutreffenden rechtlichen Ansatzpunkt ausgegangen (vgl. zusammenfassend Gollwitzer aaO § 244 Rdn. 82, Kleinknecht/Meyer-Goûner aaO § 244 Rdn. 74 jew. m.w.N.) .Die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit bedarf es nur dann, wenn die Eigenart des Einzelfalls, etwa aus den von der Jugendkammer angesprochenen Gesichtspunkten, eine auûergewöhnliche Sachkunde
erfordert. Die Entscheidung, ob ein solcher Fall gegeben ist, liegt im pflichtgemäûen Ermessen des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat sich bei seiner Nachprüfung darauf zu beschränken, ob der Tatrichter die durch die Gegebenheiten des Einzelfalls seinem Ermessen gezogenen rechtlichen Grenzen eingehalten hat (BGH NStZ 1987, 182).
Dies ist zu bejahen.
Die Jugendkammer hat sich (in den Urteilsgründen; vgl. Herdegen in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 28 m.w.N.) eingehend mit der Glaubwürdigkeit der Aussage der Zeugin auseinander gesetzt und hat dabei auch die in den Anträgen genannten Gesichtspunkte, die gegen eine Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin sprechen könnten, nicht übersehen. Die Erwägung der Jugendkammer, für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin sprächen entscheidend die Schilderungen der Zeugen H. und K. über die Angaben, die die Zeugin N. ihnen gegenüber unmittelbar nach der Tat gemacht hat und über den psychischen Zustand, in dem sich die Zeugin N. dabei befunden hat, läût Rechtsfehler nicht erkennen.
Aus alledem folgt zugleich, daû die Einholung eines Sachverständigengutachtens auch kein Gebot der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) war.
6. Ebenso wenig ist die Beweiswürdigung sachlich-rechtlich zu beanstanden.
Auch im übrigen hat die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

III.


Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
Obwohl die hier abgeurteilten Taten die formalen Voraussetzungen von § 66 (Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 ) StGB erfüllen, hat die Jugendkammer Sicherungsverwahrung nicht angeordnet, weil kein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB festzustellen sei. Die hierfür maûgeblichen Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung jedoch nicht Stand:
1. Die Jugendkammer, die insoweit dem von ihr gehörten Sachverständigen "nicht ohne Bedenken" folgt und seine Ausführungen nur "mit Einschränkungen" nachvollziehen kann, geht letztlich davon aus, daû der Angeklagte kein "egozentrischer Notzuchtstäter" sondern ein "uneigentlicher Notzuchtstäter" sei. Ohne daû der Senat dieser Unterscheidung im übrigen näher nachgehen müûte, ist jedenfalls der in diesem Zusammenhang zur Begründung mit herangezogene Hinweis auf die "sture Selbstverständlichkeit", mit der der Angeklagte vorging, ersichtlich nicht geeignet, die Annahme eines Hangs zu widerlegen. Es ist nicht zu erkennen, warum sture Selbstverständlichkeit bei der Durchführung gewichtiger Straftaten gegen eine intensive Neigung zu Rechtsbrüchen im Sinne eines eingeschliffenen Verhaltensmusters (vgl. zusammenfassend Dreher/Tröndle StGB 50. Aufl. § 66 Rdn. 18, Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. Rdn. 13 jew. m.w.N.) sprechen könnte. In diesem Zusammenhang kann auch nicht auûer Betracht bleiben, daû der Sachverständige und ersichtlich auch die Strafkammer davon ausgehen, auch künftig seien in zu erwarten-
den sexuell geprägten Situationen "vergleichbare Taten ernsthaft zu besorgen".
2. Soweit die Jugendkammer bei der Ablehnung eines Hangs darauf hinweist, daû sich der Angeklagte in einem "fremden sozialen Milieu bewegt", ist dies, unbeschadet der Frage der generellen Bedeutung dieses Umstands, hier schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil es mit den Feststellungen zur Person des Angeklagten nicht vereinbar ist.
Der Angeklagte stammt aus Ghana, wo er 1988 seine Schulausbildung mit der Berechtigung zum Universitätsstudium abschloû. Anschlieûend lebte er bis 1990 in den USA und seit 1991 - mit kürzeren Unterbrechungen - in Deutschland. Er ist seit 1993 mit einer Deutschen verheiratet und war als Montagearbeiter tätig, bis er Türsteher wurde.
Ebensowenig wird unter den gegebenen Umständen deutlich, warum der von der Jugendkammer ebenfalls genannte "ethnologische Aspekt" gegen einen Hang sprechen könnte.
3. Weiter hebt die Jugendkammer darauf ab, daû ein "früher Beginn der Delinquenz" (zu der Bedeutung dieses Gesichtspunkts vgl. Hanack in LK 11. Aufl. § 66 Rdn. 94, 101 m.w.N.) nicht festzustellen sei. Ob damit auf bisherige Vorverurteilungen oder eher auf das Lebensalter bei Beginn der kriminellen Karriere abgestellt sein soll, wird nicht deutlich. Dies kann aber schon deshalb dahinstehen, weil keiner dieser Gesichtspunkte hier zur Ablehnung eines Hangs tragfähig wäre.
Unbeschadet des Gesichtspunkts, daû sich sowohl aus § 66 Abs.2 StGB als auch aus § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB ergibt, daû ein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht allein deshalb ausgeschlossen sein muû, weil der Täter über die Anlaûtaten hinaus strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getretenen ist (vgl auch BGH StV 2000, 257, 258), ist der Angeklagte einschlägig vorbestraft. Er wurde 1993 wegen sexueller Nötigung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt, weil er ein 15 Jahre altes Mädchen, das er auf der Straûe angesprochen hatte, zunächst in sein Auto "bugsiert" und dann nach einem Lokalbesuch "an einen abgelegenen Ort verbracht und sich ihr dort gewaltsam sexuell genähert hatte".
Aus alledem ergibt sich, daû der Angeklagte zwischen 1993 und 1999 vier Sexualdelikte begangen hat, die - bei allen Unterschieden im Detail - in gleicher Weise dadurch gekennzeichnet sind, daû ein gemeinsamer Aufenthalt in einem Lokal oder einer Diskothek vorausgegangen ist. Bei der 1993 begangenen Tat war der Angeklagte 25 Jahre alt, bei der Tat im Jahre 1999 war er 31 Jahre alt. Unter diesen Umständen ist der Hinweis auf fehlende Erkenntnisse über Frühdelinquenz zur Ablehnung eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht geeignet.
4. Schlieûlich bestehen auch rechtliche Bedenken gegen die Annahme der Jugendkammer, gegen einen Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB spräche auch, daû ein "Alkoholabusus" nicht festzustellen sei. Hingen die Straftaten des Angeklagten mit einer Neigung zu übermäûigem Alkoholkonsum zusammen, wäre in erster Linie nicht Sicherungsverwahrung sondern Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zu prüfen.
5. Über die Anordnung von Sicherungsverwahrung muû nach alledem neu befunden werden. Auch bei Annahme eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB und der sonstigen Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungsverwahrung stünde diese gemäû § 66 Abs. 2 StGB (bzw. § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB) im Ermessen des Gerichts (vgl. hierzu nur BGH NStZ 1985, 261 m.w.N.).
6. Im Einzelfall kann eine nicht rechtsfehlerfrei abgelehnte Sicherungsverwahrung dazu führen, daû zugleich der Strafausspruch zu Gunsten des Angeklagten aufzuheben ist, wenn nicht auszuschlieûen ist, daû andernfalls eine niedrigere Strafe verhängt worden wäre (BGH StV 2000, 615, 617 m.w.N.).Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Strafe und der Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hergestellt ist (vgl. BGH Urteil vom 7. November 2000 - 1 StR 377/00; Urteil vom 4. September 2001
- 1 StR 232/01). Daû die Jugendkammer eine niedrigere Strafe verhängt hätte, wenn sie davon ausgegangen wäre, daû beim Angeklagten ein Hang zu gefährlichen Straftaten vorliegt, ist hier jedoch ausgeschlossen.
Schäfer Nack Wahl Herr RiBGH Dr. Kolz befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift verhindert. Boetticher Schäfer

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Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

Die in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen des Beschuldigten haben das Recht, die Beeidigung des Zeugnisses zu verweigern; darüber sind sie zu belehren.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 377/00
vom
7. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Schaal,
Bundesanwalt und Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

I.

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 8. Februar 2000, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin abgeändert, daß der Angeklagte im Fall B I der Urteilsgründe der Unterschlagung und im Fall B VIII der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Geiselnahme schuldig ist, und im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Die Ä nderung des Schuldspruchs im Fall B I der Urteilsgründe gilt auch für den früheren Mitangeklagten S. . 4. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben soweit von der Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen ist und im gesamten Strafausspruch.

II.

Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1. Die Strafkammer hat folgendes festgestellt:
a) Der Angeklagte hat am 5. Oktober 1998 nachts zusammen mit dem früheren Mitangeklagten S. im Einvernehmen mit dem Nachtkassierer einen bewaffneten Überfall auf eine Tankstelle fingiert, wobei ihm dieser den Kasseninhalt (mindestens 7.100 DM) sowie dreihundert Telefonkarten im Wert von insgesamt 3.600 DM aushändigte. Unbeteiligte Dritte waren nicht anwesend (Fall B I der Urteilsgründe).
b) Zwischen dem 19. Oktober und dem 28. November 1998 hat der Angeklagte sieben bewaffnete Überfälle begangen, sechs davon auf Drogeriemärkte , einen auf einen Lebensmittelmarkt. Einmal war er allein, viermal handelte er mit S. z usammen, in den letzten beiden Fällen handelte er zusammen mit dem Mitangeklagten E. (Fälle B II bis B VIII der Urteilsgründe).
c) Als sich der Angeklagte und E. nach der letzten Tat mit der Beute entfernen wollten, war der Drogeriemarkt von Polizei umstellt. Sie nahmen daher vier Angestellte des Drogeriemarkts mit Waffengewalt als Geiseln und forderten in stundenlangen Verhandlungen von der Polizei vergeblich freien Abzug, ehe sie sich, ersichtlich wegen Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen , ergaben (ebenso wie der Überfall Fall B VIII der Urteilsgründe). 2. Den fingierten Überfall auf die Tankstelle hat die Strafkammer wegen Bruchs des Gewahrsams des Tankstellenpächters als Diebstahl gewertet. Hierfür hat sie eine Einzelstrafe von zwei Jahren verhängt. Die Überfälle hat die Strafkammer je nach dem konkreten Geschehensablauf in drei Fällen als
schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub, in drei Fällen als schwere räuberische Erpressung und in einem Fall als schweren Raub gewertet. Die hierfür jeweils verhängten Einzelstrafen liegen zwischen sechs und sieben Jahren. Wegen der Geiselnahme hat die Strafkammer eine weitere Strafe von fünf Jahren verhängt. Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren gebildet. Von Maßnahmen der Besserung und Sicherung hat die Strafkammer abgesehen. 3. Gegen dieses Urteil richtet sich die unbeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten, die auf die Sachrüge und eine Reihe von Verfahrensrügen gestützt ist. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision nur dagegen, daß keine Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Die Revision des Angeklagten hat teilweise, die der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zugleich dazu, daß der Strafausspruch zugunsten des Angeklagten aufzuheben war.

II.

Zur Revision des Angeklagten: 1. Im Fall B I der Urteilsgründe liegt nicht Diebstahl sondern Unterschlagung (§ 246 StGB) vor.
a) Wie der Generalbundesanwalt vor dem Senat zutreffend ausgeführt hat, hat ein Angestellter, der allein eine Kasse zu verwalten und über deren
Inhalt abzurechnen hat, in aller Regel Alleingewahrsam am Kasseninhalt. Ohne seine Mitwirkung darf niemand Geld aus der Kasse nehmen, damit bei Fehlbeträgen die Verantwortlichkeit festgestellt werden kann. Das generelle Kontrollund Weisungsrecht des Dienstherren gegenüber seinem Bediensteten begründet nicht ohne weiteres den Mitgewahrsam des Dienstherrn (BGHR StGB § 246 Abs. 1 Alleingewahrsam 1 m.w.N.).
b) Hinsichtlich der Telefonkarten gilt unter den hier gegebenen Umständen nichts anderes.
c) Einem Schuldspruch gemäß § 246 StGB steht nicht entgegen, daß der Angeklagte vor der Tat noch nicht im Besitz der Beute war (vgl. Lackner/ Kühl, StGB 23. Aufl. § 246 Rdn. 12 m.w.N.; zur Rechtslage vor der Ä nderung von § 246 StGB durch das 6. StrRG vgl. BGHSt 40, 8, 22 f. m.w.N.).
d) Der Senat ändert den Schuldspruch selbst, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß noch tatsächliche Feststellungen möglich wären, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten. § 265 StPO steht nicht entgegen , da sich der geständige Angeklagte nicht erfolgversprechender hätte verteidigen können. 2. Im Fall B VIII der Urteilsgründe hat die Strafkammer zu Unrecht Tatmehrheit zwischen der schweren räuberischen Erpressung und der Geiselnahme angenommen. Es besteht Tateinheit, da die Geiselnahme auch der endgültigen Beutesicherung diente (BGHSt 26, 24, 27 f.). Der Senat ändert den Schuldspruch selbst; auch hier hätte sich der geständige Angeklagte nicht erfolgversprechender verteidigen können.
3. Im übrigen hat die auf Grund des Revisionsvorbringen gebotene Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. 4. Die Ä nderungen des Schuldspruchs führen hier zu einer Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Zumal, da von den Ä nderungen mehrere Taten betroffen sind und die wegen Geiselnahme verhängte Einzelstrafe entfällt, kann der Senat eine Auswirkung der aufgezeigten Ä nderungen auch auf die übrigen Fälle nicht völlig ausschließen. Damit erledigen sich zugleich die nicht auf den Schuldspruch bezogenen Verfahrensrügen des Angeklagten. Die Grenze der im Fall B VIII neu festzusetzenden Strafe (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) ergibt sich aus der Summe der bisher in diesem Zusammenhang verhängten Einzelstrafen (BGH b. Holtz MDR 1980, 988). 5. Die Ä nderung des Schuldspruchs im Fall B I der Urteilsgründe war auch auf den früheren Mitangeklagten S. z u erstrecken (§ 357 StPO). Der Senat hat jedoch davon abgesehen, die gegen ihn in diesem Fall verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten aufzuheben. Es ist zur Überzeugung des Senats ausgeschlossen, daß eine neue Verhandlung für S. , der noch an v ier bewaffneten Überfällen beteiligt war und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun J ahren verurteilt wurde, ein günstigeres Ergebnis erbringen würde (vgl. BGHR StPO § 357 Erstreckung 3; Kuckein in KK 4. Aufl. § 357 Rdn. 17 m.w.N.). S. ist häufig vorbestraft, darunter allein dreimal wegen (einmal auch mehrfachen) schweren Raubes oder schwerer räuberischer Erpressung und hat deshalb schon insgesamt über acht Jahre Strafe verbüßt.

III.

Zur Revision der Staatsanwaltschaft: 1. Die Strafkammer bejaht sowohl im Hinblick auf frühere Verurteilungen des Angeklagten die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB, als auch im Hinblick auf die hier abgeurteilten Taten die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB. § 66 Abs. 3 StGB ist dagegen nicht angesprochen. Die bei sämtlichen Alternativen zusätzlich erforderlichen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB werden jedoch verneint: Die Taten gingen nicht unbedingt auf den dissozialen Charakter des Angeklagten zurück. Sie seien vielmehr durch eine innere Erregung des Angeklagten ausgelöst worden, die auf der Verhaftung der Ehefrau des Angeklagten am 21. Mai 1998 wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen beruhe. Außerdem sei nach sachverständiger Beratung davon auszugehen, "daß durch den natürlichen Alterungsprozeß insbesondere bei Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe die Gefährlichkeit des Angeklagten sich anders darstellen kann". Der Angeklagte werde voraussichtlich erst mit 55 Jahren aus der Strafhaft entlassen. Zumal, da er noch keine längeren Strafen verbüßt habe, reiche die verhängte Strafe aus, seiner "Gefährlichkeit ... zu begegnen". Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand: 2. Allerdings ergeben die Urteilsgründe nicht, daß die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegen.
a) Das Urteil vom 21. Juni 1993 hat in diesem Zusammenhang außer Betracht zu bleiben. Der Angeklagte war damals unter Freispruch im übrigen in
einer Entziehungsanstalt untergebracht worden, nachdem er am 25. Januar 1991, trunkenheitsbedingt möglicherweise schuldunfähig, seine Lebensgefährtin mit einer Schußwaffe in Tötungsabsicht verletzt hatte. Da der Angeklagte nicht zu Freiheitsstrafe verurteilt wurde, liegt insoweit keine Vorverurteilung im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor (vgl. Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 66 Rdn. 12 m.w.N.).
b) Im übrigen hat der Angeklagte am 4. Juni 1986 vergeblich versucht, ein Juweliergeschäft zu überfallen; deshalb wurde er am 30. Oktober 1986 zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, die er voll verbüßt hat. Außerdem wurde er am 30. Juli 1990 wegen vier Vergehen des fahrlässigen Vollrauschs (er war in diesem Zustand zwischen dem 5. Mai und dem 17. August 1988 gegen seine Lebensgefährtin gewalttätig geworden) und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Auch diese Strafe hat er voll verbüßt. Die Einzelstrafen betrugen einmal ein Jahr, dreimal sechs Monate und einmal vier Monate. Welche Strafe für welches Delikt verhängt wurde, wird nicht deutlich. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderliche Strafe von einem Jahr wegen einer Vorsatztat für das Waffendelikt verhängt wurde, ist jedenfalls die Tatzeit des (auch im übrigen nicht näher geschilderten) Waffendelikts nicht festgestellt. Diese Tat ist aber jedenfalls deutlich länger als fünf Jahre vor den hier abgeurteilten Taten begangen worden. Ob entgegen § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB gemäß § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB gleichwohl keine Rückfallverjährung eingetreten ist, ist nicht ersichtlich, da auch der Zeitraum, in dem der Angeklagte sich in Strafhaft und im Maßregelvollzug befand, (zuletzt von "1991" bis "August 1994"), nicht präzise festgestellt ist.
3. Unabhängig davon liegen aber jedenfalls die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 und Abs. 3 StGB vor. 4. Die Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB sind nicht rechtsfehlerfrei verneint. Die Strafkammer geht für sich genommen rechtsfehlerfrei davon aus, daß die Taten des Angeklagten dafür sprechen, daß er ein gefährlicher Hangtäter ist. Damit ist regelmäßig die bestimmte Gefahr weiterer schwerer Straftaten gegeben (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 3 m.w.N.). Die von der Strafkammer angeführten gegenteiligen Gesichtspunkte können kein anderes Ergebnis rechtfertigen.
a) Für die Gefährlichkeitsprognose kommt es auf den Urteilszeitpunkt an, jedoch darf der Tatrichter den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzuges Bedeutung beimessen, soweit dieser nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung mit hoher prognostischer Sicherheit eine Haltungsänderung des Angeklagten erwarten läßt (st.Rspr., vgl. zuletzt BGH StV 2000, 615, 616 m.w.N.). Diese Sicherheit ergibt sich aber nicht aus der Annahme, daß sich die Gefährlichkeit des Angeklagten bei seiner Haftentlassung anders darstellen "kann". Daß der Angeklagte dann (voraussichtlich) 55 Jahre alt sein wird, kann daran nichts ändern (BGHR aaO Gefährlichkeit 5); Besonderheiten, die hier eine andere Annahme rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
b) Bei der Gewichtung der in der hier abgeurteilten Tatserie zum Ausdruck kommenden Gefährlichkeit des Angeklagten stellt die Strafkammer auch auf die Festnahme der Ehefrau als auslösendes Moment ab. Dies ist schon deshalb bedenklich, weil es in der Regel ohne Bedeutung ist, warum sich ein bereits vorhandener Hang gesteigert hat (Stree aaO Rdn. 33 m.w.N.). Zumindest wäre aber zu erörtern gewesen, daß die Taten erst mehrere Monate nach der Festnahme begangen wurden. Darüber hinaus ist festgestellt, daß die
Ehefrau im November 1998 einige Zeit entwichen war und sich beim Angeklagten aufhielt. Auch in dieser Zeit hat der Angeklagte einen Überfall begangen. Damit hat sich die Strafkammer ebenfalls nicht auseinander gesetzt.
c) Soweit die Strafkammer darauf abstellt, daß der Angeklagte längere Haft noch nicht verbüßt hat, ist dies (jedenfalls im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 66 Abs. 2 StGB) ein nicht zu beanstandender Ansatz (BGH StV 1982, 114; NStZ 1985, 261). Die Annahme der Strafkammer ist jedoch mit der Feststellung, daß der Angeklagte - abgesehen von einer Unterbringung im Maßregelvollzug - insgesamt schon mehr als drei Jahre Freiheitsstrafe verbüßt hat, unvereinbar. Über die Anordnung von Sicherungsverwahrung muß nach alledem neu entschieden werden.
5. Die Aufhebung eines Urteils wegen unterbliebener Anordnung von Sicherungsverwahrung kann im Einzelfall auch zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten führen, wenn möglicherweise die Strafe bei Anordnung von Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (BGH StV 2000, 615, 617 m.w.N.). Da die Strafkammer ausdrücklich einen Bezug zwischen der Dauer der Strafe und der Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hergestellt hat, hebt der Senat den Strafausspruch auf. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 232/01
vom
4. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2001, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 25. Januar 2001
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, daß aa) die Verurteilungen wegen Bedrohung entfallen; bb) sämtliche unter B. B. der Urteilsgründe abgeurteilten Taten im Verhältnis von Tateinheit stehen;
b) im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen wurde, sowie im gesamten Strafausspruch. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an ein andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1. Die Strafkammer hat festgestellt:
a) Am 2. März 2000 hatte der Angeklagte dem B. angeboten , mit ihm und K. in seiner Wohnung über die Rückgabe B. gehörender Möbel zu sprechen, die sich noch bei K. befanden. Ohne daß B. hierfür einen nachvollziehbaren Grund gegeben hätte, kündigte der Angeklagte dort alsbald an, ihm den "Kopf weg(zu)pusten", und hinderte B. mit Ohrfeigen und einem Faustschlag am Verlassen der Wohnung. In den nächsten Stunden wurdeB. von ihm vielfältig mißhandelt , gequält und gedemütigt. Er bedrohte ihn ständig mit dem Tod ("killen"; "häuten") und gravierenden Verletzungen ("Eier abreißen"), "probierte" Karateschläge an ihm aus und würgte ihn, bis er seinen Geldbeutel herausgab, dem der Angeklagte einen Geldschein entnahm, der dann verbrannt wurde. B. mußte die Schuhevon K. küssen und er bekam vom Angeklagten seinen Ausweis in den Mund geschoben.
b) Am 13. April 2000 hielt sich der Nebenkläger R. in der Wohnung des Angeklagten auf, weil ihm dieser einen Arbeitsplatz versprochen hatte. Als sich nichts ergab und R. wieder gehen wollte, war die Tür verschlossen und der Angeklagte bedrohte R. mit einer von diesem für echt gehaltenen Pistolenattrappe und einem Messer, beschimpfte ihn und kündigte ihm an, "er sei bald tot". Damit begann ein mehrtägiges, von der Strafkammer im einzelnen geschildertes Martyrium R. s. In dessen Verlauf mußte R. nicht nur Haus- und Küchenarbeiten verrichten und nackt in eine Badewanne mit kaltem Wasser steigen, sondern auch nackt herumkriechen,
Schuhe und Fuûboden ablecken, Zigarettenkippen schlucken und den Urin des Angeklagten trinken. Bei alledem wurde er nicht nur ständig mit dem Tod bedroht , sondern auch körperlich schwer miûhandelt. Der Angeklagte drückte unmittelbar über der Nase R. s eine brennende Zigarette aus - nach etwa zehn Tagen war noch eine gerötete Narbe festzustellen -, schlug auf den nackt herumkriechenden R. mit Holzprügeln ein und schoû jeweils aus der Nähe mit einem Luftgewehr in seinen rechten Zeh und seine linke Hand und mit einem Gasrevolver in seine Genitalien. 2. Nach weitgehender Verfahrensbeschränkung hat die Strafkammer das Geschehen zum Nachteil B. als Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und jeweils zwei Fällen der Nötigung und der vorsätzlichen Körperverletzung bewertet und hierfür eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt. Das Geschehen zum Nachteil R. hat die Strafkammer als Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und Nötigung in sieben Fällen angesehen sowie als gefährliche Körperverletzung in fünf Fällen, die hierzu jeweils in Tatmehrheit stehen, weil sie auf Spontanentschlüsse zurückgingen. Für die Freiheitsberaubung und die damit in Tateinheit stehenden Delikte hat sie vier Jahre Freiheitsstrafe verhängt. Für die gefährlichen Körperverletzungen wurden festgesetzt: Zehn Monate wegen der Schläge mit den Holzprügeln, ein Jahr und drei Monate für das Brennen mit der Zigarette, ein Jahr und sechs Monate für den Schuû in den Zeh, zwei Jahre für den Schuû in die Hand und drei Jahre für den Schuû in die Genitalien. Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren gebildet. Von Sicherungsverwahrung hat die Strafkammer abgesehen.
3. Gegen dieses Urteil richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Die uneingeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten führt zu zwei Änderungen des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung beschränkt und hat Erfolg. Zugleich führt sie zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten.

II.

Die Revision des Angeklagten: 1. Die Revision meint, eine brennende Zigarette sei "mangels Eignung der Hervorrufung erheblicher Verletzungen" kein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Sie verweist auf die Auffassung des Oberlandesgerichts Köln, wonach die Möglichkeit erheblicher Verletzungen nicht naheliegt, wenn mit Zigarettenglut eine Brandverletzung auf der Wade herbeigeführt wird (StV 1994, 244, 246; Zweifel hieran bei Tröndle/Fischer StGB, 50. Aufl. § 224 Rdn. 9). Diese Bewertung von Brandverletzungen widerspricht schon im Ansatz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die gefährliche Körperverletzung bei "Zufügung von Brandwunden durch glimmende Zigaretten" ohne weiteres bejaht hat (Beschl. vom 25. April 2001 - 3 StR 7/01 [mitgeteilt in dem Urteil, das gegen einen an diesem Tatkomplex nicht beteiligten Mittäter in jener Sache am selben Tag ergangen ist]). Damit vergleichbar wurde gefährliche Körperverletzung ebenfalls ohne weiteres in einem Fall bejaht, in dem ein brennendes Feuerzeug einige Sekunden unter vier Finger der Hand eines Kindes gehalten
wurde, was zu schmerzhaften Verletzungen mit Blasen und Narben führte (BGHR StGB § 170d [aF] Fürsorgepflichtiger 1). Der Senat sieht keinen Anlaû, von dieser Rechtsprechung abzuweichen: Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist ein Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH NStZ 1999, 616). Es kommt also nicht allein auf die letztlich eingetretene Verletzung an, es genügt vielmehr schon die potentielle Gefährlichkeit des Werkzeugs im konkreten Fall (Tröndle/Fischer aaO). Eine brennende Zigarette, die auf der Haut ausgedrückt wird, führt regelmäûig zu schmerzhaften Brandverletzungen, die vielfach mit Narbenbildung - hier war die Narbe des Geschädigten nach zehn Tagen noch gerötet (I 1 b) - verbunden sind; auch darüber noch hinausgehende Komplikationen sind niemals auszuschlieûen. Im konkreten Fall kommt im übrigen [zusätzlich] noch hinzu, daû die Zigarette unmittelbar über der Nase ausgedrückt wurde, so daû wegen der [nicht] auszuschlieûenden Möglichkeit schmerzbedingt unkontrollierter Bewegungen sogar die Gefahr einer Augenverletzung bestand. 2. Wie die Revision und der Generalbundesanwalt im einzelnen ausgeführt haben, stehen sämtliche Taten zum Nachteil R. in Tateinheit. Er befand sich auf Grund des Verhaltens des Angeklagten in einer Zwangslage und konnte sich nicht frei bewegen, was der Angeklagte bei den Verletzungshandlungen ausgenutzt hat. Auch wenn diese Handlungen auf Spontanentschlüsse zurückgehen sollten, ist daher das gesamte Geschehen tateinheitlich verbunden (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 16 m.w.Nachw.). Schon weil auch die unverändert zugelassene Anklage von Tateinheit zwi-
schen allen Delikten (auch) in diesem Tatkomplex ausgegangen ist, ändert der Senat den Schuldspruch selbst. 3. Im übrigen enthält der Schuldspruch nur noch insoweit einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler, als Bedrohung (§ 241 StGB) hinter Nötigung (§ 240 StGB) zurücktritt, da die Bedrohungen - jedenfalls auch - Nötigungsmittel waren (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 240 Abs. 3 Konkurrenzen 2; w. Nachw. bei Tröndle/Fischer aaO § 240 Rdn. 63). Auch insoweit war der Schuldspruch daher zu ändern. 4. Zwar hat weder der Wegfall der Verurteilungen wegen Bedrohung hier für den Strafausspruch Bedeutung, noch gefährdet eine unzutreffende Bestimmung der Konkurrenzverhältnisse bei - wie hier - unverändertem Schuldumfang im Ergebnis ohne weiteres den Strafausspruch (vgl. nur BGHSt 41, 368, 373 f.). Voraussetzung hierfür ist jedoch, daû eine aus mehreren Einzelstrafen gebildete Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen bleiben kann. Dies ist hier nicht der Fall, weil aus der im Fall R. noch zu bildenden Einzelstrafe und der Strafe im Fall B. eine Gesamtstrafe zu bilden ist. Daher ist der Senat an einer Bestätigung des Strafausspruchs gehindert (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 7), so daû der Strafausspruch aufzuheben war, wobei der Senat im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Taten auch die Strafe im Fall B. aufgehoben hat (vgl. hierzu BGH wistra 1998, 106, 108 m.w.Nachw.).

III.

Die Revision der Staatsanwaltschaft: Die Strafkammer hat die formellen und materiellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB bejaht, von Sicherungsverwahrung aber gleichwohl abgesehen.
1. Der Angeklagte ist schon wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Nötigung und einem Waffendelikt, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt worden:
a) Am 4. Oktober 1988 hatte er den H. ohne nachvollziehbaren Grund schwer miûhandelt. Er hatte ihn vielfach mit einem Baseballschläger und einem Schlagstock auf Arme und Beine geschlagen, ihn etwa eine Viertelstunde in den Bauch getreten und ihm mit einem Messer zwei Stichverletzungen an den Armen zugefügt, wobei er dann in eine Wunde Salz gerieben hatte, um H. weitere Schmerzen zu bereiten (Strafe: zwei Jahre und sechs Monate

).


b) Am 7. Oktober 1988 hatte er den ihm bekannten Tankwart S. ebenfalls aus nichtigem Anlaû im Kassenraum der Tankstelle mit der Faust niedergeschlagen, ihn in sadistischer Weise ("Auge ausstechen"; "Schwanz abschneiden") bedroht, ihn getreten und sich schlieûlich auch noch den Kasseninhalt angeeignet (Strafe: vier Jahre und sechs Monate).
c) Am 10. Oktober 1988 drang der Angeklagte nachts in die Wohnung seines früheren Karateschülers Kö. ein, bedrohte ihn mit einer Pistole und forderte Auskunft über anonyme Anrufe im Zusammenhang mit seiner Karateschule. Als sich Kö. weigerte, schoû er ihm in den Hals. Anschlieûend quälte er ihn "über das Ziel der Informationserlangung hinaus". Er schlug ihn etwa mit der Pistole heftig in das Gesicht, trat ihm in die Genitalien und kündigte ihm "zynisch" seinen nahen Tod an. Der lebensgefährlich verletzte Kö. behielt Dauerschäden wie eine Armlähmung und eine Stimmbehinderung wegen der schuûbedingten Kehlkopfverdrehung (Strafe: zwölf Jahre).
Der Angeklagte war in dieser Sache vom 15. Oktober 1988 bis 1. März 1998 inhaftiert; der Strafrest wurde zur Bewährung ausgesetzt. Damit liegen die formellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB vor, ohne daû sich daran durch die vom Senat vorgenommene Schuldspruchänderung (II 2) etwas ändern würde (vgl. hierzu im einzelnen Tröndle/Fischer aaO § 66 Rdn. 9, 10 m.w.Nachw.). 2. Darüber hinaus hat die Strafkammer auch die Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nach sachverständiger Beratung bejaht, da der Angeklagte einen Hang zu Straftaten hat, durch die die Opfer körperlich und seelisch schwer geschädigt werden und er daher für die Allgemeinheit gefährlich ist. Im einzelnen ist ausgeführt, daû Aggressivität für ihn etwas "Normales" ist und daû er persönlichkeitsbedingt weder zu Schuld- und Unrechtsbewuûtsein in der Lage ist - die der Vorverurteilung zu Grunde liegenden Taten hat er "bagatellisiert" -, noch aus Erfahrungen lernen kann. Auûerdem sind im einzelnen näher beschriebene Persönlichkeitsmerkmale des Angeklagten "Indikatoren" für einen kriminellen Rückfall. 3. Die Strafkammer hält Sicherungsverwahrung für "derzeit noch unverhältnismäûig im Sinne des § 62 StGB". Unter Beachtung dieser Bestimmung sei nämlich im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen, daû der Angeklagte im Hinblick auf den anstehenden Strafvollzug und den zu erwartenden Bewährungswiderruf mehr als zehn Jahre von der Allgemeinheit ferngehalten und voraussichtlich erst mit 55 Jahren wieder in Freiheit gelangen werde. Da er auch während der früheren Haft offenbar nicht nachteilig in Erscheinung getreten sei und bei vollständiger Verbüûung der jetzt verhängten Strafe unter Führungsaufsicht stehen werde (§ 68f StGB), die ein "besonderes Augenmerk" auf ihn zu werfen haben werde, sei es "noch
vertretbar" ihm die Möglichkeit eines straffreien Lebens jenseits der Lebensmitte einzuräumen. 4. Gegen diese Erwägungen wendet sich das auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft mit Recht.
a) Dabei versteht der Senat die allerdings nicht sehr klaren Ausführungen zu § 62 StGB nicht dahin, daû die Strafkammer der - offensichtlich hier auch nicht vertretbaren - Auffassung wäre, schon wegen der Bedeutung der vom Angeklagten begangenen und zu erwartenden Taten sowie des Grades der von ihm ausgehenden Gefahr komme Sicherungsverwahrung nicht in Betracht. Vielmehr stützt die Strafkammer ihre Entscheidung im wesentlichen auf die Dauer der anstehenden Freiheitsentziehung und das Lebensalter zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Haftentlassung.
b) Bei einer Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB können allerdings die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäû eintretenden Haltungsänderungen Gewicht gewinnen (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ-RR 1999, 301 m.w.Nachw.). Es kommt dabei jedoch nicht auf die (mutmaûliche) Dauer des Strafvollzugs als solche an. Entscheidend ist vielmehr, ob zu erwarten ist, daû sie eine präventive Warnwirkung auf den Angeklagten haben und damit zu einer Haltungsänderung bei ihm führen wird (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3, 5, 6 m.w.Nachw.). Diese Annahme ist jedoch schon im Hinblick auf die früheren Taten und die deswegen vollzogene langjährige Strafhaft - unbeschadet des Verhaltens des Angeklagten in dieser Zeit - sehr fernliegend und darüber hinaus mit der ausdrücklich festgestellten Unfähigkeit des Angeklagten, aus Erfahrungen zu lernen, unvereinbar.
Das mutmaûliche Lebensalter des Angeklagten zum Zeitpunkt seiner Haftentlassung kann an alledem nichts ändern. Anders wäre es nur, wenn unter Berücksichtigung der Art der in Frage stehenden Delikte für diesen Zeitpunkt eine positive Prognose gestellt werden könnte (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3). Wie der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der damit vergleichbaren Frage der Gefährlichkeitsbeurteilung gemäû § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB wiederholt ausgesprochen hat, ist allein ein Alter von etwa 55 Jahren bei der Haftentlassung als solches dabei nicht aussagekräftig (Urt. vom 7. November 2000 - 1 StR 377/00; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3 Gefährlichkeit 5). Auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB kann insoweit nichts anderes gelten. Gründe, die speziell beim Angeklagten eine andere Bewertung dieses Alters rechtfertigen könnten, sind schon im Hinblick auf seine Unfähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen, nicht ersichtlich. Auch die Art der in Rede stehenden Delikte spricht nicht für eine andere Beurteilung. "In grausamer und sadistischer Weise" vorgenommenen Miûhandlungen steht auch ein Alter "jenseits der Lebensmitte" nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. vom 30. August 1994 - 1 StR 271/94). Schon deshalb, weil der Angeklagte die hier abgeurteilten Taten unter Bewährungsbruch begangen hat, obwohl er einem Bewährungshelfer unterstanden ist - für eine Ausnahme vom Grundsatz des § 57 Abs. 3 Satz 2 StGB ist nichts ersichtlich - können schlieûlich auch die Erwägungen der Strafkammer zur Führungsaufsicht kein Gewicht gewinnen.
c) Nach alledem muû über die Anordnung von Sicherungsverwahrung daher neu befunden werden.
5. Die Aufhebung eines Urteils wegen unterbliebener Sicherungsverwahrung kann im Einzelfall auch zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten führen, wenn möglicherweise die Strafe bei Androhung von Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (BGH StV 2000, 615, 617 m.w.Nachw.). Da die Strafkammer hier ausdrücklich einen Bezug zwischen der Höhe der Strafe und der Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hergestellt hat, hebt der Senat den Strafausspruch auf. Nack Wahl Schluckebier Kolz Schaal