Bundesgerichtshof EuGH-Vorlage, 11. Dez. 2018 - KZR 66/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:111218BKZR66.17.0
bei uns veröffentlicht am11.12.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:

Ist Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. Nr. L 351 vom 20. Dezember 2012) dahin auszulegen, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung für eine auf Unterlassung bestimmter Verhaltensweisen gerichtete Klage eröffnet ist, wenn in Betracht kommt, dass das beanstandete Verhalten durch vertragliche Regelungen gedeckt ist, der Kläger aber geltend macht, dass diese Regelungen auf der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung des Beklagten beruhen?

Gründe

1

A. Die Klägerin betreibt in Schleswig-Holstein ein Hotel. Die Beklagte, die ihren Sitz in den Niederlanden hat, betreibt eine Hotelbuchungsplattform.

2

Im März 2009 unterzeichnete die Klägerin ein von der Beklagten vorgelegtes Vertragsformular, in dem es u.a. heißt:

"Allgemeine Geschäftsbedingungen

Das Hotel erklärt, eine Kopie der Version 0208 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (…) von Booking.com erhalten zu haben. Diese liegen online auf Booking.com vor (…). Das Hotel bestätigt, dass es die Bedingungen gelesen und verstanden hat und ihnen zustimmt. Die Bedingungen sind ein grundlegender Bestandteil dieses Vertrages (…)"

3

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sehen u.a. vor, dass die Beklagte dem Hotel ein als "Extranet" bezeichnetes Internet-System zur Verfügung stellt, über das die Hotelinformationen aktualisiert und Angaben zu den Reservierungen abgerufen werden können. Sie enthalten ferner eine Regelung, wonach Gerichtsstandort für alle aus dem Vertrag entstehenden Streitigkeiten, mit Ausnahme von Zahlungs- und Rechnungsstreitigkeiten, Amsterdam ist.

4

Die Beklagte hat ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die im Extranet einsehbar sind, in der Folge mehrfach geändert. Die Klägerin hat der Einbeziehung einer Version der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie den Vertragspartnern der Beklagten per E-Mail vom 25. Juni 2015 bekannt gemacht hatte, schriftlich widersprochen.

5

Die Klägerin ist der Auffassung, kleinere Hotelunternehmen wie sie seien wegen der starken Stellung der Beklagten auf dem Markt für Vermittlungsleistungen für Hotels über Hotelbuchungsportale auf einen Vertragsschluss mit der Beklagten angewiesen. Sie sieht bestimmte Verhaltensweisen der Beklagten im Zusammenhang mit der Vermittlung von Hotelbuchungen als unbillige Behinderung und damit als kartellrechtswidrig an.

6

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter gesetzlicher Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

- auf der Hotelbuchungsplattform einen von der Klägerin für ihr Hotel ausgewiesenen Preis ohne vorherige Einwilligung der Klägerin durch einen Hinweis als vergünstigten oder rabattierten Preis zu bezeichnen,

- ihr die von den Vertragspartnern der Klägerin über die Hotelbuchungsplattform überlassenen Kontaktdaten ganz oder teilweise vorzuenthalten und von ihr zu verlangen, zu den vermittelten Vertragspartnern nur über die von der Beklagten vorgehaltenen Kontaktfunktionen Kontakt aufzunehmen,

- eine Platzierung des Hotels bei Suchanfragen von der Gewährung einer 15% übersteigenden Provision abhängig zu machen.

7

Die Klägerin macht geltend, soweit dieses Verhalten durch von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen gedeckt sei, habe sie sich mit diesen nur wegen der marktbeherrschenden Stellung der Beklagten einverstanden erklärt.

8

Die Beklagte hat u.a. die örtliche und internationale Zuständigkeit des angerufenen LG Kiel beanstandet. Das Landgericht hat die Klage wegen fehlender örtlicher und internationaler Zuständigkeit als unzulässig angesehen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Senat zugelassenen Revision.

9

B. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. Nr. L 351 vom 20. Dezember 2012, im Folgenden: VO (EU) 1215/12) ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

10

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

11

Für die erhobene Klage sei die örtliche und internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht gegeben. Weder sei der Gerichtsstand des Erfüllungsorts (Art. 7 Nr. 1 VO (EU) 1215/12) noch der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Art. 7 Nr. 2 VO (EU) 1215/12) gegeben. Auf die Frage, ob eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung getroffen worden sei, komme es daher nicht an.

12

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sei eine enge Auslegung von Art. 7 Nr. 2 VO (EU) 1215/12 geboten. Die Norm beziehe sich nur auf Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht werde und die nicht an einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag anknüpften. Dafür genüge es zwar nicht, dass zwischen den Parteien überhaupt ein Vertragsverhältnis bestehe. Eine Anknüpfung an den Vertrag liege aber vor, wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden könne, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstands ermitteln ließen. Dies sei grundsätzlich der Fall, wenn eine Auslegung des Vertrags unerlässlich erscheine, um zu klären, ob das vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder rechtswidrig sei. Danach handele es sich bei den mit der Klage geltend gemachten Ansprüchen nicht um deliktische Ansprüche im Sinne von Art. 7 Nr. 2 VO (EU) 1215/12. Die Klage ziele auf eine Änderung des Vertragsinhalts und auf Änderung der Verhaltensweisen der Beklagten. Die Streitigkeiten zwischen den Parteien hätten ihren Ausgangspunkt in ihren vertraglich geregelten Beziehungen. Gegenstand des Rechtsstreits sei damit nicht nur irgendein völlig außerhalb des Vertrags liegendes wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten. Die Rechte und Pflichten der Beklagten seien nach dem Vertrag zu bestimmen. Die mit dem Unterlassungsbegehren der Klägerin aufgeworfenen Fragen könnten sich ohne den vorherigen Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien nicht stellen. Dies gelte auch für eine Beurteilung nach dem Kartellrecht. Gegenstand des Rechtsstreits seien zwar nicht Ansprüche aus einem Vertrag, Gegenstand sei aber ein Vertrag, weil es darum gehe, ob dieser ganz oder teilweise bestehe.

13

II. Die Revision hat Erfolg, wenn das angerufene LG Kiel örtlich und international zuständig ist. Dafür kommt es entscheidend darauf an, ob das Berufungsgericht eine Zuständigkeit dieses Gerichts nach Art. 7 Nr. 2 VO (EU) 1215/12 zu Recht verneint hat.

14

1. Die Frage, ob eine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts schon deshalb fehlt, weil die Parteien eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben, hat das Berufungsgericht offen gelassen. Sie ist jedoch zu verneinen.

15

Die Gerichtsstandsklausel war in den von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen erhalten. Das Landgericht hat hierzu festgestellt, dass die Voraussetzungen von Art. 25 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a, Abs. 2 VO (EU) 1215/12 nicht vorliegen, weil es an einer elektronischen Übermittlung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglicht, fehlt. Diese Beurteilung unterliegt keinen revisionsrechtlichen Bedenken.

16

Der Auffassung des Landgerichts, eine Gerichtsstandsvereinbarung sei gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 3 Buchst. b VO (EU) 1215/12 in einer Form geschlossen worden, die Gepflogenheiten entspreche, die zwischen den Parteien entstanden seien, vermag der Senat nicht beizutreten. Insoweit stellen sich keine unionsrechtlich klärungsbedürftigen Fragen. Die Gepflogenheiten im Sinne dieser Norm können lediglich die ansonsten erforderliche Schriftform ersetzen, nicht jedoch die Einigung der Vertragsparteien (BGH, Urteil vom 6. Juli 2004 - X ZR 171/02, NJW-RR 2005, 150 Rn. 18; Gottwald in MünchKomm.ZPO, 5. Auflage, Art. 25 Brüssel-Ia-VO Rn. 45; Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 15. Auflage, Art. 25 EuGVVO Rn. 12; Mankowski in Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Auflage, Art. 25 Brüssel-Ia-VO Rn. 105). Das Landgericht hat insofern lediglich festgestellt, dass es nach Vertragsschluss wiederholt zu Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kam. Nicht festgestellt ist dagegen, dass diese Änderungen in das Extranet eingestellt wurden und wie die Klägerin hierauf reagierte, insbesondere ob sie sich mit dieser Form der Informationsübermittlung einverstanden erklärte. Das Berufungsgericht hat hierzu vielmehr festgehalten, es sei zwischen den Parteien im Streit, ob die Klägerin von den Änderungen der AGB jeweils Kenntnis erlangte.

17

2. Die Revision wendet sich nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich nicht aus Art. 7 Nr. 1 Buchst. a VO (EU) 1215/12. Auch diese Beurteilung unterliegt keinen revisionsrechtlichen Bedenken.

18

3. Nach Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht einen deliktischen Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 VO (EU) 1215/12 zu Unrecht verneint. Ein vertraglicher Anspruch werde nur dann geltend gemacht, wenn das Klagebegehren zumindest auch auf einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung gründe. Daran fehle es im Ausgangsverfahren. Damit ist die aus dem Tenor ersichtliche unionsrechtlich klärungsbedürftige Frage aufgeworfen.

19

a) Für die Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 VO (EU) 1215/12 kommt es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht allein darauf an, ob die betreffende Klage nach dem nationalen Recht des Mitgliedstaates deliktsrechtlicher Natur ist. Auch für eine solche Klage ist der Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 VO (EU) 1215/12 nicht gegeben, wenn sie an einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a VO (EU) 1215/12 anknüpft. Der Begriff des Vertrags wiederum bezieht sich auf freiwillig gegenüber anderen Personen eingegangene Verpflichtungen (EuGH, Urteil vom 17. September 2002 - C-334/00 Slg. 2002, I-7357 Rn. 23 - Tacconi; Urteil vom 20. Januar 2005 - C-27/02, Slg. 2005, I-481 Rn. 50 f. - Engler).

20

Die Begriffe "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" im Sinne von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a VO (EU) 1215/12 und "unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung" im Sinne von Art. 7 Nr. 2 VO (EU) 1215/12 sind autonom und hauptsächlich unter Berücksichtigung der Systematik und Zielsetzung dieser Verordnung auszulegen, um ihre einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten zu sichern (EuGH, Urteil vom 27. September 1988 - Rs. 189/87, Slg. 1988, 5565 Rn. 15 f. - Kalfelis; Urteil vom 18. Juli 2013 - C-147/12, EuZW 2013, 703 Rn. 27 - ÖFAB). Dementsprechend ist bei einer zivilrechtlichen Klage, mit der Schadensersatz begehrt wird, zu prüfen, ob die geltend gemachten Ansprüche, unabhängig von ihrer Qualifikation nach nationalem Recht, vertraglicher Natur sind (EuGH, Urteil vom 13. März 2014 - C-548/12, NJW 2014, 1648 Rn. 21 - Brogsitter, Urteil vom 10. September 2015 - C-47/14, EuZW 2015, 922 Rn. 70 f. - Holtermann Ferho Exploitatie; Urteil vom 14. Juli 2016 - C-196/15, NJW 2016, 3087 Rn. 20 ff. - Granarolo). Entsprechendes gilt für vorbeugende Unterlassungsklagen (EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2002 - C-167/00, Slg. 2002, I-8111 - Henkel; Urteil vom 5. Februar 2004 - C-18/02, Slg. 2004, I-1417 Rn. 27 - Danmarks Rederiforening/LO Landsorganisationen i Sverige).

21

Eine vertragliche Natur der geltend gemachten Ansprüche kann zwar nicht schon deshalb angenommen werden, weil eine Vertragspartei Klage wegen zivilrechtlicher Haftung gegen die andere Vertragspartei erhebt. Auch wenn eine solche Klage nach nationalem Recht deliktsrechtlicher Natur ist, betrifft sie aber im Sinne von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a VO (EU) 1215/12 einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, wenn das beanstandete Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstands ermitteln lassen. Dies wiederum ist grundsätzlich der Fall, wenn eine Auslegung des Vertrags unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das Verhalten, das der Kläger dem Beklagten vorwirft, rechtmäßig oder widerrechtlich ist (EuGH, Urteil vom 13. März 2014 - C-548/12, NJW 2014, 1648 Rn. 23 ff. - Brogsitter).

22

b) Im Ausgangsverfahren streiten die Parteien darüber, ob die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin eine marktbeherrschende Stellung hat und diese unter Verstoß gegen Bestimmungen des Kartellrechts missbräuchlich ausnutzt. Die Klägerin macht danach geltend, soweit die Beklagte Preise der Klägerin als vergünstigt oder rabattiert bezeichne, fehle es an einer wirksamen vertraglichen Grundlage für diese Vorgehensweise. Die beiden anderen Verhaltensweisen, deren Unterlassung mit der Klage begehrt wird, seien zwar durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gedeckt, doch habe die Klägerin sich auf den Abschluss des Vertrags unter Zugrundelegung dieser Geschäftsbedingungen nur deshalb eingelassen, weil ihr mit Rücksicht auf die marktbeherrschende Stellung der Beklagten keine andere Wahl bleibe.

23

c) Es ist im Ausgangspunkt nicht zweifelhaft, dass Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung im Sinne von Art. 7 Nr. 2 VO (EU) 1215/12 geltend gemacht werden, wenn Gegenstand der Klage Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüche sind, die darauf gestützt werden, dass das beanstandete Verhalten als missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV oder einer entsprechenden Bestimmung des nationalen Kartellrechts einzuordnen ist (EuGH, Urteil vom 5. Juli 2018 - C-27/17 Rn. 51 f. - Lithuanian Airlines). Ein solches missbräuchliches Verhalten kann insbesondere darin liegen, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen die Aufnahme vertraglicher Beziehungen davon abhängig macht, dass dem Vertrag unangemessene Geschäftsbedingungen zugrunde gelegt werden (Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV, § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 20 Abs. 2 GWB).

24

Anders als das Berufungsgericht neigt der Senat zu der Auffassung, dass eine andere Beurteilung auch dann nicht angebracht ist, wenn der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits vertragliche Beziehungen mit dem - nach seinem Vortrag - marktbeherrschenden Unternehmen aufgenommen hat, so dass in Betracht kommt, dass das beanstandete Verhalten durch die vertraglichen Bestimmungen gedeckt ist, der Kläger diese Bestimmungen aber als unangemessen beanstandet und geltend macht, er habe sich diesen nicht freiwillig, sondern wegen der marktbeherrschenden Stellung des Beklagten gefügt. Denn im Vordergrund der rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien steht auch dann nicht die Auslegung des Vertrags, sondern die Frage, ob die Forderung bestimmter Vertragskonditionen oder die Berufung auf sie durch ein - unterstellt - marktbeherrschendes Unternehmen als missbräuchlich anzusehen ist und damit gegen Bestimmungen des Kartellrechts verstößt.

Limperg     

      

Meier-Beck     

      

Raum   

      

Sunder     

      

Deichfuß     

      

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof EuGH-Vorlage, 11. Dez. 2018 - KZR 66/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof EuGH-Vorlage, 11. Dez. 2018 - KZR 66/17

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof EuGH-Vorlage, 11. Dez. 2018 - KZR 66/17 zitiert 3 §§.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 19 Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen


(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten. (2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 20 Verbotenes Verhalten von Unternehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht


(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Wei

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof EuGH-Vorlage, 11. Dez. 2018 - KZR 66/17 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof EuGH-Vorlage, 11. Dez. 2018 - KZR 66/17 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juli 2004 - X ZR 171/02

bei uns veröffentlicht am 06.07.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 171/02 Verkündet am: 6. Juli 2004 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 171/02 Verkündet am:
6. Juli 2004
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sammlung beim EuGH: ja
Übk über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen
in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1998 (LuganoÜbereinkommen
) Art. 17 Abs. 1 Satz 2

a) Das Schriftformerfordernis des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a LugÜ ist nicht
schon dann erfüllt, wenn die Partei, zu deren Lasten die vorgesehene Gerichtsstandsvereinbarung
geht, eine schriftliche Erklärung abgibt, nachdem sie vom Inhalt
der von der anderen Partei verwendeten, den Gerichtsstand regelnden Formularklausel
Kenntnis erhalten hat.

b) "Gepflogenheiten" im Sinn des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b LugÜ setzen eine
tatsächliche Übung voraus, die auf einer Einigung der Vertragsparteien beruht; sie
können die Schriftform ersetzen, jedoch nicht die Einigung.
BGH, Urt. v. 4. Mai 2004 - X ZR 171/02 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die
Richter Scharen, Keukenschrijver, Dr. Meier-Beck und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das am 28. Mai 2002 verkündete Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin macht (als Rechtsnachfolgerin der W. GmbH) Werklohnansprüche im Gerichtsstand Karlsruhe gegenüber der Beklagten, einer Schweizer Aktiengesellschaft, geltend.
Die Beklagte übermittelte der Klägerin aufgrund vorangegangener Vertragsverhandlungen einen Vertragsentwurf über die Lieferung diverser "Pumpen -Wärmeaustauscher-Skids", in welchem auf ihre Allgemeinen Geschäftsbe-
dingungen Bezug genommen wurde. Diese sehen die Geltung Schweizer Rechts unter Ausschluß des UN-Kaufrechts und Zürich als Gerichtsstand vor.
Weiter nahm die Beklagte unter Bezug auf ihre Allgemeinen Vertragsbedingungen Angebote der Klägerin zur Anfertigung und Lieferung von 14 Sedimentbeckenmodulen sowie auf Lieferung von zwei Lagerkonstruktionen an.
Das Landgericht hat die Klage mangels internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte abgewiesen. Das Berufungsgericht hat hingegen die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht, das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, mithin Klageabweisung wegen internationaler Unzuständigkeit deutscher Gerichte. Die Klägerin tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bejaht. Es hat dazu ausgeführt:
Eine dem Schriftformerfordernis nach Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (Lugano -Übereinkommen, LugÜ) genügende Vereinbarung zwischen den Parteien
liege nicht vor. Zwar genüge auch ein Briefwechsel oder der Austausch von Fernschreiben. Wenn die Gerichtsstandsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sei, müsse in beiden Willensäußerungen darauf Bezug genommen werden. Diese Voraussetzungen lägen aber nicht vor, weil die Klägerin das Vertragsangebot der Beklagten nicht schriftlich angenommen habe. Die Parteien hätten lediglich mündlich über einzelne Vertragsklauseln verhandelt und die dabei getroffene Vereinbarung schriftlich bestätigt. Aus dem weiteren Schriftverkehr sei eine Vereinbarung der Gerichtsstandsklausel nicht zu entnehmen. Auch eine stillschweigende Einigung über die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der darin enthaltenen Gerichtsstandsklausel genüge dem Schriftformerfordernis des Art. 17 Abs. 1 LugÜ nicht, weil es an einer schriftlichen Bestätigung fehle.
Hinsichtlich der weiteren zwischen den Parteien geschlossenen Verträge über die Anfertigung und Lieferung von 14 Sedimentbeckenmodulen bzw. zwei Lagerkonstruktionen sei dem Schriftformerfordernis des Art. 17 Abs. 1 LugÜ ebenfalls nicht genüge getan.
Eine Gerichtsstandsvereinbarung ergebe sich auch nicht aus Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b LugÜ, weil hinsichtlich der dort vorausgesetzten "Gepflogenheit" der Zeitpunkt des Vertragsschlusses und nicht derjenige der Klageeinreichung maßgebend sei. Im übrigen fehle es bereits an einer wirksam zustande gekommenen Vereinbarung, auf die sich eine Gepflogenheit stützen könnte.
Da der Gerichtsstand des Art. 17 Abs. 1 LugÜ nicht wirksam sei, sei Karlsruhe als Gerichtsstand des Erfüllungsortes zuständig, weil die Vereinbarung des Schweizer Rechts wirksam sei und nach diesem Geldschulden an
dem Ort zu zahlen seien, an dem der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz habe.
II. Gegen diese Erwägungen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
1. Da die Beklagte ihren Sitz in der Schweiz hat, findet im Streitfall das Lugano-Übereinkommen Anwendung (Art. 54 b Abs. 2 Buchst. a LugÜ). Art. 17 Abs. 1 LugÜ stimmt mit Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ überein. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu dieser Vorschrift sind die in Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ aufgestellten Voraussetzungen eng auszulegen , weil die Bestimmung sowohl die allgemeine Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Beklagten (Art. 2 EuGVÜ) als auch die besonderen Zuständigkeiten nach den Art. 5 und 6 EuGVÜ ausschließt (EuGH, C-24/76, Slg. 1976, 1831 = NJW 1977, 494 - Estasis Salotti; C-106/95, Slg. I 1997, 911 = NJW 1997, 1431 f. - MSG/Les Gravières Rhenanes). Die Formerfordernisse des Art. 17 EuGVÜ sollen gewährleisten, daß eine Einigung zwischen den Parteien zweifelsfrei festgestellt werden kann. Von diesen Grundsätzen ist auch für die inhaltsgleiche Regelung in Art. 17 LugÜ auszugehen.
Eine schriftliche Vereinbarung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a 1. Alt. EuGVÜ/LugÜ liegt nur dann vor, wenn jede Partei ihre Willenserklärung schriftlich abgegeben hat. Das kann - abweichend von § 126 Abs. 2 BGB - auch in getrennten Schriftstücken geschehen, sofern aus ihnen die inhaltliche Übereinstimmung beider Erklärungen hinreichend deutlich hervorgeht. Nach ganz überwiegender Auffassung genügt die Übermittlung durch moderne Kommunikationsmittel, die keine handschriftlichen Unterzeichnungen ermöglichen (BGH, Urt. v. 22.2.2001 - IX ZR 19/00, NJW 2001, 1731 = BGHR LugÜ Art. 17 Abs. 1 Satz 2 - Gerichtsstandsvereinbarung 1 m.w.N.).

2. Eine diesem Formerfordernis genügende Erklärung hat die Klägerin nicht abgegeben.

a) Wertet man die Übersendung der Vertragsentwürfe seitens der Beklagten bereits als Angebot einer Gerichtsstandsvereinbarung (vgl. BGHZ 116, 77, 81), ist die in Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a 1. Alt. LugÜ geforderte Schriftform gleichwohl nicht gewahrt. Eine Erklärung der Klägerin ist in der Urkunde nicht enthalten. Notwendig ist eine auf den konkreten Vertrag bezogene schriftliche Willenskundgabe beider Vertragspartner. Eine solche Erklärung geht aus den Vertragsunterlagen nicht hervor; sie ist auch später nicht in der gebotenen Form erfolgt.

b) Das Schriftformerfordernis ist nicht schon dann erfüllt, wenn die Partei, zu deren Lasten die vorgesehene Gerichtsstandsvereinbarung geht, eine schriftliche Erklärung abgibt, nachdem sie vom Inhalt der Klausel Kenntnis erhalten hat. Eine solche Betrachtungsweise wäre mit dem Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses nicht zu vereinbaren. Sie hätte zur Folge, daß eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung in der Regel schon dann zu bejahen wäre, wenn ein entsprechender Vertragstext dem anderen Teil ohne eigene Unterschrift übersandt worden und von jenem unterzeichnet zurückgegeben worden ist. Das entspricht nicht dem, was im Rechtsverkehr allgemein unter einer schriftlichen Vereinbarung verstanden wird, und stände im Widerspruch zu der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus Gründen der Rechtsklarheit praktizierten engen Auslegung der inhaltsgleichen Regelung in Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ. Die Wahrung der Schriftform hinge dann auch davon ab, daß der Vertragstext an den Urheber zurückgesandt worden und bei diesem eingegangen ist, einem Umstand, der aus dem Urkundentext nicht erkennbar wird.
Das wäre mit Sinn und Zweck der normierten Formenstrenge nicht vereinbar (BGH, Urt. v. 22.2.2001 - IX ZR 19/00, aaO).

c) Die Parteien haben nach den von der Revision nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung auch nicht in der Weise geschlossen, daß sie mit schriftlichem Vertragsschluß eine zuvor getroffene mündliche Abrede bestätigt hätten (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a 2. Alt. LugÜ; vgl. zum EuGVÜ BGHZ 116, 77, 80 ff.). Soweit die Revision in der zwischen den Parteien gewechselten Korrespondenz eine Bezugnahme auf die Gerichtsstandsklausel sehen und daraus eine schriftliche Bestätigung dieser Klausel herleiten will, setzt sie sich in Widerspruch zu der Auslegung dieser Korrespondenz und insbesondere der Zahlungsaufforderung durch das Berufungsgericht, ohne einen Rechtsfehler darzulegen.
3. Das Berufungsgericht geht weiter zutreffend davon aus, daß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b LugÜ das Schriftformerfordernis des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a LugÜ nur dann zu ersetzen vermag, wenn zwischen den Vertragsparteien bereits entsprechende Gepflogenheiten bestehen. Gepflogenheiten setzen eine tatsächliche Übung voraus, die auf einer Einigung der Vertragsparteien beruht; sie können die Form ersetzen, nicht jedoch die Einigung. Ob diese Gepflogenheiten bereits bei Vertragsschluß vorhanden sein müssen oder ob ihr Vorhandensein bei Klageerhebung ausreichend ist, muß hier nicht entschieden werden. Voraussetzung ist jeweils, daß derartige Gepflogenheiten überhaupt bestehen. Dies hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint, indem es ausgeführt hat, es fehle an einer wirksam zustande gekommenen Vereinbarung, auf die sich eine Gepflogenheit stützen könnte, denn der laufende Abdruck einer Gerichtsstandsklausel genüge hierfür nicht.

Auch das Bestehen eines Handelsbrauchs, aus dem sich nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c LugÜ ein Gerichtsstand ergeben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
4. Ohne Erfolg rügt die Revision als verfahrensfehlerhaft, das Berufungsgericht habe bei der Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht sein gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 540 ZPO a.F. bestehendes Ermessen verkannt, weil sich aus der Formulierung des Berufungsurteils nicht herleiten lasse, daß sich das Berufungsgericht des ihm zustehenden Ermessens bewußt gewesen sei. Die Beklagte hat die Zurückverweisung selbst angeregt, womit die Grundlage für eine Rüge entfallen ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.1983 - V ZR 287/81, NJW 1984, 126).
5. Ob auf den Rechtsstreit deutsches oder Schweizer Recht und ob UNKaufrecht anzuwenden ist, kann offenbleiben. Nach Art. 74 Abs. 2 Satz 1 Schweizer Obligationenrecht handelt es sich, falls nicht etwas anderes bestimmt ist, bei Geldschulden um Bringschulden, weshalb sich als Erfüllungsort Karlsruhe ergäbe. Hierzu führte auch Art. 57 Abs. 1 des UN-Übereinkommens über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG), welcher gemäß Art. 3 CISG auch für Werkverträge gilt. Sollte hingegen das Bürgerliche Gesetzbuch anwendbar sein, wäre der Ort des Bauwerkes, für das die Werkleistung der Klägerin vertragsgemäß bestimmt war, bzw. der Ort der Abnahme Erfüllungsort der Zahlungsverpflichtung des Auftraggebers (vgl. BGH, Urt. v. 7.12.2000 - VII ZR 404/99, NJW 2001, 1936). Da diese Orte innerhalb der Bundesrepublik Deutschland liegen, wäre das Landgericht Karlsruhe international zuständig (Art. 5 LugÜ).
III. Die Revision ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Meier-Beck Asendorf

(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen

1.
ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen;
2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;
3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist;
4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt;
5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.

(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.

(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.