Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2014 - XII ZB 44/12

Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragstellerin hat als Behörde gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB die Vaterschaft des Beteiligten zu 1 zu dem Beteiligten zu 2 angefochten. Das Amtsgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass der Beteiligte zu 1 nicht der Vater des Beteiligten zu 2 sei. Das Oberlandesgericht hat die dagegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 3, der Mutter des Beteiligten zu 2, sowie dessen Anschlussbeschwerde zurückgewiesen.
- 2
- Dagegen hat die Beteiligte zu 3 die zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt , mit der sie die Zurückweisung des Anfechtungsantrags verfolgt. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 (FamRZ 2014, 449), durch die die Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB festgestellt worden sind, hat die Antragstellerin ihren Anfechtungsantrag zurückgenommen. Der Beteiligte zu 2 hat der Rücknahme zugestimmt, nicht aber die Beteiligten zu 1 und 3.
II.
- 3
- 1. Die von der Antragstellerin erklärte Antragsrücknahme erfordert, weil bereits eine Endentscheidung ergangen ist, gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Zustimmung der übrigen Beteiligten des Anfechtungsverfahrens nach § 172 FamFG. Als Endentscheidung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG ist die Entscheidung in erster Instanz anzusehen (vgl. Keidel/Sternal FamFG 18. Aufl. § 22 Rn. 13 f.; Horndasch/Viefhues/Reinken FamFG 3. Aufl. § 22 Rn. 5; BGH Beschluss vom 20. August 1998 - I ZB 38/98 - NJW 1998, 3784 zum Zivilprozess ). Mangels Zustimmung der Beteiligten zu 1 und 3 ist die Antragsrücknahme nicht wirksam geworden und bedarf es somit einer Entscheidung über die Rechtsbeschwerde.
- 4
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
- 5
- Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2013 (FamRZ 2014, 449) die Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit der Regelung in § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB festgestellt hat, fehlt es für die behördliche Vaterschaftsanfechtung an einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfG Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 1 BvR 3210/10 - Juris).
- 6
- Demnach ist auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3 die angefochtene Entscheidung des Oberlandesgerichts aufzuheben. Auf die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 3 ist der Anfechtungsantrag zurückzuweisen.
Vorinstanzen:
AG Hamm, Entscheidung vom 14.06.2011 - 30 F 144/10 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 21.12.2011 - II-12 UF 197/11 -

Annotations
(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:
- 1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht, - 2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, - 3.
die Mutter und - 4.
das Kind.
(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.
(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.
(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.
(1) Ein Antrag kann bis zur Rechtskraft der Endentscheidung zurückgenommen werden. Die Rücknahme bedarf nach Erlass der Endentscheidung der Zustimmung der übrigen Beteiligten.
(2) Eine bereits ergangene, noch nicht rechtskräftige Endentscheidung wird durch die Antragsrücknahme wirkungslos, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Das Gericht stellt auf Antrag die nach Satz 1 eintretende Wirkung durch Beschluss fest. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
(3) Eine Entscheidung über einen Antrag ergeht nicht, soweit sämtliche Beteiligte erklären, dass sie das Verfahren beenden wollen.
(4) Die Absätze 2 und 3 gelten nicht in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden können.
(1) Zu beteiligen sind
(2) Das Jugendamt ist in den Fällen des § 176 Abs. 1 Satz 1 auf seinen Antrag zu beteiligen.
(1) Ein Antrag kann bis zur Rechtskraft der Endentscheidung zurückgenommen werden. Die Rücknahme bedarf nach Erlass der Endentscheidung der Zustimmung der übrigen Beteiligten.
(2) Eine bereits ergangene, noch nicht rechtskräftige Endentscheidung wird durch die Antragsrücknahme wirkungslos, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Das Gericht stellt auf Antrag die nach Satz 1 eintretende Wirkung durch Beschluss fest. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
(3) Eine Entscheidung über einen Antrag ergeht nicht, soweit sämtliche Beteiligte erklären, dass sie das Verfahren beenden wollen.
(4) Die Absätze 2 und 3 gelten nicht in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden können.
(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:
- 1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht, - 2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, - 3.
die Mutter und - 4.
das Kind.
(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.
(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.
(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.