Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2004 - XII ZA 11/03

bei uns veröffentlicht am19.05.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZA 11/03
vom
19. Mai 2004
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Mai 2004 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof.
Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat mit Beschlüssen vom 9. Dezember 1996 und 10. August 2001 unterbringungsähnliche Maßnahmen für die Antragstellerin genehmigt. Mit Beschluß vom 30. Januar 2003 hat das Familiengericht den Beschluß vom 10. August 2001 abgeändert. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Heims hat das Oberlandesgericht mit Beschluß vom 16. Mai 2003 die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufgehoben. Der Beschluß ist dem anwaltlichen Verfahrenspfleger der Antragstellerin am 26. Mai 2003 zugestellt worden. Der Verfahrenspfleger hat mit Schriftsatz vom 25. Juni 2003 per Fax Prozeßkostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsbeschwerdeverfahren beantragt. Allerdings sind nur die erste Seite des Antrags (am 25. Juni 2003) sowie der Beschluß des Oberlandesgerichts beim Bundesgerichtshof eingegangen; die zweite Seite des Prozeßkostenhilfegesuchs mit dem formulierten Antrag und der Unterschrift des Verfahrenspflegers ist nicht übermittelt worden. Im Original ist der zweiseitige Antrag dann auf dem Post-
weg am 28. Juni 2003 beim Bundesgerichtshof eingegangen. Er enthält auf Seite 2 folgenden Satz: "Als bestellter Verfahrenspfleger versichere ich hiermit ausdrücklich, daß die Antragstellerin weder über eigene Einkünfte noch über einzusetzendes Vermögen verfügt. Die Heimkosten werden vom Jugendamt getragen. J. ist mittellos.“ Der Vordruck für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist dem Antrag - auch im Original - nicht beigefügt. Nach einem Hinweis des Rechtspflegers beim Bundesgerichtshofs hat der Verfahrenspfleger mit einem am 7. Juli 2003 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Wiedereinsetzung in die Rechtsbeschwerdefrist beantragt und - unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der von ihm angestellten Bürokraft - geltend gemacht, er habe die Bürokraft ausdrücklich angewiesen, das Prozeßkostenhilfegesuch per Fax an den Bundesgerichtshof zu senden, den Sendebericht zu kontrollieren und beim Sendeergebnis "OK“ sich vom Bundesgerichtshof telefonisch den Eingang des vollständigen Schriftsatzes nebst Anlage bestätigen zu lassen. Diese Weisung habe die Bürokraft umgesetzt: Der zu den Akten gereichte Sendebericht weise ein "OK“ aus; der Bundesgerichtshof habe der Bürokraft auf deren telefonische Nachfrage am 25. Juni bestätigt, daß das Fax vollständig angekommen sei. Dem Wiedereinsetzungsgesuch ist ein vom Verfahrenspfleger am 4. Juli 2003 ausgefüllter und unterschriebener PKH-Vordruck beigefügt. Danach bezieht die Antragstellerin keine Unterhaltsleistungen; das Vorhandensein von Forderungen wird verneint.

II.

Der Antragstellerin war die begehrte Prozeßkostenhilfe zu versagen, da die von ihr beabsichtigte Rechtsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO). Die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde, für deren Durchführung die Antragstellerin Prozeßkostenhilfe begehrt, ist zwar statthaft. Die Rechtsbeschwerde kann jedoch nicht mehr fristgerecht eingelegt werden. Auch kann der Antragstellerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. 1. Demjenigen, der für die Durchführung eines Rechtsmittels Prozeßkostenhilfe beantragt, kann, wenn er das Rechtsmittel nicht fristgerecht einlegt, Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist nur gewährt werden, wenn er innerhalb dieser Frist Prozeßkostenhilfe beantragt hat oder wenn er glaubhaft macht, daß ihn an der Fristversäumung kein Verschulden trifft (§ 233 ZPO). Ein Verschulden seines Verfahrenspflegers muß sich der Rechtsmittelführer dabei wie ein eigenes Verschulden zurechnen lassen (vgl. § 51 Abs. 2, § 85 Abs. 2 ZPO). Die Antragstellerin hat nicht innerhalb der Rechtsbeschwerdefrist Prozeßkostenhilfe beantragt. Die per Fax übermittelte Antragsschrift ist ohne die Seite 2 - mithin ohne formulierten Antrag und ohne Unterschrift - beim Bundesgerichtshof eingegangen; der vollständige Schriftsatz hat den Bundesgerichtshof erst nach Ablauf der Rechtsbeschwerdefrist erreicht. Die Antragstellerin hat auch nicht dargetan, daß ihren Verfahrenspfleger an dieser Fristversäumung kein Verschulden trifft. Die unvollständige Übermittlung des Antrags beruht offenkundig auf dem Umstand, daß nur die erste Seite der zweiseitigen Antragsschrift und der ihr beigefügte neunseitige Beschluß des Oberlandesgerichts zur Absendung per Fax gelangt sind. Das ergibt sich aus dem Sendeprotokoll, das die Übermittlung von nur zehn Seiten ausweist; bei vollständiger Übermittlung
von Schriftsatz und Anlage hätten elf Seiten übermittelt werden müssen. Die zu den Akten gelangten Seiten des Fax-Schreibens sind zudem durchnumeriert. Auf die Seite 1 des Faxschreibens mit der ersten Seite der Antragsschrift folgen dabei als Seiten zwei bis zehn des Faxschreibens sodann die neun Seiten des Beschlusses des Oberlandesgerichts. Die Antragstellerin hat keine Gründe vorgetragen , welche die Absendung des unvollständigen Antragsschriftsatzes erklären. Deshalb ist auch nicht ohne weiteres davon auszugehen, daß der Verfahrenspfleger mit der Anweisung an die Bürokraft, den Antrag per Fax abzusenden und den Sendebericht zu kontrollieren, alles Erforderliche getan hat, um einen Zugang des Antrags innerhalb der Rechtsbeschwerdefrist zu gewährleisten. Vielmehr ist vorstellbar, daß dem Verfahrenspfleger selbst ein Fehler unterlaufen ist, indem er der Bürokraft nicht die vollständige und von ihm unterschriebene Antragsschrift nebst Anlage ausgehändigt hat; einen solchen Fehler müßte sich die Antragstellerin als eigenes Verschulden zurechnen lassen. 2. Letztlich kann diese Frage allerdings offenbleiben. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist einer Partei auch dann, wenn sie vor Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Durchführung des Rechtsmittels Prozeßkostenhilfe beantragt hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur zu gewähren , wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen mußte (vgl. etwa BGHZ 148, 66, 69; Senatsbeschluß vom 27. November 1996 - XII ZB 84/96 - BGHR ZPO § 233 Prozeßkostenhilfegesuch 5 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Auch wenn nämlich der Verfahrenspfleger seiner Bürokraft den vollständigen und unterschriebenen Prozeßkostenhilfeantrag übergeben und die seiner Bürokraft erteilte Weisung auch die Anordnung umfaßt hätte, diesen Antrag vollständig zu übermitteln und die Übermittlung auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen, so hätte der Verfahrenspfleger dennoch vernünftigerweise nicht
damit rechnen können, daß dem Prozeßkostenhilfegesuch der Antragstellerin aufgrund dieses Antrags entsprochen werden würde; denn er konnte nicht davon ausgehen, mit seinem Antrag die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe für die Antragstellerin dargetan zu haben. Im Regelfall schreibt § 117 Abs. 4 ZPO (i.V. mit § 14 FGG) zwingend vor, daß sich der Antragsteller zur Darlegung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des durch die Verordnung vom 17. Oktober 1994 (BGBl. I 3001) eingeführten Vordrucks bedienen muß. Ein Antragsteller kann deshalb grundsätzlich nur dann davon ausgehen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe dargetan zu haben, wenn er rechtzeitig (vor Ablauf der Rechtsmittelfrist) einen solchen Vordruck ordnungsgemäß ausgefüllt zu den Akten gereicht hat (vgl. Senatsbeschluß vom 31. August 2000 - XII ZB 141/00 - BGHR ZPO § 117 Abs. 4 Vordruck 4). § 2 Abs. 1 Satz 1 der erwähnten Verordnung sieht zwar vor, daß ein minderjähriges unverheiratetes Kind, das in einer Kindschaftssache (§ 640 Abs. 2 ZPO) oder in einem Verfahren über Unterhalt seine Rechte verfolgen oder verteidigen oder einen Unterhaltsanspruch vollstrecken will, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse formfrei abgeben kann, den Vordruck also nicht benutzen muß. Diese Befreiung vom Vordruckzwang kommt der Antragstellerin jedoch nicht zugute. Ein Verfahren der in § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung genannten Art liegt hier nicht vor. Außerdem verlangt § 2 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung, daß ein Kind, das die Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse formfrei abgibt, unter anderem Angaben darüber macht, wie es seinen Lebensunterhalt bestreitet (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VO) und insbesondere welche Einnahmen im Monat die Personen haben, die ihm aufgrund gesetzlicher Unterhaltspflicht Unterhalt gewähren (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VO). Dem Prozeßkostenhilfeantrag der Antragstellerin sind jedenfalls zur Unterhaltspflicht ihrer Eltern keine verläßlichen Angaben zu entnehmen. Solcher Angaben be-
darf es jedoch um zu prüfen, ob die Antragstellerin von ihren Eltern einen Prozeßkostenvorschuß verlangen und deshalb keine Prozeßkostenhilfe beanspruchen kann. Der bloße Hinweis des Verfahrenspflegers, die Heimkosten würden vom Jugendamt getragen und die Antragstellerin sei mittellos, läßt eine solche abschließende Prüfung nicht zu. Hahne RiBGH Sprick ist urlaubs- Weber-Monecke bedingt verhindert zu unterschreiben. Hahne Wagenitz Dose

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 117 Antrag


(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 51 Prozessfähigkeit; gesetzliche Vertretung; Prozessführung


(1) Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozessfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozessführung bestimmt sich nach den Vorschrift

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozessfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozessführung bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten.

(2) Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters steht dem Verschulden der Partei gleich.

(3) Hat eine nicht prozessfähige Partei, die eine volljährige natürliche Person ist, wirksam eine andere natürliche Person schriftlich mit ihrer gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt, so steht diese Person einem gesetzlichen Vertreter gleich, wenn die Bevollmächtigung geeignet ist, gemäß § 1814 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung ist bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht zu stellen.

(2) Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden; es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung einzuführen. Die Formulare enthalten die nach § 120a Absatz 2 Satz 4 erforderliche Belehrung.

(4) Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 141/00
XII ZB 148/00
vom
31. August 2000
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. August 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Gerber, Sprick
und Weber-Monecke

beschlossen:
Die sofortigen Beschwerden gegen die Beschlüsse des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Juni 2000 und vom 10. Juli 2000 werden auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung der sofortigen Beschwerden Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wird mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen (§ 114 ZPO). Beschwerdewert: bis 12.000 DM.

Gründe:

I.

Das Familiengericht hat durch Urteil vom 3. April 2000 festgestellt, daß der Beklagte der Vater des klagenden Kindes ist. Außerdem hat es den Beklagten verurteilt, ab Rechtskraft des Feststellungsausspruchs an den Kläger zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin monatlich Unterhalt zu zahlen in Höhe von 100 % des Regelbetrages der jeweils geltenden Altersstufe nach der Regelbetrag-Verordnung abzüglich der Hälfte des jeweils gezahlten Kindergel-
des. Wegen des für die Zeit vor der Rechtskraft des Feststellungsausspruchs geltend gemachten Unterhaltsanspruchs hat es die Klage abgewiesen. Dieses Urteil wurde dem Kläger zu Händen des ihn vertretenden Jugendamtes am 27. April 2000 zugestellt. Mit einem an das Oberlandesgericht gerichteten Schriftsatz des Jugendamtes vom 9. Mai 2000, eingegangen am 11. Mai 2000, hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Schriftsatz enthält Berufungsanträge und eine Berufungsbegründung. Außerdem wird in dem Schriftsatz beantragt, dem Kläger für die Berufungsinstanz Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und "einen zugelassenen Anwalt beizuordnen". Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers heißt es lediglich: "Hinsichtlich des Prozeßkostenhilfeantrags wird erklärt, daß das Kind über kein eigenes Einkommen verfügt. Sollten weitere Angaben benötigt werden, so bitte ich um entsprechenden Hinweis." Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2000 hat sich der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Klägers bestellt und auf den vom Jugendamt gestellten Prozeßkostenhilfeantrag Bezug genommen. Er hat angekündigt, nach der Entscheidung über den Prozeßkostenhilfeantrag ein Wiedereinsetzungsgesuch zu stellen. Durch zwei Beschlüsse vom 19. Juni 2000 hat das Oberlandesgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen und die mit Schriftsatz des Jugendamtes eingelegte Berufung als unzulässig verworfen. Mit Schriftsätzen seines Prozeßbevollmächtigten vom 29. Juni 2000 hat der Kläger gegen den Verwerfungsbeschluß sofortige Beschwerde und gegen das Urteil des Familiengerichts Berufung eingelegt. Außerdem hat er wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
beantragt und den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zur Durchführung der Berufung wiederholt. Durch Beschluß vom 10. Juli 2000 hat das Oberlandesgericht (u.a.) den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen und die mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 29. Juni 2000 eingelegte Berufung als unzulässig verworfen. Auch gegen diesen Beschluß hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die sofortigen Beschwerden des Klägers sind zulässig, haben aber in der Sache keinen Erfolg. 1. Die vom Jugendamt mit Schriftsatz vom 9. Mai 2000 eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht zu Recht als unzulässig verworfen. Nach § 78 Abs. 2 Nr. 2 ZPO besteht bei Unterhaltsklagen in der Berufungsinstanz Anwaltszwang. Die Berufungsschrift hätte deshalb durch einen beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein müssen. 2. Die von dem bei dem Berufungsgericht zugelassenen Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 29. Juni 2000 eingelegte Berufung ist ebenfalls unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Berufungsfrist bei Gericht eingegangen ist. Die Berufungsfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Zustellung des Urteils, das angefochten werden soll (§ 516 ZPO). Das Urteil des Familiengerichts ist dem Kläger zu Händen des Jugendamtes am 27. April 2000 zugestellt worden. Die Berufung hätte deshalb spätestens am 29. Mai 2000 (einem Montag) bei Gericht eingehen müssen. Da sie verspätet einge-
gangen ist, war sie nach § 519 b Abs. 1 und Abs. 2 ZPO durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung zu verwerfen. Den Antrag des Klägers, ihm wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Nicht gefolgt werden kann allerdings der vom Berufungsgericht für diese Entscheidung in erster Linie gegebenen Begründung. Das Berufungsgericht führt aus, der Kläger sei nicht durch seine Mittellosigkeit gehindert gewesen, rechtzeitig Berufung einzulegen, die Versäumung der Berufungsfrist sei vielmehr auf einen Fehler des Jugendamtes - des gesetzlichen Vertreters des Klägers - zurückzuführen, das selbst Berufung eingelegt habe, obwohl ihm offensichtlich bekannt gewesen sei, daß im zweiten Rechtszug Anwaltszwang herrsche. Das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters müsse sich der Kläger zurechnen lassen, die Versäumung der Berufungsfrist sei deshalb nicht unverschuldet. Bei dieser Argumentation übersieht das Berufungsgericht, daß die vom Jugendamt mit Schriftsatz vom 9. Mai 2000 eingelegte unzulässige Berufung einen vom Kläger beauftragten, beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt nicht gehindert hätte, bis zum Ablauf der Berufungsfrist - also bis zum 29. Mai 2000 - die Berufungseinlegung - diesmal in zulässiger Weise - zu wiederholen. Der Kläger hat mit Schriftsatz des Jugendamtes vom 9. Mai 2000 (eingegangen am 11. Mai 2000) Prozeßkostenhilfe beantragt. Eine vermögende Partei hätte statt dessen einen Rechtsanwalt beauftragt. Dieser hätte erkannt , daß die vom Jugendamt eingelegte Berufung unzulässig war und hätte erneut Berufung einlegen können.
Die vom Berufungsgericht gegebene Hilfsbegründung trägt jedoch die Entscheidung. Einer Partei, die vor Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Durchführung des Rechtsmittels Prozeßkostenhilfe beantragt hat, ist nach Ablehnung ihres Prozeßkostenhilfegesuchs wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen mußte, sich also für arm halten und davon ausgehen durfte, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Prozeßkostenhilfe dargetan zu haben (st.Rspr. des Bundesgerichtshofs, vgl. Senatsbeschluß vom 27. November 1996 - XII ZB 84/96 - BGHR ZPO § 233 Prozeßkostenhilfegesuch 5 m.N.). Im Regelfall schreibt § 117 Abs. 4 ZPO zwingend vor, daß sich die Partei zur Darlegung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des durch die Verordnung vom 17. Oktober 1994 (BGBl. I 3001) eingeführten Vordrucks bedienen muß. Die Partei kann deshalb grundsätzlich nur dann davon ausgehen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe dargetan zu haben, wenn sie rechtzeitig (vor Ablauf der Rechtsmittelfrist) einen solchen Vordruck ordnungsgemäß ausgefüllt zu den Akten gereicht hat. Eine Bezugnahme auf eine in der Vorinstanz eingereichte Erklärung ist nur dann ausnahmsweise zuzulassen, wenn das Verlangen, eine neue Erklärung vorzulegen, lediglich eine überflüssige Förmelei darstellen würde. Das ist dann der Fall, wenn der Antragsteller im Zusammenhang mit der Bezugnahme auf die frühere Erklärung unmißverständlich mitteilt, es habe sich seither nichts geändert und eine neue Erklärung müsse denselben Inhalt haben (Senatsbeschluß aaO m.N.). § 2 der erwähnten Verordnung sieht allerdings vor, daß ein minderjähriges unverheiratetes Kind, das in einem Verfahren über Unterhalt seine Rechte verfolgt, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Erklärung zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen formfrei abgeben
kann, ohne den Vordruck zu benutzen. Es muß dann aber unter anderem Angaben darüber machen, wie es seinen Lebensunterhalt bestreitet (§ 2 Nr. 1 der VO) und insbesondere welche Einnahmen im Monat die Personen haben, die ihm aufgrund gesetzlicher Unterhaltspflicht Unterhalt gewähren (§ 2 Nr. 2 a der VO). Diesen Anforderungen wird das vom Jugendamt eingereichte Prozeßkostenhilfegesuch nicht gerecht. Das Jugendamt hat den vorgesehenen Vordruck über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nicht vorgelegt und auch nicht auf den in erster Instanz vorgelegten Vordruck Bezug genommen. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers hat es lediglich vorgetragen, der Kläger verfüge über kein eigenes Einkommen. Diese Mitteilung ist schon deshalb nicht ausreichend, weil bei einem 4-jährigen Kind von vornherein weniger eigenes Einkommen in Betracht kommt als zum Beispiel ein Anspruch auf einen Prozeßkostenvorschuß gegen seine Mutter. In erster Instanz hatte der Kläger vorgetragen, daß seine Mutter Sozialhilfe bezieht und hatte diesen Vortrag belegt mit der Vorlage eines Sozialhilfebescheids vom 26. Mai 1999. Daraus ergibt sich nicht, daß die Mutter des Klägers auch ein Jahr später - im Mai 2000 - noch Sozialhilfe bezogen hat und kein Erwerbseinkommen hatte. Dem Vortrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, ob sich das Jugendamt, bevor es den Prozeßkostenhilfeantrag für die zweite Instanz gestellt hat, bei der Mutter des Klägers erkundigt hat, wie sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse inzwischen entwickelt haben. In dem Schriftsatz vom 9. Mai 2000 hat das Jugendamt im Zusammenhang mit dem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe geschrieben, es bitte um einen entsprechenden Hinweis, wenn "weitere Angaben benötigt werden". Daraus ergibt sich, daß sich das Jugendamt zumindest nicht sicher war,
alles Erforderliche vorgetragen zu haben. Die oben dargelegte Rechtslage mußte dem Jugendamt, das regelmäßig in Unterhaltssachen als Beistand für minderjährige Kinder tätig wird und in diesem Zusammenhang regelmäßig auch mit Prozeßkostenhilfeanträgen befaßt ist, bekannt sein. Es mußte auch wissen und hat offensichtlich auch gewußt, daß in Unterhaltssachen in zweiter Instanz Anwaltszwang besteht. Daß es dennoch selbst Berufung zum Oberlandesgericht eingelegt und ein derart unvollständiges Prozeßkostenhilfegesuch eingereicht hat, stellt eine Nachlässigkeit dar. Da der Kläger sich diese Nachlässigkeit seines gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen muß, war die Versäumung der Berufungsfrist nicht unverschuldet. Blumenröhr Bundesrichterin Dr. Krohn Gerber ist im Urlaub und verhindert zu unterschreiben. Blumenröhr Sprick Weber-Monecke

(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung ist bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht zu stellen.

(2) Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden; es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung einzuführen. Die Formulare enthalten die nach § 120a Absatz 2 Satz 4 erforderliche Belehrung.

(4) Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen.