Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2013 - X ZR 61/10

bei uns veröffentlicht am19.02.2013
vorgehend
Bundespatentgericht, 5 Ni 53/09, 24.02.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 61/10
vom
19. Februar 2013
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens, den Richter
Dr. Bacher, die Richterin Schuster und den Richter Dr. Deichfuß

beschlossen:
Das Gesuch der Klägerin zu 2, den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dipl.-Ing. E. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird für unbegründet erklärt.

Gründe:


1
Der Antrag ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
2
I. Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 512 206 (Streitpatents), das ein Verfahren zur Auswahl einer Betriebsweise bei einem Gerät der Unterhaltungselektronik betrifft. Die Klägerinnen haben Nichtigkeitsklage erhoben. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
3
Im Berufungsverfahren hat der Senat Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet und Prof. Dipl.-Ing. E. , Hochschule A. , zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Der Sachverständige hat sein Gutachten im Juni 2012 vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 hat die Klägerin zu 2 den gerichtlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
4
Die Klägerin macht geltend, die Besorgnis der Befangenheit ergebe sich daraus , dass der Sachverständige, wie der Klägerin erst jetzt bekannt geworden sei, schon vor der Erstellung des Gutachtens in Beziehungen zur Beklagten gestanden und dies dem Gericht und der Klägerin verschwiegen habe. Die auf das Streitpatent gestützte Verletzungsklage sei von der I. GmbH & Co. KG, D. (im Folgenden: I. ) als Prozessstandschafterin der Beklagten erhoben worden. Die I. sei auch in zwei weiteren Verletzungsverfahren, die auf Patente der Beklagten gestützt und gegen die Klägerin gerichtet seien, als Prozessstandschafterin der Beklagten tätig worden. Die I. werde in diesen Verfahren von der gleichen Kanzlei vertreten wie die Beklagte im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren. Der Sachverständige sei als Erfinder des europäischen Patents 214 326 und der deutschen Patente 34 24 812 und 34 39 941 benannt, deren Anmelderin und Inhaberin die I. sei, was wohl auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Sachverständigen und der I. beruhe.
5
Die Beklagte tritt dem Ablehnungsgesuch entgegen.
6
II. Das Ablehnungsgesuch der Klägerin ist nicht begründet, weil ein Grund zur Besorgnis der Befangenheit nicht vorliegt.
7
Nach § 406 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 42 ZPO kann ein Sachverständiger abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Ein solcher Grund liegt hier nicht vor.
8
Bei der gebotenen objektiven Betrachtung bestehen keine Umstände, die aus der Sicht der Klägerin Zweifel an der Unparteilichkeit des gerichtlichen Sachverständigen begründen können. Zwar kann der Anschein nicht vollständiger Unvoreingenommenheit begründet sein, wenn der Sachverständige in einer wirtschaftlichen Verbindung zu einer der Parteien steht (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2007 - X ZR 1/06; Beschluss vom 23. Oktober 2012 - X ZR 137/09, GRUR 213, 100 - Sachverständigenablehnung VI). Eine solche Verbindung ist hier jedoch nicht dargetan.
9
Es fehlt bereits an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass der Sachverständige mit der I. in geschäftlicher Beziehung stand. Der Sachverständige hat in seiner Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch bestätigt, dass er Miterfinder der drei von der Klägerin aufgeführten Patente war. Er hat zugleich erläutert, dass die Erfindungen im Rahmen seiner früheren Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut R. ( R.), einer Forschungseinrichtung der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gemacht wurden. Nach seiner Darstellung, deren Richtigkeit die Klägerin nicht in Zweifel zieht, war sein Ansprechpartner in Bezug auf die damaligen Erfindungen allein der Patentanwalt des R., während er mit der Vermarktung nichts zu tun gehabt habe. Danach liegt nahe, dass die Vereinbarung, durch die die I. die Inhaberschaft an den betreffenden Patenten erlangte, zwischen ihr und dem R. getroffen worden ist.
10
Hinzu kommt, dass eine eventuelle Verbindung zwischen dem Sachverständigen und der I. bereits seit längerer Zeit beendet ist. Die angeführtenSchutzrechte, die in den Jahren 1984 und 1985 angemeldet wurden, sind seit etlichen Jahren ausgelaufen.
11
Der Sachverständige hatte nach alledem auch keinen Anlass, dem Gericht den betreffenden Sachverhalt anzuzeigen.
Meier-Beck Mühlens Bacher Schuster Deichfuß
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 24.02.2010 - 5 Ni 53/09 (EU) -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 42 Ablehnung eines Richters


(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt

Zivilprozessordnung - ZPO | § 406 Ablehnung eines Sachverständigen


(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist. (2) Der A

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Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2013 - X ZR 137/09

bei uns veröffentlicht am 28.05.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 137/09 vom 28. Mai 2013 in dem Patentnichtigkeitsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Sachverständigenentschädigung VI JVEG §§ 9, 13 Abs. 1 und 2 a) Die Parteien können sich auch nach

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2007 - X ZR 1/06

bei uns veröffentlicht am 24.07.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 1/06 vom 24. Juli 2007 in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Prof. Dr. Meie

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(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 1/06
vom
24. Juli 2007
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juli 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver,
Prof. Dr. Meier-Beck und Gröning

beschlossen:
Das Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Bü. wird für begründet erklärt.

Gründe:


1
Das Ablehnungsgesuch ist gerechtfertigt. Ein Sachverständiger kann nach § 406 ZPO, der auch im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen anwendbar ist, abgelehnt werden, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus hinreichende objektive Gründe vorliegen, die in den Augen einer vernünftigen Partei geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken (Sen.Beschl. v. 4.12.2001 - X ZR 199/00, GRUR 2002, 369 - Sachverständigenablehnung m.w.N.). Dafür kommt es nicht darauf an, ob der gerichtlich beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hegt. Maßgeblich ist vielmehr, ob für die das Ablehnungsgesuch anbringende Partei der Anschein nicht vollständiger Unvoreingenommenheit besteht. Dies kann unter anderem in Betracht kommen, wenn der Sachverständige in einem aktuellen Mandatsverhältnis zu den Prozessbevollmächtigten des Prozessgegners oder in näheren Beziehungen zu einer der Parteien steht (BGH GRUR 2002, 369 - Sachverständigenablehnung; Beschl. v. 13.1.1987 - X ZR 29/86, GRUR 1987, 350 - Werkzeughalterung). Entsprechend verhält es sich hier.
2
1. Nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit bei der Beklagten zu begründen, ist allerdings der Umstand, dass der Sachverständige 1998/1999 die Kanzlei B. P. u. a. mit einer PCT-Anmeldung und der Abwicklung von Gebühren und Kosten zur Internationalisierung von Patentanmeldungen beauftragt hatte und dass dabei die Patentanwälte K. und N. für ihn tätig wurden, die nunmehr - in anderer Sozietät - die Klägerin im Streitfall vertreten. Das Bestehen eines Mandatsverhältnisses zu den Prozessbevollmächtigten des Prozessgegners zum Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit deshalb, weil bei der anderen Partei der Eindruck entstehen kann, die Gegenpartei könnte über Einflussmöglichkeiten verfügen, die ihr selbst verschlossen sind. Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Die Patentanwälte K. und N. haben den Sachverständigen nicht nur zum Zeitpunkt seiner Beauftragung und danach nicht vertreten, sondern zuvor auch nur in einer anderen Sozietät. Jene Vorgänge liegen überdies geraume Zeit, nämlich sieben Jahre und länger, zurück.
3
2. Anders verhält es sich, soweit es die Verbindung zwischen dem Sachverständigen und Patentanwalt Pf. betrifft. Dieser war zum einen bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1999 Leiter der Rechts- und Patentabteilung der B. AG, einem Unternehmen, das die Klägerin erworben hat und das in ihren Konzern eingegliedert worden ist. Als Leiter der Patentabteilung hat Patentanwalt Pf. vorprozessual für die B. AG sowohl im Streitfall, als auch in einem inzwischen ebenfalls beim Senat anhängigen Patentnichtigkeitsverfahren (X ZR 71/06) die Vorkorrespondenz mit der Beklagten über die Ver- letzung der jeweiligen Streitpatente geführt. Wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, vertritt Patentanwalt Pf. auch heute noch einzelne Fälle aus dem Bereich der B. AG.
4
Patentanwalt Pf. ist zum anderen dem gerichtlichen Sachverständigen über eine langjährige beratende Tätigkeit in Patentfragen verbunden. Er hat den Sachverständigen seit 1997 und damit schon zu einer Zeit beraten, zu der er selbst hauptberuflich noch im Unternehmen der B. AG als Leiter der Rechts- und Patentabteilung tätig war. Die Kanzlei, der Patentanwalt Pf. nunmehr angehört, wird vom Sachverständigen bis heute mandatiert.
5
Auch wenn Patentanwalt Pf. den Sachverständigen während seiner Tätigkeit für die B. AG als Privatperson und außerhalb der beruflichen Sphäre, nämlich entweder in der eigenen Wohnung oder in den Räumlichkeiten des Sachverständigen beraten hat, ist diese langjährige Verbundenheit aufgrund einer beratenden Tätigkeit in Patentfragen in den Augen einer verständigen Partei geeignet, Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu begründen. Auch eine besonnene Partei wird in Anbetracht dieses Hintergrundes nicht von der Hand zu weisende Zweifel daran hegen, dass die Begutachtung von dieser durch den Berater vermittelten Nähe zwischen dem Sachverständigen und der Rechtsvorgängerin der Klägerin gänzlich unbeeinflusst bleiben wird. Für die Begründetheit des Befangenheitsgesuchs sind allein diese nach den objektiven Gegebenheiten anerkennenswerten Zweifel daran maßgeblich, dass der Sachverständige die nötige Distanz nicht würde wahren können. Es kommt also nicht darauf an, dass die beratende Tätigkeit in keinem Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu den Produkten der B. AG gestanden hat. Auch die Frage, ob der Sachverständige sich selbst subjektiv in der Lage sieht, das Gutachten frei und völlig unparteilich zu erstatten, ist nicht entscheidend.
6
Dem Ablehnungsgesuch war daher stattzugeben, ohne dass es auf den von der Beklagten zusätzlich erhobenen Vorwurf ankäme, der Sachverständige hätte schon im Vorfeld seiner Beauftragung, auf die Frage, ob er zu einer der Parteien oder ihrer Vertreter in irgend einer Beziehung stehe oder gestanden habe, die Verbindung zu Patentanwalt Pf. offenlegen müssen.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.09.2005 - 2 Ni 12/04 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 137/09
vom
28. Mai 2013
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sachverständigenentschädigung VI

a) Die Parteien können sich auch nach Heranziehung eines Sachverständigen
mit einer abweichend von der gesetzlichen Regelung zu bemessenden Vergütung
wirksam einverstanden erklären, wenn ein ausreichender Betrag für
die sich daraus ergebende Vergütung an die Staatskasse gezahlt ist.

b) Insoweit genügt die Erklärung nur einer Partei, soweit sie sich auf den Stundensatz
nach § 9 JVEG bezieht und das Gericht zustimmt, wobei über die
Zustimmung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach
pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist und hierbei insbesondere auch
die Interessen der kostentragungspflichtigen Partei zu berücksichtigen sind.
BGH, Beschluss vom 28. Mai 2013 - X ZR 137/09 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Mai 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck sowie die Richter Dr. Grabinski,
Dr. Bacher, Hoffmann und Dr. Deichfuß

beschlossen:
Die Vergütung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. S. für die Erstellung des schriftlichen Gutachtens vom 17. Dezember 2011 und die Vorbereitung des (kurzfristig aufgehobenen ) Verhandlungstermins vom 13. November 2012 wird unter Einschluss des mit Beschluss vom 7. Mai 2012 als Abschlag und Bruttomindestbetrag für das schriftliche Gutachten bestimm- ten Betrages von 15.000 € auf insgesamt 30.345 € einschließlich Mehrwertsteuer festgesetzt.

Gründe:


1
I. Der gerichtliche Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten zunächst pauschal mit 26.180 € einschließlich Mehrwertsteuer abgerechnet und später seinen Vergütungsvorschlag dahin spezifiziert, dass er zur Erstellung des Gutachtens 165 Stunden aufgewendet habe, die er mit 130 € ansetze. Mit Einverständnis auch der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 7. Mai 2012 als Abschlag und Bruttomindestbetrag einen Betrag von 15.000 € festgesetzt , der an den gerichtlichen Sachverständigen ausgezahlt worden ist.
2
Für die Vorbereitung des wegen Klagerücknahme kurzfristig aufgehobenen Verhandlungstermins vom 13. November 2012 hat der gerichtliche Sachverständige 26 Stunden angesetzt und dafür 4.165 € einschließlich weiterer Aufwendungen und Mehrwertsteuer abgerechnet. Die Klägerin hat den Vergütungsvorschlägen des Sachverständigen zugestimmt, während die Beklagte diesen widersprochen hat.
3
Die Beklagte hat Auslagenvorschüsse in Höhe von 20.000 € und von 7.500 € an die Staatskasse gezahlt. Die Klägerin hat nach Klagerücknahme und Erklärung ihrer Zustimmung zu den Vergütungsvorschlägen des Sachverstän- digen weitere 2.815 € überwiesen.
4
II. Der geltend gemachte Vergütungsanspruch ist gerechtfertigt.
5
1. Vom Gutachten des im Patentnichtigkeitsverfahren beauftragten Sachverständigen wird eine eingehende Auseinandersetzung mit der geschützten Erfindung und dem Stand der Technik erwartet, was voraussetzt, dass der Sachverständige sich mit der Aufbereitung des Streitstoffs in den Gerichtsakten vertraut gemacht und sich in den entgegengehaltenen Stand der Technik und die regelmäßig typisch patentrechtliche Diktion entgegengehaltener Schriften eingearbeitet hat. Die Arbeitsweise bleibt dabei dem gerichtlichen Sachverständigen grundsätzlich selbst überlassen; dem anrechnungsfähigen Zeitaufwand ist lediglich dadurch eine Obergrenze gesetzt, dass ein gerichtlicher Sachverständiger fachliche Kompetenz gerade auf dem technischen Gebiet besitzt und besitzen muss, auf das sich die Begutachtung bezieht und für das er seine Kompetenz aufgrund der entsprechenden Anfrage des Senats vor der Beauftragung mit dem Gutachten bestätigt hat. Deshalb muss zwischen Fachkunde und zeitlichem Aufwand eine plausible Proportionalität gewahrt sein (BGH, Beschluss vom 25. September 2007 - X ZR 52/05 Rn. 5 ff.; Beschluss vom 2. Dezember 2008 - X ZR 159/05, GRUR-RR 2009, 120 Rn. 4; Beschluss vom 15. Februar 2011 - X ZR 7/09 Rn. 4).
6
2. Das Berufungsverfahren stellt sich hinsichtlich des Prüfungsumfangs als überdurchschnittlich dar. Das in englischer Sprache erteilte Streitpatent betrifft ein Synchronisationsverfahren für Mobilfunktelefone in einem mehrere Feststationen und Mobilfunktelefone umfassenden zellularen, digitalen Mobilfunktelefonnetz , das nach dem GSM-Verfahren arbeitet. Es umfasst dreizehn Patentansprüche. Die Klägerin hat das Streitpatent insgesamt angegriffen. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Die Beklagte hat das Streitpatent in der Berufungsinstanz mit dem Hauptantrag in der erteilten Fassung und hilfsweise in der Fassung von neun Hilfsanträgen verteidigt. Die Klägerin hat den Gegenstand des Streitpatents in den Fassungen des Haupt- und der Hilfsanträge der Beklagten für nicht patentfähig angesehen. Die Prozessakten sind, ebenso wie die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze und Gutachten von Parteisachverständigen, sehr detailliert und umfangreich.
7
Das rechtfertigt die von dem gerichtlichen Sachverständigen für die Erstellung des schriftlichen Gutachtens angesetzte Stundenzahl von 165. Der vorliegende Fall hebt sich insoweit von Verfahren mit durchschnittlichem Prüfungsumfang ab, in denen der Senat einen Aufwand von mehr als 150 Stunden nicht mehr als angemessen angesehen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2007 - X ZR 52/05 Rn. 5; Beschluss vom 1. April 2008 - X ZR 84/05 Rn. 8; Beschluss vom 12. Dezember 2011 - X ZR 116/08 Rn. 6). Angemessen sind darüber hinaus die 26 Stunden, die der gerichtliche Sachverständige für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung seiner Rechnung zu Grunde legt.
8
Der Senat ordnet die Tätigkeit des gerichtlichen Sachverständigen im vorliegenden Patentnichtigkeitsverfahren nach billigem Ermessen der Honorar- gruppe 10 zu (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2006 - X ZR 138/04, GRUR 2007, 175 - Sachverständigenentschädigung IV; Beschluss vom 15. Mai 2007 - X ZR 75/05 Rn. 4; Beschluss vom 1. April 2008 - X ZR 84/05 Rn. 9; Beschluss vom 28. Juli 2009 - X ZR 139/07 Rn. 4). Hieraus folgt ein gesetzlicher Stundensatz von 95 €.
9
Dieser Satz kann, nachdem die vom Sachverständigen begehrte Überschreitung des Honorarsatzes weniger als 50 vom Hundert beträgt, eine Partei ihr Einverständnis erklärt hat, die andere Partei gehört wurde und der einbezahlte Vorschuss hierfür ausreicht (vgl. BGH, aaO - Sachverständigenentschädigung IV; BGH, Beschluss vom 28. Juli 2009 - X ZR 139/07 Rn. 5), mit Zustimmung des Gerichts auf den vom Sachverständigen erbetenen Satz von 130 € nebst Mehrwertsteuer erhöht werden (§ 13 Abs. 1 und 2 JVEG).
10
Dem steht nicht entgegen, dass das Einverständnis der Partei und die Zustimmung des Gerichts erst nach Heranziehung des Sachverständigen erfolgt sind (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - X ZR 56/04, unter 2, JurBüro 2011, 490; Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, Gerichtskostengesetz , 2. Aufl., 2009, § 13 JVEG Rn. 7; anderer Ansicht: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. April 2011 - I-10 W 102/10; Beutge, JVEG, 4. Aufl., 2008, § 13 Rn. 5; Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl., 2011, § 13 Rn. 13.8; Schneider, JVEG, 2007, § 13 Rn. 31; Zimmermann, JVEG, 2005, § 13 Rn. 11 ff.; vgl. zur Rechtsprechung betreffend die Vorgängervorschrift des § 7 Abs. 2 ZSEG etwa: OLG Düsseldorf, JurBüro 1989, 259; OLG Stuttgart, JurBüro 1972, 658). Zwar soll nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 JVEG die Heranziehung des gerichtlichen Sachverständigen unter Gewährung einer bestimmten oder abweichend von der gesetzlichen Regelung zu bemessenden Vergütung, mit der sich die Parteien einverstanden erklärt haben, erst erfolgen, wenn von diesen zuvor ein entsprechender Betrag an die Staatskasse gezahlt worden ist. Das mit dieser Regelung geschützte fiskalische Interesse, sich gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen nicht ohne Vorschuss der Parteien in Höhe der besonderen Vergütung zu verpflichten, bleibt aber auch bei einem späteren Einverständnis der Parteien gewahrt, wenn die besondere Vergütung durch zuvor erfolgte Zahlung an die Staatskasse gedeckt ist, so dass bei am Sinn und Zweck von § 13 Abs. 1 JVEG orientierter Auslegung auch eine solche Konstellation von der Vorschrift erfasst wird.
11
Diese Erwägungen gelten entsprechend für den in § 13 Abs. 2 JVEG geregelten Fall, dass nur eine Partei ihr Einverständnis zu einer besonderen Vergütung des Sachverständigen erklärt und das Gericht zustimmt. Auch das hier hinzutretende Interesse der kostentragungspflichtigen Partei, keinem unberechenbaren Kostenrisiko ausgesetzt zu sein, erfordert es nicht, dass das Einverständnis der einen Partei und die gerichtliche Zustimmung allein vor der Heranziehung des Sachverständigen gegeben bzw. erteilt werden können. Vielmehr wird diesem Interesse in § 13 Abs. 2 JVEG dadurch Rechnung getragen, dass die Zustimmung nur erteilt werden soll, wenn das Eineinhalbfache des nach § 9 oder § 11 JVEG zulässigen Honorars nicht überschritten wird, und das Gericht über die Zustimmung erst nach Anhörung der Parteien und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden und dabei auch die Interessen der kostentragungspflichtigen Partei zu berücksichtigen hat. Dazu gehört im vorliegenden Fall auch, dass nicht die Klägerin als nach der Rücknahme der Nichtigkeitsklage primär kostentragungspflichtige Partei mit dem Stundensatz des Sachverständigen nicht einverstanden ist, sondern die Beklagte.

12
Dem Honorar sind von den Parteien nicht in Zweifel gezogene Aufwendungen für Ablichtungen und andere Aufwendungen in der vom Sachverständigen geltend gemachten Höhe hinzuzurechnen.
Meier-Beck Grabinski Bacher
Hoffmann Deichfuß
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 21.10.2009 - 5 Ni 72/09 -