Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2008 - VIII ZB 24/08

bei uns veröffentlicht am11.11.2008
vorgehend
Amtsgericht Homburg, C 53/07, 13.08.2007
Landgericht Saarbrücken, 5 T 34/08, 04.03.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 24/08
vom
11. November 2008
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Dr. Wolst und Dr. Frellesen, die Richterin
Dr. Milger und den Richter Dr. Achilles

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 4. März 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Homburg - Zweigstelle Blieskastel - vom 13. August 2007 zurückgewiesen worden ist. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der vorgenannte Kostenfestsetzungsbeschluss abgeändert. Die von dem Kläger nach dem vor dem Amtsgericht Homburg - Zweigstelle Blieskastel - geschlossenen Vergleich vom 21. Juni 2007 - C 53/07 - an die Beklagten zu erstattenden Kosten werden auf 1.424,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Juli 2007 festgesetzt. Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Beklagten haben die Kosten beider Rechtsmittelverfahren zu tragen. Wert: 325,49 €

Gründe:

I.

1
Nach dem in der Beschlussformel bezeichneten Vergleich haben von den Kosten des zwischen den Parteien geführten Rechtsstreits der Kläger 9/10 und die Beklagten als Gesamtschuldner 1/10 zu tragen. Das Amtsgericht hat auf die von den Parteien beantragte Kostenausgleichung die von dem Kläger an die Beklagten zu erstattenden Kosten durch Beschluss vom 13. August 2007 auf 1.749,77 € festgesetzt. Dem zugrunde gelegen hat unter anderem eine von beiden Parteien jeweils zur Ausgleichung angemeldete 1,3-Verfahrensgebühr nach § 13 Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV RVG. Hiergegen hat sich die sofortige Beschwerde des Klägers gerichtet, mit der er geltend gemacht hat, dass die bei den Parteien angefallene außergerichtliche Geschäftsgebühr mit 0,65/10 auf die gerichtliche Verfahrensgebühr hätte angerechnet werden müssen.
2
Das Landgericht hat unter gleichzeitiger Verwerfung einer von den Beklagten erhobenen Anschlussbeschwerde als unzulässig die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen wendet dieser sich mit seiner vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

3
Die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
4
1. Das Beschwerdegericht hat, soweit hier von Interesse, die Auffassung vertreten, die vorprozessual wegen desselben Gegenstandes angefallene Geschäftsgebühr könne im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens nur unter besonderen, vorliegend nicht gegebenen Voraussetzungen (Titulierung, Begleichung oder Unstreitigkeit des Anrechnungseinwandes) berücksichtigt werden.
5
2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
6
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsbeschlüsse vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323, Tz. 6 ff., und vom 3. Juni 2008 - VIII ZB 3/08, WuM 2008, 618, Tz. 4; Beschluss vom 30. April 2008 - III ZB 8/08, NJW-RR 2008, 1095, Tz. 4; Beschluss vom 3. Juni 2008 - VI ZB 55/07, AGS 2008, 441; Beschluss vom 16. Juli 2008 - IV ZB 24/07, AGS 2008, 377; Beschluss vom 24. September 2008 - IV ZB 26/07, Tz. 6 ff.; Beschlüsse vom 25. September 2008 - VII ZB 93/07 und VII ZB 23/08, jew. Tz. 5; Urteil vom 25. September 2008 - IX ZR 133/07, Tz. 12; Beschluss vom 2. Oktober 2008 - I ZR 30/08, Tz. 10) vermindert sich durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens gemäß Teil 3 Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 VV RVG anfallende Verfahrensgebühr. Das ist wegen § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO auch im Kostenfestsetzungsverfahren ohne Rücksicht darauf zu beachten, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner erstattet werden muss und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist. Der Senat sieht angesichts des klaren Wortlauts der genannten Anrechnungsbestimmung keine Veranlassung, hiervon abzurücken.
7
b) Die Rechtsbeschwerde rügt danach zu Recht, dass die Vorinstanzen die zur Ausgleichung angemeldeten 1,3-Verfahrensgebühren nach Nr. 3100 VV RVG ungekürzt in Ansatz gebracht haben. Diese Verfahrensgebühren hätten wegen der Geschäftsgebühren nach Nr. 2300 VV RVG, die angesichts der vorprozessual gewechselten Anwaltsschriftsätze vom 11. September 2006 und 14. Oktober 2006 auf beiden Seiten zur Anspruchsverfolgung bzw. Anspruchsabwehr unstreitig angefallen sind, jeweils auf eine 0,65-Gebühr gekürzt werden müssen. Wegen der auf diese Weise von 813,72 € auf jeweils 406,86 € brutto zu halbierenden Verfahrensgebühren der Prozessbevollmächtigten sind an außergerichtlichen Kosten der Parteien nicht 4.429,18 €, sondern nur 3.615,46 € zur Ausgleichung zu bringen, von denen der Kläger 9/10, also 3.253,91 €, zu tragen hat. Hierauf entfallen an eigenen Kosten 1.807,73 € (2.214,59 € abzüglich 406,86 €), so dass ein gegenüber den Beklagten bei den außergerichtlichen Kosten auszugleichender Betrag von 1.446,18 € verbleibt. Davon abzusetzen sind beim Kostenansatz auf die Kostenschuld der Beklagten angerechnete Gerichtskostenvorschüsse des Klägers in Höhe von 21,90 €, die die Beklagten deshalb umgekehrt an den Kläger zu erstatten haben. Das ergibt den Erstattungsbetrag von 1.424,28 €.
8
c) Da in der Sache keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, sondern der Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO nach Maßgabe vorstehender Beschlussformel in der Sache selbst entschieden. Ball Dr. Wolst Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles
Vorinstanzen:
AG Homburg, Entscheidung vom 13.08.2007 - C 53/07 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 04.03.2008 - 5 T 34/08 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 13 Wertgebühren


(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, beträgt bei einem Gegenstandswert bis 500 Euro die Gebühr 49 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem Gegen- standswert bis ... Eurofür jeden angefangenen Betrag von weiteren ... Euroum ... E

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(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, beträgt bei einem Gegenstandswert bis 500 Euro die Gebühr 49 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem

Gegen-
standswert
bis ... Euro
für jeden
angefangenen
Betrag von
weiteren ... Euro
um
... Euro
2 00050039
10 0001 00056
25 0003 00052
50 0005 00081
200 00015 00094
500 00030 000132
über
500 000

50 000

165


Eine Gebührentabelle für Gegenstandswerte bis 500 000 Euro ist diesem Gesetz als Anlage 2 beigefügt.

(2) Bei der Geschäftsgebühr für eine außergerichtliche Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betrifft (Absatz 2 der Anmerkung zu Nummer 2300 des Vergütungsverzeichnisses), beträgt bei einem Gegenstandswert bis 50 Euro die Gebühr abweichend von Absatz 1 Satz 1 30 Euro.

(3) Der Mindestbetrag einer Gebühr ist 15 Euro.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 57/07
vom
22. Januar 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 91 RVG-VV, Anlage 1 Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 4

a) Es wird daran festgehalten, dass sich durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich
entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG (Nr. 2400 VV RVG aF) auf die
Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 4
VV RVG nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden
gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 VV RVG anfallende Verfahrensgebühr
vermindert (Senatsurteile vom 7. März 2007 – VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049; vom
14. März 2007 – VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050; vom 11. Juli 2007 – VIII ZR 310/06,
NJW 2007, 3500).

b) Für die Anrechnung ist es ohne Bedeutung, ob die Geschäftsgebühr auf materiellrechtlicher
Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht
, tituliert oder bereits beglichen ist.

c) Eine vorprozessual zur Anspruchsabwehr angefallene Geschäftsgebühr kann nicht Gegenstand
einer Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO sein (im Anschluss an BGH, Beschluss
vom 27. April 2006 – VII ZB 116/05, NJW 2006, 2560 f.).
BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07 - LG Magdeburg
AG Quedlinburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Januar 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterinnen Hermanns
und Dr. Milger sowie den Richter Dr. Achilles

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 18. Juni 2007 und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vom 10. Juli 2006 aufgehoben. Die von dem Kläger aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Quedlinburg vom 1. März 2006 an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 733,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. März 2006. Der weitergehende Festsetzungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Wert des Beschwerdegegenstandes: Wertstufe bis 300 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien haben um die Rückabwicklung eines PKW-Kaufvertrages gestritten. Die auf Kaufpreisrückzahlung und Erstattung von Versicherungsaufwendungen gerichtete Klage ist durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts auf Kosten des Klägers abgewiesen worden. Bereits vorprozessual hatten die Parteien über die anschließend rechtshängig gemachten Ansprüche korrespondiert , wobei die Beklagte die erhobenen Ansprüche durch ihren späteren Prozessbevollmächtigten zurückweisen ließ. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat das Amtsgericht auf Antrag der Beklagten neben einer 1,3Verfahrens - und einer 1,2-Terminsgebühr (Nrn. 3100, 3104 VV RVG), die nach dem festgesetzten Streitwert von 3.535 € bemessen waren, antragsgemäß noch eine 1,3-Geschäftsgebühr (Nr. 2400 VV RVG) festgesetzt, die nach einem vorprozessual noch über der Klageforderung liegenden Forderungsbetrag bemessen war, und hierauf eine 0,65-Verfahrensgebühr nach dem gerichtlich festgesetzten Streitwert angerechnet. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers, der sich gegen den Ansatz einer Geschäftsgebühr gewandt hat, hat das Beschwerdegericht an diesem Ansatz festgehalten, die 13/10-Geschäftsgebühr jedoch lediglich unter Zugrundelegung des gerichtlich festgesetzten Streitwerts festgesetzt und hierauf eine 0,65-Verfahrensgebühr angerechnet. Hiergegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde, die in den Grenzen des mit der sofortigen Beschwerde gestellten Antrages einen vollständigen Fortfall des Ansatzes einer Geschäftsgebühr erstrebt sowie auf die Verfahrensgebühr eine 0,65-Geschäftsgebühr angerechnet wissen will.

II.

2
Die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
3
1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, dass die vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorprozessual zu Zwecken der Anspruchsabwehr entfaltete Tätigkeit eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG (ab 1. Juli 2006: Nr. 2300 VV RVG) ausgelöst habe und dass diese angesichts ihres eindeutigen Bezuges zum späteren Rechtsstreit im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend gemacht werden könne, zumal hierdurch der Beklagten ein im Vergleich zu einem Hauptsacheverfahren einfacherer Weg zur Durchsetzung ihres Kostenerstattungsanspruchs eröffnet werde. Jedoch stehe ihr ein solcher Anspruch nur in Höhe der Hälfte der Geschäftsgebühr nach dem gerichtlich festgesetzten Streitwert zu.
4
2. Diese Sichtweise rügt die Rechtsbeschwerde mit Recht als fehlerhaft, weil das Beschwerdegericht mit der vorprozessual angefallenen Geschäftsgebühr unzulässig Kosten in die Kostenerstattung einbezogen hat, die keine Prozesskosten sind. Darüber hinaus wird die Festsetzung der Vorinstanzen der in Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG (im Folgenden: Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG) geregelten Gebührenanrechnung nicht gerecht.
5
a) Die Rechtsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Beschwerdegericht die durch den vorprozessualen Versuch einer Anspruchsabwehr entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG als festsetzungsfähig angesehen hat. Denn ebenso wie die Aufwendungen für ein anwaltliches Mahnschreiben nicht zu den Prozesskosten gehören, können die vorprozessual zur Anspruchsabwehr angefallenen Gebühren nicht im Rahmen einer Kostenerstattung nach § 91 ZPO angesetzt werden und somit nicht Gegenstand einer Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO sein (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2006 – VII ZB 116/05, NJW 2006, 2560 f.).
6
b) Die Rüge der Rechtsbeschwerde greift weiter durch, soweit das Beschwerdegericht die angemeldete Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG ohne Anwendung der Anrechnungsvorschrift gemäß Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG ungekürzt in Ansatz gebracht hat. Diese Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 7. März 2007 – VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049, unter II 2 a; Urteil vom 14. März 2007 – VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050, unter II 2 d; Versäumnisurteil vom 11. Juli 2007 – VIII ZR 310/06, NJW 2007, 3500, unter II 2) so zu verstehen, dass eine entstandene Geschäftsgebühr unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist. Durch diese Anrechnung verringert sich die erst später nach Nr. 3100 VV RVG angefallene Verfahrensgebühr, während die zuvor bereits entstandene Geschäftsgebühr von der Anrechnung unangetastet bleibt. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Anrechnungsvorschrift erfolgt die Anrechnung auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens und nicht umgekehrt, so dass sich nicht die vorgerichtliche Geschäftsgebühr , sondern die im gerichtlichen Verfahren angefallene Verfahrensgebühr im Umfang der Anrechnung reduziert.
7
Der Senat hält an dieser Sichtweise, die in erster Linie auf den klaren Wortlaut der Anrechnungsbestimmung gestützt ist, trotz der namentlich in der Instanzrechtsprechung (z.B. KG, AGS 2007, 439; OLG München, Rpfleger 2007, 686; OLG Karlsruhe, AGS 2007, 494; OLG Koblenz, AnwBl 2007, 873; OLG Stuttgart, Beschluss vom 30. Oktober 2007 – 8 W 442/07; wie der Senat etwa VGH München, NJW 2006, 1990; OLG Hamburg, MDR 2007, 1224) geäußerten Kritik fest.
8
aa) Die teilweise vertretene Auffassung, der Gesetzgeber habe bei der Anrechnungsbestimmung gemäß Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG an der unter der Geltung des § 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO entwickelten Praxis nichts ändern wollen, wonach die schon dort vorgeschriebene Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren angefallene Prozess- oder Verkehrsgebühr bei der späteren Kostenfestsetzung nicht zu berücksichtigen sei (vgl. OLG München, aaO), wird durch die Gesetzesbegründung zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BT-Drs. 15/1971, S. 209) nicht gestützt. Aus den dort wiedergegebenen Erwägungen geht nicht hervor, dass der Gesetzgeber sich überhaupt mit diesen im rechnerischen Ergebnis ohnehin als wenig bedeutsam angesehenen Praxisdetails befasst hat oder gar eine Festsetzungspraxis hat bestätigen wollen, die am Gesetzeswortlaut vorbei von der hierin vorgesehenen Anrechnung Abstand genommen hatte. Das Anrechnungserfordernis ist vielmehr nur vor dem Hintergrund der neu vorgesehenen Teilanrechnung erörtert worden, und zwar in dem Sinne, dass der Umfang derjenigen Tätigkeit, den die in Vorbemerkung 3 Absatz 2 VV RVG umschriebene Verfahrensgebühr abdecken sollte, entscheidend davon beeinflusst werde, ob der Rechtsanwalt durch eine vorgerichtliche Tätigkeit bereits mit der Angelegenheit befasst gewesen sei. Denn eine Gleichbehandlung des Rechtsanwalts, der unmittelbar einen Prozessauftrag erhalte, mit dem Rechtsanwalt, der zunächst außergerichtlich tätig gewesen sei, sei nicht zu rechtfertigen, wobei in diesem Zusammenhang unter anderem noch das Bestreben nach einer aufwandsbezogenen Vergütung hervorgehoben worden ist. Der Gesetzgeber hat also mit Blick auf einen erfahrungsgemäß geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand des schon vorprozessual mit der Sache befassten und hierfür nach Nrn. 2400 ff. VV RVG vergüteten Prozessbevollmächtigten dessen gerichtliche Verfahrensgebühr bereits in ihrer Entstehung um den in Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG beschriebenen Teil der vorprozessual verdienten Gebühren kürzen wollen.
9
Erst recht ist kein Grund ersichtlich, eine unter der Geltung von § 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO nicht selten gegen den klaren Gesetzeswortlaut praktizierte Anrechnung der Prozess- auf die Geschäftsgebühr in die Anwendung der Anrechnungsklausel gemäß Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG fortzuschreiben und zu diesem Zweck den unzweideutig in umgekehrte Richtung gehenden Gesetzeswortlaut als auslegungsfähig und auslegungsbedürftig anzusehen (so aber OVG Münster, NJW 2006,1991, 1992). Ebenso wenig besteht nach den im Gesetzgebungsverfahren anzutreffenden Äußerungen Anlass, von einem kor- rekturbedürftigen Redaktionsversehen des Gesetzgebers bei Abfassung der genannten Anrechnungsbestimmung auszugehen (so zutreffend Streppel, MDR 2007, 929, 930).
10
bb) Kein entscheidendes Gewicht kommt der häufig angeführten Überlegung zu, wie schon § 118 Abs. 2 BRAGO betreffe die Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG nur das Rechtsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant, nicht jedoch das für eine etwaige Kostenerstattung maßgebliche Außenverhältnis zwischen dem Mandanten und seinem Prozessgegner (vgl. KG, OLG München, OLG Stuttgart und OLG Karlsruhe, aaO). Hierbei wird – worauf auch Streppel, aaO, zutreffend hinweist – übersehen, dass § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO für eine Kostenerstattung an die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts und darüber unmittelbar an die genannte Anrechnungsbestimmung anknüpft. Entsteht die Verfahrensgebühr wegen der in Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG vorgesehenen Anrechnung eines Teils der bereits vorher entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG von vornherein nur in gekürzter Höhe, kommt im Rahmen der Kostenfestsetzung auch keine darüber hinausgehende Erstattung in Betracht. Ob die vom Prozessgegner auf materiell-rechtlicher Grundlage zu erstattende Geschäftsgebühr unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar schon beglichen ist, ist bereits nach dem Wortlaut der Anrechnungsbestimmung ohne Bedeutung. Für die Anrechnung und damit die von selbst einsetzende Kürzung ist nach dieser Vorschrift vielmehr entscheidend, ob und in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr bei vorausgesetzter Identität des Streitgegenstandes entstanden ist, der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Entstehens der Verfahrensgebühr also schon einen Anspruch auf eine Geschäftsgebühr aus seinem vorprozessualen Tätigwerden erlangt hatte.
11
cc) Soweit eingewandt wird, es sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich , dass die unterlegene Partei nur deshalb niedrigere Kosten zu erstatten habe , weil der Prozessbevollmächtigte der Gegenseite bereits vorprozessual das Geschäft seines Mandanten betrieben habe, greift dies ebenso wenig durch wie die Überlegung, die vom Senat vertretene Auslegung der Anrechnungsvorschrift begünstige diejenige Partei sinnwidrig, die davon abgesehen habe, bereits vorprozessual einen Rechtsanwalt einzuschalten (vgl. KG und OVG Münster , aaO; ferner VGH München, NJW 2007, 170). Es trifft zwar zu, dass durch diese Auslegung ein Beklagter gegenüber der unter der Geltung von § 118 Abs. 2 BRAGO praktizierten Anwendung der Anrechnungsvorschrift benachteiligt wird, wenn ihm für eine bereits vorprozessual eingeleitete Rechtsverteidigung kein Erstattungsanspruch zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 – VI ZR 224/05, NJW 2007, 1458). Dass ein von ihm aufzubringender, materiellrechtlich nicht auf den Prozessgegner abwälzbarer Gebührenanspruch zur Kürzung eines ihm im Falle des Obsiegens zustehenden prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nach §§ 91 ff. ZPO führt, hat seinen Grund jedoch allein darin, dass durch die Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG ein seinem Prozessbevollmächtigten nach Nrn. 3100 ff. VV RVG zustehender Gebührenanspruch unter einem aufwandsbezogenen Gesichtspunkt gekürzt wird, nämlich weil er aufgrund seiner vorprozessualen Befassung in der Regel nur einen geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand hat. Dieser geringere Aufwand im Rahmen der von § 91 ZPO erfassten Prozessführung wiederum war nach der Gesetzesbegründung (aaO) einer der entscheidenden und durch die Anknüpfung am voraussichtlichen Tätigkeitsumfang sachlich auch tragfähigen Beweggründe des Gesetzgebers, dem Prozessbevollmächtigten nur eine insoweit gekürzte Vergütung zuzubilligen. Dies anschließend im prozessualen Erstattungsrechtsverhältnis der Parteien durch eine abweichende Erstattungspraxis wieder zu korrigieren, ist zudem rechtlich nicht geboten. In- soweit konnte es der Gesetzgeber vielmehr bei der bestehenden Rollen- und Risikoverteilung und den hiernach nur eingeschränkt bestehenden materiellrechtlichen Erstattungsansprüchen belassen.
12
dd) Für nicht durchgreifend erachtet der Senat schließlich die Bedenken, das Kostenfestsetzungsverfahren eigne sich nach seinen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten nicht, die für eine Anrechnung erforderlichen Voraussetzungen festzustellen (vgl. OLG München und KG, aaO). Abgesehen davon, dass ein anrechnungserhebliches vorprozessuales Tätigwerden in der Regel durch entsprechenden und häufig schon bei den Gerichtsakten befindlichen Schriftwechsel dokumentiert ist und dass die Bemessung der Höhe einer Geschäftsgebühr durch die in Nr. 2400 VV RVG vorgesehene Regelgebühr sowie durch die in der Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG vorgesehene Anrechnungskappung zumeist ebenfalls keinen übermäßigen Feststellungs- und Wertungsaufwand erfordert, ist das Kostenfestsetzungsverfahren durchaus darauf angelegt, auch streitigen Sachvortrag zu verarbeiten und zu klären (§ 104 Abs. 2, § 294 ZPO; dazu näher etwa Musielak/Wolst, ZPO, 5. Auflage, § 104 Rdnr. 18 m.w.N.). Zudem ist eine Anrechnung nicht von Amts wegen, sondern erst auf substantiierten, über eine Äußerung bloßer Vermutungen hinausgehenden Einwand des Festsetzungsgegners zu beachten. Im Übrigen bleibt bei Unaufklärbarkeit der Anrechnungsvoraussetzungen immer noch die Beweislastentscheidung zu Lasten dessen, der sich abweichend vom gesetzlichen Regelfall einer 1,3Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG auf die Anwendbarkeit der als Ausnahmebestimmung zu wertenden Anrechnungsvorschrift nach Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG beruft.
13
Dass die sonst unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie angeführten Erwägungen nicht geeignet sind, ein vom klaren Wortlaut dieser Anrechnungsbestimmung abweichendes Auslegungsergebnis zu rechtfertigen, hat der Senat bereits früher hervorgehoben (Urteil vom 7. März 2007, aaO, unter II 2 a; Versäumnisurteil vom 11. Juli 2007, aaO, unter II 2). Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die Anlass gäben, hiervon abzurücken.
14
3. Die Rechtsbeschwerde rügt hiernach zu Recht, dass das Beschwerdegericht zum einen die angemeldete Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG ungekürzt in Ansatz gebracht und zum anderen die durch den vorprozessualen Versuch einer Anspruchsabwehr entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG als ebenfalls erstattungsfähig angesehen hat. Vielmehr muss die angemeldete 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG wegen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG, die nach dem aus der Anlage B 3 ersichtlichen vorprozessualen Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten unstreitig angefallen ist, auf eine 0,65-Gebühr gekürzt werden. Die Beklagte kann deshalb, wie von der Rechtsbeschwerde vorgerechnet, jeweils eine Gebühr nach Nrn. 3100 (allerdings gekürzt auf 0,65) und 3104 VV RVG, Auslagen nach Nr. 7002 VV RVG sowie die nach Nr. 7008 VV RVG anzusetzende Mehrwertsteuer in Höhe von an sich insgesamt nur 548,97 € erstattet verlangen.
15
Infolge der Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den mit der sofortigen Beschwerde gestellten Antrag (Begrenzung des zu erstattenden Betrages auf 733,70 € nebst Zinsen) ist allerdings nur eine Abänderung der Kostenfestsetzung in diesem Umfang möglich. Da in der Sache keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, sondern der Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO nach Maßgabe vorstehender Beschlussformel in der Sache selbst zu entscheiden. Ball Dr. Frellesen Hermanns Dr. Milger Dr. Achilles
Vorinstanzen:
AG Quedlinburg, Entscheidung vom 10.07.2006 - 3 C 306/05 (IV) -
LG Magdeburg, Entscheidung vom 18.06.2007 - 3 T 325/07 *288* -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 3/08
vom
3. Juni 2008
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Juni 2008 durch die Richter
Wiechers, Dr. Wolst und Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger sowie den
Richter Dr. Achilles

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 3. Januar 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Osnabrück vom 17. Oktober 2007 zurückgewiesen worden ist. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der vorbezeichnete Kostenfestsetzungsbeschluss abgeändert. Die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden auf 512,70 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Juli 2007 festgesetzt. Der weitergehende Festsetzungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Beschwerdewert: 492,70 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien haben um die Erfüllung eines Kaufvertrages gestritten. Die auf Lieferung eines Pkw und Erstattung außergerichtlicher Anwaltsgebühren gerichtete Klage hat der Kläger nach einer Beweisaufnahme zurückgenommen. Das Landgericht hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat das Landgericht auf Antrag der Beklagten u.a. eine 1,3-fache Verfahrensgebühr gemäß VV RVG Nr. 3100 nach einem Streitwert von 30.000 € festgesetzt. Mit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat der Kläger geltend gemacht, die Prozessbevollmächtigten der Beklagten seien bereits - das ist unstreitig - in derselben Angelegenheit außergerichtlich tätig gewesen. Deshalb hätte die Verfahrensgebühr durch Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr gemindert werden müssen. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

2
Die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
3
1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, die obsiegende Partei sei nicht allein deshalb, weil auf ihrer Seite bereits eine Geschäftsgebühr angefallen sei, daran gehindert, gegenüber dem unterlegenen Prozessgegner die Verfahrensgebühr in voller Höhe geltend zu machen. Sinn und Zweck der Anrechnungsvorschrift in Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG sei es, den Mandanten vor zu hohem Rechtsanwaltshonorar und insbesondere davor zu schützen, dass der Anwalt allein mit Blick auf seinen Vergütungsanspruch ein gerichtliches Verfahren einleitet. Dieser Gesichtspunkt betreffe - wie das ge- samte RVG - nur das Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsurteil vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049 f.) stehe dieser Auffassung nicht entgegen. Denn die genannte Entscheidung betreffe nicht das Kostenfestsetzungsverfahren , sondern die Frage, ob die Anrechnungsvorschrift Auswirkungen habe auf die Höhe eines im Klageverfahren geltend gemachten materiellrechtlichen Anspruchs auf Erstattung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr.
4
2. Diese Beurteilung rügt die Rechtsbeschwerde mit Recht als fehlerhaft. Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht die angemeldete Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG ohne Anwendung der Anrechnungsvorschrift gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG ungekürzt in Ansatz gebracht. Wie der Senat nach Erlass des angegriffenen Beschlusses entschieden hat, ist es für die Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens ohne Bedeutung, ob die vom Prozessgegner auf materiell-rechtlicher Grundlage zu erstattende Geschäftsgebühr unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist (Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323, Tz. 7 ff.). Daran hält der Senat angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes fest (ebenso BGH, Beschluss vom 30. April 2008 - III ZB 8/08, zur Veröffentlichung bestimmt, Tz. 4).
5
3. Nach alledem kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben. Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, ist die Sache zur Endentscheidung reif. Der Senat hat daher nach Maßgabe der Beschlussformel selbst zu entscheiden. Wiechers Dr. Wolst Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 17.08.2007 - 4 O 3200/06 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 03.01.2008 - 8 W 159/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 55/07
vom
3. Juni 2008
in dem selbständigen Beweisverfahren
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Juni 2008 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 5. Oktober 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 433,76 €

Gründe:


I.

1
Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin wegen eines von ihm behaupteten Behandlungsfehlers ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt. Mit Beschluss des Landgerichts vom 17. April 2007 sind ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt worden. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 6. März 2007 hat die Antragsgegnerin auf der Grundlage des vom Landgericht auf 10.000 € festgesetzten Gegenstandswerts unter anderem die Festsetzung einer 1,3-Verfahrensgebühr beantragt. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. Mai 2007 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts die der Antragsgegnerin vom Antragsteller zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 775,64 € nebst Zinsen festgesetzt. Dagegen hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt und sich gegen den vollen Ansatz der Verfahrensgebühr gewandt. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht vorgelegt. Dieses hat die sofortige Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

2
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig.
3
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Verfahrensgebühr sei im Kostenfestsetzungsverfahren in voller Höhe festzusetzen. Eine teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG komme im Kostenfestsetzungsverfahren nur dann in Betracht, wenn entsprechende Erstattungsansprüche entweder anderweitig tituliert oder unstreitig seien. Dies sei hier nicht der Fall.
4
2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg.
5
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine wegen desselben Gegenstands entstandene Geschäftsgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG anteilig auf die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr anzurechnen (BGH, Urteile vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06 - VersR 2007, 1098 und vom 14. März 2007 - VIII ZR 184/06 - NJW 2007, 2050; BGH, Versäumnisurteil vom 11. Juli 2007 - VIII ZR 310/06 - NJW 2007, 3500; ebenso VGH München, NJW 2006, 1990; OLG Hamburg, MDR 2007, 1224). An dieser Sichtweise, die in erster Linie auf den klaren Wortlaut der Anrechnungsbestimmung gestützt ist, hält der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs trotz der namentlich in der Instanzrechtsprechung (z.B. KG, AGS 2007, 439; OLG München, Rpfleger 2007, 686; OLG Karlsruhe, AGS 2007, 494; OLG Koblenz, AnwBl 2007, 873; OLG Stuttgart, Beschluss vom 30. Oktober 2007, AGS 2008, 43) geäußerten Kritik fest (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07 - NJW 2008, 1323). Der VI. Zivilsenat schließt sich dieser Auffassung an.
6
b) Wie der VIII. Zivilsenat inzwischen - nach Erlass des angefochtenen Beschlusses - entschieden hat, ist es für die Anrechnung ohne Bedeutung, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07 - aaO; vgl. auch Streppel, MDR 2008, 421). Für die Anrechnung und damit die von selbst einsetzende Kürzung ist nach dem Wortlaut der Anrechnungsbestimmung vielmehr entscheidend, ob und in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr bei vorausgesetzter Identität des Streitgegenstandes entstanden ist, der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Entstehens der Verfahrensgebühr also schon einen Anspruch auf eine Geschäftsgebühr aus seinem vorprozessualen Tätigwerden erlangt hatte.
7
Diese Grundsätze gelten entsprechend für das selbständige Beweisverfahren , denn das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz enthält insoweit keine Sondervorschriften (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert//Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., Anhang III, Rz. 6). Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG entstanden ist, wird diese Gebühr zur Hälfte, höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des selbständigen Beweisverfahrens angerechnet. Die Rechtsbeschwerde rügt hiernach zu Recht, dass das Beschwerdegericht offen gelassen hat, ob die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin in dieser Sache vorgerichtlich tätig geworden sind. Ist dies nämlich der Fall, muss die angemeldete 1,3Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG wegen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auf eine 0,65-Gebühr gekürzt werden. Die hierfür erforderlichen Feststellungen wird das Beschwerdegericht nach erfolgter Zurückverweisung nachzuholen haben. Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 08.05.2007 - 16 OH 3/06 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 05.10.2007 - 2 W 188/07-21 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 24/07
vom
16. Juli 2008
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke
am 16. Juli 2008

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden - unter ihrer Zurückweisung im Übrigen - der Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2007 und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Ulm vom 28. August 2007 aufgehoben.
Die von den Beklagten an die Kläger laut gerichtlich protokolliertem Vergleich vom 4. Juni 2007 (2 O 512/06 LG Ulm) zu erstattenden Kosten werden auf 7.232,85 € festgesetzt.
Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Kläger wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel tragen die Kläger zu 85% und die Beklagten zu 15%.
Wert: 1.345,89 €

Gründe:


1
Die I. Kläger haben beide Beklagten vor dem Landgericht auf Rückzahlung eines Darlehens und die Beklagte zu 2 darüber hinaus auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus zwei zur Sicherung des Darlehens bestellten Grundschulden in Anspruch genommen. Der Rechtsstreit ist durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich beendet worden. Danach haben die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der Einigungsgebühr, die von den Parteien jeweils selbst zu übernehmen ist. Der Wert des Rechtsstreits und des Vergleichs ist auf 127.822,97 € festgesetzt worden. Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat auf Antrag der Kläger die von den Beklagten zu erstattenden Kosten auf 8.399,29 € einschließlich Mehrwertsteuer festgesetzt. In diesem Betrag ist eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 2.332,88 € (1.960,40 € zuzüglich Mehrwertsteuer) enthalten.
2
Mit ihrer sofortigen Beschwerde haben die Beklagten eine Herabsetzung dieser Verfahrensgebühr auf eine 0,55 Verfahrensgebühr angestrebt ; die rechnerische Ermittlung des nach ihrer Auffassung festzusetzenden Betrages beruht auf einem offensichtlichen Rechenfehler. Die Beklagten sind der Meinung, aufgrund der Bestimmung in Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG sei eine 0,75 Geschäftsgebühr auf die 1,3 Verfahrensgebühr anzurechnen, weil die Prozessbevollmächtigten die Kläger schon vorgerichtlich vertreten hätten. Damit sind sie vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen sie ihr Begehren weiter.
3
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie führt auch in der Sache zum Erfolg.
4
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt: Eine Pflicht der Rechtspflegerin zur Anrechnung einer Geschäftsgebühr, die aufgrund der vorgerichtlichen Tätigkeit der Bevollmächtigten der Kläger entstanden sei, auf die gerichtliche Verfahrensgebühr bestehe nicht, da die Kläger diese Geschäftsgebühr nicht als Nebenforderung auf Grundlage eines materiell -rechtlichen Schadensersatzanspruchs eingeklagt hätten. Nur dann aber sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren geboten. Die Anrechnungsvorschrift in Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG gelte überdies nur im Verhältnis zwischen einer Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten. Der Prozessgegner hafte auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten ausschließlich nach materiellem Recht. Nur wenn der Anfall der Geschäftsgebühr und die Pflicht des Gegners, sie zu tragen, oder jedenfalls die für die Berücksichtigung maßgebenden Tatsachen unstreitig seien, müsse diese als materiell-rechtlicher Anspruch einer Partei im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden; davon sei im gegebenen Fall nicht auszugehen.
5
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
6
a) Nach Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG ist unter der - hier gegebenen - Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, eine bereits entstandene Geschäftsgebühr teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung ist die gerichtliche Verfahrensgebühr zu mindern, nicht hingegen die vorgerichtliche Geschäftsge- bühr. Die Geschäftsgebühr bleibt also unangetastet; durch die Anrechnung verringert sich lediglich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG (vgl. BGH, Urteile vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06 - NJW 2007, 2049 Tz. 11; vom 14. März 2007 - VIII ZR 184/06 - NJW 2007, 2050 Tz. 19). Dieser Umstand ist im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen. Auf Weiteres kommt es - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts - nach den angeführten Entscheidungen nicht an.
7
Der b) VIII. Zivilsenat hat mittlerweile auch ausdrücklich ausgesprochen , dass es für die kostenrechtliche Anrechnung ohne Bedeutung ist, ob die Geschäftsgebühr vom Prozessgegner auf materiell-rechtlicher Grundlage zu erstatten und ob sie insoweit zwischen den Parteien unstreitig , geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist. Maßgebend ist, dass § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO, auf den es in diesem Zusammenhang allein ankommt, für eine Kostenerstattung an die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts und darüber unmittelbar an die Anrechnungsbestimmung in Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG anknüpft. Entsteht die Verfahrensgebühr wegen der in der genannten Bestimmung vorgesehenen Anrechnung eines Teils der bereits vorher entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG von vornherein nur in gekürzter Höhe, kommt im Rahmen der Kostenfestsetzung auch keine darüber hinausgehende Erstattung in Betracht. Für die Anrechnung und damit die von selbst einsetzende Kürzung ist entscheidend, ob und in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr bei vorausgesetzter Identität des Streitgegenstandes entstanden ist, der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Entstehens der Verfahrensgebühr also schon einen Anspruch auf eine Geschäftsgebühr aus seinem vorprozessualen Tätigwerden erlangt hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07 - NJW 2008, 1323 Tz. 6, 10).

8
Das ist hier zu bejahen. Der spätere Prozessbevollmächtigte ist für die Kläger bereits vorgerichtlich tätig geworden, wie sich aus dem von den Klägern vorgelegten Schriftverkehr ergibt. Damit liegen die Voraussetzungen gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG vor. Die Anrechnungsvorschrift findet ihren Grund darin, dass der Gebührenanspruch unter einem aufwandsbezogenen Gesichtspunkt gekürzt wird, weil nämlich der Rechtsanwalt aufgrund seiner vorprozessualen Befassung mit der Sache in der Regel nur einen geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand hat (BGH aaO, Tz. 11).
9
Der c) III. Zivilsenat hat sich der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats angeschlossen und sich dessen Ausführungen ausdrücklich zu Eigen gemacht (Beschluss vom 30. April 2008 - III ZB 8/08 - bei juris abrufbar Tz. 4); auch der erkennende Senat tritt dieser Rechtsprechung bei.
10
Mithin hätte die Rechtspflegerin bei der von den Beklagten angegriffenen Kostenfestsetzung die 1,3 Verfahrensgebühr unter Teilanrechnung der wegen desselben Gegenstandes entstandenen Geschäftsgebühr vermindern müssen. Nach Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG ist eine nach den Nr. 2300 - 2303 VV RVG entstandene Geschäftsgebühr "zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75" zur Anrechnung zu bringen. Das bedeutet, dass die Geschäftsgebühr den Satz von 1,5 erreichen oder überschreiten muss, um sie - wie von den Beklagten angestrebt - mit einem Satz von 0,75 anrechnen zu können (vgl. Riedel /Sußbauer/Keller, RVG 9. Aufl. VV Teil 3 Vorbem. 3 Rdn. 65).
11
Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, dem hier einschlägigen Gebührentatbestand, sieht einen Gebührensatzrahmen von 0,5 bis 2,5 vor. Jedoch kann eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden , wenn die vorgerichtliche Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Dafür ist nichts ersichtlich, so dass die von den Beklagten mit ihrem Antrag begehrte Reduzierung um 0,75 auf eine 0,55 Verfahrensgebühr nicht in Betracht kommt. Es wäre Sache der Beklagten als den Festsetzungsgegnern gewesen, Umstände darzulegen, die eine Abweichung von der 1,3 Verfahrensgebühr rechtfertigen könnten, denn insoweit beziehen sie sich auf eine Ausnahme zum gebührengesetzlichen Regelfall (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 aaO Tz. 12).
Terno Seiffert Wendt Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Ulm, Entscheidung vom 28.08.2007 - 2 O 512/06 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 25.10.2007 - 8 W 439/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 26/07
vom
24. September 2008
in dem Kostenfestsetzungsverfahren
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 24. September 2008

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten werden der Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 30. August 2007 und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 19. April 2007 aufgehoben.
Die dem Kläger vom Beklagten aufgrund des Anerkenntnisurteils der 27. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 21. Februar 2007 zu erstattenden Kosten werden auf 2.032,54 € festgesetzt.
Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsbeschwerde trägt der Kläger.
Wert: 586,31 €

Gründe:


1
I. Der Kläger hat den Beklagten vor dem Landgericht auf Rückzahlung verschiedener, nach seinem Vortrag u.a. als Darlehen gewährter Geldbeträge in Höhe von insgesamt 25.036,84 € in Anspruch genommen. Der Rechtsstreit ist durch Anerkenntnisurteil beendet worden. Danach hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Auf Antrag des Klägers hat die Rechtspflegerin des Landgerichts die von dem Beklagten zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 19. April 2007 unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts in Höhe des Verurteilungsbetrages auf 2.618,85 € einschließlich Mehrwertsteuer festgesetzt. In diesem Betrag ist eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 985,40 € zuzüglich Mehrwertsteuer enthalten.
2
Mit seiner sofortigen Beschwerde hat der Beklagte eine Herabsetzung der von ihm zu erstattenden Kosten angestrebt; er ist der Ansicht, aufgrund der Bestimmung in Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG sei die für den Klägervertreter durch dessen vorgerichtliche Tätigkeit angefallene 1,3 Geschäftsgebühr auf die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemachte 1,3 Verfahrensgebühr zur Hälfte anzurechnen. Damit ist er vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Begehren weiter.
3
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie führt auch in der Sache zum Erfolg.
4
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt: Eine Pflicht der Rechtspflegerin zur Anrechnung einer Geschäftsgebühr, die aufgrund der vor- gerichtlichen Tätigkeit des Bevollmächtigten des Klägers entstanden sei, auf die gerichtliche Verfahrensgebühr bestehe nicht, da der Kläger diese Geschäftsgebühr nicht als Nebenforderung auf Grundlage eines materiell -rechtlichen Schadensersatzanspruchs eingeklagt habe. Nur dann aber sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren geboten. Die Anrechnungsvorschrift in Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG gelte überdies nur im Verhältnis zwischen einer Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten.
5
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
6
a) Nach Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG ist unter der - hier gegebenen - Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, eine bereits entstandene Geschäftsgebühr teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung ist die gerichtliche Verfahrensgebühr zu mindern, nicht hingegen die vorgerichtliche Geschäftsgebühr. Die Geschäftsgebühr bleibt also unangetastet; durch die Anrechnung verringert sich lediglich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG (vgl. BGH, Urteile vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06 - NJW 2007, 2049 Tz. 11; vom 14. März 2007 - VIII ZR 184/06 - NJW 2007, 2050 Tz. 19). Dieser Umstand ist im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen. Auf Weiteres kommt es - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts - nach den angeführten Entscheidungen nicht an.
7
Der b) VIII. Zivilsenat hat mittlerweile auch ausdrücklich ausgesprochen , dass es für die kostenrechtliche Anrechnung ohne Bedeutung ist, ob die Geschäftsgebühr vom Prozessgegner auf materiell-rechtlicher Grundlage zu erstatten und ob sie insoweit zwischen den Parteien un- streitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist. Maßgebend ist, dass § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO, auf den es in diesem Zusammenhang allein ankommt, für eine Kostenerstattung an die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts und darüber unmittelbar an die Anrechnungsbestimmung in Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG anknüpft. Entsteht die Verfahrensgebühr wegen der in der genannten Bestimmung vorgesehenen Anrechnung eines Teils der bereits vorher entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG von vornherein nur in gekürzter Höhe, kommt im Rahmen der Kostenfestsetzung auch keine darüber hinausgehende Erstattung in Betracht. Für die Anrechnung und damit die von selbst einsetzende Kürzung ist entscheidend, ob und in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr bei vorausgesetzter Identität des Streitgegenstandes entstanden ist, der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Entstehens der Verfahrensgebühr also schon einen Anspruch auf eine Geschäftsgebühr aus seinem vorprozessualen Tätigwerden erlangt hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07 - NJW 2008, 1323 Tz. 6, 10).
8
Das ist hier zu bejahen. Der spätere Prozessbevollmächtigte ist für den Kläger bereits vorgerichtlich tätig geworden, wie sich aus dem von den Parteien im Rechtsstreit vorgelegten Schriftverkehr ergibt. Damit liegen die Voraussetzungen gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG vor. Die Anrechnungsvorschrift findet ihren Grund darin, dass der Gebührenanspruch unter einem aufwandsbezogenen Gesichtspunkt gekürzt wird, weil der Rechtsanwalt aufgrund seiner vorprozessualen Befassung mit der Sache in der Regel nur einen geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand hat (BGH aaO, Tz. 11).
9
Der c) III. Zivilsenat hat sich der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats angeschlossen und sich dessen Ausführungen ausdrücklich zu Eigen gemacht (Beschluss vom 30. April 2008 - III ZB 8/08 - NJW-RR 2008, 1095 Tz. 4); auch der erkennende Senat ist dieser Rechtsprechung beigetreten (Beschluss vom 16. Juli 2008 - IV ZB 24/07 - bei juris abrufbar) und hält trotz der in Rechtsprechung und Schrifttum dagegen erhobenen Bedenken (vgl. KG JurBüro 2008, 304 m. zust. Anm. Schneider , AGS 2008, 218; Schons, AnwBl. 2008, 356; Jungbauer, DAR 2008, 297) an ihr fest.
10
Mithin hätte die Rechtspflegerin bei der von dem Beklagten angegriffenen Kostenfestsetzung die 1,3 Verfahrensgebühr unter Teilanrechnung der wegen desselben Gegenstandes entstandenen Geschäftsgebühr auf eine 0,65 Verfahrensgebühr vermindern müssen.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 19.04.2007 - 27 O 922/07 -
OLG München, Entscheidung vom 30.08.2007 - 11 W 1779/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 133/07
Verkündet am:
25. September 2008
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
RVG VV Vorbemerkung 3 Absatz 4; RVG VV Nr. 2300, 3101
Die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr ist auch auf die verminderte Verfahrensgebühr
anteilig anzurechnen.
BGH, Urteil vom 25. September 2008 - IX ZR 133/07 - LG Chemnitz
AG Hainichen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. September 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter
Raebel und Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann und den Richter
Dr. Pape

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 28. Juni 2007 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger verlangt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall. Die alleinige Verantwortung des bei der Beklagten versicherten Unfallgegners steht außer Streit. Vorprozessual hat die Beklagte insgesamt einen Betrag von 6.351,99 € gezahlt. Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger unter anderem Anwaltskosten in Höhe von 1.460,15 € geltend gemacht. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer über die Höhe der entstandenen Geschäftsgebühr eingeholt. Es hat die Beklagte unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung zur Erstattung von Anwaltskosten in Höhe von 1.175,95 € nebst Zinsen verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verlangt der Kläger restliche Anwaltskosten in Höhe von 284,20 € nebst Zinsen.

Entscheidungsgründe:


2
Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.


3
1. Das Berufungsgericht hat eine Geschäftsgebühr (RVG VV 2400 a.F.; seit dem 1. Juli 2006 wortgleich RVG VV 2300) von 1,3 für erstattungsfähig gehalten. Die Tätigkeit des Anwalts des Klägers sei nicht überdurchschnittlich umfangreich gewesen, sondern habe sich darin erschöpft, die Beklagte - die ihre Einstandspflicht dem Grunde nach anerkannt habe - in zwei Telefonaten und dazu gehörenden Schreiben wegen der ausstehenden Zahlung anzumahnen. Auch nach Schwierigkeit und Bedeutung sei die Sache allenfalls durchschnittlich gewesen. An das Gutachten der Rechtsanwaltskammer, das eine Gebühr von 2,0 für angemessen gehalten habe, sei das Gericht nicht gebunden.
4
2. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
5
a) Der Kläger kann diejenigen Gebühren ersetzt verlangen, die er selbst seinem Anwalt schuldet. Dazu gehört die Geschäftsgebühr nach RVG VV Nr. 2400.
6
b) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Im Rechtsstreit zwischen Anwalt und Mandant über die Billigkeit der vom Anwalt getroffenen Bestimmung (§ 315 Abs. 3 BGB) hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist (§ 14 Abs. 2 Satz 1 RVG). Sinn dieser Regelung ist es, den Sachverstand und die Erfahrung der Rechtsanwaltskammern zur Frage der Angemessenheit der Gebühren fruchtbar zu machen (BT-Drucks. 15/1971, S. 190). Eine Bindung des Gerichts an das Ergebnis des eingeholten Gutachtens sieht das Gesetz jedoch nicht vor. Zu den vergleichbaren Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (§ 12 Abs. 2, § 3 Abs. 3 Satz 2 BRAGO) hat der Senat bereits entschieden, dass das Gutachten der Rechtsanwaltskammer der freien richterlichen Würdigung unterliegt (BGHZ 162, 98, 104; BGH, Urt. v. 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, WM 2004, 1792, 1795). Nichts anderes gilt für § 14 Abs. 2 RVG (vgl. etwa Mayer in Gerold/Schmidt, RVG 18. Aufl. § 14 Rn. 40; Römermann in Hartung/Römermann/Schons, RVG 2. Aufl. § 14 Rn. 108; Jungbauer in Bischof u.a., RVG 2. Aufl. § 14 Rn. 129).
7
Im Rechtsstreit zwischen dem Auftraggeber des Anwalts und einem Dritten , der zur Erstattung der Anwaltskosten verpflichtet ist, soll § 14 Abs. 2 RVG nicht anwendbar sein (BVerwG NJW 2006, 247, 248 Rn. 19). Eine Bindung des Gerichts an ein gleichwohl eingeholtes Gutachten tritt unabhängig davon ebenfalls nicht ein. Das hat das Berufungsgericht nicht verkannt.
8
c) Das Revisionsgericht kann das Beurteilungsermessen des Tatrichters nicht in vollem Umfang nachprüfen. Rechtlich nachprüfbar ist, ob der Begriff der Billigkeit im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB und § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG verkannt worden ist. Nachprüfbar kann ferner sein, ob bei der Beurteilung von Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zutreffende Maßstäbe, auch für eine Differenzierung des anwaltlichen Leistungsbildes innerhalb derselben abstrakten Gebührenangelegenheit, angewendet worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, aaO). Insoweit sind dem Berufungsgericht jedoch keine Fehler vorzuwerfen. Die Revision nimmt die Annahme des angefochtenen Urteils hin, die vom Anwalt des Klägers entfalteten Tätigkeiten seien nach Umfang und Schwierigkeit allenfalls als durchschnittlich zu bezeichnen. Für die Abwicklung eines "durchschnittlichen" oder "normalen" Verkehrsunfalls ist eine Geschäftsgebühr von 1,3 angemessen (BGH, Urt. v. 31. Oktober 2006 - VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420, 421 Rn. 8).
9
d) Entgegen der Ansicht der Revision haben die Parteien dieses Rechtsstreits keinen Schiedsgutachtervertrag (§§ 317, 319 BGB) geschlossen, welcher zu einer Bindung an das Ergebnis des eingeholten Gutachtens führen könnte. Das Berufungsgericht hat die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen Vertrages nicht festgestellt. Die Revision zeigt auch kein vom Berufungsgericht übergangenes Vorbringen der Parteien aus den Tatsacheninstanzen auf, welches den Schluss auf einen Schiedsgutachtervertrag rechtfertigen könnte. Der Schiedsgutachter übernimmt es, als Dritter die einer Vertragspartei obliegende Leistung zu bestimmen (§ 317 Abs. 1 BGB). Auf die von ihm getroffene Bestimmung der Leistung ist § 319 BGB entsprechend anwendbar. Die Bestimmung der Leistung durch ihn ist für die Vertragsparteien grundsätzlich verbindlich (BGHZ 43, 374, 376). Ein Beweisantrag oder eine Beweisanregung im Zivilprozess bedeutet regelmäßig nicht, dass die Partei sich dem Ergebnis der Begutachtung unterwerfen will. Dass die Beklagte eine Geschäftsgebühr von 2,0 in ihre Berechnung eingestellt hat, nachdem das Gutachten der Rechtsanwaltskammer vorlag, stellt weder ein nachträgliches Angebot auf Abschluss eines Schiedsgutachtervertrages noch ein Indiz für einen früheren Vertragsschluss dar.

II.


10
1. Das Berufungsgericht hat ferner eine gemäß RVG VV Nr. 3101 wegen vorzeitiger Erledigung auf 0,8 ermäßigte Verfahrensgebühr (RVG VV Nr. 3100) für erstattungsfähig gehalten. Auf diese Gebühr hat es gemäß RVG VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 die hälftige Geschäftsgebühr nach RVG VV Nr. 2400 von 1,3 angerechnet, so dass nur eine Gebühr von (0,8 – 0,65 =) 0,15 verblieb.
11
2. Auch diese Berechnung ist nicht zu beanstanden.
12
a) Die Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3100 entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (vgl. RVG VV Vorbemerkung 3 Abs. 2), sofern - wie im vorliegenden Fall - bereits Klageauftrag erteilt worden war. War zuvor schon eine Geschäftsgebühr nach RVG VV Nr. 2400 angefallen , die ebenfalls für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information entsteht (RVG VV Vorbemerkung 2.4 Abs. 3), wird diese zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet (RVG VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1). Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vermindert sich durch die anteilige Anrechnung nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr (BGH, Urt. v. 7. März 2007 - VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049, 2050 Rn. 11; Beschl. v. 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323, 1324 f Rn. 6 ff; v. 30. April 2008 - III ZB 8/08, FamRZ 2008, 1346 Rn. 4). Die Anrechnung hat zwingend zu erfolgen.
13
b) Endet der Auftrag, bevor der Anwalt die Klage eingereicht hat, ermäßigt sich die Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3100 auf 0,8 (RVG VV Nr. 3101). Entgegen der Ansicht der Revision ist die Geschäftsgebühr auch auf die verminderte Verfahrensgebühr ("Erledigungsgebühr") anzurechnen.
14
aa) Der Wortlaut der Anrechnungsvorschrift des RVG VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 ist eindeutig. Die Geschäftsgebühr ist auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen, unabhängig davon, ob es sich um die volle Gebühr nach Nr. 3100 oder die verminderte Gebühr nach Nr. 3101 handelt. Auch die verminderte Gebühr nach Nr. 3101 ist eine Gebühr, die im gerichtlichen Verfahren anfällt. Gebührenrechtlich beginnt der "Erste Rechtszug" (so die Überschrift des 1. Abschnitts von Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses) bereits mit der Erteilung des (unbedingten) Klageauftrags, nicht erst mit der Einreichung der Klageschrift bei Gericht (vgl. BGH, Urt. v. 8. Februar 2007 - IX ZR 215/05, NJW-RR 2007, 720 Rn. 11). Dass die Vorschrift der RVG VV Nr. 3101 keinen eigenen Gebührentatbestand enthält, sondern nur eine Unterart der Verfahrensgebühr der Nr. 3100 darstellt, ergibt sich aus dem ebenfalls eindeutigen Wortlaut der genannten Vorschriften.
15
bb) Die Materialien zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (Art. 3 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 12. Februar 2004, BT-Drucks. 15/1971, S. 187 ff, 209, 211) enthalten keinerlei Hinweis darauf, dass die Anrechnungsvorschrift des RVG VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 für die gemäß Nr. 3101 verminderte Verfahrensgebühr nicht gelten soll. Die Beschränkung der Anrechnung auf höchstens einen Gebührensatz von 0,75 könnte umgekehrt auf eine Absicht des Gesetzgebers hindeuten, eine gänzliche Aufzehrung der (verminderten) Verfahrensgebühr durch die Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr auszuschließen.
16
cc) Sinn und Zweck der Anrechnungsvorschriften bleiben bei einer Anwendung auch auf die verminderte Verfahrensgebühr ebenfalls gewahrt. Die Anrechnung soll ausschließen, dass ein und dieselbe Tätigkeit doppelt - durch die Geschäfts- und zusätzlich durch die Verfahrensgebühr - vergütet wird. Der Umfang der durch das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information veranlassten anwaltlichen Tätigkeit wird entscheidend davon beeinflusst, ob der Anwalt durch eine vorgerichtliche Tätigkeit bereits mit der Angelegenheit befasst war. Eine gebührenrechtliche Gleichbehandlung des Anwalts, der unmittelbar einen Prozessauftrag erhält, mit dem Anwalt, der zunächst außergerichtlich tätig war (und diese Tätigkeit gesondert vergütet erhält), ist nicht zu rechtfertigen (BT-Drucks. 15/1971, S. 209). Diese Überlegung gilt unabhängig davon , ob die Klage schließlich eingereicht wird oder ob sich die Sache zuvor anderweitig erledigt.
17
Nach der amtlichen Begründung der Anrechnungsvorschriften ist die Anrechnung außerdem erforderlich, um eine außergerichtliche Erledigung zu fördern. Es müsse der Eindruck vermieden werden, der Anwalt habe ein gebührenrechtliches Interesse an einem gerichtlichen Verfahren. Dieses Interesse kollidiere zwangsläufig mit dem Bestreben einer aufwandsbezogenen Vergütung. Diesen unterschiedlichen Interessen solle die Anrechnungsregel des Absatzes 4 der Vorbemerkung 3 RVG VV gerecht werden (BT-Drucks. 15/1971, S. 209). Die Revision verweist darauf, dass eine Anrechnung auch auf die verminderte Verfahrensgebühr zu deren weiterer Reduzierung führe, was mit dem Bemühen des Gesetzgebers, die außergerichtliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten gebührenrechtlich zu fördern, nicht im Einklang stehe. Diese Überlegung ist nur insofern richtig, als auch die Beilegung zwischen der Erteilung des Klageauftrags und der Klageerhebung prozessual noch eine "außergerichtliche" ist. Dass der Anwalt bei einer Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfah- rensgebühr aus RVG VV 3100 besser steht als bei einer Anrechnung auf die Gebühr aus RVG VV 3101, ist jedoch angemessen, weil er typischerweise für das nicht vorgerichtlich erledigte Verfahren mehr Aufwand treiben muss. Dafür, dass auch die verminderte Verfahrensgebühr durch die Anrechnung nicht völlig aufgezehrt wird, sorgt die Begrenzung der Anrechnung auf einen Gebührensatz von höchstens 0,75.
18
Unterbliebe die Anrechnung im Fall des RVG VV Nr. 3101, führte dies überdies dazu, dass sich die Gebühren des Anwalts, der vor Erteilung des Klageauftrags bereits eine Geschäftsgebühr von mehr als 1,0 verdient hat, durch die Einreichung der Klage zunächst verringerte. Bis zur Einreichung der Klage könnte er dann nämlich die Gebühr nach RVG VV Nr. 3101 von 0,8 anrechnungsfrei beanspruchen. Mit der Einreichung der Klage wäre zwar die Gebühr nach RVG VV Nr. 3100 von 1,3 verdient; auf diese ist jedoch die hälftige Geschäftsgebühr anzurechnen, so dass nur eine Gebühr von weniger als 0,8 verbliebe. Ein solcher Regelungsplan des Gesetzes wäre sinnwidrig. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Einreichung einer Klageschrift mit dem Verlust bereits verdienter Gebühren sanktionieren wollte, finden sich demgemäß weder im Gesetzestext noch in den Materialien zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz.
Ganter Raebel Kayser
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
AG Hainichen, Entscheidung vom 27.09.2006 - 1 C 630/06 -
LG Chemnitz, Entscheidung vom 28.06.2007 - 6 S 391/06 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.