Bundesgerichtshof Beschluss, 11. März 2004 - VII ZB 27/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Die Beklagte hat unter anderem die jetzt noch streitigen Reisekosten ihrer Prozeßbevollmächtigten zu zwei Terminen vor dem Landgericht München I zur Kostenfestsetzung angemeldet. Die Klage ist gegen die Beklagte unter einer Anschrift in S. gerichtet; dort hat die Beklagte nach ihrem Vortrag eine Betriebsstätte. Die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten sind in B. ansässig.Das Landgericht hat die Festsetzung dieser Kosten abgelehnt. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, Reisekosten auswärtiger, am Gerichtsort weder zugelassener noch ansässiger Prozeßbevollmächtigter seien grundsätzlich nicht zu erstatten, wenn die Prozeßbevollmächtigten ihre Kanzlei nicht in der Nähe der Partei hätten. Davon sei hier auszugehen, weil die Beklagte in größerer Entfernung von dem Kanzleisitz der Prozeßbevollmächtigten ansässig sei. In Betracht komme dann nur ein Anspruch auf Erstattung der Kosten einer fiktiven Informationsreise, sofern eine persönliche Information erforderlich gewesen sei. Das sei nicht anzunehmen. 2. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.a) Die unterlegene Partei hat die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dementsprechend sind Reisekosten zur Terminswahrnehmung eines Prozeßbevollmächtigten , der weder bei dem Prozeßgericht zugelassen noch am Gerichtsort ansässig ist, insoweit zu erstatten, als dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war (§ 91 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz ZPO). Ob diese Notwendigkeit gegeben war, bemißt sich danach , was eine vernünftige und kostenorientierte Partei als sachdienlich anse-
hen durfte (Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl. § 91 Rdn. 12; MünchKomm-Belz, ZPO, 2. Aufl., § 91 Rdn. 17). Eine nicht am Gerichtsort ansässige Partei ist in diesem Rahmen kostenrechtlich nicht darauf angewiesen, einen Rechtsanwalt am Ort des Prozeßgerichts mit ihrer Prozeßvertretung zu beauftragen. Vielmehr kann sie grundsätzlich die Kosten ihres Prozeßbevollmächtigten auch dann erstattet verlangen, wenn dieser bei dem Prozeßgericht nicht zugelassen und am Gerichtsort auch nicht ansässig ist. Das hat der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden für den Fall, daß die Partei einen in ihrer Nähe ansässigen Rechtsanwalt beauftragt hat (BGH, Beschluß vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02 - NJW 2003, 898, 900; BGH, Beschluß vom 11. November 2003 - VI ZB 41/03 - EBE/BGH 2004, 11). Ein tragender Grund hierfür ist zunächst die Annahme, daß ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich und gewünscht ist. Damit hat es nicht sein Bewenden. Ebenso gewichtig ist, daß eine Partei ein berechtigtes Interesse haben kann, sich durch den Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen. Dieser weitere Gesichtspunkt ist ein entscheidender Grund gewesen für die Änderung des Lokalisationsprinzips in § 78 ZPO (vgl. BT-Drucks. 12/4993, S. 43 und 53). Das Bundesverfassungsgericht hat seinerseits im Streit um die Singular- oder Simultanzulassung von Rechtsanwälten das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant, das auf Aktenkenntnis im konkreten Fall oder auch auf langjähriger Beratung und erfolgreicher begleitender Zusammenarbeit gründen könne, als einen rechtlich anzuerkennenden Vorteil aus der Sicht des Mandanten gewürdigt (BVerfG, Urteil vom 13. Dezember 2000 - 1 BvR 335/97 - BVerfGE 103, 1, 16). Nichts anderes kann bei der Entscheidung gelten, inwieweit die Kosten des beim Prozeßgericht nicht zugelassenen und am Gerichtsort nicht ansässigen Prozeßbevollmächtigten zu erstatten sind.
Hier ist ebenso wie dem Bedarf an persönlichem Kontakt auch dem Vertrauensverhältnis zwischen der Partei und dem von ihr ausgewählten Rechtsanwalt Rechnung zu tragen. Zu berücksichtigen ist im übrigen, daß einem Zivilprozeß in vielen Fällen vorgerichtliche Auseinandersetzungen vorausgehen. Auch von einer kostenbewußten Partei kann selbst im Interesse der erstattungspflichtigen Gegenpartei nicht erwartet werden, auf den mit der Sache bereits vertrauten Rechtsanwalt zu verzichten und einen neuen Prozeßbevollmächtigten am Gerichtsort zu beauftragen (BGH, Beschluß vom 16. Oktober 2002 aaO).
b) Nach diesen Grundsätzen sind die den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten entstandenen Reisekosten in die Kostenfestsetzung einzubeziehen (zu einem vergleichbaren Sachverhalt siehe auch BGH, Beschluß vom 18. Dezember 2003 – I ZB 21/03, zur Veröffentlichung bestimmt). (1) Die Beklagte war kostenrechtlich nicht darauf beschränkt, in M. ansässige Prozeßbevollmächtigte zu beauftragen. Wie bereits das Landgericht zutreffend erkannt hat, hätte sie ohne kostenrechtliche Nachteile auch Rechtsanwälte aus S. auswählen können. Dann stand es der Beklagten erst recht frei, die in B. ansässigen Rechtsanwälte ihrer Wahl zu beauftragen. Deren Reisekosten nach M. mußten von vornherein geringer ausfallen als diejenigen von Kollegen aus dem viel weiter entfernten Ort, in welchem die Beklagte ansässig ist. Ob direkte mündliche Gespräche zwischen der Beklagten und ihren Prozeßbevollmächtigten stattgefunden haben, ist nicht entscheidend. Die Erstattung der Kosten von Prozeßbevollmächtigten, die in der Nähe der Partei ansässig sind, rechtfertigt sich aus der Annahme, daß in der Regel ein persönliches mündliches Gespräch gesucht wird und erforderlich ist. Die Erstattung der von
der Beklagten geltend gemachten Reisekosten ihrer Prozeßbevollmächtigten wiederum rechtfertigt sich daraus, daß aus der Entfernung zum Gerichtsort nur geringere Kosten entstehen konnten, als es bei Rechtsanwälten aus S. der Fall gewesen wäre. (2) Nicht begründet ist die Befürchtung des Beschwerdegerichts, am Ende könne eine Prozeßpartei jeden beliebigen Rechtsanwalt in der Bundesrepublik Deutschland mit nicht mehr hinnehmbaren Kostenfolgen auswählen. Die unterlegene Partei muß die Kosten tragen, die aus dem Auseinanderfallen von Gerichtsort einerseits und Geschäfts- oder Wohnort einer Prozeßpartei andererseits entstehen. Dementsprechend sind die Reisekosten eines an einem dritten Ort ansässigen Prozeßbevollmächtigten jedenfalls insoweit zu erstatten, als sie sich im Rahmen der Reisekosten halten, die angefallen wären, wenn die Partei einen Prozeßbevollmächtigten entweder am Gerichtsort oder an ihrem Geschäfts- oder Wohnort beauftragt hätte. Ob ausnahmsweise auch darüber hinausgehende Kosten aus der Beauftragung eines an einem dritten Ort ansässigen Prozeßbevollmächtigten zu erstatten sein können, kann offenbleiben. Die Beklagte hat mit Hinblick auf die Entfernung zum Gerichtsort nicht höhere, sondern niedrigere Reisekosten angemeldet als sie bei Prozeßbevollmächtigten aus S. angefallen wären. Reisekosten speziell aufgrund der Entfernung zwischen ihrer Betriebsstätte und dem Kanzleisitz ihrer Prozeßbevollmächtigten schließlich hat die Beklagte nicht geltend gemacht.
III.
Das Beschwerdegericht hat von seinem Standpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen zur Höhe der entstandenen Reisekosten einschließlich der Abwesenheitsgelder getroffen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren können diese Feststellungen nicht nachgeholt werden (§ 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO i.V. mit § 559 ZPO). Der angefochtene Beschluß ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit es die nötigen Feststellungen nachholen kann. Dressler Hausmann Bauner Kniffka WiebelmoreResultsText
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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.
(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.
(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.
(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.