Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2008 - V ZR 97/08


Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Beklagten sind die Erben der am 1. Juli 2007 verstorbenen S. R. (im Folgenden: Verkäuferin). Diese verkaufte mit notariellem Vertrag vom 5. Oktober 2006 ihr mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück zu einem Preis von 150.000 € an die Kläger. Bei einem Auszug der Verkäuferin vor der vereinbarten Kaufpreisfälligkeit sollten Besitz und Nutzungen des Grundstücks schon nach Zahlung eines Kaufpreisteilbetrags von 20.000 € auf die Käufer übergehen.
- 2
- Die Parteien streiten darüber, ob die bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages 85 Jahre alte Verkäuferin, bei der von Gutachtern in einem von dem Amtsgericht Gifhorn geführten Betreuungsverfahren bereits vorher Demenz attestiert worden war, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (noch) geschäftsfähig war. Die Beklagten machen geltend, dass die Verkäuferin geschäftsunfähig gewesen sei.
- 3
- Die Kläger haben die Feststellung der Wirksamkeit des notariellen Kaufvertrages vom 5. Oktober 2006 sowie die Übergabe des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrags von 20.000 € sowie außergerichtlicher Anwaltskosten von 1.520,92 € verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der Beklagten, deren Zurückweisung die Kläger beantragen.
II.
- 4
- Das angefochtene Berufungsurteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben , weil das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
- 5
- 1. Die tatrichterliche Beweiswürdigung verletzt dann das Recht einer Partei auf rechtliches Gehör, wenn das Gericht dabei deren Vortrag und die aus der Akte ersichtlichen Erkenntnismöglichkeiten nicht in Erwägung zieht (BGH, Beschl. v. 7. Februar 2007, IV ZR 249/06, VersR 2007, 833). Das gilt erst recht, wenn der Tatrichter zur Begründung seiner Beweiswürdigung sich über den von einer Partei vorgetragenen Sachverhalt, den diese anhand einer beigezogenen Akte belegt hat, hinwegsetzt und mit dem Akteninhalt unvereinbare Feststellungen getroffen hat. So ist es hier.
- 6
- a) Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht das Ergebnis des in der beigezogenen Akte über das Betreuungsverfahren enthaltene Gutachten Dr. B. vom 4. Dezember 2006, welches dieser auf Grund eines Besuches der Verkäuferin am 7. November 2006 erstellt hatte, sinnentstellend wiedergegeben hat.
- 7
- Das Gutachten enthält eine deutliche Stellungnahme des Gutachters zur Schwere der Erkrankung der Verkäuferin. Es wird darin ausgeführt, dass die Verkäuferin jeden Überblick über ihre finanzielle Situation verloren habe, ihre Einkünfte nicht kenne, keine Auskünfte über ihre Vermögensverhältnisse geben könne und zudem nicht realisiert habe, dass der Verkauf ihres Hauses nicht mehr bloße Planung sei. Das Gutachten schließt mit der Feststellung, dass die Verkäuferin auf Grund ihrer psychischen Erkrankung nicht in der Lage sei, Aufgaben der Gesundheitssorge und der Vermögenssorge, Post-, Rechts-, Antrags - und Behördenangelegenheiten selbstständig und angemessen zu erledigen. Hinsichtlich der Gesundheitssorge sei ein Aufenthaltsbestimmungsrecht und hinsichtlich der Vermögenssorge wegen der vorliegenden Gefährdungsgründe die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts erforderlich (BA 161).
- 8
- Diese Ausführungen im Gutachten sind mit der Feststellung im angefochtenen Urteil schlechthin unvereinbar, dass der Gutachter die Schwere der Demenzerkrankung nicht aktenkundig gemacht habe. Das Berufungsgericht hat sich damit (auch) über das Vorbringen der Beklagten hinweggesetzt. Die Nichtzulassungsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass die Beklagten zu dem Gutachten umfassend unter Bezugnahme auf die beigezogene Akte des Betreuungsverfahrens vorgetragen haben.
- 9
- b) Eine weitere Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör liegt darin, dass das Berufungsgericht angenommen hat, dass dritte Personen - wie die Grundstücksmaklerin - von der von den Beklagten behaupteten Geschäftsunfähigkeit der Verkäuferin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstücksgeschäfts nichts bemerkt hätten.
- 10
- Die Nichtzulassungsbeschwerde verweist zutreffend auf den gegenteiligen Vortag der Beklagten, dass der Maklerin die Geschäftsunfähigkeit der Verkäuferin bekannt gewesen sei, wozu sie sich auf das Protokoll über die Anhörung der Verkäuferin in deren Wohnung durch die Vormundschaftsrichterin am 18. Dezember 2006 bezogen haben. In diesem ist vermerkt, dass die Maklerin anlässlich eines am Anhörungstermin zufällig mit der Verkäuferin geführten Telefonates dieser geraten habe, nichts zu unterschreiben, und diese Empfehlung gegenüber der Vormundschaftsrichterin damit begründet habe, dass die Verkäuferin in komplexeren Dingen häufig nicht wisse, was sie denn unterschreibe.
- 11
- c) Die Verletzungen des Verfahrensgrundrechts nach Art. 103 Abs. 1 GG betreffen einen entscheidungserheblichen Punkt. Die Klage auf Feststellung der Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrages wäre wegen Nichtigkeit der vertraglichen Erklärungen der Verkäuferin (§ 105 Abs. 1 BGB) unbegründet, wenn diese wegen eines fortgeschritten Demenzprozesses in dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschäftsunfähig gewesen wäre. Der übergangene Vortrag der Beklagten bezieht sich auf die Feststellungen, die das Berufungsgericht seiner Beweiswürdigung zugrunde gelegt hat.
- 12
- 2. Der Senat hat von der auch in dem Verfahren nach § 544 Abs. 7 ZPO bestehenden Möglichkeit, die Sache gem. § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückzuverweisen (vgl. Senat, Beschl. v. 1. Februar 2007, V ZR 200/06, NJW-RR 2007, 1221), Gebrauch gemacht.
Krüger Klein Stresemann
Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Hildesheim, Entscheidung vom 08.11.2007 - 3 O 61/07 -
OLG Celle, Entscheidung vom 30.04.2008 - 4 U 8/08 -

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.