Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Feb. 2020 - V ZR 29/15

published on 13/02/2020 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Feb. 2020 - V ZR 29/15
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Amtsgericht Marbach, 1 C 35/13 WEG, 19/06/2013
Landgericht Stuttgart, 10 S 34/13, 23/12/2014

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 29/15
vom
13. Februar 2020
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2020:130220BVZR29.15.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Februar 2020 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:
Von den Kosten des übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärten Rechtsstreits tragen 1. die Kosten der ersten Instanz die Klägerin zu 52 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 48 %, 2. die Kosten des Berufungsverfahrens die Klägerin zu 45 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 55 % und 3. die Kosten des Revisionsverfahrens die Klägerin zu 37 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 63 %.
Der Gegenstandswert des Revisionsverfahrens beträgt 2.922,55 €.

Gründe:


I.


1
Die Beklagten sind Mitglieder der klagenden Wohnungseigentümerge- meinschaft. Diese hat von ihnen Zahlung von 4.900,19 € an Hausgeldrückstän- den aus den bestandskräftigen Einzelabrechnungen für die Jahre 2008 bis 2011 und dem bestandskräftigen Wirtschaftsplan 2012 nebst Zinsen verlangt. Das Amtsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Landge- richt hat die Verurteilung der Beklagten auf einen Betrag von 3.450,19 € nebst Zinsen reduziert. Die Beklagten haben die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Später haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.

II.

2
1. Über die Kosten des in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Rechtsstreits ist gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Danach sind die Kosten wie erkannt zu verteilen.
3
a) Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand war die Klage bei der übereinstimmenden Erledigungserklärung teilweise begründet, teilweise war ihr Erfolg offen, weil die Revision insoweit zu einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht geführt hätte.
4
aa) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind in den Abrechnungen zu Recht auch die Kosten für angeschaffte, aber noch nicht verbrauchte Brennstoffe berücksichtigt worden. Solche Kosten sind nach der Rechtsprechung des Senats mangels einer entsprechenden Regelung in der Heizkostenverordnung zunächst nach dem allgemeinen, in § 16 Abs. 2 WEG bestimmten oder einem sonst vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel zu verteilen (Senat, Urteil vom 17. Februar 2012 - V ZR 251/10, GuT 2012, 261 Rn. 17). Die Klage war deshalb auch in Höhe eines weiteren für diese Kosten anzusetzenden Betrages von 766,56 € begründet.
5
bb) Hinsichtlich der im Revisionsverfahren danach ursprünglich noch streitgegenständlichen Hausgeldrückstände von 2.155,99 € waren die Kosten zu teilen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts werden die Hausgeld- rückstände der einzelnen Wohnungseigentümer, die in den aus der Jahresabrechnung abgeleiteten Einzelabrechnungen aufgeführt sind, von der Bestandskraft der Jahresabrechnung nicht erfasst. Im Streitfall ist deshalb auch bei einer bestandskräftig gewordenen Jahresabrechnung der Umfang der Rückstände festzustellen. Das ist hier unterblieben. Mangels entsprechender Aufklärung sind die auf diesen Teil der Forderung entfallenden Kosten hälftig zu teilen. Im Einzelnen:
6
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats haben die Wohnungseigentümer nicht die Kompetenz, bereits entstandene, indes noch nicht erfüllte Zahlungsverpflichtungen eines Wohnungseigentümers etwa in der Jahresabrechnung erneut zu beschließen und zu begründen. Folge der fehlenden Kompetenz der Wohnungseigentümer ist aber nur die Nichtigkeit des Beschlussteils, mit dem die Ansprüche auf Zahlung rückständiger Beiträge neu begründet werden sollten (Senat, Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 147/11, ZfIR 2012, 365 Rn. 8 u. 13 a.E.). Das haben die Vorinstanzen gesehen und deshalb die in den Abrechnungen jeweils angeführten Rückstände aus den Vorjahren unberücksichtigt gelassen.
7
(2) Der Beschluss über die Jahresabrechnung wirkt anspruchsbegründend nur hinsichtlich des auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Betrages, welcher die in dem Wirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr beschlossenen Vorschüsse übersteigt (sog. Abrechnungsspitze). Zahlungsverpflichtungen , die durch frühere Beschlüsse entstanden sind, bleiben hierdurch unberührt. Dies gilt insbesondere für die in dem Wirtschaftsplan des abzurechnenden Jahres beschlossenen und damit nach § 28 Abs. 2 WEG geschuldeten Vorschüsse (Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 171/11, ZfIR 2012, 635 Rn. 20 mwN). In Bestandskraft erwächst deshalb auch nur die Abrechnungsspitze. Nur deren Berechnung kann nach Eintritt der Bestandskraft nicht mehr infrage gestellt werden (Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 113/11, ZWE 2012, 90 a.E. [= Rn. 12]). In der Jahresabrechnung aufgeführte Rückstände auf das Hausgeld gehören dagegen nicht zur Abrechnungsspitze. Sie beruhen vielmehr auf dem vorher beschlossenen Wirtschaftsplan. Infolgedessen erwächst ihre Berechnung auch nicht in Bestandskraft. Das hat das Oberlandesgericht München entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zutreffend erkannt (NJW-RR 2013, 264, 265).
8
cc) Der Betrag von 550 € für Baumfällarbeiten, in dessen Höhe die Parteien den Rechtsstreit im Berufungsverfahren für erledigt erklärt haben, war für die Kosten des Berufungsverfahrens entsprechend der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen.
9
b) Der für die Verteilung der Kosten maßgebliche Teilerfolg der Klage fällt in den einzelnen Instanzen unterschiedlich aus, weil sich der Streitgegenstand in den Instanzen verändert hat. Er gestaltet sich im Einzelnen wie folgt: Verfahren erster Instanz: eingeklagt 4.900,19 € begründet Heizölkosten 766,56 € akzeptierte Kosten 527,64 € ½ Hausgeldrest 1.078,00 € = 2.372,20 € Erfolg = 48 % Berufungsverfahren: eingeklagt (4.900,19 € - 527,64 € =) 4.372,55 € begründet Heizölkosten 766,56 € ½ Hausgeldrest 1.078,00 € Baumfällarbeiten 550,00 € = 2.394,56 € Erfolg = 55 % Revisionsverfahren: eingeklagt (3.450,19 € - 527,64 € =) 2.922,55 € begründet Heizölkosten 766,56 € ½ Hausgeldrest 1.078,00 € = 1.844,56 € Erfolg = 63 %
10
Das führt zu der ausgesprochenen instanzenweise unterschiedlichen Verteilung der Kosten.
11
2. Der Gegenstandswert des Revisionsverfahrens entspricht dem noch streitigen Teil der durch das Berufungsurteil neugefassten Zahlungsverurteilung der Beklagten. Von dem Zahlungsbetrag in Höhe von 3.450,19 € ist deshalb der Betrag von 527,64 € abzuziehen (von den Beklagten bereits in zweiter Instanz „akzeptierte Kosten“). Das führt zu einem Gegenstandswert für das Revisionsverfahren von 2.922,55 €.
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner
Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Marbach am Neckar, Entscheidung vom 19.06.2013 - 1 C 35/13 WEG -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 23.12.2014 - 10 S 34/13 -
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(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile. Jeder Wohnungseigentümer ist zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe des § 14 berechtigt.

(2) Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.

(3) Für die Kosten und Nutzungen bei baulichen Veränderungen gilt § 21.

(1) Die Wohnungseigentümer beschließen über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den nach § 19 Absatz 2 Nummer 4 oder durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen. Zu diesem Zweck hat der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der darüber hinaus die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben enthält.

(2) Nach Ablauf des Kalenderjahres beschließen die Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Zu diesem Zweck hat der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan (Jahresabrechnung) aufzustellen, die darüber hinaus die Einnahmen und Ausgaben enthält.

(3) Die Wohnungseigentümer können beschließen, wann Forderungen fällig werden und wie sie zu erfüllen sind.

(4) Der Verwalter hat nach Ablauf eines Kalenderjahres einen Vermögensbericht zu erstellen, der den Stand der in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Rücklagen und eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens enthält. Der Vermögensbericht ist jedem Wohnungseigentümer zur Verfügung zu stellen.