vorgehend
Amtsgericht Marbach, 1 C 35/13 WEG, 19.06.2013
Landgericht Stuttgart, 10 S 34/13, 23.12.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 29/15
vom
13. Februar 2020
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2020:130220BVZR29.15.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Februar 2020 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:
Von den Kosten des übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärten Rechtsstreits tragen 1. die Kosten der ersten Instanz die Klägerin zu 52 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 48 %, 2. die Kosten des Berufungsverfahrens die Klägerin zu 45 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 55 % und 3. die Kosten des Revisionsverfahrens die Klägerin zu 37 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 63 %.
Der Gegenstandswert des Revisionsverfahrens beträgt 2.922,55 €.

Gründe:


I.


1
Die Beklagten sind Mitglieder der klagenden Wohnungseigentümerge- meinschaft. Diese hat von ihnen Zahlung von 4.900,19 € an Hausgeldrückstän- den aus den bestandskräftigen Einzelabrechnungen für die Jahre 2008 bis 2011 und dem bestandskräftigen Wirtschaftsplan 2012 nebst Zinsen verlangt. Das Amtsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Landge- richt hat die Verurteilung der Beklagten auf einen Betrag von 3.450,19 € nebst Zinsen reduziert. Die Beklagten haben die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Später haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.

II.

2
1. Über die Kosten des in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Rechtsstreits ist gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Danach sind die Kosten wie erkannt zu verteilen.
3
a) Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand war die Klage bei der übereinstimmenden Erledigungserklärung teilweise begründet, teilweise war ihr Erfolg offen, weil die Revision insoweit zu einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht geführt hätte.
4
aa) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind in den Abrechnungen zu Recht auch die Kosten für angeschaffte, aber noch nicht verbrauchte Brennstoffe berücksichtigt worden. Solche Kosten sind nach der Rechtsprechung des Senats mangels einer entsprechenden Regelung in der Heizkostenverordnung zunächst nach dem allgemeinen, in § 16 Abs. 2 WEG bestimmten oder einem sonst vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel zu verteilen (Senat, Urteil vom 17. Februar 2012 - V ZR 251/10, GuT 2012, 261 Rn. 17). Die Klage war deshalb auch in Höhe eines weiteren für diese Kosten anzusetzenden Betrages von 766,56 € begründet.
5
bb) Hinsichtlich der im Revisionsverfahren danach ursprünglich noch streitgegenständlichen Hausgeldrückstände von 2.155,99 € waren die Kosten zu teilen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts werden die Hausgeld- rückstände der einzelnen Wohnungseigentümer, die in den aus der Jahresabrechnung abgeleiteten Einzelabrechnungen aufgeführt sind, von der Bestandskraft der Jahresabrechnung nicht erfasst. Im Streitfall ist deshalb auch bei einer bestandskräftig gewordenen Jahresabrechnung der Umfang der Rückstände festzustellen. Das ist hier unterblieben. Mangels entsprechender Aufklärung sind die auf diesen Teil der Forderung entfallenden Kosten hälftig zu teilen. Im Einzelnen:
6
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats haben die Wohnungseigentümer nicht die Kompetenz, bereits entstandene, indes noch nicht erfüllte Zahlungsverpflichtungen eines Wohnungseigentümers etwa in der Jahresabrechnung erneut zu beschließen und zu begründen. Folge der fehlenden Kompetenz der Wohnungseigentümer ist aber nur die Nichtigkeit des Beschlussteils, mit dem die Ansprüche auf Zahlung rückständiger Beiträge neu begründet werden sollten (Senat, Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 147/11, ZfIR 2012, 365 Rn. 8 u. 13 a.E.). Das haben die Vorinstanzen gesehen und deshalb die in den Abrechnungen jeweils angeführten Rückstände aus den Vorjahren unberücksichtigt gelassen.
7
(2) Der Beschluss über die Jahresabrechnung wirkt anspruchsbegründend nur hinsichtlich des auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Betrages, welcher die in dem Wirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr beschlossenen Vorschüsse übersteigt (sog. Abrechnungsspitze). Zahlungsverpflichtungen , die durch frühere Beschlüsse entstanden sind, bleiben hierdurch unberührt. Dies gilt insbesondere für die in dem Wirtschaftsplan des abzurechnenden Jahres beschlossenen und damit nach § 28 Abs. 2 WEG geschuldeten Vorschüsse (Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 171/11, ZfIR 2012, 635 Rn. 20 mwN). In Bestandskraft erwächst deshalb auch nur die Abrechnungsspitze. Nur deren Berechnung kann nach Eintritt der Bestandskraft nicht mehr infrage gestellt werden (Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 113/11, ZWE 2012, 90 a.E. [= Rn. 12]). In der Jahresabrechnung aufgeführte Rückstände auf das Hausgeld gehören dagegen nicht zur Abrechnungsspitze. Sie beruhen vielmehr auf dem vorher beschlossenen Wirtschaftsplan. Infolgedessen erwächst ihre Berechnung auch nicht in Bestandskraft. Das hat das Oberlandesgericht München entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zutreffend erkannt (NJW-RR 2013, 264, 265).
8
cc) Der Betrag von 550 € für Baumfällarbeiten, in dessen Höhe die Parteien den Rechtsstreit im Berufungsverfahren für erledigt erklärt haben, war für die Kosten des Berufungsverfahrens entsprechend der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen.
9
b) Der für die Verteilung der Kosten maßgebliche Teilerfolg der Klage fällt in den einzelnen Instanzen unterschiedlich aus, weil sich der Streitgegenstand in den Instanzen verändert hat. Er gestaltet sich im Einzelnen wie folgt: Verfahren erster Instanz: eingeklagt 4.900,19 € begründet Heizölkosten 766,56 € akzeptierte Kosten 527,64 € ½ Hausgeldrest 1.078,00 € = 2.372,20 € Erfolg = 48 % Berufungsverfahren: eingeklagt (4.900,19 € - 527,64 € =) 4.372,55 € begründet Heizölkosten 766,56 € ½ Hausgeldrest 1.078,00 € Baumfällarbeiten 550,00 € = 2.394,56 € Erfolg = 55 % Revisionsverfahren: eingeklagt (3.450,19 € - 527,64 € =) 2.922,55 € begründet Heizölkosten 766,56 € ½ Hausgeldrest 1.078,00 € = 1.844,56 € Erfolg = 63 %
10
Das führt zu der ausgesprochenen instanzenweise unterschiedlichen Verteilung der Kosten.
11
2. Der Gegenstandswert des Revisionsverfahrens entspricht dem noch streitigen Teil der durch das Berufungsurteil neugefassten Zahlungsverurteilung der Beklagten. Von dem Zahlungsbetrag in Höhe von 3.450,19 € ist deshalb der Betrag von 527,64 € abzuziehen (von den Beklagten bereits in zweiter Instanz „akzeptierte Kosten“). Das führt zu einem Gegenstandswert für das Revisionsverfahren von 2.922,55 €.
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner
Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Marbach am Neckar, Entscheidung vom 19.06.2013 - 1 C 35/13 WEG -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 23.12.2014 - 10 S 34/13 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache


(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 16 Nutzungen und Kosten


(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 28 Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht


(1) Die Wohnungseigentümer beschließen über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den nach § 19 Absatz 2 Nummer 4 oder durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen. Zu diesem Zweck hat der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufz

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 171/11 Verkündet am: 1. Juni 2012 Lesniak Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

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(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile. Jeder Wohnungseigentümer ist zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe des § 14 berechtigt.

(2) Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.

(3) Für die Kosten und Nutzungen bei baulichen Veränderungen gilt § 21.

17
Hinsichtlich der Umlage der verausgabten Gelder für die angeschafften, aber noch nicht verbrauchten Brennstoffe enthält die Heizkostenverordnung keine Regelung. Diese Kosten sind daher zunächst nach dem allgemeinen, in § 16 Abs. 2 WEG bestimmten oder nach einem ansonsten vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel zu verteilen (vgl. Drasdo, NZM 2010, 681, 683).
8
c) Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, die Einbeziehung von Vorjahresrückständen in eine Jahresabrechnung stehe einem bloßen Abrechnungsfehler gleich und habe deshalb nur die Anfechtbarkeit , nicht aber die Nichtigkeit des Beschlusses über die Abrechnung zur Folge.

(1) Die Wohnungseigentümer beschließen über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den nach § 19 Absatz 2 Nummer 4 oder durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen. Zu diesem Zweck hat der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der darüber hinaus die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben enthält.

(2) Nach Ablauf des Kalenderjahres beschließen die Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Zu diesem Zweck hat der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan (Jahresabrechnung) aufzustellen, die darüber hinaus die Einnahmen und Ausgaben enthält.

(3) Die Wohnungseigentümer können beschließen, wann Forderungen fällig werden und wie sie zu erfüllen sind.

(4) Der Verwalter hat nach Ablauf eines Kalenderjahres einen Vermögensbericht zu erstellen, der den Stand der in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Rücklagen und eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens enthält. Der Vermögensbericht ist jedem Wohnungseigentümer zur Verfügung zu stellen.

20
aa) Der Beschluss über die Jahresabrechnung wirkt anspruchsbegründend nur hinsichtlich des auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Betrages, welcher die in dem Wirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr beschlossenen Vorschüsse übersteigt (sog. Abrechnungsspitze; vgl. Senat, Beschluss vom 30. November 1995 - V ZB 16/95, BGHZ 131, 228, 231 f.; Be- schluss vom 23. September 1999 - V ZB 17/99, BGHZ 142, 290, 296; Urteil vom 4. Dezember 2009 - V ZR 44/09, NJW 2010, 2127, 2128 Rn. 13). Zahlungsverpflichtungen , die durch frühere Beschlüsse entstanden sind, bleiben hierdurch unberührt. Dies gilt insbesondere für die in dem Wirtschaftsplan des abzurechnenden Jahres beschlossenen und damit nach § 28 Abs. 2 WEG geschuldeten Vorschüsse (vgl. Senat, Beschluss vom 30. November 1995 - V ZB 16/95, aaO; Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 147/11 ZfIR 2012, 365) und unabhängig davon, ob zwischenzeitlich ein Eigentümerwechsel stattgefunden hat (unzutreffend daher: OLG Hamm, NJW-RR 2009, 1388).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
V ZR 113/11 Verkündet am:
2. Dezember 2011
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28. April 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 7. Mai 2010 auf die Berufung der Klägerin abgeändert. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Siegburg vom 8. Januar 2010 wird auch insoweit aufrechterhalten, als der Beklagte zur Zahlung von 2.085,31 € nebst Zinsen verurteilt worden ist.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte erwarb Anfang 2005 fünf Wohnungen in einer Wohnungseigentumsanlage. Der wirtschaftliche Übergang der Wohnungen von der Voreigentümerin auf den Beklagten fand im Februar 2005 und im Mai 2005 statt. Die Eigentumsumschreibung erfolgte im Juni 2005. Die Klägerin ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
2
Im Frühjahr 2005 verklagte die Klägerin die Voreigentümerin der Wohnungen auf Zahlung der Wohngelder für 2004 und 2005. Aufgrund eines dinglichen Arrests wurde die Kaufpreisforderung der Voreigentümerin aus dem Verkauf der Wohnungen bis zu einem Höchstbetrag von 20.177,94 € gepfändet und der Betrag im April 2005 an die Klägerin gezahlt. Diese verrechnete die Forderung mit dem rückständigen Wohngeld der Voreigentümerin für 2004 sowie mit deren Wohngeldverbindlichkeiten bis zum wirtschaftlichen Übergang der Wohnungen auf den Beklagten im Jahr 2005. Außerdem nahm die Klägerin eine Verrechnung mit den festgesetzten Kosten des Wohngeldverfahrens und weiteren Verfahrenskosten vor.
3
In der Eigentümerversammlung vom 17. Oktober 2006 wurden die Abrechnungen für das Wirtschaftsjahr 2004 und 2005 beschlossen, aus denen sich, weil die Kosten höher waren als die nach dem Wirtschaftsplan beschlossenen Vorschüsse, Nachforderungen an die Wohnungseigentümer ergaben. Die Einzelabrechnungen für die fünf verkauften Wohnungen sind für das Jahr 2004 und für das Jahr 2005 bis zum wirtschaftlichen Übergang auf den Beklagten an die Voreigentümerin adressiert. Sie weisen als Abrechnungsspitze Nachforderungen für 2004 in Höhe von 5.716,69 € und für 2005 in Höhe von 659,32 € aus. Für die Zeit nach dem wirtschaftlichen Übergang der Wohnungen auf den Beklagten sind die Abrechnungen an diesen adressiert und weisen ei- nen Nachzahlungsbetrag von 1.382,13 € aus.
4
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten - unter Verrechnung eines Überschusses von 4.290,70 € aus der damaligen Pfändung bei der Voreigentümerin - Zahlung von 3.467,44 € nebst Zinsen aus den Abrechnungen 2004 und 2005. Das Amtsgericht hat, nachdem es gegen den Beklagten zunächst ein Versäumnisurteil erlassen hatte, die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 1.382,13 € verurteilt. Gegen die Klageabwei- sung im Übrigen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Nach Ansicht des Berufungsgerichts haftet der Beklagte nicht für die Forderungen aus den an die Voreigentümerin adressierten Jahresabrechnungen. Die Genehmigungsbeschlüsse der Eigentümergemeinschaft seien dahingehend auszulegen, dass die Nachzahlungsbeträge entsprechend der Adressierung in den Abrechnungen für 2004 sowie in den Teilabrechnungen für 2005 gegenüber der Voreigentümerin geltend gemacht werden sollen. Angesichts des langen Zeitablaufs zwischen der Eintragung des Beklagten als Eigentümer und der Beschlussfassung handle es sich nicht um eine rechtlich nicht zu beachtende Falschbezeichnung. Zudem trage die Klägerin selbst vor, sie habe die Abrechnungen auf Wunsch des Beklagten ausdrücklich an die Voreigentümerin adressiert.

II.

6
Der Beklagte war trotz rechtzeitiger Bekanntmachung im Verhandlungstermin nicht vertreten. Deshalb ist über den Revisionsantrag der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82).
7
Die Revision ist begründet. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung des noch offenen Abrechnungsbetrages in Höhe von 2.085,31 € aus den Abrechnungen für das Wirtschaftsjahr 2004 und aus den (Teil-) Abrechnungen für das Wirtschaftsjahr 2005 verneint.
8
1. Die Beschlüsse der Wohnungseigentümer über die Jahresabrechnungen 2004 und 2005 begründen, auch soweit die Einzelabrechnungen an die Voreigentümerin adressiert sind, eine Zahlungsverpflichtung des Beklagten.
9
a) Nach § 16 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer den anderen gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen. Nach § 28 WEG hat der Verwalter für jeweils ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen und nach Ablauf des Kalenderjahres eine Abrechnung zu erstellen; über Wirtschaftsplan und Abrechnung beschließen die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit. Ihre Verpflichtung im Innenverhältnis erfolgt nicht bereits mit Entstehung der Lasten und Kosten, sondern erst durch den Beschluss. Daraus folgt zugleich, dass ein solcher Beschluss Verbindlichkeiten nur für und gegen die bei Beschlussfassung eingetragenen Wohnungseigentümer , nicht aber für deren Rechtsvorgänger begründen kann, denn sonst läge insoweit ein - unzulässiger - Gesamtakt zu Lasten Dritter vor. Umgekehrt rechtfertigt sich die Verpflichtung der aktuellen Wohnungseigentümer im Zeitpunkt der Beschlussfassung aus § 16 Abs. 2 WEG (Senat, Beschluss vom 21. April 1988 - V ZB 10/87, BGHZ 104, 197, 203; Beschluss vom 30. November 1995 - V ZB 16/95, BGHZ 131, 228, 230; Beschluss vom 23. September 1999 - V ZB 17/99, BGHZ 142, 290, 296 f.).
10
b) Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht an, abweichend von diesen Grundsätzen seien im vorliegenden Fall die Beschlüsse über die Genehmigung der Gesamt- und Einzelabrechnungen dahingehend auszulegen, dass die Nachzahlungsbeträge, soweit die Abrechnungen an die Voreigentümerin adressiert sind, nicht gegenüber dem Beklagten, sondern gegenüber der Voreigentümerin geltend gemacht werden sollen. Diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich zwar nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. nur Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 546 Rn. 9 mwN), in diesem Rahmen aber zu beanstanden.
11
Welche Zahlungspflichten durch den Beschluss der Wohnungseigentümer begründet werden sollen, bestimmt sich nach dem darin zum Ausdruck gebrachten rechtsgeschäftlichen Willen der sie beschließenden Mehrheit. Inhalt und Umfang der gewollten Rechtsbindung können deshalb nur im Wege einer Auslegung des gefassten Beschlusses ermittelt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 23. September 1999 - V ZB 17/99, BGHZ 142, 290, 296). Das Berufungsgericht hat wesentliche Auslegungsgesichtspunkte nicht berücksichtigt. Es stellt allein darauf ab, dass zwischen der Eintragung des Beklagten als Wohnungseigentümer und der Beschlussfassung über die Abrechnungen ein längerer Zeitraum gelegen habe und die Adressierung - nach dem Vortrag der Klägerin auf Wunsch des Beklagten - bewusst an die Voreigentümerin erfolgt sei. Nicht in den Blick genommen hat das Berufungsgericht den bereits angesprochenen Umstand, dass die Verpflichtung der aus der Eigentümergemeinschaft ausge- schiedenen Voreigentümerin ein unzulässiger Gesamtakt zu Lasten eines Dritten wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Februar 1994 - V ZB 43/93, NJW 1994, 2950, 2953). Bereits dies spricht dafür, dass die Wohnungseigentümer dem Beklagten lediglich den internen Forderungsausgleich gegenüber der Voreigentümerin erleichtern und sie nicht entgegen der Rechtsordnung eine Schuld der Voreigentümerin begründen wollten. Hinzukommt, dass die Wohnungseigentümer die Voreigentümerin wegen der Verpflichtungen aus den Wirtschaftsplänen , die durch die Abrechnung nicht berührt werden (Senat, Beschluss vom 30. November 1995 - V ZB 16/95, BGHZ 131, 228, 231 f.), erfolgreich gerichtlich in Anspruch genommen, diese Einnahmen in der Abrechnung berücksichtigt und sie keine rechtliche Möglichkeit hatten, die durch die Vorschüsse nicht gedeckten Mehrkosten nach deren Ausscheiden aus der Gemeinschaft gegen die Voreigentümerin durchzusetzen. Unter diesen Umständen erscheint die Annahme , dass sie abweichend von § 16 Abs. 2 WEG den Beklagten nicht in die Haftung nehmen und stattdessen unter Überschreitung ihrer Kompetenz eine - nichtige - Abrechnungsforderung gegen die Voreigentümerin begründen wollten , wenig lebensnah. Schließlich macht auch die Regelung in § 9 Nr. 12 der Teilungserklärung, wonach Käufer und Verkäufer im Jahr des Wohnungswechsels als Gesamtschuldner haften, deutlich, dass das Interesse der Wohnungseigentümer darin besteht, den neuen Wohnungseigentümer möglichst weitgehend in die Zahlungspflicht für die Kosten und Lasten einzubeziehen. Auch dies spricht dagegen, dass die Wohnungseigentümer den rechtsgeschäftlichen Willen hatten, anstelle des Wohnungseigentümers die Voreigentümerin mit den Kosten zu belasten.
12
2. Unerheblich ist der Einwand des Beklagten, die Einzelabrechnungen seien unzutreffend, da die Klägerin bei der Ermittlung der Abrechnungsspitze, d.h. des anteilig auf die einzelnen Wohnungseigentümer umgelegten Betrages, um den die mit dem Wirtschaftsplan beschlossenen (Soll-)Vorschüsse hinter den tatsächlich entstandenen Lasten und Kosten zurückbleiben (BGH, Urteil vom 10. März 1994 - IX ZR 98/93, NJW 1994, 1866, 1867), zu Unrecht den der Voreigentümerin aufgrund der Pfändung gutgeschriebenen Betrag nicht in vollem Umfang berücksichtigt, sondern ihn in Höhe von 3.397,30 € mit den festgesetzten Kosten des Wohngeldverfahrens und weiteren Verfahrenskosten verrechnet habe. Der Eigentümerbeschluss über die Jahres- und Einzelabrechnungen für 2004 und 2005 ist bestandskräftig geworden. Auf eine eventuelle Fehlerhaftigkeit des Beschlusses kommt es daher nicht an, da auch eine fehlerhafte , aber bestandskräftig beschlossene Abrechnung verbindlich ist. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Beschlüsse liegen nicht vor, insbesondere führt die Adressierung der für die Wohnungen des Beklagten bestimmten Abrechnung an den Voreigentümer nicht zur Nichtigkeit der Beschlussfassung (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Februar 1994 - V ZB 43/93, NJW 1994, 2950,

2953).


III.

13
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes erfolgt und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt dazu, dass das von dem Amtsgericht erlassene Versäumnisurteil auch insoweit aufrechtzuerhalten ist, als der Beklagte zur Zahlung von 2.085,31 € nebst Zinsen (§ 280 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. §§ 286, 288 BGB) verurteilt worden ist.

IV.

14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Krüger Lemke RiBGH Prof. Dr. Schmidt-Räntsch ist infolge Urlaubs verhindert zu unterschreiben. Krüger Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Siegburg, Entscheidung vom 07.05.2010 - 150 C 160/09 -
LG Köln, Entscheidung vom 28.04.2011 - 29 S 112/10 -