Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Mai 2012 - V ZR 215/11

published on 10.05.2012 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Mai 2012 - V ZR 215/11
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Previous court decisions
Landgericht Stralsund, 7 O 58/08, 15.12.2009
Oberlandesgericht Rostock, 3 U 17/10, 25.08.2011

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 215/11
vom
10. Mai 2012
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2012 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und
Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 25. August 2011 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 25.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Parteien sind jeweils Eigentümer aneinander grenzender Doppelhaushälften. Anlässlich von der Stadt geplanter Straßenbauarbeiten wurde die Doppelhaushälfte der Beklagten im April 2007 auf ihren baulichen Zustand untersucht. Ein Sachverständiger stellte den teilweisen Befall mit echtem Hausschwamm und die daraus resultierende Gefahr des Einsturzes des gesamten Gebäudes fest. Die mit den Straßenbauarbeiten beauftragte Firma ließ darauf- hin Sicherungsmaßnahmen an der Doppelhaushälfte der Beklagten zur Vermeidung der Einsturzgefahr vornehmen.
2
Auf die Klage der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte im Wege eines Versäumnisurteils verurteilt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um die Gefahr der Beschädigung der klägerischen Doppelhaushälfte durch einen Einsturz der Doppelhaushälfte der Beklagten abzuwenden. Nach dem Einspruch der Beklagten, hat das Landgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Hausschwammbefalls und der Einsturzgefährdung des Gebäudes angeordnet. Zu einer Erhebung des Beweises ist es nicht gekommen, weil die Beklagte bei dem Ortstermin nicht anwesend war und der Sachverständige die unbewohnte Doppelhaushälfte nicht eigenmächtig betreten wollte. Da das Landgericht darin eine Beweisvereitelung durch die Beklagte gesehen hat, hat es das Versäumnisurteil aufrechterhalten.
3
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Nachdem der Senat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen hatte, hat es die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde möchte die Beklagte die Klageabweisung erreichen.

II.

4
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht fest, dass die Doppelhaushälfte der Beklagten einsturzgefährdet ist. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es nicht bedurft. Denn zwischen den Parteien sei unstreitig, dass im April 2007 eine gravierende Einsturzgefährdung, bedingt durch echten Hausschwamm, bestanden habe. Zwar behaupte die Beklagte, dass die Standfestigkeit ihrer Doppelhaushälfte aufgrund der von der Straßenbaufirma in Auftrag gegebenen Sicherungsmaßnahmen jetzt nicht mehr beeinträchtigt sei. Die für diese Behauptung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe jedoch versäumt darzustellen, welche Arbeiten konkret veranlasst worden seien; insbesondere lasse sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen, dass geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung des Hausschwammbefalls ergriffen worden wären. Bloße Stützmaßnahmen zur Sicherung der Durchführung von Straßenbauarbeiten seien ersichtlich nicht geeignet gewesen, die Standfestigkeit der Doppelhaushälfte der Beklagten nachhaltig und dauerhaft zu gewährleisten.

III.

5
Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, da das Berufungsgericht den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
6
1. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt zwar nicht darin, dass das Berufungsgericht annimmt, es sei unstreitig, dass die Doppelhaushälfte der Beklagten im April 2007 mit echtem Hausschwamm befallen war. Zutreffend weist es darauf hin, dass die Beklagte die Ausführungen der Klägerin, soweit sie sich die Feststellungen des von der Straßenbaufirma beauftragten Gutachters hinsichtlich des Schwammbefalls zu Eigen gemacht hat, nicht bestritten hat. Im Übrigen hat die Beklagte im Schriftsatz vom 16. August 2011 den Schwammbefall ausdrücklich als unstreitig bezeichnet.
7
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber den von der Beklagten angebotenen Beweis zu ihrer Behauptung, der Anspruch der Klägerin auf Sicherung des Gebäudes gem. §§ 908, 836 BGB sei erfüllt, nicht erhoben.
8
a) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, NJW 2003, 1655). Das ist unter anderem der Fall, wenn ein Gericht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs missachtet, wonach die Ablehnung eines Beweises für eine erhebliche Tatsache nur zulässig ist, wenn diese so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann oder wenn sie ins Blaue hinein aufgestellt worden ist (Senat, Beschluss vom 12. Juni 2008 - V ZR 222/07, juris Rn. 5).
9
b) So liegt es hier. Das Berufungsgericht hätte den von der - insoweit beweisbelasteten (vgl. nur PWW/Lemke, BGB, 6. Aufl., § 908 Rn. 23; MünchKomm -BGB/Säcker, 5. Aufl., § 908 Rn. 8) - Beklagten angebotenen Beweis über deren Behauptung erheben müssen, die von der Firma S. Bau gemäß Angebot vom 11. April 2007 durchgeführten Sicherungsarbeiten seien nicht lediglich provisorischer Natur gewesen, sondern hätten zu einer vollständigen Sicherung des Gebäudes vor einem Einsturz geführt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Partei ihrer Darlegungslast , wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. Juni 2008 - V ZR 222/07, juris Rn. 6, mwN). Das trifft auf die unter Beweis gestellte Behauptung der Beklagten zu. Erweist sich ihr Vortrag, dass die Gefahr eines Gebäudeeinsturzes aufgrund der durchgeführten Sicherungsmaßnahmen nicht mehr bestehe und damit Erfüllung eingetreten sei, als zutreffend, steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch aus § 908 BGB auf Ergreifung von Maßnahmen zur Abwendung der Einsturzgefahr nicht zu.
10
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den Einwand der Erfüllung nicht hinreichend substantiiert dargelegt, beruht auf einer unzulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung. Entgegen der unter Beweis gestellten Behauptung der Beklagten, die Arbeiten hätten zu einer vollständigen Sicherung des Gebäudes geführt, unterstellt das Berufungsgericht, dass es sich nur um provisorische Stützmaßnahmen zur Sicherung der Durchführung der Straßenbauarbeiten gehandelt habe, die ersichtlich nicht geeignet gewesen seien, die Standfestigkeit der Doppelhaushälfte der Beklagten nachhaltig und dauerhaft zu gewährleisten. Für diese Annahme fehlt es an einer tragfähigen Grundlage. Zwar stützt sich das Berufungsgericht bei seinen Ausführungen über die erforderlichen Maßnahmen zur fachgerechten Beseitigung von Hausschwamm auf das von der Klägerin vorgelegte Gutachten. Dabei übersieht es jedoch, dass es sich hierbei nicht um einen Sachverständigenbeweis, sondern lediglich um Parteivorbringen handelt.
11
Mit der Forderung, die Beklagte müsse darlegen, dass und in welcher Weise sie den Hausschwamm beseitigt habe, verkennt das Berufungsgericht außerdem, dass der Klägerin nach § 908 BGB nicht ein Anspruch auf Durchführung bestimmter Maßnahmen zusteht, sondern darauf, dass die Beklagte die zur Abwendung der Einsturzgefahr erforderlichen Vorkehrungen trifft. Welche Maßnahmen dafür ergriffen werden müssen, entscheidet der Verpflichtete (PWW/Lemke, BGB, 6. Aufl., § 908 Rn. 18; MünchKomm-BGB/Säcker, 5. Aufl., § 908 Rn. 5). Mit der Behauptung, dass die von der Firma S. Bau durchgeführten Sicherungsarbeiten zu einer vollständigen Sicherung des Gebäudes vor einem Einsturz geführt haben, hat die Beklagte ihre Darlegungspflicht erfüllt. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob sich die Behauptung der Beklagten tatsächlich bestätigt. Das kann nur im Wege der beantragten Beweisaufnahme geklärt werden. Krüger Schmidt-Räntsch RiBGH Dr. Roth ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben. Der Vorsitzende Krüger Brückner Weinland
Vorinstanzen:
LG Stralsund, Entscheidung vom 15.12.2009 - 7 O 58/08 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 25.08.2011 - 3 U 17/10 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
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published on 12.06.2008 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZR 222/07 vom 12. Juni 2008 in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch , die Richteri
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Annotations

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

Droht einem Grundstück die Gefahr, dass es durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen Werkes, das mit einem Nachbargrundstück verbunden ist, oder durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes oder des Werkes beschädigt wird, so kann der Eigentümer von demjenigen, welcher nach dem § 836 Abs. 1 oder den §§ 837, 838 für den eintretenden Schaden verantwortlich sein würde, verlangen, dass er die zur Abwendung der Gefahr erforderliche Vorkehrung trifft.

(1) Wird durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen mit einem Grundstück verbundenen Werkes oder durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes oder des Werkes ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Besitzer des Grundstücks, sofern der Einsturz oder die Ablösung die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung ist, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Besitzer zum Zwecke der Abwendung der Gefahr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat.

(2) Ein früherer Besitzer des Grundstücks ist für den Schaden verantwortlich, wenn der Einsturz oder die Ablösung innerhalb eines Jahres nach der Beendigung seines Besitzes eintritt, es sei denn, dass er während seines Besitzes die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder ein späterer Besitzer durch Beobachtung dieser Sorgfalt die Gefahr hätte abwenden können.

(3) Besitzer im Sinne dieser Vorschriften ist der Eigenbesitzer.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Droht einem Grundstück die Gefahr, dass es durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen Werkes, das mit einem Nachbargrundstück verbunden ist, oder durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes oder des Werkes beschädigt wird, so kann der Eigentümer von demjenigen, welcher nach dem § 836 Abs. 1 oder den §§ 837, 838 für den eintretenden Schaden verantwortlich sein würde, verlangen, dass er die zur Abwendung der Gefahr erforderliche Vorkehrung trifft.