Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2011 - V ZB 9/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Mit Beschluss vom 3. August 2004 ordnete das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - auf Antrag der Beteiligten zu 2 die Zwangsverwaltung der eingangs genannten Grundstücke des Beteiligten zu 3 an. Der Zwangsverwalter verklagte die Beteiligte zu 1 auf Herausgabe von Gewerberäumen auf den Grundstücken, die diese von einer Mieterin des Beteiligten zu 3, der Firma H. GmbH & Co. KG, gemietet haben will.
- 2
- Die Beteiligte zu 1 hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14. Juli 2009 beantragt , die Zwangsverwaltung wegen eines Mangels der Zustellung des Vollstreckungstitels aufzuheben. Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat diesen Antrag als Erinnerung nach § 766 ZPO gewertet und diese zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht zurück- gewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte zu 1 weiterhin die Aufhebung der Zwangsverwaltung erreichen. Die Gläubigerin beantragt , das Rechtsmittel zurückzuweisen.
II.
- 3
- Das Beschwerdegericht hält die sofortige Beschwerde für unbegründet. Die Erinnerung sei schon nicht zulässig. Ob ein Untermieter Beteiligter eines Zwangsverwaltungsverfahrens sei, werde unterschiedlich beurteilt. Die besseren Argumente sprächen dafür, das zu verneinen. Eine Beteiligung des Untermieters an dem Zwangsverwaltungsverfahren sei nicht gerechtfertigt, weil ihn nichts mit dem Schuldner verbinde.
III.
- 4
- Diese Überlegung hält im Ergebnis einer rechtlichen Prüfung stand. Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 ist unbegründet.
- 5
- 1. Ob ein Untermieter oder Unterpächter des Schuldners nach § 9 Nr. 2 ZVG Beteiligter eines Zwangsverwaltungsverfahrens ist, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird die Frage bejaht (Böttcher, ZVG, 5. Aufl., § 9 Rn. 15; Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 9 Anm. 2.10; Hintzen in Hintzen/Wolf, Handbuch zu Zwangsvollstreckung, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, Rn. 11.68; Storz/Kiderlen, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 11. Aufl., Anm. B 1.3.1). Zur Begründung wird auf die Notwendigkeit eines Schutzes des Untermieters vor einem böswilligen oder saumseligen Hauptmieter verwiesen (Burchard, ZZP 32 [1904], 89, 129 f.). Teilweise wird die Frage verneint (Reller- meyer in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 9 Rn. 20; Jaeckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., § 9 Anm. 8 aE; Steiner/Hagemann, ZVG, 9. Aufl., § 9 Rn. 87). Die Beteiligtenstellung sei dem Mieter oder Pächter mit § 9 Nr. 2 ZVG nur eingeräumt worden, um ihm die Möglichkeit zu verschaffen, in der Zwangsversteigerung für ihn günstigere Bedingungen zu erreichen (vgl. Begründung der Vorschrift in der Denkschrift zum ZVG bei Hahn, Die gesammten [sic] Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 5, 1897, S. 36 f. = Verhandlungen des Reichstags, 9. Legislaturperiode, IV. Session 1895/1897, Anlageband 5, Aktenstück 607 S. 2839). Der Untermieter oder Unterpächter stehe dagegen in keiner rechtlichen Beziehung zum Schuldner.
- 6
- Diese Frage muss hier nicht entschieden werden.
- 7
- 2. Die Erinnerung des Untermieters oder Unterpächters eines Mieters oder Pächters des Schuldners gegen die Anordnung der Zwangsverwaltung ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil ihr das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt.
- 8
- a) Die Rechtsstellung des Untermieters oder Unterpächters wird durch die Anordnung oder Nichtanordnung der Zwangsverwaltung unmittelbar nicht berührt. Die Anordnung der Zwangsverwaltung führt nach § 152 ZVG dazu, dass der Zwangsverwalter anstelle des Schuldners dessen Rechte als Vermieter oder Verpächter bestehender Miet- und Pachtverträge wahrzunehmen und dessen Pflichten gegenüber Mietern oder Pächtern zu erfüllen hat. Das mag für diese eine Beeinträchtigung sein, weil der Zwangsverwalter, anders als ein „normaler“ Vermieter oder Verpächter, verpflichtet ist, den größtmöglichen Ertrag aus dem Grundstück „herauszuholen“ (so OLG Düsseldorf, ZfIR 1999, 324, 325). Für Untermieter oder Unterpächter dieser Mieter oder Pächter trifft das aber nicht zu. Für sie ändert sich durch die Anordnung der Zwangsverwaltung nichts. Ihr Vertragspartner bleibt der Mieter oder Pächter des Schuldners. Die von Burchard beklagte Gefährdung von Rechten des Untermieters (ZZP 32 [1904], 89, 129) könnte auch nur im Zwangsversteigerungs-, nicht jedoch im Zwangsverwaltungsverfahren eintreten, um das es hier geht.
- 9
- b) Ein Rechtsschutzinteresse des Untermieters oder Unterpächters an einer Erinnerung gegen die Anordnung der Zwangsverwaltung für das gemietete Grundstück ergibt sich auch nicht aus einer mittelbaren Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung. Diese ist zwar von dem Bestand des Hauptmiet- oder -pachtverhältnisses abhängig. Das ist aber keine Folge der Anordnung oder Nichtanordnung der Zwangsverwaltung, sondern eine Schwäche, die einer Untermiete oder Unterpacht stets und unabhängig von einer Zwangsverwaltung anhaftet, weil sie nur eine abgeleitete Rechtsstellung vermitteln. Diese verändert sich durch die Zwangsverwaltung nicht, weil der Zwangsverwalter nach § 152 ZVG dem Hauptmieter oder -pächter gegenüber nur die Rechte geltend machen kann, die dem Schuldner gegen diesen zustehen. Mit deren Geltendmachung muss ein Untermieter oder Unterpächter auch rechnen, wenn der Vermieter des Hauptmieters ein „normaler“ Vermieter ist.
- 10
- c) Nichts anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1 daraus, dass die Erträge aus einem Untermiet- oder Unterpachtvertrag auf Grund der Anordnung der Zwangsverwaltung beschlagnahmt und von dem Zwangsverwalter einzuziehen sein können.
- 11
- aa) Das ist nur bei einer hier nicht gegebenen Sondersituation der Fall. Erträge aus einem Untermiet- oder Unterpachtverhältnis werden von der Beschlagnahme nach § 17 ZVG regelmäßig nicht erfasst. Sie stehen vielmehr dem Mieter oder Pächter, nicht dem Eigentümer zu (Senat, Urteil vom 4. Februar 2005 - V ZR 294/03, WM 2005, 610, 612). Anders ist es, wenn die Mieten oder Pachten dem Hauptmieter (-pächter) nur der Form nach zugeordnet werden , wirtschaftlich hingegen dem Eigentümer zustehen. Dann wären die auf den Hauptmieter oder -pächter nur verlagerten Mieten oder Pachten von der Beschlagnahme erfasst. Als Folge dessen unterlägen sie auch dem Zugriff des Zwangsverwalters, der sie einziehen könnte und müsste. Eine solche Verlagerung von Mieten hat der Senat zwar in dem Fall angenommen, dass der Hauptpachtvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig war, weil er dazu diente, die Mieten oder Pachten planmäßig und mit eingeweihten Helfern dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen (Senat, Urteil vom 4. Februar 2005 - V ZR 294/03, WM 2005, 610, 611). Eine derartige Verlagerung von Mieteinnahmen macht die Beteiligte zu 1 hier aber nicht geltend.
- 12
- bb) Ob ein solcher Sonderfall vorliegt, wäre auch nicht im Verfahren über eine Erinnerung gegen die Anordnung der Zwangsverwaltung zu prüfen. Das Erinnerungsverfahren dient der Überprüfung der formellen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, aber nicht dazu, die ausnahmsweise Einbeziehung an sich von der Zwangsverwaltung nicht Betroffener festzustellen. Diese Feststellung könnte zudem nicht mit den in dem streng formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren zur Verfügung stehenden begrenzten Mitteln, sondern, wie in den vergleichbaren Fällen der §§ 767, 768 und 771 ZPO, nur in einem Verfahren vor dem Prozessgericht getroffen werden. Das ist gewöhnlich der Einziehungsprozess , den der Zwangsverwalter gegen den Untermieter führen muss, wenn er meint, der Schuldner habe in Wirklichkeit ihm zustehende Mieteinnahmen auf einen Untermieter verlagert. Die - in solchen Fällen meist zumindest zweifelhafte - Wirksamkeit des eigenen Mietvertrags des Hauptmieters kann aber auch in einem Rechtsstreit über die Herausgabe des beschlagnahmten Grundstücks geklärt werden, wie ihn der Zwangsverwalter hier gegen die Beteiligte zu 1 eingeleitet hat. Denn das Besitzrecht des Untermieters (hier der Beteiligten zu 1) gegenüber dem Eigentümer (bzw. seinem Insolvenzver- walter) aus dem Untermietvertrag besteht nur, wenn auch der Hauptmietvertrag Bestand hat (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2007 - II ZR 233/05, NJW 2007, 2913, 2915 Rn. 18).
IV.
- 13
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Diese Vorschrift ist hier anzuwenden. Bei dem Streit um die Anordnung der Zwangsverwaltung stehen sich die Beteiligten ähnlich wie in einem kontradiktorischen Verfahren gegenüber (Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381). Daran ändert es nichts, dass dieser Streit erst nach mehrjähriger Dauer des Verfahrens entsteht. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
AG Rostock, Entscheidung vom 27.01.2010 - 66 L 115/04 -
LG Rostock, Entscheidung vom 07.01.2011 - 3 T 144/10 -
moreResultsText
Annotations
In dem Verfahren gelten als Beteiligte, außer dem Gläubiger und dem Schuldner:
- 1.
diejenigen, für welche zur Zeit der Eintragung des Vollstreckungsvermerks ein Recht im Grundbuch eingetragen oder durch Eintragung gesichert ist; - 2.
diejenigen, welche ein der Zwangsvollstreckung entgegenstehendes Recht, ein Recht an dem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Recht, einen Anspruch mit dem Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück oder ein Miet- oder Pachtrecht, auf Grund dessen ihnen das Grundstück überlassen ist, bei dem Vollstreckungsgericht anmelden und auf Verlangen des Gerichts oder eines Beteiligten glaubhaft machen.
(1) Über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen, entscheidet das Vollstreckungsgericht. Es ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen.
(2) Dem Vollstreckungsgericht steht auch die Entscheidung zu, wenn ein Gerichtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder eine Vollstreckungshandlung dem Auftrag gemäß auszuführen, oder wenn wegen der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten Erinnerungen erhoben werden.
In dem Verfahren gelten als Beteiligte, außer dem Gläubiger und dem Schuldner:
- 1.
diejenigen, für welche zur Zeit der Eintragung des Vollstreckungsvermerks ein Recht im Grundbuch eingetragen oder durch Eintragung gesichert ist; - 2.
diejenigen, welche ein der Zwangsvollstreckung entgegenstehendes Recht, ein Recht an dem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Recht, einen Anspruch mit dem Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück oder ein Miet- oder Pachtrecht, auf Grund dessen ihnen das Grundstück überlassen ist, bei dem Vollstreckungsgericht anmelden und auf Verlangen des Gerichts oder eines Beteiligten glaubhaft machen.
(1) Der Verwalter hat das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsmäßig zu benutzen; er hat die Ansprüche, auf welche sich die Beschlagnahme erstreckt, geltend zu machen und die für die Verwaltung entbehrlichen Nutzungen in Geld umzusetzen.
(2) Ist das Grundstück vor der Beschlagnahme einem Mieter oder Pächter überlassen, so ist der Miet- oder Pachtvertrag auch dem Verwalter gegenüber wirksam.
(1) Die Zwangsversteigerung darf nur angeordnet werden, wenn der Schuldner als Eigentümer des Grundstücks eingetragen oder wenn er Erbe des eingetragenen Eigentümers ist.
(2) Die Eintragung ist durch ein Zeugnis des Grundbuchamts nachzuweisen. Gehören Vollstreckungsgericht und Grundbuchamt demselben Amtsgericht an, so genügt statt des Zeugnisses die Bezugnahme auf das Grundbuch.
(3) Die Erbfolge ist durch Urkunden glaubhaft zu machen, sofern sie nicht bei dem Gericht offenkundig ist.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.
(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.
(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.
Die Vorschriften des § 767 Abs. 1, 3 gelten entsprechend, wenn in den Fällen des § 726 Abs. 1, der §§ 727 bis 729, 738, 742, 744, des § 745 Abs. 2 und des § 749 der Schuldner den bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel als bewiesen angenommenen Eintritt der Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel bestreitet, unbeschadet der Befugnis des Schuldners, in diesen Fällen Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel nach § 732 zu erheben.
(1) Behauptet ein Dritter, dass ihm an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehe, so ist der Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Gericht geltend zu machen, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung erfolgt.
(2) Wird die Klage gegen den Gläubiger und den Schuldner gerichtet, so sind diese als Streitgenossen anzusehen.
(3) Auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung der bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln sind die Vorschriften der §§ 769, 770 entsprechend anzuwenden. Die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel ist auch ohne Sicherheitsleistung zulässig.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)