vorgehend
Amtsgericht Wiesbaden, 710 XIV 24/10, 12.01.2010
Landgericht Wiesbaden, 4 T 14/10, 25.01.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 51/10
vom
8. April 2010
in der Abschiebehaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. April 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein und Dr. Lemke, die
Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 25. Januar 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 1. Dezember 2009 von Österreich kommend nach Deutschland ohne Reisepass oder Visum ein. Bei seiner Kontrolle durch Beamte der Bundespolizei in Mittenwald gab er an, mit Hilfe eines Schleusers über die Türkei und Griechenland nach Österreich gelangt zu sein. Zum Schutz vor Verfolgung in seinem Heimatland wolle er in Deutschland bleiben. Der Betroffene wurde angewiesen, sich spätestens am 3. Dezember 2009 bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in München zu melden. Ihm wurde nach einer von einem Dolmetscher übersetzten mündlichen Belehrung über die Folgen der Nichtvorstellung bei dem Bundesamt eine schriftliche Belehrung hierüber aus- gehändigt. Der Betroffene bestätigte schriftlich den Empfang der Belehrung. In München meldete er sich nicht.
2
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. Dezember 2009 stellte er bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Gießen einen Asylantrag. Daraufhin wurde er der Erstaufnahmeeinrichtung in Dortmund zugewiesen, bei der er sich am 29. Dezember 2009 einfand, nachdem er am 27. Dezember 2009 einen Antrag auf Umverteilung nach Wiesbaden gestellt hatte, wo Verwandte des Betroffenen leben und er sich in ärztlicher Behandlung befindet.
3
Am 11. Januar 2010 erschien der Betroffene beim Jugendamt in Wiesbaden und stellte dort einen Antrag auf Bestellung eines Vormunds, um als Minderjähriger einen Asylantrag stellen zu können. Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen und Einsichtnahme in die Ausländerakte gegen den Betroffenen Sicherungshaft bis zum 11. April 2010 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen die Entscheidung des Amtsgerichts zurückgewiesen.
4
Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene, den Beschluss des Landgerichts aufzuheben und seine Freilassung anzuordnen.

II.

5
Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Er sei ohne einen Aufenthaltstitel nach Deutschland eingereist. Seine illegale Einreise mit der Hilfe eines Schleusers, sein Untertauchen nach seinem ersten Aufgreifen und seine Versuche, die Behörden über seine Identität zu täuschen, begründeten die Annahme, er werde sich der Abschiebung entzie- hen. Bei dem Asylantrag vom 18. Dezember 2009 handele es sich um einen Folgeantrag, der der Haftanordnung nicht entgegenstehe. Einer neuerlichen Anhörung des Betroffenen bedürfe es nicht, weil weiteres Vorbringen des Betroffenen nicht erfolgt sei.

III.

6
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist nach § 70 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 415 FamFG, § 62 AufenthG statthaft und zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht, § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG.
7
1. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens und damit auch durch das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen (Senat, Beschl. v. 18. März 2010, V ZB 194/09, zur Veröffentlichung bestimmt; Senat, Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, zur Veröffentlichung bestimmt). Die Prüfung führt zur Bejahung der Zuständigkeit der Beteiligten zu 2.
8
a) In Abschiebehaftsachen ergibt sich die örtliche Zuständigkeit aus den jeweiligen Landesregelungen, weil das Aufenthaltsgesetz keine eigenständige allgemeine Regelung der örtlichen Zuständigkeit enthält (OVG Münster NVwZRR 1998, 201; Hamm InfAuslR 2007, 455, 456). § 71 AufenthG bedeutet eine Regelung der sachlichen, nicht aber der örtlichen Zuständigkeit (OLG Celle FGPrax 2008, 227, 228).
9
Sind keine länderspezifischen Sondervorschriften über die örtliche Zuständigkeit gegeben, sind die jeweiligen Verwaltungsverfahrensvorschriften anzuwenden (OVG Münster NVwZ-RR 1998, 201). Durch § 1 Nr. 1 HessSOGDVO werden die Aufgaben des Ausländerwesens in Hessen rechtssystema- tisch der Gefahrenabwehr und organisatorisch den allgemeinen Ordnungsbehörden zugewiesen. Damit hat sich der hessische Gesetzgeber dafür entschieden , das gesamte Ausländerrecht dem Recht der Gefahrenabwehr zuzuordnen (VGH Kassel BeckRS 1997, 21064). § 100 HessSOG regelt abschließend die örtliche Zuständigkeit der Ordnungsbehörden. Die Vorschrift bedeutet eine § 3 Abs. 1 HessVwVfG verdrängende Regelung (VGH Kassel BeckRS 1997, 21064). Örtlich zuständig ist die Ausländerbehörde, in deren Bezirk der Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dieser befindet sich nach der Definition von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I dort, wo der Betroffene sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (BVerwG NVwZ-RR 1997, 751). Der innere Wille des Betroffenen ist insoweit ohne Bedeutung. Entscheidend ist die nach den tatsächlichen Verhältnissen zu treffende Prognose (BVerwG NVwZ-RR 1997, 751).
10
Hiernach hat der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Wiesbaden. Dort leben nach dem Antrag des Betroffenen auf Umverteilung vom 27. Dezember 2009 seine Verwandten. In Wiesbaden ist er in ärztlicher Behandlung. Seine Ärztin führt in dem von dem Betroffenen vorgelegten Attest vom 18. Dezember 2009 aus, sie empfehle dringend, dass der Betroffene weiterhin bei seinen Verwandten in Wiesbaden wohnen könne. Durch diese Erklärung wird deutlich, dass der Betroffene auch vor dem 18. Dezember 2009 bei seinen Verwandten in Wiesbaden gelebt hat. Nach der gebotenen Gesamtschau hat der Betroffene mithin seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Wiesbaden. Das führt zur Zuständigkeit der Beteiligten zu 2.
11
b) Die Zuteilung des Betroffenen auf die Erstaufnahmeeinrichtung Dortmund ändert hieran nichts. Hierdurch wurde die dortige Ausländerbehörde allenfalls zusätzlich örtlich zuständig (OVG Münster NVwZ-RR 1998, 201, 202).
Auch die Ausführungen in der Beschwerdebegründung vom 14. Januar 2010 lassen keinen Schluss auf einen alleinigen anderen gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen zu. Dass der Betroffene unabhängig von seiner Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung in Dortmund dort gelebt hat, ist weder ausgeführt noch ersichtlich.
12
2. Das Verfahren des Beschwerdegerichts hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde jedoch nicht stand. Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerhaft den Vortrag des Betroffenen im Schriftsatz vom 22. Januar 2010 bei der Entscheidung nicht berücksichtigt und diesen entgegen § 420 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht angehört. Darin liegt zugleich ein Verstoß gegen den Anspruch des Betroffenen auf Gewährung des rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG. Zudem beruht die Entscheidung auf einer unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts, § 26 FamFG.
13
a) Ergibt sich die vollziehbare Ausreisepflicht weder aus einer bestandskräftigen Abschiebungs- bzw. Zurückschiebungsverfügung noch aus einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, muss der Haftrichter die erforderliche Prüfung selbst vornehmen (Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, FGPRax 2010, 50; Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, zur Veröffentlichung bestimmt). Ein Betroffener ist in Sicherungshaft zu nehmen, wenn er aufgrund unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet vollziehbar ausreisepflichtig ist (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) und die Ausländerbehörde beabsichtigt, die Ausreisepflicht (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) zwangsweise durchzusetzen. So verhält es sich grundsätzlich auch im vorliegenden Fall.
14
aa) Das Beschwerdegericht geht insoweit zwar zutreffend davon aus, dass ein Asylantrag, der als Asylfolgeantrag nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zu werten ist, nach § 71 Abs. 8 AsylVfG unabhängig davon, ob der Asylfolgeantrag eine Aufenthaltsgestattung zur Folge hat (vgl. zum Streitstand Senat, Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, zur Veröffentlichung bestimmt), einer Haftanordnung nicht entgegensteht. Als Asylfolgeantrag ist nach § 20 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG ein Asylantrag zu behandeln, der unter Verstoß gegen § 20 Abs. 1 AsylVfG gestellt wird. Das ist hier der Fall, soweit dem Betroffenen auferlegt worden war, sich bis zum 3. Dezember 2009 bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in München zu melden, § 19 Abs. 1 AsylVfG, und der Betroffene diese Verpflichtung nicht erfüllt hat.
15
Der Verstoß gegen die Verpflichtung führt nach § 20 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG jedoch nur dann dazu, einen Asylantrag als Folgeantrag werten zu können, wenn der Pflichtverstoß des Betroffenen vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgt ist. Hierzu hat der Betroffene mit Schriftsatz vom 22. Januar 2010 geltend gemacht, er habe seine Belehrung durch die Bundespolizei aufgrund einer Stresssituation nicht verstanden und alles unterschrieben, was ihm vorgelegt worden sei. Trifft dieses Vorbringen zu, kann es sein, dass der Verstoß des Betroffenen gegen die Verpflichtung, sich bis zum 3. Dezember 2009 bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in München zu melden, nicht als vorsätzlich oder grob fahrlässig zu beurteilen ist und der Betroffene daher nicht vollziehbar ausreisepflichtig ist.
16
bb) Das Vorbringen des Betroffenen war von dem Beschwerdegericht zu berücksichtigen. Neues Vorbringen kann im Beschwerdeverfahren bis zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung erfolgen (Keidel/Sternal, FamFG, 16. Aufl., § 65 Rdn. 12). Entscheidend ist die objektive Möglichkeit der Kenntnisnahme. Hierzu genügt es, dass schriftsätzliches Vorbringen, in welchem neue Tatsachen behauptet werden, in den Bereich des Gerichts gelangt ist (Keidel/Sternal, FamFG, aaO., § 65 Rdn. 7).
17
Für den Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung kommt es nach § 38 Abs. 3 FamFG auf den Zeitpunkt an, in dem die Übergabe der vollständig abgefassten unterschriebenen Entscheidung an die Geschäftsstelle erfolgt ist (BTDrs. 16/6308 S. 195). Insoweit ist von dem 26. Januar 2010 auszugehen. An diesem Tag erfolgte die Beglaubigung der bei den Akten befindlichen Abschrift des Beschlusses durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle. Die Versendung des Beschlusses an die beteilige Behörde geschah um 14.00 Uhr, an den Betroffenen geschah sie um 14.02 Uhr. Der Schriftsatz des Betroffnen vom 22. Januar 2010 ist bei der Briefannahmestelle der Justizbehörden in Wiesbaden am 25. Januar 2010 eingegangen. Die Geschäftsstelle der Kammer hat er am 26. Januar 2010 erreicht. Die Verzögerung im internen Geschäftsablauf der Postverteilung wirkt nicht zu Lasten des Betroffenen.
18
cc) Der Schriftsatz durfte auch nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil der Berichterstatter dem Betroffenen eine Vortragsfrist bis zum 25. Januar 2010 11.00 Uhr gesetzt hatte. Eine Ausschlussfrist für Vorbringen kommt in den von dem Untersuchungsgrundsatz des § 26 FamFG bestimmten Verfahren, zu denen Freiheitsentziehungssachen gehören, nicht in Betracht. Zudem ist ein Berichterstatter nicht in der Lage, anstelle der Kammer eine solche Frist zu setzen. Schließlich erlaubt der Eingangsstempel auf dem Schriftsatz die Feststellung nicht, dass der Schriftsatz vom 22. Januar 2010 nicht fristgerecht eingegangen ist.
19
b) Bei Berücksichtigung des Vorbringens des Betroffenen im Schriftsatz vom 22. Januar 2010 war das Beschwerdegericht zur Anhörung des Betroffenen verpflichtet. Eine solche ist auch im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich erforderlich (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, zur Veröffentlichung bestimmt). Hiervon kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur abgesehen werden , wenn eine persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 28. Januar 2010, V ZB 2/10, zur Veröffentlichung bestimmt ; Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, zur Veröffentlichung bestimmt). So verhält es sich hier nicht, weil nach dem Vortrag im Schriftsatz vom 22. Januar 2010 neue Erkenntnisse durch die Anhörung des Betroffenen zu erwarten sind und es auf den persönlichen Eindruck des Betroffenen ankommt, weil über die Glaubwürdigkeit seines neuen Vorbringens zu entscheiden ist. Krüger Klein Lemke Stresemann Roth
Vorinstanzen:
AG Wiesbaden, Entscheidung vom 12.01.2010 - 710 XIV 24/10 -
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 25.01.2010 - 4 T 14/10 -

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(1) Freiheitsentziehungssachen sind Verfahren, die die auf Grund von Bundesrecht angeordnete Freiheitsentziehung betreffen, soweit das Verfahren bundesrechtlich nicht abweichend geregelt ist.

(2) Eine Freiheitsentziehung liegt vor, wenn einer Person gegen ihren Willen oder im Zustand der Willenlosigkeit insbesondere in einer abgeschlossenen Einrichtung, wie einem Gewahrsamsraum oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses, die Freiheit entzogen wird.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 194/09
vom
18. März 2010
in der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die zuständige Ausländerbehörde am Aufgriffsort ist nach § 62 Abs. 4 AufenthG
nicht nur für die Festhaltung und Ingewahrsamnahme des aufgegriffenen Ausländers
zuständig, sondern auch für den Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft
BGH, Beschluss vom 18. März 2010 - V ZB 194/09 - LG Hannover
AG Hannover
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. März 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts Hannover vom 22. Oktober 2009 wird auf Kosten des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.


1
Der Beteiligte zu 1 (Betroffener), ein togoischer Staatsangehöriger, hatte nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Juli 1999 einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt, der im August 1999 abgelehnt wurde; der Bescheid des Bundesamtes wurde im Dezember 1999 rechtskräftig. Während des Asylverfahrens hatte der Beteiligte zu 1 seinen Aufenthalt im Landkreis Bernburg, jetzt Salzlandkreis, in Sachsen-Anhalt.
2
Der Aufforderung zur Ausreise nach dem Abschluss des Asylverfahrens kam er nicht nach. Nachdem ihm im April 2000 die Abschiebung nach Togo angekündigt wurde, verließ er im Mai 2000 Halberstadt, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift über seinen Aufenthalt mitzuteilen. Er wurde von dem Landkreis im Mai 2000 als nach einem unbekannten Ort fortgezogen abgemeldet.
3
Von einem unbekannten Zeitpunkt an hielt sich der Beteiligte zu 1 in Hannover auf und arbeitete dort als Lagerist. In der Nacht zum Sonnabend, dem 26. September 2009, wurden bei einer Personenkontrolle seine Personalien von der Polizei überprüft. Dabei wurde er festgenommen, weil er sich mit auf einen Aliasnamen ausgestellten Papieren ausgewiesen hatte.
4
Nach Feststellung der Identität des Beteiligten zu 1 und seines Untertauchens nach angedrohter Abschiebung hat die Beteiligte zu 2 (Ausländerbehörde ) ihn am Nachmittag desselben Tages dem Haftrichter vorgeführt, der auf deren Antrag die Haft zur Sicherung der Abschiebung für drei Monate angeordnet hat. Seine Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Nachdem er inzwischen abgeschoben worden ist, hat er mit der Rechtsbeschwerde die Feststellung beantragt, dass die Anordnung der Abschiebehaft rechtswidrig gewesen sei.

II.

5
Das Beschwerdegericht meint, dass die Beteiligte zu 2 die örtlich zuständige Ausländerbehörde gewesen sei, weil der Beteiligte zu 1 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich dieser Behörde gehabt habe, da er in Hannover schon seit langer Zeit gewohnt und gearbeitet habe. Zudem ergebe sich die örtliche Zuständigkeit der Beteiligten zu 2 aus § 100 Nds. SOG, da der Beteiligte zu 1 durch seinen illegalen Aufenthalt geschützte Interessen in dem Bezirk der Behörde verletzt habe.
6
Der Beteiligte zu 1 sei nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG in Haft zu nehmen, weil auf Grund des Untertauchens nach der ersten Androhung der Abschiebung und der Benutzung auf einen Aliasnamen ausgestellter Personal- papiere der begründete Verdacht bestehe, dass er erneut im Bundesgebiet untertauchen werde, um sich seiner Abschiebung zu entziehen.

III.

7
1. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 ist nach § 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
8
Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist, nachdem sich die Hauptsache durch die Abschiebung des Beteiligten zu 1 erledigt hat, nach § 70 Abs. 3 i.V.m. § 62 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, Umdruck S. 4 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
9
2. Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet; die Inhaftierung des Beteiligten zu 1 zur Sicherung seiner Abschiebung war rechtmäßig.
10
a) Die Beteiligte zu 2 war die für die Beantragung der Abschiebungshaft sachlich und örtlich zuständige Verwaltungsbehörde. Die von der Rechtsbeschwerde erhobenen Angriffe sind unbegründet.
11
aa) Die Zuständigkeit der den Haftantrag stellenden Verwaltungsbehörde ist nach § 417 Abs. 1 FamFG eine Verfahrensvoraussetzung für die richterliche Haftanordnung. Das Vorliegen eines zulässigen Antrags ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BayOblGZ 1997, 77, 78; OLG Karlsruhe FGPrax 2008, 228, 229; OLG Köln FGPrax 2009, 137, 138 - noch zu § 3 Satz 1 FEVG). Die Neuregelung des Verfahrens in den Freiheitsentziehungssachen hat in diesem Punkt sachlich nichts geändert (BT-Drucks 16/6308, S. 291).
12
bb) Zu Unrecht geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass die Beteiligte zu 2 die nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen in Bezug auf den Beteiligten zu 1 auch örtlich zuständige Ausländerbehörde war. Das war sie nicht, sondern - wie die Beteiligte zu 2 in ihrem Antrag auf Anordnung der Abschiebungshaft an das Amtsgericht selbst zutreffend ausgeführt hat - der Salzlandkreis.
13
Diejenige Ausländerbehörde, die für den dem Asylbewerber zugewiesenen Aufenthaltsort zuständig ist, bleibt für diesen auch dann zuständig, wenn der Ausländer sich unerlaubt aus ihrem Bezirk entfernt, um sich einer angedrohten Abschiebung zu entziehen. Die Aufenthaltsbeschränkung nach § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG besteht auch nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrags fort (dazu Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 56 Rdn. 36). Darüber hinaus waren die Behörden des Landes Niedersachsen schon deshalb für den Beteiligten zu 1 nicht die nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zuständigen Ausländerbehörden , weil bei vollziehbarer Ausreisepflicht durch die bundesgesetzliche Regelung in § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG der Aufenthalt des Ausländers auf das Gebiet eines Landes (hier war das Sachsen-Anhalt) räumlich beschränkt wird, was einem länderübergreifenden Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts grundsätzlich entgegensteht (Hailbronner, Ausländerrecht [Stand: Dezember 2008], § 61 Rdn. 7 ff.; HK-AuslR/Keßler, AufenthG, § 61 Rdn. 5).
14
Die Aufenthaltsbeschränkungen bestimmen die örtlich zuständige Ausländerbehörde , weil davon auszugehen ist, dass der Ausländer an einem anderen (seinem tatsächlichen) Aufenthaltsort nicht bleiben kann (OVG Greifswald NVwZ-Beilage I 1999, 22, 23; OVG Koblenz, Beschl. v. 29. März 2006, 7 B 10291/06, Rz. 3 - juris; KG, Beschl. v. 25. August 2006, 25 W 70/05, Rz. 13, 14 - juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 3 Rdn. 28; Hailbronner, AufenthG , Stand: August 2008, § 71 Rdn. 5a e.E.; aA bei einem mehr als 6 Monate andauernden Aufenthalt an einem anderen Ort: Bonk/Schmitz in Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 3 Rdn. 24).
15
cc) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar. Die Beteiligte zu 2 war auf Grund des Umstands, dass der Beteiligte zu 1 in ihrem Bezirk aufgegriffen wurde, auch zuständig, eine zur Sicherung der Abschiebung des Ausländers erforderliche Haft zu beantragen.
16
(1) Die Beteiligte zu 2 war für die den Aufgriffsort örtlich zuständige Ausländerbehörde. Welche Behörde das ist, bestimmt das jeweilige Landesrecht (HK-AuslR/Hofmann, AufenthG, § 71 Rdn. 5; Hailbronner Ausländerrecht [Stand: August 2008], § 71 Rdn. 4 f.). Im Land Niedersachsen ist nach § 100 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG die Ausländerbehörde örtlich zuständig, in deren Bezirk die zu schützenden Interessen durch den unrechtmäßigen Aufenthalt des Ausländers verletzt werden (vgl. OLGR Celle 2008, 587, 588).
17
Die Einwendungen, die die Rechtsbeschwerde gegen die Anwendung der polizeirechtlichen Zuständigkeitsregelung erhebt, sind nicht begründet. Die allgemeine Regelung zur Bestimmung der zuständigen Ausländerbehörden im Land Niedersachsen nimmt in § 2 Abs. 1 AllgZustVO-Kom die Durchführung von Abschiebungen und Zurückschiebungen aus ihrem Anwendungsbereich ausdrücklich aus. Soweit für die Durchführung ausländerrechtlicher Maßnahmen landesrechtlich nichts anderes angeordnet ist, wird die zuständige Behörde durch die Polizeigesetze der Länder bestimmt (vgl. Bahrenfuss/Grottkopp, FamFG, § 415 Fußnote 3). Enthält das anzuwendende Landesgesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - wie hier in den §§ 100 bis 104 Nds. SOG - besondere Zuständigkeitsanordnungen, findet die allgemeine Bestimmung über die örtliche Zuständigkeit der Behörden in § 3 VwVfG nach § 1 Abs. 2 NVwVfG keine Anwendung.
18
(2) Die Beantragung der Sicherungshaft gehört zu dem Kreis der Maßnahmen , zu denen die für den Aufgriffsort eines untergetauchten Ausländers örtlich zuständige Ausländerbehörde befugt ist.
19
a) Die Rechtsprechung der für Rechtsbeschwerden in Freiheitsentziehungssachen bisher zuständige Oberlandesgerichte bejahte - in Anknüpfung an § 3 Abs. 4 Satz 1 VwVfG entsprechende Bestimmungen in den Verwaltungsge- setzen der Länder - eine (auch länderübergreifende) Notzuständigkeit der Ausländerbehörden am tatsächlichen Aufenthaltsort des Ausländers. Diese setzte Gefahr im Verzug voraus und war auf die Vornahme der unaufschiebbaren Maßnahmen beschränkt (KG FGPrax 1998, 157; OLG Karlsruhe FGPrax 2008, 228, 229; dazu Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl. § 417 Rdn. 3; Prütting /Helms/Jennissen, FamFG, § 417 Rdn. 3).
20
Die Voraussetzung für eine Eilzuständigkeit wäre danach hier zwar gegeben , wenn die nach dem gesetzlich bestimmten Aufenthaltsort zuständige Ausländerbehörde an dem Wochenende, als die Verhaftung des Beteiligten zu 1 erfolgte, nicht erreichbar gewesen sein sollte und damit die Beantragung der Haft durch die Ausländerbehörde in Bernburg (Saale) innerhalb der in Art. 104 Abs. 3 GG bestimmten Frist nicht erfolgen konnte, wie es die Beteiligte zu 2 in ihrem Haftantrag an das Amtsgericht ausgeführt hat. Es hätte aber nach bisheriger Rechtsprechung an der Kompetenz der Beteiligten zu 2 für die Beantragung der Abschiebungshaft gefehlt, weil nur der Antrag auf eine einstweilige, jedoch nicht der auf eine bis zur Abschiebung andauernde Haftanordnung als eine nach § 3 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zulässige unaufschiebbare Maßnahme in Freiheitsentziehungssachen angesehen worden ist (so KG FGPrax 1998, 157, 158; anders jedoch Nummer 71.1.2.5 der von der Rechtsbeschwerde zitierten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung vom 26. Oktober 2009 [Entwurf in BR-Drucks. 669/09; veröffentlicht in GMBl. 2009, 878], nach der die Eilzuständigkeit der Ausländerbehörde des Aufenthaltsorts in diesen Fällen auch die Beantragung der Haft zur Sicherung der Abschiebung einschließen soll).
21
b) Die Frage, ob die Eilzuständigkeit nach § 3 Abs. 4 Satz 1 VwVfG die Ausländerbehörde am Aufgriffsort zu dem Antrag auf Sicherungshaft ermächtigt , kann hier dahinstehen. Nach § 62 Abs. 4 AufenthG ist nämlich die nach dem Landesrecht örtlich zuständige Ausländerbehörde an dem Aufgriffsort eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers, der unbefugt seinen Aufent- haltsort gewechselt hat, ohne der Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist (im Bundesgebiet untergetauchter Ausländer), nicht nur für dessen Festhaltung und Ingewahrsamnahme, sondern auch für den Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft sachlich zuständig.
22
aa) Nach Satz 1 dieser durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsund asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (BGBl. I 2007, S. 1970) in das Aufenthaltsgesetz eingefügten Bestimmung kann die für den Haftantrag zuständige Behörde einen Ausländer unter den dort bezeichneten Voraussetzungen auch ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, der nach Satz 2 dann unverzüglich dem Haftrichter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen ist. Mit dieser Vorschrift sollte eine gesetzliche Grundlage für eine vorläufige Festnahme durch die Ausländerbehörde zur Sicherung der Abschiebehaft aus dem in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG benannten Haftgrund geschaffen werden. Erfasst werden sollten auch die Fälle, in denen ein untergetauchter Ausländer aufgegriffen wird (BT-Drucks. 16/5065, S. 188 f.).
23
Diese Vorschrift räumt der für den Haftantrag zuständigen Behörde ausdrücklich die Befugnisse zur Festhaltung, Ingewahrsamnahme und Vorführung ein. Den Ausländer festhalten und in Gewahrsam nehmen kann jedoch nur die Behörde an dem Ort, an dem sich der Ausländer auch tatsächlich befindet. Bei den untergetauchten Ausländern liefe die Vorschrift daher in der Regel leer und verfehlte damit ihren Zweck, wenn die Ausländerbehörde am Aufgriffsort nicht auch für den Haftantrag zuständig wäre. Der Senat teilt aus dem vorstehenden Grund die Auffassung von Budde (in Keidel/Budde, FamFG, 10. Aufl., § 417 Rdn. 2), dass der Umfang der zulässigen Eilmaßnahmen der Ausländerbehörde am Aufgriffsort eines untergetauchten Ausländers die Beantragung der Sicherungshaft einschließt. Die Festhaltung und Ingewahrsamnahme nach § 62 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, die Vorführung und die Beantragung der Haft nach § 62 Abs. 4 Satz 2 bei dem Haftrichter aus dem in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Auf- enthG genannten Haftgrund sind nach dem Gesetzestext und dem mit ihm verfolgten Zweck ein einheitlicher Vorgang zur Durchsetzung der Ausreisepflicht gegenüber dem Ausländer, der sich einer angedrohten Abschiebung durch Untertauchen entzogen hat (vgl. Keidel/Budde, aaO).
24
bb) Die Zuständigkeit der Behörde am Aufgriffsort ist dabei nicht auf die Beantragung einer einstweiligen Anordnung zur Freiheitsentziehung nach § 427 Abs. 1 FamFG beschränkt. Vielmehr kann die Behörde auch gleich die Sicherungshaft beantragen, wenn der bei der Festhaltung des Ausländers vorliegende dringende Verdacht, dass die Voraussetzungen für eine Anordnung der Abschiebehaft vorliegen und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Einschreiten der Behörde besteht, infolge der unmittelbar danach gewonnenen Erkenntnisse bei der Feststellung der Identität und des aufenthaltsrechtlichen Status des Ausländers und dessen Einlassung bereits Gewissheit geworden ist.
25
Dass die Ausländerbehörde am Aufgriffsort auch zu dem Antrag auf Sicherungshaft befugt ist, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 62 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Ziel der von der Behörde unverzüglich zu veranlassenden Vorführung des Ausländers vor dem Haftrichter ist die Herbeiführung einer Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft im Sinne der gesetzlichen Begriffsbestimmung in § 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Durch § 62 Abs. 4 AufenthG entsteht damit zwar in vielen Fällen für den Haftantrag eine Parallelzuständigkeit der Ausländerbehörden am Aufgriffsort und an dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Ausländers. Das gibt es in Haftsachen jedoch auch bei den Zuständigkeiten anderer Behörden; so sind beispielsweise nach § 71 Abs. 5 AufenthG sowohl die Polizeibehörden der Länder als auch die Ausländerbehörden für den Haftantrag zuständig (vgl. BayObLGZ 1998, 224, 225).
26
cc) Die Zuständigkeit der Ausländerbehörde am Aufgriffsort für den Haftantrag setzt allerdings deren Befugnis zum Festhalten und zur vorläufigen Ingewahrsamnahme des Ausländers voraus, die hier vorlag.
27
Der dringende Verdacht für das Vorliegen eines Abschiebungsgrundes (§ 62 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) ergab sich aus den widersprüchlichen und unklaren Angaben des Beteiligten zu 1 zu seiner Identität und seinem Wohnort und den unrichtigen Ausweispapieren bei seinem Aufgreifen. Die Beteiligte zu 2 konnte die richterliche Anordnung auch nicht vorher einholen. Die Voraussetzung ist gegeben, wenn in der konkreten Situation eine richterliche Anordnung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann und die Gefahr des Untertauchens des Ausländers zu befürchten ist (BT-Drucks. 16/5065, S. 188). So war es hier. Die Beteiligte zu 2 konnte nicht schon vorher eine richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft (§ 62 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) einholen , weil ihr nicht bekannt war, dass der Beteiligte zu 1 sich in ihrem Bezirk aufhielt und sie daher dessen Angriffen durch die Polizei auch nicht vorhersehen konnte. Auf Grund des vorherigen Verhaltens des Beteiligten zu 1 war auch der für die Festhaltung und Ingewahrsamnahme notwendige Verdacht begründet, dass dieser sich der Abschiebung (erneut) entziehen wolle (§ 62 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 AufenthG).
28
b) Das Vorliegen des in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG bestimmten Haftgrunds hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei bejaht. Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen.

IV.

29
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG; die Festsetzung des Werts auf § 42 Abs. 3 FamGKG.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub

Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 26.09.2009 - 44 XIV 109/09 -
LG Hannover, Entscheidung vom 22.10.2009 - 28 T 52/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 79/10
vom
18. August 2010
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. August 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 17. März 2010 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist Staatsangehöriger von Sri Lanka. Er verließ das Bundesgebiet nach der bestandskräftigen Ablehnung eines Asylantrags. Im Jahr 2007 reiste er, von Frankreich kommend, wiederum nach Deutschland ein und wurde nach Frankreich zurückgeschoben. Am 8. Februar 2010 reiste er abermals aus Frankreich ein. Bei einer Kontrolle versuchte er, sich mit einem entwendeten deutschen Personalausweis auszuweisen, und wurde verhaftet. Auf Antrag der Bundespolizeiinspektion Bad Bentheim hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 8. Februar 2010 gegen den Betroffenen Haft bis zu seiner Rückschiebung , längstens für die Dauer von drei Monaten, angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.
2
Bemühungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), den Betroffenen nach Frankreich zurückzuschieben, blieben bis Mitte April 2010 erfolglos. Das Amtsgericht hat deshalb mit Beschluss vom 27. April 2010 die Haftanordnung aufgehoben und die Freilassung des Betroffenen angeordnet.
3
Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene die Feststellung, dass der Beschluss des Amtsgerichts und der Beschluss des Landgerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, die Haftanordnung sei nicht zu beanstanden. Der Haftantrag sei von der zuständigen Behörde gestellt worden. Aufgrund der unerlaubten Einreise sei der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Es habe der begründete Verdacht bestanden, dass er sich der Rückschiebung habe entziehen wollen. Eine Aufenthaltsberechtigung habe er nicht gehabt. Die Anordnung der Haft für die Dauer von drei Monaten sei verhältnismäßig gewesen. Eine nochmalige Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht sei nicht erforderlich gewesen; auch habe eine in Frankreich lebende Ehefrau nicht angehört werden müssen.

III.

5
Die Rechtsbeschwerde ist zwar statthaft und zulässig, aber unbegründet.
6
1. Das form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsmittel ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ungeachtet des Umstands, dass sich die Hauptsache mit der Entlassung des Betroffenen aus der Haft erledigt hat, ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 = InfAuslR 2010, 249, 250).
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Weder die Haftanordnung noch die sie bestätigende Entscheidung des Beschwerdegerichts sind rechtlich zu beanstanden.
8
a) Die Rüge, der Betroffene sei - wenn überhaupt - verspätet über sein Recht belehrt worden, die konsularische Vertretung seines Heimatstaates von der Inhaftierung zu unterrichten (Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK), weil die Belehrung weder bei der Ingewahrsamnahme noch bei der Anhörung zur Überprüfung der Ingewahrsamnahme erfolgt sei, bleibt ohne Erfolg. Denn das - vermeintlich - fehlerhafte Handeln der Beamten der Bundespolizei ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
9
b) Der Betroffene ist vor seiner Inhaftierung von dem Amtsrichter ordnungsgemäß nach § 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK belehrt worden. Den daran in der Rechtsbeschwerdebegründung geäußerten Zweifeln fehlt die Grundlage. Mag die Feststellung der Belehrung in dem Protokoll über die Anhörung des Betroffenen auch auf einem Textbaustein beruhen, bei dem das Wort "nicht" entsprechend dem Ergebnis der Befragung des Betroffenen zu streichen oder nicht zu streichen ist, hat der Senat mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen , dass die Belehrung erfolgte, und zwar rechtzeitig (siehe dazu Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 223/09, Rn. 18, juris).
10
c) Das Beschwerdegericht musste den Betroffenen nicht erneut anhören. Zwar ist die persönliche Anhörung auch in dem Rechtsmittelverfahren grundsätzlich erforderlich (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, FGPrax 2010, 154, 155). Aber hiervon kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen werden, wenn eine persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse von einer erneuten Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, aaO). So war es hier. Der Umstand, dass der Betroffene erstmals in seiner Anhörung durch Beamte der Bundespolizeiinspektion H. am 1. März 2010 vorgetragen hat, er sei mit einer legal in Frankreich lebenden Frau verheiratet, änderte nichts an dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Haftanordnung. Denn der Betroffene hat nicht angegeben, dass er freiwillig zu dieser Frau zurückkehren wollte. Andere Anhaltspunkte für eine freiwillige Rückkehr gab es nicht. Auch die Rechtsbeschwerdebegründung erschöpft sich insoweit in vagen Vermutungen. Das Beschwerdegericht konnte seiner Beurteilung deshalb die Angabe des Betroffenen in seiner Anhörung bei dem Amtsgericht zugrunde legen , er wolle gerne in Deutschland leben.
11
d) Auch ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die - angebliche - Ehefrau des Betroffenen nicht an dem Verfahren beteiligt und sie nicht angehört hat. Eine Beteiligung nach § 418 Abs. 3 Nr. 1 FamFG, die im Ermessen des Gerichts steht (Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZR 9/10, Rn. 17, juris), schied aus, weil nach den Angaben des Betroffenen davon auszugehen war, dass er von der Frau dauernd getrennt lebte. Eine Beteiligung nach § 418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG kam nicht in Betracht, weil der Betroffene die Frau nicht als Vertrauensperson benannt hatte.
12
e) Schließlich ist für einen Verstoß gegen das in Haftsachen geltende Beschleunigungsgebot (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, Rn. 16, juris) nichts ersichtlich. Auch nach der Weigerung der französischen Behörden, den Betroffenen zurückzunehmen, dauerten die Bemühungen um die Rückschiebung an.

IV.

13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 128c Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Nordhorn, Entscheidung vom 08.02.2010 - 11 XIV 4290 B -
LG Osnabrück, Entscheidung vom 17.03.2010 - 11 T 138/10 (7) -

(1) Für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen sind die Ausländerbehörden zuständig. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass für einzelne Aufgaben nur eine oder mehrere bestimmte Ausländerbehörden zuständig sind. Nach Satz 2 kann durch die zuständigen Stellen der betroffenen Länder auch geregelt werden, dass den Ausländerbehörden eines Landes für die Bezirke von Ausländerbehörden verschiedener Länder Aufgaben zugeordnet werden. Für die Vollziehung von Abschiebungen ist in den Ländern jeweils eine zentral zuständige Stelle zu bestimmen. Die Länder sollen jeweils mindestens eine zentrale Ausländerbehörde einrichten, die bei Visumanträgen nach § 6 zu Zwecken nach den §§ 16a, 16d, 17 Absatz 1, den §§ 18a, 18b, 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19, 19b, 19c und 20 sowie bei Visumanträgen des Ehegatten oder der minderjährigen ledigen Kinder zum Zweck des Familiennachzugs, die in zeitlichem Zusammenhang gestellt werden, die zuständige Ausländerbehörde ist.

(2) Im Ausland sind für Pass- und Visaangelegenheiten die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. Das Auswärtige Amt wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Entscheidung über Anträge auf Erteilung eines Visums zu übertragen. Soweit von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht wird, stehen dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Befugnisse zur Datenverarbeitung sowie alle sonstigen Aufgaben und Befugnisse einer Auslandsvertretung bei der Erteilung von Visa gemäß Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe b sowie gemäß den §§ 54, 66, 68, 69, 72, 72a, 73, 73a, 75, 87, 90c, 91d und 91g zu.

(3) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden sind zuständig für

1.
die Zurückweisung und die Zurückschiebung an der Grenze, einschließlich der Überstellung von Drittstaatsangehörigen auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, wenn der Ausländer von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird,
1a.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bei oder nach der unerlaubten Einreise über eine Grenze im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/399 (Binnengrenze) aufgegriffen wird,
1b.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bereits unerlaubt eingereist ist, sich danach weiter fortbewegt hat und in einem anderen Grenzraum oder auf einem als Grenzübergangsstelle zugelassenen oder nicht zugelassenen Flughafen, Flug- oder Landeplatz oder See- oder Binnenhafen aufgegriffen wird,
1c.
die Befristung der Wirkungen auf Grund der von ihnen vorgenommenen Ab- und Zurückschiebungen nach § 11 Absatz 2, 4 und 8,
1d.
die Rückführungen von Ausländern aus anderen und in andere Staaten; die Zuständigkeit besteht neben derjenigen der in Absatz 1 und in Absatz 5 bestimmten Stellen,
1e.
die Beantragung von Haft und die Festnahme, soweit es zur Vornahme der in den Nummern 1 bis 1d bezeichneten Maßnahmen erforderlich ist,
2.
die Erteilung eines Visums und die Ausstellung eines Passersatzes nach § 14 Abs. 2 sowie die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2a,
3.
die Rücknahme und den Widerruf eines nationalen Visums sowie die Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009
a)
im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung, soweit die Voraussetzungen der Nummer 1a oder 1b erfüllt sind,
b)
auf Ersuchen der Auslandsvertretung, die das Visum erteilt hat, oder
c)
auf Ersuchen der Ausländerbehörde, die der Erteilung des Visums zugestimmt hat, sofern diese ihrer Zustimmung bedurfte,
4.
das Ausreiseverbot und die Maßnahmen nach § 66 Abs. 5 an der Grenze,
5.
die Prüfung an der Grenze, ob Beförderungsunternehmer und sonstige Dritte die Vorschriften dieses Gesetzes und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen und Anordnungen beachtet haben,
6.
sonstige ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen, soweit sich deren Notwendigkeit an der Grenze ergibt und sie vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hierzu allgemein oder im Einzelfall ermächtigt sind,
7.
die Beschaffung von Heimreisedokumenten im Wege der Amtshilfe in Einzelfällen für Ausländer,
8.
die Erteilung von in Rechtsvorschriften der Europäischen Union vorgesehenen Vermerken und Bescheinigungen vom Datum und Ort der Einreise über die Außengrenze eines Mitgliedstaates, der den Schengen-Besitzstand vollständig anwendet; die Zuständigkeit der Ausländerbehörden oder anderer durch die Länder bestimmter Stellen wird hierdurch nicht ausgeschlossen.

(4) Für die erforderlichen Maßnahmen nach den §§ 48, 48a und 49 Absatz 2 bis 9 sind die Ausländerbehörden, die Polizeivollzugsbehörden der Länder sowie bei Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben die Bundespolizei und andere mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragte Behörden zuständig. In den Fällen des § 49 Abs. 4 sind auch die Behörden zuständig, die die Verteilung nach § 15a veranlassen. In den Fällen des § 49 Absatz 5 Nummer 5 und 6 sind die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. In den Fällen des § 49 Absatz 8 und 9 sind auch die Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes und die Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge befugt, bei Tätigwerden in Amtshilfe die erkennungsdienstlichen Maßnahmen bei ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die unbegleitet in das Bundesgebiet eingereist sind, vorzunehmen; diese Maßnahmen sollen im Beisein des zuvor zur vorläufigen Inobhutnahme verständigten Jugendamtes und in kindgerechter Weise durchgeführt werden.

(5) Für die Zurückschiebung sowie die Durchsetzung der Verlassenspflicht des § 12 Abs. 3 und die Durchführung der Abschiebung und, soweit es zur Vorbereitung und Sicherung dieser Maßnahmen erforderlich ist, die Festnahme und Beantragung der Haft sind auch die Polizeien der Länder zuständig.

(6) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle entscheidet im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt über die Anerkennung von Pässen und Passersatzpapieren (§ 3 Abs. 1); die Entscheidungen ergehen als Allgemeinverfügung und können im Bundesanzeiger bekannt gegeben werden.

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

(3) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung angeordnet werden. Das Gericht entscheidet hierüber durch nicht anfechtbaren Beschluss.

(2) Die persönliche Anhörung des Betroffenen kann unterbleiben, wenn nach ärztlichem Gutachten hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder wenn er an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes leidet.

(3) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten anzuhören. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn sie nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist.

(4) Die Freiheitsentziehung in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses darf nur nach Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen angeordnet werden. Die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat, soll ihrem Antrag ein ärztliches Gutachten beifügen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 148/09
vom
16. Dezember 2009
in der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei Anordnung von Sicherungshaft gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG
muss der Haftrichter auch dann eigenverantwortlich prüfen, ob der Ausländer
infolge unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist, wenn die zuständige
Verwaltungsbehörde eine auf diesen Tatbestand gestützte, nicht bestandskräftige
Zurückschiebungsverfügung erlassen hat.
Ist ein Ausländer ohne gültigen Reisepass in die Bundesrepublik eingereist,
kommt ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei
oder aufgrund der in dem dazu vereinbarten Zusatzprotokoll vom 23. November
1970 enthaltenen "Stillhalteklausel" nicht in Betracht.
BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2009 - V ZB 148/09 - LG Dresden
AG Pirna
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Dezember 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 25. September 2009 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.

1
Der Betroffene, der am Vortag aus der Tschechischen Republik in das Bundesgebiet eingereist war, wurde am 15. September 2009 als Beifahrer eines auf einer Bundesautobahn in Richtung Prag fahrenden Kraftfahrzeugs von einer Streife der gemeinsamen Fahndungsgruppe Pirna überprüft. Der türkische Pass, mit dem er sich auswies, wurde von den Beamten als Fälschung angesehen. Der Betroffene wurde daraufhin festgenommen. Am selben Tag erließ die Bundespolizeidirektion Pirna eine Verfügung über seine Zurückschiebung in die Türkei und beantragte die Anordnung von Sicherungshaft.
2
Eine erste Haftanordnung des Amtsgerichts wurde im Hinblick auf die eingeleitete Zurückschiebung des Betroffenen in die Tschechische Republik wieder aufgehoben. Nachdem die tschechischen Behörden seine Rücküber- nahme abgelehnt hatten, ordnete das Amtsgericht auf Antrag der Bundespolizeidirektion am 16. September 2009 erneut die Sicherungshaft an.
3
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen ist, von der Verkürzung der Höchstdauer der Haft abgesehen, ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt er weiterhin die Aufhebung der Haftanordnung.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, die Anordnung der Abschiebehaft sei rechtmäßig, weil die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG vorlägen. Es könne offen bleiben, ob der Betroffene als türkischer Staatsbürger berechtigt gewesen sei, ohne Visum einzureisen. Er sei jedenfalls deshalb vollziehbar ausreisepflichtig, weil er mit einem gefälschten Pass eingereist sei. Es bestehe der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene einer Zurückschiebung in die Türkei nicht stellen werde. Er wolle zwar freiwillig ausreisen, jedoch nicht in die Türkei. Unter weiterer Berücksichtigung des Umstands, dass die Zurückschiebung voraussichtlich bis zum 16. Oktober 2009 durchgeführt werden könne, verstoße die Haftanordnung nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

III.

5
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthafte, frist- und formgerecht (§ 71 FamFG) eingelegte Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
6
1. Das Beschwerdegericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass der Betroffene nach den Vorschriften der §§ 57 Abs. 3, 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG in Sicherungshaft genommen werden durfte, weil er aufgrund unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet vollziehbar ausreisepflichtig ist.
7
a) Diese Voraussetzungen ergeben sich, was das Beschwerdegericht auch nicht verkennt, nicht schon bindend aus der - mit der unerlaubten Einreise des Betroffenen und seinem fehlenden Aufenthaltsrecht begründeten - Zurückschiebungsverfügung der gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG zuständigen Beteiligten zu 2. Zwar hat der Haftrichter grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die zuständige Behörde die Abschiebung bzw. Zurückschiebung zu Recht betreibt (Senat, BGHZ 78, 145, 147; 98, 109, 112; BVerfG, Beschl. v. 1. April 1999, 2 BvR 400/99, juris Rdn. 3; BVerwGE 62, 325, 328), denn die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden unterliegt allein der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bei einer auf § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gestützten Haftanordnung liegt dies insofern anders, als die sofort vollziehbare Ausreisepflicht aufgrund unerlaubter Einreise den unmittelbaren Haftgrund bildet. Ergibt sich diese weder aus einer bestandskräftigen Abschiebungs- bzw. Zurückschiebungsverfügung noch aus einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, muss der Haftrichter die erforderliche Prüfung selbst vornehmen (vgl. KG NVwZ 1997, 516; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 AufenthG Rdn. 13). Es würde der Bedeutung des Richtervorbehalts bei Freiheitsentziehungen (Art. 104 Abs. 2 GG; vgl. BVerfGE 105, 239, 248; BVerfGK 7, 87, 98) und den Anforderungen in Bezug auf die tatsächlichen Grundlagen richterlicher Haftentscheidungen (vgl. BVerfGE 70, 297, 308) nicht gerecht, wenn dem Haftrichter im Rahmen des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG durch eine noch nicht bestandskräftige Verfügung über die Zurückschiebung nach § 57 AufenthG bereits die wesentlichen Voraussetzungen für die Haftanordnung vorgegeben wären.
8
b) Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht von einer unerlaubten Einreise des Betroffenen aus. Die Einreise eines Ausländers ist nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG dann unerlaubt, wenn er einen erforderlichen Pass oder Passersatz nach § 3 Abs. 1 AufenthG nicht besitzt. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Nach den - von der Rechtsbeschwerde nicht mit einer Rüge im Sinne des § 71 Abs. 3 Nr. 2b FamFG angegriffenen und damit das Rechtsbeschwerdegericht bindenden (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG i.V.m. § 559 Abs. 2 ZPO) - Feststellungen des Beschwerdegerichts war der Betroffene bei seiner Einreise nach Deutschland nicht im Besitz eines gültigen Passes oder Passersatzes.
9
c) Im Ergebnis zu Recht nimmt das Beschwerdegericht ferner die - hier gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbare - Ausreisepflicht des Betroffenen an. Nach § 50 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet , wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG / Türkei nicht oder nicht mehr besteht. So liegt es hier. Ein - allein in Betracht kommendes - Aufenthaltsrecht des Betroffenen nach dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei vom 12. September 1963 (BGBl. 1964 II, 509) besteht nicht. Auf ein solches Aufenthaltsrecht kann sich nur berufen, wer rechtmäßig in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates eingereist ist (vgl. EuGH, Rs. C-37/98, EuZW 2000, 569, 572 Tz. 59 [Savas]; Rs. C-317/01 u. C-369/01, InfAuslR 2004, 32, 34 Tz. 65 [Abatay]; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 65. Aktual. 2009, § 4 Rdn. 74). Ist die Einreise , wie hier, unter Verwendung eines falschen Passes und damit unter Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfolgt, fehlt es an dieser Ausgangslage.
10
Entsprechendes gilt, soweit sich der Betroffene auf die in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG / Türkei vom 23. No- vember 1970 (BGBl. 1972 II, 385 nachfolgend: ZPAssEWG-TR) enthaltene "Stillhalteklausel" beruft, in der sich die Vertragsparteien verpflichtet haben, untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einzuführen (Art. 41 Abs. 1 ZPAssEWG-TR; vgl. dazu EuGH, Rs. C-228/06, NVwZ 2009, 513 [Soysal]). Der Betroffene gehört schon nicht zu dem dadurch privilegierten Personenkreis. Die damals in der Bundesrepublik Deutschland geltende, sich aus § 2 Abs. 3 AuslG a.F. i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG 1965 ergebende Befreiung türkischer Staatsangehöriger, die sich nicht länger als drei Monate in der Bundesrepublik aufhalten und keiner Erwerbstätigkeit nachgehen wollten, von dem Erfordernis der Aufenthaltserlaubnis war nämlich von dem Besitz eines (gültigen) Nationalpasses abhängig (vgl. Kanein, Ausländergesetz [1966], § 2 Anm. C.1. i.V.m. § 3 Anm. A., B.1.). Die Einreise ohne gültigen - im Streitfall gar mit einem gefälschten - Pass war schon vor Inkrafttreten von Art. 41 Abs. 1 ZPAssEWG-TR nicht privilegiert.
11
d) Die Anordnung der Sicherungshaft verstößt nicht gegen den im Rahmen der Prüfung des Haftgrundes zu beachtenden verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
12
aa) Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Betroffene keine konkreten Umstände dargelegt hat, aus denen sich entgegen der gesetzlichen Vermutung des § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 65. Aktual. 2009, § 62 Rdn. 39; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 Rdn. 15) ergibt, er werde sich der Zurückschiebung nicht entziehen. Soweit der Betroffene auf seine Bereitschaft verweist, nach Erhalt eines gültigen Passes in die Tschechische Republik, hilfsweise in einen anderen visumsfreien Drittstaat auszureisen, stellt er nicht die Verhältnismäßigkeit der - seine Zurückschiebung in die Türkei sichernden - Haft in Frage. Vielmehr wendet er sich gegen die von der Beteiligten zu 2 vorgenommene Bestimmung des Landes, in das er zurückgeschoben werden soll und damit gegen die - nicht von dem von dem Haftrichter, sondern von den Verwaltungsgerichten zu prüfende - Rechtmäßigkeit der Zurückschiebungsverfügung.
13
bb) Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung auch im Hinblick darauf stand, dass die Haft unzulässig ist, wenn feststeht, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG). Der Haftrichter hat auf Grundlage einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage und unter Berücksichtigung der Möglichkeiten verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes eine Prognose zum Zeitpunkt der möglichen Zurückschiebung zu treffen (vgl. BVerfG NJW 2009, 2659, 2660). Dass die von dem Beschwerdegericht getroffene Prognose diesen Anforderungen nicht genügt, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Soweit sie, bezogen auf den Zeitpunkt der Rechtsbeschwerdebegründung, rügt, die Ausländerbehörde habe bislang keine Maßnahmen zur Beschaffung der notwendigen Papiere ergriffen und damit die gebotene Beschleunigung des Verfahrens unterlassen , handelt es sich um neuen, im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigungsfähigen Tatsachenvortrag.
14
2. Ob das Beschwerdegericht auch die Voraussetzungen des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG zu Recht angenommen hat, bedarf keiner Entscheidung.

IV.

15
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Pirna, Entscheidung vom 16.09.2009 - 23 XIV B 35/09 -
LG Dresden, Entscheidung vom 25.09.2009 - 2 T 780/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZA 9/10
vom
25. März 2010
in der Abschiebehaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. März 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen, ihm Verfahrenskostenhilfe für die Einlegung einer Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 17. Februar 2010 zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, dessen Asylantrag mit bestandskräftigem Bescheid vom 4. Dezember 2002 abgelehnt worden war, reiste ohne gültigen Reisepass und Aufenthaltstitel am 6. Oktober 2009 aus Italien kommend erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde in M. festgenommen. Zunächst wurde gegen ihn vom 6. bis zum 15. Oktober 2009 eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt. Auf den Antrag der Beteiligten zu 2 ordnete das Amtsgericht am 9. Oktober 2009 die Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen längstens für die Dauer von drei Monaten an, zu vollstrecken im Anschluss an die Ersatzfreiheitsstrafe. Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
2
Am 20. November 2009 stellte der Betroffene einen Asylfolgeantrag bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
3
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 verlängerte das Amtsgericht mit Beschluss vom 13. Januar 2010 die Sicherungshaft über den 16. Januar 2010 hinaus bis zum 16. April 2010 und ordnete die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an. Mit der dagegen gerichteten sofortige Beschwerde hat der Betroffene die fehlende Beteiligung seines Verfahrensbevollmächtigten gerügt, ferner eingewandt, dass er keine unvollständigen oder unzutreffenden Angaben im Rahmen des Verfahrens zur Beschaffung der Passersatzpapiere gemacht habe, und schließlich die Möglichkeit der Durchführung der Abschiebung innerhalb der vorgesehenen Frist in Zweifel gezogen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel nach mündlicher Anhörung des Betroffenen durch Beschluss vom 17. Februar 2010 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Sicherungshaft nur bis zum 15. April 2010 angeordnet wird. Für die beabsichtigte Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss beantragt der Betroffene die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung eines bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, der von dem Betroffenen gestellte Asylfolgeantrag stehe nach § 71 Abs. 8 AsylVfG der Sicherungshaft nicht entgegen. Die Haftverlängerung sei auch zulässig, weil nach den Stellungnahmen der mit der Passersatzpapierbeschaffung befassten Stelle derzeit nicht feststehe, dass die Abschiebung innerhalb der angeordneten Haftdauer nicht durchgeführt werden könne. Der Betroffene habe zudem die Dauer des Verfahrens verschuldet. Eine Übersendung des in den indischen Amtssprachen abgefassten Formulars auf dem Postweg an ihn sei ausreichend gewesen. Dieses Formular habe der Betroffene jedoch erst am 24. November 2009 vervollständigt. Die Angaben zu seiner Herkunft seien nach wie vor widersprüchlich und müssten in Indien überprüft werden. Bei vollständigen und richtigen Angaben könne ein Heimreisedokument nach den Erkenntnissen der Ausländerbehörde innerhalb weniger Wochen ausgestellt werden. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sei der Beteiligten zu 2 nicht anzulasten; unmittelbar nach Stellung des Haftantrags sei das Dokumentenbeschaffungsverfahren eingeleitet worden.

III.

5
Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist zurückzuweisen , weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO). Denn die nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthafte Rechtsbeschwerde hätte keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Verlängerung der Sicherungshaft bis zum 15. April 2010 hielte rechtlicher Nachprüfung stand.
6
1. Das Beschwerdegericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass der Betroffene in Sicherungshaft genommen werden durfte, weil er aufgrund unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet vollziehbar ausreisepflichtig ist (§§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) und die Beteiligte zu 2 beabsichtigt , die Ausreisepflicht zwangsweise durchzusetzen.
7
a) Die Beteiligte zu 2 ist die für den Haftantrag zuständige Verwaltungsbehörde (§ 417 Abs. 1 FamFG).
8
b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht den in § 62 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG genannten Haftgrund bejaht. Ergibt sich bei einer auf diese Vorschrift gestützten Haftanordnung die Ausreisepflicht weder aus einer bestandskräftigen Abschiebungs- bzw. Zurückschiebungsverfügung noch aus einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, muss der Haftrichter die erforderliche Prüfung der Voraussetzungen des Haftgrundes selbst vornehmen (Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50). Das hat er getan; Rechtsfehler sind ihm dabei nicht unterlaufen.
9
aa) Im vorliegenden Fall fehlt es an einer Zurückschiebungs- bzw. Abschiebungsverfügung. Die Beteiligte zu 2 ist allerdings entschlossen, die gesetzliche Ausreisepflicht des Betroffenen zwangsweise durchzusetzen. Einer förmlichen Androhung der Durchsetzung oder eines Verwaltungsakts, durch den der Betroffene zum Verlassen des Bundesgebiets aufgefordert wird, bedarf es für die Anordnung der Abschiebungshaft indes nicht (OLG Hamm NVwZ 2003, Beilage Nr. I 4, 27; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 66. Aktual. November 2009, § 62 AufenthG Rdn. 39; Renner, aaO, § 62 AufenthG Rdn. 13).
10
bb) Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht von einer unerlaubten Einreise des Betroffenen aus. Die Einreise eines Ausländers ist nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG dann unerlaubt, wenn er einen erforderlichen Pass oder Passersatz nach § 3 Abs. 1 AufenthG nicht besitzt. Diese Voraussetzung liegt vor. Der Asylfolgeantrag ändert nichts an der unerlaubten Einreise, weil der Betroffene ihn erst während der Inhaftierung gestellt hat.
11
cc) Ebenfalls zu Recht nimmt das Beschwerdegericht die - nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbare - Ausreisepflicht des Betroffenen an.
12
(1) Im Fall der unerlaubten Einreise hängt, wie sich aus § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ergibt, die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nicht von einem Verwaltungsakt ab, durch den der Ausländer ausreisepflichtig wird (vgl. OLG Hamm NVwZ 2003, Beilage Nr. I 4, 27). Nach § 50 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer bereits u.a. dann zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt.
13
(2) Der Asylfolgeantrag steht nach § 71 Abs. 8 AsylVfG der Haftanordnung nicht entgegen (vgl. BayObLG OLGR 2004, 238, 239; OLG München OLGR 2009, 601 f.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 66. Aktual. November 2009, § 62 AufenthG Rdn. 28, § 71 AsylVfG Rdn. 122; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 AufenthG Rdn. 14; § 71 AsylVfG Rdn. 51). Ob der Asylfolgeantrag eine Aufenthaltsgestattung (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) und damit Aufenthaltsrecht zur Folge hat (ablehnend die h.M. VGH Mannheim VBlBW 1995, 327, 328; Hailbronner, aaO, § 71 AsylVfG Rdn. 97 f.; Marx, Asylverfahrensgesetz, 7. Aufl., § 71 Rdn. 425 f.; Bell/Henning, ZAR 1993, 37 f.; a.A. VG Schleswig EZAR 224 Nr. 24, S. 3; wohl auch VGH Mannheim InfAuslR 1993, 200, 201), kann deshalb offenbleiben.
14
2. Das Beschwerdegericht hat auch den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG aus zutreffenden Gründen bejaht. Einwendungen dagegen sind von dem Betroffenen auch nicht angekündigt.
15
3. Die Verlängerung der Sicherungshaft bis zum Ablauf der Sechsmonatsfrist (§ 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) hält schließlich auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit rechtlicher Nachprüfung stand.
16
a) Die Anordnung der Haft ist nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, denn es steht nicht fest, dass aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.
17
aa) Der Haftrichter hat auf einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage die für die Anwendung des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG erforderliche Prognose grundsätzlich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Gründe, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können , zu erstrecken (BVerfG NJW 2009, 2659, 2660). Hierzu sind konkrete An- gaben zum Ablauf des Verfahrens und zu dem Zeitraum, in welchem die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können, erforderlich. Die Entscheidung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf zu prüfen, ob das Beschwerdegericht die der Prognose zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe erkannt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und vollständig gewürdigt hat (vgl. BGH, Urt. v. 10. Mai 1994, XI ZR 212/93, NJW 1994, 2093, 2094; OLG München OLGR 2009, 714; Keidel/ Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 72 Rdn. 18).
18
bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Die für die Beurteilung durch den Senat maßgebliche tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts (vgl. OLG München OLGR 2009, 714), es stehe nicht fest, dass die Abschiebung nicht binnen drei Monaten erfolgen könne, hält der auf Rechtsfehler beschränkten Prüfung stand. Das Beschwerdegericht hat zu der voraussichtlichen Dauer der Passersatzpapierbeschaffung den Verfahrensablauf dargestellt und die zeitnahen Angaben der mit der Beschaffung der Rückführungsdokumente in Indien befassten Ausländerbehörde berücksichtigt, wonach jedenfalls derzeit die Ausstellung der Heimreisepapiere bei vollständigen und zutreffenden Angaben des Betroffenen innerhalb weniger Wochen erfolgen könne (vgl. hierzu auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 15. November 2007, 11 Wx 55/07, juris Rdn. 35), gerechnet ab dem für die Prognose maßgeblichen Zeitpunkt der Haftanordnung (vgl. OLG München OLGR 2005, 439, 440; OLG Düsseldorf InfAuslR 2008, 38, 39). Die Prognose hat auch noch angesichts des im Nachhinein gestellten Asylfolgeantrags Bestand, weil vorläufiger Rechtsschutz in jenem Verfahren nicht beantragt worden ist (vgl. hierzu BVerfG NVwZ 1996, Beilage Nr. 3, S. 17, 18).
19
b) Die Haft durfte über die Dreimonatsfrist (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG) hinaus verlängert werden. Die Regelung in § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG lässt allerdings erkennen, dass im Regelfall die Dauer von drei Monaten Haft nicht überschritten werden soll und eine Haftdauer von sechs Monaten (§ 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) nicht ohne weiteres als verhältnismäßig angesehen werden darf. Daraus folgt, dass die Verlängerung einer zunächst in zulässiger Weise auf drei Monate befristeten Haftanordnung unzulässig ist, wenn die Abschiebung aus Gründen unterblieben ist, die von dem Ausländer nicht zu vertreten sind (Senat, BGHZ 133, 235, 237 f., zu § 57 AuslG). Diese Voraussetzung liegt hier jedoch nicht vor.
20
aa) Zu vertreten hat der Ausländer auch Gründe, die - von ihm zurechenbar veranlasst - dazu geführt haben, dass ein Abschiebungshindernis überhaupt erst entstanden ist (Senat, aaO, S. 238). Der Ausländer, der keine Ausweispapiere besitzt und der auch bei der Passersatzbeschaffung nicht mitwirkt , muss Verzögerungen hinnehmen, die dadurch entstehen, dass die Behörden seines Heimatstaates um die Feststellung seiner Identität und die Erteilung eines Passersatzpapiers ersucht werden müssen (OLG München OLGR 2009, 714, 715). So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts verfügt der Betroffene über keine Identitätspapiere; er hat das Formular zur Beschaffung der Rückführungspapiere zunächst unvollständig ausgefüllt. Die Vervollständigung im Rahmen der Anhörung am 24. November 2009 hat sich als bedingt tauglich erwiesen, weil die Angaben zu seinem Nationalpass, wie sich erst anlässlich der Vorführung bei dem indischen Generalkonsulat ergeben hat, unzutreffend waren. Zudem hat der Betroffene fortwährend unterschiedliche Angaben zu seiner Herkunft gemacht. Damit ist eine Überprüfung durch die Behörden in Indien erforderlich. Hätte der Betroffene von vornherein vollständige und zutreffende Angaben gemacht, wären die Heimreisedokumente innerhalb weniger Wochen ausgestellt worden.
21
bb) Gegen diese Feststellungen des Beschwerdegerichts wendet sich der Betroffene nicht, sondern macht zur Begründung seines Verfahrenskostenhilfeantrags lediglich geltend, dass ihm ein Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht nicht anzulasten sei, weil die Ausländerbehörde unter Hinzuziehung eines Dolmetschers für das Ausfüllen des Formulars habe sorgen müssen. Das würde der Rechtsbeschwerde indessen nicht zum Erfolg verhelfen. Der Ausländer hat an der Beschaffung der Passersatzpapiere mitzuwirken. Insbesondere ist es nach § 3 AufenthG eine Obliegenheit des Ausländers, im Besitz eines gültigen Passes zu sein; grundsätzlich muss er sich daher eigenständig um die Beschaffung von Identitätspapieren aus seinem Heimatland bemühen (OVG Münster InfAuslR 2006, 322). Daher ist die bloße Übersendung von Formularen entgegen der Auffassung des Betroffenen nicht verfahrensfehlerhaft, wenn sie - wie hier - in der Sprache des Betroffenen verfasst sind. Es ist nicht zu beanstanden , dass die Ausländerbehörde zunächst auf eine persönliche Befragung unter Hinzuziehung eines Dolmetschers verzichtet, solange kein Anlass zu Zweifeln an der Fähigkeit des Ausländers besteht, das Formular ordnungsgemäß auszufüllen.
22
cc) Ein Verstoß der Beteiligten zu 2 gegen das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (vgl. BVerfGE 20, 45, 49 f.; 46, 194, 195) liegt nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht vor. Schon wenn vorhersehbar ist, dass die Abschiebung erforderlich wird, muss die Behörde allerdings alle notwendigen Anstrengungen unternehmen, um die erforderlichen Papiere zu beschaffen, damit der Vollzug der Haft auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (Senat, BGHZ 133, 235, 239; OLG Celle InfAuslR 2004, 118; OLG Düsseldorf InfAuslR 2008, 38, 39; OLG Schleswig InfAuslR 2004, 167; Hailbronner, aaO, § 62 AufenthG Rdn. 33). Hier hat die Beteiligte zu 2 unmittelbar nach dem Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft, der noch während der Vollstreckung der Er- satzfreiheitstrafe gestellt worden ist, das Passersatzpapierbeschaffungsverfahren eingeleitet und dem Betroffenen das Formular für die Beschaffung der zur Rückführung notwendigen Papiere übermittelt. Da die Ausländerbehörde grundsätzlich keine Möglichkeit hat, auf die Terminplanung der ausländischen Vertretung Einfluss zu nehmen, ist ihr nicht anzulasten, dass der Vorführungstermin dort erst am 15. Dezember 2009 stattgefunden hat (vgl. OLG Schleswig, NVwZ-RR 2005, 858, 859).
23
4. Dass der Verfahrensbevollmächtigte in dem erstinstanzlichen Verfahren über die Verlängerung der Abschiebungshaft nicht beteiligt worden ist, führte ebenfalls nicht zur Unzulässigkeit der angefochtenen Entscheidung. Denn der Betroffene muss eine - hier erfolgte - im Beschwerdeverfahren herbeigeführte Heilung von Verfahrensmängeln hinnehmen (vgl. Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 22). Das Verfahrensergebnis ist für ihn kein anderes, als wenn be- reits das Amtsgericht das Verfahren fehlerfrei durchgeführt hätte (vgl. Keidel/ Budde, aaO, § 62 Rdn. 23). Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 13.01.2010 - 872 XIV B 347/09 -
LG München I, Entscheidung vom 17.02.2010 - 13 T 1494/10 -

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.

(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.

(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.

(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer

1.
unerlaubt eingereist ist,
2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder
3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
Im Übrigen ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach § 50 Abs. 1 ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist.

(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer

1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet,
2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist,
3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist,
4.
mittellos ist,
5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt,
6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder
7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.

(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.

(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.

(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.

(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZA 9/10
vom
25. März 2010
in der Abschiebehaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. März 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen, ihm Verfahrenskostenhilfe für die Einlegung einer Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 17. Februar 2010 zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, dessen Asylantrag mit bestandskräftigem Bescheid vom 4. Dezember 2002 abgelehnt worden war, reiste ohne gültigen Reisepass und Aufenthaltstitel am 6. Oktober 2009 aus Italien kommend erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde in M. festgenommen. Zunächst wurde gegen ihn vom 6. bis zum 15. Oktober 2009 eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt. Auf den Antrag der Beteiligten zu 2 ordnete das Amtsgericht am 9. Oktober 2009 die Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen längstens für die Dauer von drei Monaten an, zu vollstrecken im Anschluss an die Ersatzfreiheitsstrafe. Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
2
Am 20. November 2009 stellte der Betroffene einen Asylfolgeantrag bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
3
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 verlängerte das Amtsgericht mit Beschluss vom 13. Januar 2010 die Sicherungshaft über den 16. Januar 2010 hinaus bis zum 16. April 2010 und ordnete die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an. Mit der dagegen gerichteten sofortige Beschwerde hat der Betroffene die fehlende Beteiligung seines Verfahrensbevollmächtigten gerügt, ferner eingewandt, dass er keine unvollständigen oder unzutreffenden Angaben im Rahmen des Verfahrens zur Beschaffung der Passersatzpapiere gemacht habe, und schließlich die Möglichkeit der Durchführung der Abschiebung innerhalb der vorgesehenen Frist in Zweifel gezogen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel nach mündlicher Anhörung des Betroffenen durch Beschluss vom 17. Februar 2010 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Sicherungshaft nur bis zum 15. April 2010 angeordnet wird. Für die beabsichtigte Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss beantragt der Betroffene die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung eines bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, der von dem Betroffenen gestellte Asylfolgeantrag stehe nach § 71 Abs. 8 AsylVfG der Sicherungshaft nicht entgegen. Die Haftverlängerung sei auch zulässig, weil nach den Stellungnahmen der mit der Passersatzpapierbeschaffung befassten Stelle derzeit nicht feststehe, dass die Abschiebung innerhalb der angeordneten Haftdauer nicht durchgeführt werden könne. Der Betroffene habe zudem die Dauer des Verfahrens verschuldet. Eine Übersendung des in den indischen Amtssprachen abgefassten Formulars auf dem Postweg an ihn sei ausreichend gewesen. Dieses Formular habe der Betroffene jedoch erst am 24. November 2009 vervollständigt. Die Angaben zu seiner Herkunft seien nach wie vor widersprüchlich und müssten in Indien überprüft werden. Bei vollständigen und richtigen Angaben könne ein Heimreisedokument nach den Erkenntnissen der Ausländerbehörde innerhalb weniger Wochen ausgestellt werden. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sei der Beteiligten zu 2 nicht anzulasten; unmittelbar nach Stellung des Haftantrags sei das Dokumentenbeschaffungsverfahren eingeleitet worden.

III.

5
Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist zurückzuweisen , weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO). Denn die nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthafte Rechtsbeschwerde hätte keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Verlängerung der Sicherungshaft bis zum 15. April 2010 hielte rechtlicher Nachprüfung stand.
6
1. Das Beschwerdegericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass der Betroffene in Sicherungshaft genommen werden durfte, weil er aufgrund unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet vollziehbar ausreisepflichtig ist (§§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) und die Beteiligte zu 2 beabsichtigt , die Ausreisepflicht zwangsweise durchzusetzen.
7
a) Die Beteiligte zu 2 ist die für den Haftantrag zuständige Verwaltungsbehörde (§ 417 Abs. 1 FamFG).
8
b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht den in § 62 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG genannten Haftgrund bejaht. Ergibt sich bei einer auf diese Vorschrift gestützten Haftanordnung die Ausreisepflicht weder aus einer bestandskräftigen Abschiebungs- bzw. Zurückschiebungsverfügung noch aus einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, muss der Haftrichter die erforderliche Prüfung der Voraussetzungen des Haftgrundes selbst vornehmen (Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50). Das hat er getan; Rechtsfehler sind ihm dabei nicht unterlaufen.
9
aa) Im vorliegenden Fall fehlt es an einer Zurückschiebungs- bzw. Abschiebungsverfügung. Die Beteiligte zu 2 ist allerdings entschlossen, die gesetzliche Ausreisepflicht des Betroffenen zwangsweise durchzusetzen. Einer förmlichen Androhung der Durchsetzung oder eines Verwaltungsakts, durch den der Betroffene zum Verlassen des Bundesgebiets aufgefordert wird, bedarf es für die Anordnung der Abschiebungshaft indes nicht (OLG Hamm NVwZ 2003, Beilage Nr. I 4, 27; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 66. Aktual. November 2009, § 62 AufenthG Rdn. 39; Renner, aaO, § 62 AufenthG Rdn. 13).
10
bb) Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht von einer unerlaubten Einreise des Betroffenen aus. Die Einreise eines Ausländers ist nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG dann unerlaubt, wenn er einen erforderlichen Pass oder Passersatz nach § 3 Abs. 1 AufenthG nicht besitzt. Diese Voraussetzung liegt vor. Der Asylfolgeantrag ändert nichts an der unerlaubten Einreise, weil der Betroffene ihn erst während der Inhaftierung gestellt hat.
11
cc) Ebenfalls zu Recht nimmt das Beschwerdegericht die - nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbare - Ausreisepflicht des Betroffenen an.
12
(1) Im Fall der unerlaubten Einreise hängt, wie sich aus § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ergibt, die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nicht von einem Verwaltungsakt ab, durch den der Ausländer ausreisepflichtig wird (vgl. OLG Hamm NVwZ 2003, Beilage Nr. I 4, 27). Nach § 50 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer bereits u.a. dann zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt.
13
(2) Der Asylfolgeantrag steht nach § 71 Abs. 8 AsylVfG der Haftanordnung nicht entgegen (vgl. BayObLG OLGR 2004, 238, 239; OLG München OLGR 2009, 601 f.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 66. Aktual. November 2009, § 62 AufenthG Rdn. 28, § 71 AsylVfG Rdn. 122; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 AufenthG Rdn. 14; § 71 AsylVfG Rdn. 51). Ob der Asylfolgeantrag eine Aufenthaltsgestattung (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) und damit Aufenthaltsrecht zur Folge hat (ablehnend die h.M. VGH Mannheim VBlBW 1995, 327, 328; Hailbronner, aaO, § 71 AsylVfG Rdn. 97 f.; Marx, Asylverfahrensgesetz, 7. Aufl., § 71 Rdn. 425 f.; Bell/Henning, ZAR 1993, 37 f.; a.A. VG Schleswig EZAR 224 Nr. 24, S. 3; wohl auch VGH Mannheim InfAuslR 1993, 200, 201), kann deshalb offenbleiben.
14
2. Das Beschwerdegericht hat auch den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG aus zutreffenden Gründen bejaht. Einwendungen dagegen sind von dem Betroffenen auch nicht angekündigt.
15
3. Die Verlängerung der Sicherungshaft bis zum Ablauf der Sechsmonatsfrist (§ 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) hält schließlich auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit rechtlicher Nachprüfung stand.
16
a) Die Anordnung der Haft ist nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, denn es steht nicht fest, dass aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.
17
aa) Der Haftrichter hat auf einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage die für die Anwendung des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG erforderliche Prognose grundsätzlich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Gründe, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können , zu erstrecken (BVerfG NJW 2009, 2659, 2660). Hierzu sind konkrete An- gaben zum Ablauf des Verfahrens und zu dem Zeitraum, in welchem die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können, erforderlich. Die Entscheidung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf zu prüfen, ob das Beschwerdegericht die der Prognose zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe erkannt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und vollständig gewürdigt hat (vgl. BGH, Urt. v. 10. Mai 1994, XI ZR 212/93, NJW 1994, 2093, 2094; OLG München OLGR 2009, 714; Keidel/ Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 72 Rdn. 18).
18
bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Die für die Beurteilung durch den Senat maßgebliche tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts (vgl. OLG München OLGR 2009, 714), es stehe nicht fest, dass die Abschiebung nicht binnen drei Monaten erfolgen könne, hält der auf Rechtsfehler beschränkten Prüfung stand. Das Beschwerdegericht hat zu der voraussichtlichen Dauer der Passersatzpapierbeschaffung den Verfahrensablauf dargestellt und die zeitnahen Angaben der mit der Beschaffung der Rückführungsdokumente in Indien befassten Ausländerbehörde berücksichtigt, wonach jedenfalls derzeit die Ausstellung der Heimreisepapiere bei vollständigen und zutreffenden Angaben des Betroffenen innerhalb weniger Wochen erfolgen könne (vgl. hierzu auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 15. November 2007, 11 Wx 55/07, juris Rdn. 35), gerechnet ab dem für die Prognose maßgeblichen Zeitpunkt der Haftanordnung (vgl. OLG München OLGR 2005, 439, 440; OLG Düsseldorf InfAuslR 2008, 38, 39). Die Prognose hat auch noch angesichts des im Nachhinein gestellten Asylfolgeantrags Bestand, weil vorläufiger Rechtsschutz in jenem Verfahren nicht beantragt worden ist (vgl. hierzu BVerfG NVwZ 1996, Beilage Nr. 3, S. 17, 18).
19
b) Die Haft durfte über die Dreimonatsfrist (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG) hinaus verlängert werden. Die Regelung in § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG lässt allerdings erkennen, dass im Regelfall die Dauer von drei Monaten Haft nicht überschritten werden soll und eine Haftdauer von sechs Monaten (§ 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) nicht ohne weiteres als verhältnismäßig angesehen werden darf. Daraus folgt, dass die Verlängerung einer zunächst in zulässiger Weise auf drei Monate befristeten Haftanordnung unzulässig ist, wenn die Abschiebung aus Gründen unterblieben ist, die von dem Ausländer nicht zu vertreten sind (Senat, BGHZ 133, 235, 237 f., zu § 57 AuslG). Diese Voraussetzung liegt hier jedoch nicht vor.
20
aa) Zu vertreten hat der Ausländer auch Gründe, die - von ihm zurechenbar veranlasst - dazu geführt haben, dass ein Abschiebungshindernis überhaupt erst entstanden ist (Senat, aaO, S. 238). Der Ausländer, der keine Ausweispapiere besitzt und der auch bei der Passersatzbeschaffung nicht mitwirkt , muss Verzögerungen hinnehmen, die dadurch entstehen, dass die Behörden seines Heimatstaates um die Feststellung seiner Identität und die Erteilung eines Passersatzpapiers ersucht werden müssen (OLG München OLGR 2009, 714, 715). So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts verfügt der Betroffene über keine Identitätspapiere; er hat das Formular zur Beschaffung der Rückführungspapiere zunächst unvollständig ausgefüllt. Die Vervollständigung im Rahmen der Anhörung am 24. November 2009 hat sich als bedingt tauglich erwiesen, weil die Angaben zu seinem Nationalpass, wie sich erst anlässlich der Vorführung bei dem indischen Generalkonsulat ergeben hat, unzutreffend waren. Zudem hat der Betroffene fortwährend unterschiedliche Angaben zu seiner Herkunft gemacht. Damit ist eine Überprüfung durch die Behörden in Indien erforderlich. Hätte der Betroffene von vornherein vollständige und zutreffende Angaben gemacht, wären die Heimreisedokumente innerhalb weniger Wochen ausgestellt worden.
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bb) Gegen diese Feststellungen des Beschwerdegerichts wendet sich der Betroffene nicht, sondern macht zur Begründung seines Verfahrenskostenhilfeantrags lediglich geltend, dass ihm ein Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht nicht anzulasten sei, weil die Ausländerbehörde unter Hinzuziehung eines Dolmetschers für das Ausfüllen des Formulars habe sorgen müssen. Das würde der Rechtsbeschwerde indessen nicht zum Erfolg verhelfen. Der Ausländer hat an der Beschaffung der Passersatzpapiere mitzuwirken. Insbesondere ist es nach § 3 AufenthG eine Obliegenheit des Ausländers, im Besitz eines gültigen Passes zu sein; grundsätzlich muss er sich daher eigenständig um die Beschaffung von Identitätspapieren aus seinem Heimatland bemühen (OVG Münster InfAuslR 2006, 322). Daher ist die bloße Übersendung von Formularen entgegen der Auffassung des Betroffenen nicht verfahrensfehlerhaft, wenn sie - wie hier - in der Sprache des Betroffenen verfasst sind. Es ist nicht zu beanstanden , dass die Ausländerbehörde zunächst auf eine persönliche Befragung unter Hinzuziehung eines Dolmetschers verzichtet, solange kein Anlass zu Zweifeln an der Fähigkeit des Ausländers besteht, das Formular ordnungsgemäß auszufüllen.
22
cc) Ein Verstoß der Beteiligten zu 2 gegen das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (vgl. BVerfGE 20, 45, 49 f.; 46, 194, 195) liegt nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht vor. Schon wenn vorhersehbar ist, dass die Abschiebung erforderlich wird, muss die Behörde allerdings alle notwendigen Anstrengungen unternehmen, um die erforderlichen Papiere zu beschaffen, damit der Vollzug der Haft auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (Senat, BGHZ 133, 235, 239; OLG Celle InfAuslR 2004, 118; OLG Düsseldorf InfAuslR 2008, 38, 39; OLG Schleswig InfAuslR 2004, 167; Hailbronner, aaO, § 62 AufenthG Rdn. 33). Hier hat die Beteiligte zu 2 unmittelbar nach dem Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft, der noch während der Vollstreckung der Er- satzfreiheitstrafe gestellt worden ist, das Passersatzpapierbeschaffungsverfahren eingeleitet und dem Betroffenen das Formular für die Beschaffung der zur Rückführung notwendigen Papiere übermittelt. Da die Ausländerbehörde grundsätzlich keine Möglichkeit hat, auf die Terminplanung der ausländischen Vertretung Einfluss zu nehmen, ist ihr nicht anzulasten, dass der Vorführungstermin dort erst am 15. Dezember 2009 stattgefunden hat (vgl. OLG Schleswig, NVwZ-RR 2005, 858, 859).
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4. Dass der Verfahrensbevollmächtigte in dem erstinstanzlichen Verfahren über die Verlängerung der Abschiebungshaft nicht beteiligt worden ist, führte ebenfalls nicht zur Unzulässigkeit der angefochtenen Entscheidung. Denn der Betroffene muss eine - hier erfolgte - im Beschwerdeverfahren herbeigeführte Heilung von Verfahrensmängeln hinnehmen (vgl. Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 22). Das Verfahrensergebnis ist für ihn kein anderes, als wenn be- reits das Amtsgericht das Verfahren fehlerfrei durchgeführt hätte (vgl. Keidel/ Budde, aaO, § 62 Rdn. 23). Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 13.01.2010 - 872 XIV B 347/09 -
LG München I, Entscheidung vom 17.02.2010 - 13 T 1494/10 -

(1) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, soweit durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird (Endentscheidung). Für Registersachen kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden.

(2) Der Beschluss enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten;
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Gerichtspersonen, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;
3.
die Beschlussformel.

(3) Der Beschluss ist zu begründen. Er ist zu unterschreiben. Das Datum der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle oder der Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel (Erlass) ist auf dem Beschluss zu vermerken.

(4) Einer Begründung bedarf es nicht, soweit

1.
die Entscheidung auf Grund eines Anerkenntnisses oder Verzichts oder als Versäumnisentscheidung ergeht und entsprechend bezeichnet ist,
2.
gleichgerichteten Anträgen der Beteiligten stattgegeben wird oder der Beschluss nicht dem erklärten Willen eines Beteiligten widerspricht oder
3.
der Beschluss in Gegenwart aller Beteiligten mündlich bekannt gegeben wurde und alle Beteiligten auf Rechtsmittel verzichtet haben.

(5) Absatz 4 ist nicht anzuwenden:

1.
in Ehesachen, mit Ausnahme der eine Scheidung aussprechenden Entscheidung;
2.
in Abstammungssachen;
3.
in Betreuungssachen;
4.
wenn zu erwarten ist, dass der Beschluss im Ausland geltend gemacht werden wird.

(6) Soll ein ohne Begründung hergestellter Beschluss im Ausland geltend gemacht werden, gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisentscheidungen entsprechend.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 2/10
vom
28. Januar 2010
in der Abschiebehaftsache
Beteiligte:
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen, ihm für eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 30. November 2009 Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.

1
Der Betroffene ist algerischer Staatsangehöriger. Nach seiner Einreise nach Deutschland am 31. März 2008 beantragte er die Anerkennung als Asylberechtigter. Der Antrag wurde von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 24. April 2009 abgelehnt. Der Betroffene war seit dem 15. Mai 2009 vollziehbar zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet. Hiergegen gerichtete Rechtsmittel sind erfolglos geblieben.
2
Nachdem der Betroffene am 29. September 2009 und am 30. September 2009 jeweils nicht in seiner Wohnung angetroffen wurde, hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen die Sicherungshaft bis längstens 5. Oktober 2009 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen.
3
Hiergegen will sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde wenden. Für die Durchführung des Verfahrens beantragt er die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.
4
Am 5. Oktober 2009 ist der Betroffene nach Algerien abgeschoben worden.

II.

5
Das Beschwerdegericht meint, die Entscheidung des Amtsgerichts sei rechtmäßig. Es habe der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG bestanden , Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Eine Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren sei nicht erforderlich.

III.

6
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg.
7
1. Das Beschwerdegericht war nicht zu einer Anhörung des Betroffenen verpflichtet (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Sie ist zwar auch im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich erforderlich. Davon kann aber - auch unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 EMRK - abgesehen werden, wenn der Betroffene in erster Instanz persönlich angehört worden ist, der Sachverhalt einfach gelagert ist und das Rechtsmittelgericht nach Aktenlage entscheiden kann (EGMR NJW 1992, 1813, 1814 Tz. 31 ff. - Helmers gegen Schweden; Senat, Beschl. v. 11. Mai 1995, V ZB 13/95, NJW 1995, 2226 - insoweit in BGHZ 129, 383 nicht abgedruckt; KG InfAuslR 2009, 356, 357; Hoppe ZAR 2009, 209, 213). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Der Betroffene war am 1. Oktober 2009 durch das Amtsgericht angehört worden. Der Sachverhalt war einfach gelagert. Die Beteiligten hatten keine neuen Tatsachen vorgetragen. Der bekannte Sachverhalt war lediglich erneut zu würdigen.
8
2. Das Beschwerdegericht musste dem Betroffenen keine Akteneinsicht gewähren. Denn er wollte keine Einsicht in die diesem Verfahren zugrunde liegenden Akten, sondern allein in die dem Verwaltungsverfahren vor der Ausländerbehörde zugrunde liegenden Akten nehmen. Für die Gewährung von Einsicht in Verwaltungsakten sind jedoch die jeweiligen Verwaltungsbehörden zuständig.
9
3. Weder das Amtsgericht noch das Landgericht mussten die Rechtmäßigkeit der durch die Verwaltungsbehörde angeordneten Abschiebung prüfen, weil sich die Ausreisepflicht des Betroffenen aus einer bestandskräftigen Abschiebungsverfügung ergab (vgl. Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09 Rz. 7 - zur Veröffentlichung bestimmt). Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Westerburg, Entscheidung vom 01.10.2009 - 7 XIV 11/09 B -
LG Koblenz, Entscheidung vom 30.11.2009 - 2 T 763/09 -