Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juni 2012 - V ZB 270/11

bei uns veröffentlicht am21.06.2012
vorgehend
Amtsgericht Varel, 40 K 31/08, 16.08.2011
Landgericht Oldenburg (Oldenburg), 6 T 665/11, 08.11.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 270/11
vom
21. Juni 2012
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juni 2012 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. SchmidtRäntsch
und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 8. November 2011 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt für die Gerichtskosten 8.000 €, für die anwaltliche Vertretung der Schuldnerin 84.000 € und für die anwaltliche Vertretung der Gläubigerin 76.692,78 €.

Gründe:


I.

1
Auf Antrag der Gläubigerin "gemäß § 16 des Gesetzes für den Landesteil O. vom 3. Juli 1933 betreffend die Landessparkasse zu O. in Verbindung mit § 80 Abs. 1 Nr. 22 des Nds. Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vom 2. Juni 1982" ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 2. Oktober 2008 die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücks der Schuldnerin wegen einer dinglichen Forderung an. In dem Antrag heißt es u.a.: "Die Vollstreckbarkeit des dinglichen Anspruchs wird insoweit bescheinigt."
2
Es folgen unter dem Zusatz "Landessparkasse zu O. Der Vorstand" zwei Unterschriften.
3
In dem Versteigerungstermin am 27. Juli 2011 hat die Schuldnerin Erinnerung gegen den Anordnungsbeschluss eingelegt mit der Begründung, der Vollstreckungstitel der Gläubigerin, welcher auf deren Selbsttitulierungsrecht beruhe, sei verfassungswidrig und somit nicht vollstreckbar. Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Gläubigerin beantragt, verfolgt die Schuldnerin ihre Erinnerung weiter.

II.

4
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ersetzt gemäß § 16 Abs. 2 des Gesetzes für den Landesteil O. betreffend die Landessparkasse zu O. vom 3. Juli 1933 ein Vollstreckungsantrag des Vorstands der Gläubigerin einen vollstreckbaren Schuldtitel. Diese Regelung habe noch heute Bestand. Sie verstoße nicht gegen geltendes Verfassungsrecht.

III.

5
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 557 ZPO) Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
6
1. Es bedarf keiner Entscheidung, in welchem Umfang die formelle Unwirksamkeit eines Vollstreckungstitels mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) gerügt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 14. April 2005 - V ZB 4/05, DNotZ 2005, 845). Eine aus materiell-rechtlichen Erwägungen folgende Unwirksamkeit des Titels kann der Schuldner mit der Erinnerung jedenfalls nicht geltend machen (Senat, Beschluss vom 7. Mai 2009 - V ZB 180/08, JurBüro 2009, 442, 443).
7
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist unabhängig von der Frage, derentwegen die Rechtsbeschwerde zugelassen worden ist, rechtlich nicht zu beanstanden. Denn ob das nach dem Landesrecht bestehende Selbsttitulierungsrecht der Gläubigerin gegen höherrangiges Recht verstößt, ist von dem Vollstreckungsgericht nicht zu prüfen. Wegen der formalisierten Ausgestaltung des Zwangsvollstreckungsverfahrens ist ein - wie hier - den förmlichen Anforderungen genügender Vollstreckungstitel von den Vollstreckungsorganen ungeachtet seiner eventuellen materiell-rechtlichen Fehlerhaftigkeit zu vollstrecken (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229, 234; Beschluss vom 12. Januar 2012 - VII ZB 71/09, WM 2012, 454, 455 f. Rn. 15 für eine Vollstreckungsklausel).
8
3. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 16 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes für den Landesteil O. betreffend die Landessparkasse zu O. vom 3. Juli 1933 in der Fassung des § 43 Abs. 1 Nr. 5 NSpG vom 6. Juli 1962 (Nds. GVBl. S. 77) betrifft die materielle Wirksamkeit des den Vollstreckungstitel ersetzenden Vollstreckungsantrags der Gläubigerin. Denn in Frage steht nicht eine an den Antrag zu stellende förmliche Anforderung, sondern die Rechtmäßigkeit des Gesetzes, welches ihn einem Vollstreckungstitel gleichstellt. Eine solche, die normative Grundlage des Titels betreffende Einwendung kann grundsätzlich nur mit der Titelgegenklage (§ 767 ZPO analog; vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229, 223; Senat, Urteil vom 27. Januar 2012 - V ZR 92/11 Rn. 8, juris) geltend gemacht werden.
9
4. Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn die Unwirksamkeit des Titels evident ist, kann offenbleiben. Denn die Feststellung, dass § 16 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes für den Landesteil O. betreffend die Landessparkasse zu O. gegen höherrangiges Recht verstößt, liegt - wie der Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. März 2011 (8 U 139/10, juris) und nicht zuletzt die Begründung des Beschwerdegerichts deutlich machen - nicht auf der Hand.

IV.

10
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Diese Norm ist hier anwendbar, weil sich die Beteiligten bei dem Streit um die Anordnung der Zwangsversteigerung ähnlich wie in einem kontradiktorischen Verfahren gegenüberstehen (Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381 f. Rn. 7 f.).
11
2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die Gerichtskosten hat ihre Grundlage in § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, die für die anwaltliche Vertretung der Schuldnerin und der Gläubigerin in § 26 Nr. 1 Halbsatz 1, Nr. 2 RVG; als Wert des Versteigerungsobjekts hat der Senat den von dem Sachverständigen ermittelten Grundstückswert angenommen. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Varel, Entscheidung vom 16.08.2011 - 40 K 31/08 -
LG Oldenburg, Entscheidung vom 08.11.2011 - 6 T 665/11 -

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(1) Über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen, entscheidet das Vollstreckungsgericht. Es ist befugt, die im § 732 Abs. 2 b

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(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. (2) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar sind.

(3) Das Revisionsgericht ist an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf das angefochtene Urteil nur geprüft werden, wenn die Mängel nach den §§ 551 und 554 Abs. 3 gerügt worden sind.

(1) Über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen, entscheidet das Vollstreckungsgericht. Es ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen.

(2) Dem Vollstreckungsgericht steht auch die Entscheidung zu, wenn ein Gerichtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder eine Vollstreckungshandlung dem Auftrag gemäß auszuführen, oder wenn wegen der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten Erinnerungen erhoben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 4/05
vom
14. April 2005
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. April 2005 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter
Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 5. Zivil- (Beschwerde -) Kammer des Landgerichts Münster vom 24. April 2003 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 109.927,75 €.

Gründe:


I.


Mit notarieller Urkunde vom 8. Oktober 1985 bestellte die unter "erschien (en)" aufgeführte "Firma S. B. GmbH & Co KG" in S. der Rechts- oder Namensvorgängerin der Gläubigerin, "Sparkasse C. - Zweckverbandssparkasse des Kreises und der Stadt C. ", eine Briefgrundschuld über 215.000 DM nebst Zinsen an ihrem Grundbesitz in S. . Die Urkunde trägt die Unterschrift von N. S. , darunter den Namen der o.g. Gesellschaft. Der beurkundende Notar erteilte der Grundschuldinhaberin eine Ausfertigung der Urkunde zum Zwecke der Zwangsvollstreckung.

Am 8. November 1991 wurde der Schuldner als Eigentüme r des belasteten Grundstücks in das Grundbuch eingetragen. Unter dem 8. März 1999 erteilte der Notar die vollstreckbare Ausfertigung zum Zwecke der Zwangsvollstreckung gegen den jetzigen Schuldner und Rechtsnachfolger und führte dabei als Gläubigerin die "Sparkasse C. - Zweckverbandssparkasse des Kreises C. und der Städte C. und D. " auf.
Auf den Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht mi t Beschluß vom 25. Januar 2002 die Zwangsversteigerung wegen des Anspruchs aus der Grundschuld in den Grundbesitz angeordnet. Hiergegen hat sich der Schuldner mit einer nicht näher begründeten "Beschwerde" und dem Antrag gewandt, den Anordnungsbeschluß aufzuheben. Das Amtsgericht hat den als Erinnerung nach § 766 ZPO gewerteten Rechtsbehelf zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen auf Aufhebung des Anordnungsbeschlusses und Zurückweisung des Vollstreckungsantrags gerichteten Antrag weiter. Hilfsweise beantragt er, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Vollstreckungsklausel vom 8. März 1999 für unzulässig zu erklären. Die Gläubigerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, daß ein Zulassungsgrund nach § 574 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich ist und von dem Beschwerdegericht auch nicht angeführt wird; der Verweis auf § 574 Abs. 1 Nr. 2
ZPO, den das Beschwerdegericht angebracht hat, ersetzt nicht die Prüfung eines Zulassungsgrundes nach Abs. 2 der Norm. Das Rechtsbeschwerdegericht ist indes an die Zulassung gebunden, § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

III.


Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Das Beschwerdegericht hält die allgemeinen Vollstrecku ngsvoraussetzungen für gegeben. Der Vollstreckung liege insbesondere ein wirksamer Titel zugrunde, da die notarielle Niederschrift über die Bestellung der Grundschuld keinen Verstoß gegen §§ 9, 10 BeurkG enthalte. Aus den aus der Urkunde ersichtlichen Umständen ergebe sich mit der erforderlichen Klarheit, daß N. S. als Vertreter der als erschienen aufgeführten Gesellschaft vor dem Notar erschienen sei und die notariell beurkundeten Erklärungen abgegeben habe. Die Niederschrift sei von dem Notar - wie die Vorlage des Originals ergeben habe - auch ordnungsgemäß unterschrieben worden. Daß dies auf der Ausfertigung nicht richtig wiedergegeben worden sei, sei unschädlich. Wegen dieses Mangels habe zwar möglicherweise die Vollstreckungsklausel nicht erteilt werden dürfen. Solange sie jedoch auf Einwendung des Schuldners - wie hier - nicht beseitigt sei, stehe einer Vollstreckung nichts im Wege.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.

a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das B eschwerdegericht nicht offen gelassen, ob die Einwendungen des Schuldners als Erinnerung nach § 766 ZPO oder als Erinnerung nach § 732 ZPO einzuordnen sind, sondern allein ein Verfahren nach § 766 ZPO zugrunde gelegt. Diese Einordnung war nicht nur deswegen geboten, weil das Amtsgericht die Erinnerung, von der Beschwerde unbeanstandet, als Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO behandelt hat, sondern auch deswegen, weil der Antrag des Schuldners den Besonderheiten einer Klauselerinnerung nicht Rechnung trug. Er ging nicht dahin, die Zwangsvollstreckung aus der erteilten Klausel für unzulässig zu erklären, sondern - umfassender - auf Aufhebung des Anordnungsbeschlusses und Zurückweisung des Vollstreckungsantrags der Gläubigerin.

b) Die formellen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung si nd gegeben ; insbesondere fehlt es nicht an einem wirksamen Titel. Dabei kann dahin stehen, ob im Verfahren nach § 766 ZPO die Unwirksamkeit des Titels generell geltend gemacht werden kann (vgl. etwa MünchKomm-ZPO/K. Schmidt, 2. Aufl., § 766 Rdn. 30) oder nur bei offensichtlichen Mängeln (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 766 Rdn. 15). Mängel liegen hier jedenfalls nicht vor.
aa) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde genügt die Niederschrift den Anforderungen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG. Ausreichend ist insoweit jede Bezeichnung, die hinreichend auf eine bestimmte Person als erschienen hinweist (vgl. Senat, BGHZ 38, 130, 135 zu der inhaltlich im wesentlichen gleichen Vorgängervorschrift des [früheren] § 2241 Abs. 1 BGB; Winkler, BeurkG, 15. Aufl., § 9 Rdn. 7). Das ist hier der Fall. Zur Begründung kann auf die zutreffenden Ausführungen des Beschwerdegerichts verwiesen werden. Ob
die Bezeichnung auch den Maßstäben entspricht, die § 10 BeurkG aufstellt, bedarf keiner Entscheidung, da ein etwaiger Verstoß gegen diese Sollvorschrift die Gültigkeit der Beurkundung unberührt läßt (siehe nur Winkler aaO, § 10 Rdn. 1). bb) Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Nr. 2 BeurkG liegt e benfalls nicht vor. Zwar weist die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hin, daß zu den Erklärungen der Beteiligten die Angabe gehört, ob sie im eigenen oder im fremden Namen handeln (Jansen, FGG, 2. Aufl., § 9 BeurkG Rdn. 9). Daß N. S. die Grundschuld nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der als erschienen aufgeführten Gesellschaft und Eigentümerin des zu belastenden Grundstücks bestellt hat, ist jedoch offensichtlich und bedurfte nicht der ausdrücklichen Klarstellung.

c) Der Rechtsbeschwerde verhilft auch nicht der Umstand zum Erfolg, daß die Ausfertigung der Urkunde nicht erkennen läßt, daß das Original von dem Notar unterschrieben wurde. Das Beschwerdegericht hat zutreffend darauf abgestellt, daß die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen ebenso gegeben sind wie die für den Beginn der Zwangsvollstreckung notwendigen Voraussetzungen des § 750 Abs. 1 ZPO. Es liegt auch - entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts - kein Verstoß gegen die bei der Erteilung der Ausfertigung zu beachtenden Förmlichkeiten nach § 49 BeurkG vor, deren Einhaltung, soweit es sich um Mußvorschriften handelt, für die Wirksamkeit der Ausfertigung unerläßlich ist (vgl. Winkler aaO, § 49 Rdn. 21; Limmer in Eylmann /Vaasen, BNotO/BeurkG, § 49 BeurkG Rdn. 1). Vielmehr handelt es sich um eine unrichtige Abschrift, die von dem Notar jederzeit berichtigt werden kann und muß (Kanzleiter, DNotZ 1990, 478, 482; Limmer aaO Rdn. 8) und
einer Vollstreckung nicht entgegensteht, wenn sie - wie hier - die Vollstreckungsvoraussetzungen selbst unberührt läßt.
3. Soweit der Schuldner erstmals im Rechtsbeschwerdeverfah ren rügt, daß der vollstreckbaren Urkunde ein hinreichender Rechtsnachfolgevermerk fehle, weil die am 8. März 1999 der Sparkasse C. - Zweckverbandssparkasse des KreisesC. und der Städte C. und D. erteilte Ausfertigung keinen Nachfolgevermerk hinsichtlich der im Titel anders benannten Gläubigerin enthalte, so kann er damit nicht gehört werden. Ein solcher Einwand betrifft das Klauselerteilungsverfahren nach §§ 724, 727 ZPO und hätte nach § 732 ZPO geltend gemacht werden müssen (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 21. Aufl., § 732 Rdn. 2; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 732 Rdn. 29, § 724 Rdn. 13; Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 732 Rdn. 7). Dem trägt jetzt zwar der Hilfsantrag der Rechtsbeschwerde Rechnung. Er ist jedoch neu und gründet sich auf einen in den Vorinstanzen nicht vorgebrachten Sachverhalt, der zudem in ein anderes Verfahren gehört. Er kann daher im vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren keine Berücksichtigung finden (vgl. MünchKommZPO /Lipp, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 577 Rdn. 13; MünchKommZPO /Wenzel aaO, § 559 Rdn. 20 f. m.w.N.).

IV.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 180/08
vom
7. Mai 2009
in der Zwangsversteigerungssache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Mai 2009 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke und
Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts Hamburg vom 7. November 2008 wird auf Kosten des Beteiligten zu 3 zurückgewiesen. Der Gegenstandswert für die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 beträgt 392.582,20 €.

Gründe:

I.

1
Die Beteiligte zu 1 betreibt aus einer notariellen Urkunde, in der sich der Beteiligte zu 3 wegen eines dinglichen Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses genannten Grundstücks.
2
Die Erinnerung des Beteiligten zu 3 gegen die Anordnung der Zwangsversteigerung , mit der er geltend macht, seine Unterwerfungserklärung sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, ist von dem Vollstreckungsgericht zurückgewiesen worden. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen.
3
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Beteiligte zu 3 die Aufhebung der Zwangsversteigerungsanordnung.

II.

4
Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
5
1. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts begegnet allerdings Bedenken , weil sie keine Darstellung des Sachverhalts enthält. Beschlüsse, die mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden können, müssen den maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben und die Anträge der Beteiligten erkennen lassen. Andernfalls ist das Rechtsbeschwerdegericht, das grundsätzlich von dem durch das Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat (§ 577 Abs. 2 Satz 1 u. 4, § 559 ZPO), zu einer rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nicht in der Lage (st.Rspr., vgl. BGH, Beschl. v. 22. Januar 2008, VI ZB 46/07, NJW 2008, 1670, 1671; Beschl. v. 20. Juni 2006, VI ZB 75/05, NJW 2006, 2910; Beschl. v. 7. April 2005, IX ZB 63/03, NJW-RR 2005, 916; Beschl. v. 12. Juli 2004, II ZB 3/03, NJW-RR 2005, 78; Beschl. v. 20. Juni 2002, IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648, 2649).
6
Das Fehlen einer Sachdarstellung hindert eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde hier nur deshalb nicht, weil sich die Vorgänge, auf die es ankommt, mit noch ausreichender Deutlichkeit dem Beschluss des Vollstreckungsgerichts entnehmen lassen und nach den Umständen ausnahmsweise anzunehmen ist, dass sich das Beschwerdegericht diese Feststellungen stillschweigend zu Eigen gemacht hat.
7
2. Das Beschwerdegericht nimmt im Ergebnis zu Recht an, dass die sofortige Beschwerde unbegründet ist. Das folgt allerdings nicht aus den von ihm angestellten Erwägungen zu der Wirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung, sondern daraus, dass die zugrunde liegende Einwendung des Schuldners für die Entscheidung über die Anordnung der Zwangsversteigerung unerheblich ist.
8
Dabei bedarf es auch hier keiner Entscheidung, inwieweit die formelle Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) gerügt werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 14. April 2005, V ZB 4/05, DNotZ 2005, 845). Eine aus materiellrechtlichen Erwägungen folgende Unwirksamkeit des Titels, wie sie der Beschwerdeführer hier unter Hinweis auf § 307 BGB einwendet, kann der Schuldner mit der Vollstreckungserinnerung jedenfalls nicht geltend machen (BGH, Beschl. v. 16. April 2009, VII ZB 62/08, WM 2009, 846; insoweit unzutreffend: OLG Braunschweig BauR 2000, 1228, 1229).
9
Inwiefern etwas anderes gilt, wenn die Unwirksamkeit des Titels evident ist, kann offen bleiben. Ob es sich bei einer Unterwerfungserklärung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt und ob diese gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt, lässt sich nämlich nur nach einer eingehenden materiellrechtlichen Prüfung beantworten, die sich einer Evidenzkontrolle verschließt (BGH, Beschl. v. 16. April 2009, VII ZB 62/08, aaO, S. 847).

III.

10
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO sind anwendbar, weil es sich bei der Auseinandersetzung zwischen Gläubiger und Schuldner über die Anordnung der Zwangsversteigerung regelmäßig um kontradiktorisches Streitverhältnis handelt (vgl. Senat, BGHZ 170, 378, 381). Die Wertfestsetzung für die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 beruht auf § 26 Nr. 1 RVG.
Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

Vorinstanzen:
AG Hamburg-St. Georg, Entscheidung vom 26.09.2008 - 902 K 55/08 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 07.11.2008 - 328 T 79/08 -

(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.

(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.

(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.

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b) Danach war hier die Berufung nicht unzulässig, obwohl die Klägerin in dem zweiten Berufungsverfahren den in der ersten Instanz gestellten Klageantrag fallengelassen und einen neuen Antrag gestellt hat. Denn damit hat sie nicht etwa nur einen neuen prozessualen Anspruch in das Verfahren eingeführt, sondern auch das ursprüngliche Klageziel weiterverfolgt. Sie wollte in der ersten Instanz erreichen, dass die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 18. Juli 1974 für unzulässig erklärt wurde. Dazu hat sie sowohl Einwendungen gegen den titulierten materiell-rechtlichen Anspruch im Wege der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) erhoben als auch im Wege der so genannten Titelgegenklage (§ 767 ZPO analog) die Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels geltend gemacht. Indem das Landgericht die Klagen abgewiesen hat, droht der Klägerin die Weiterführung der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde. Darin liegt ihre Beschwer durch das erstinstanzliche Urteil. Die wollte sie auch in dem zweiten Berufungsverfahren beseitigt wissen. Deshalb hat sie dort ebenfalls die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung beantragt. Dass der Wortlaut dieses Antrags von dem des ursprünglichen Klageantrags abweicht, ist für die Zulässigkeit der Berufung unschädlich. Denn die Abweichung trägt ledig- lich dem Umstand Rechnung, dass die Frage nach der Rechtsnachfolge der Beklagten auf der Gläubigerseite nunmehr in dem Verfahren über die Klauselgegenklage (§ 768 ZPO) zu entscheiden ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - VII ZB 89/10, NJW 2011, 2803, 2806 Rn. 26). Ein von dem erstinstanzlichen Klageziel abweichendes Ziel hat die Klägerin damit nicht verfolgt. Denn nach wie vor wollte sie die Prüfung ihrer bereits in der ersten Instanz erhobenen materiell-rechtlichen Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen der ihrer Ansicht nach fehlenden Vollstreckungsbedingung der Rechtsnachfolge der Beklagten auf Gläubigerseite durch das Gericht erreichen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.