Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2012 - V ZB 220/11

bei uns veröffentlicht am26.01.2012
vorgehend
Amtsgericht Deggendorf, K 130/06, 29.07.2011
Landgericht Deggendorf, 13 T 118/11, 01.09.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 220/11
vom
26. Januar 2012
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter
Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 werden der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Deggendorf vom 1. September 2011 insgesamt und der Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - Deggendorf vom 29. Juli 2011 insoweit aufgehoben, als auch das aus dem Beitrittsbeschluss vom 22. März 2011 betriebene Zwangsversteigerungsverfahren aufgehoben worden ist. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 1 in den Rechtsmittelverfahren beträgt 141.161,73 €.

Gründe:

I.

1
Mit Beschluss vom 30. April 2007 ließ das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - den Beitritt der Beteiligten zu 1 zu dem am 21. November 2006 angeordneten Zwangsversteigerungsverfahren betreffend den in dem Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundbesitz des Beteiligten zu 2 wegen einer Grundschuldforderung von 255.645,94 € nebst 14 % Zinsen hieraus vom 1. Ja- nuar 2004 bis 31. Dezember 2006 zu. Auf Bewilligungen der Beteiligten zu 1 stellte das Amtsgericht mit Beschlüssen vom 20. April 2009 und 8. Juli 2010 das Verfahren jeweils einstweilen ein. Es wurde auf die fristgemäßen Anträge der Beteiligten zu 1 jeweils fortgesetzt.
2
Am 22. März 2011 ließ das Amtsgericht den Beitritt der Beteiligten zu 1 zu dem Verfahren wegen der weiteren Zinsforderung für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2010 zu.
3
In dem Versteigerungstermin am 29. Juli 2011 wurde kein Gebot abgegeben. Die Beteiligte zu 1 bewilligte erneut die einstweilige Einstellung des Verfahrens. Das Amtsgericht hat daraufhin das Verfahren aus den Beitrittsbeschlüssen vom 30. April 2007 und 22. März 2011 wegen Antragsrücknahme aufgehoben. Die gegen die Aufhebung auch aus dem Beitrittsbeschluss vom 22. März 2011 gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Beteiligte zu 1 weiterhin die teilweise Aufhebung der Entscheidung des Amtsgerichts erreichen.

II.

4
Nach Auffassung des Beschwerdegerichts gilt die von der Beteiligten zu 1 am 29. Juli 2011 erteilte Bewilligung der einstweiligen Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens als Rücknahme des Versteigerungsantrags, auch soweit das Verfahren aus dem zweiten Beitrittsbeschluss betrieben worden sei. Zwar sei dieses Verfahren - anders als das aus dem ersten Beitrittsbeschluss betriebene - nicht zuvor bereits zweimal einstweilen eingestellt worden, so dass die erneute Einstellungsbewilligung insoweit nicht die Fiktion der Rücknahme des Versteigerungsantrags (§ 30 Abs. 1 Satz 3 ZVG) habe auslösen können. Aber die dritte Einstellungsbewilligung betreffend das aus dem ersten Beitrittsbeschluss betriebene Verfahren führe zur Aufhebung auch des aus dem zweiten Beitrittsbeschluss betriebenen Verfahrens, weil die Beteiligte zu 1 rechtsmissbräuchlich gehandelt habe. Aufgrund der langen Dauer des Versteigerungsverfahrens sei davon auszugehen, dass hierdurch ein nicht unerheblicher Druck "auf die Schuldnerseite" erzeugt worden sei und werde. Dass auf der Schuldnerseite infolge Erbfalls ein Personenwechsel stattgefunden habe, sei ohne Belang; denn es handele sich um eine Universalsukzession, so dass dem Schuldnerwechsel keine Bedeutung zukomme, weil es in einem solchen Fall keinen Grund für eine unterschiedliche Behandlung gegenüber dem Fall gebe, dass auf Schuldnerseite durchgängig dieselbe Person stehe. Aus dem Umstand, dass die ursprüngliche Schuldnerin erst ca. 15 Monate nach der Anordnung der Zwangsversteigerung durch einen Rechtsanwalt in dem Verfahren vertreten worden sei, könne nicht auf ihr Desinteresse an dem Versteigerungsobjekt oder an dem Versteigerungsverfahren geschlossen werden. Die den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs begründenden Erwägungen hätten bei der Zulassung des Beitritts der Beteiligten zu 1 am 22. März 2011 keine Bedeutung gehabt, weil der Ausgang des Versteigerungstermins am 29. Juli 2011 nicht vorhersehbar gewesen sei. Schließlich sei der zweite Beitritt der Beteiligten zu 1 zu dem Verfahren aufgrund von Zinsforderungen erfolgt, die teilweise seit mehreren Jahren - auch bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Einstellungsbewilligungen betreffend das aus dem ersten Beitrittsbeschluss betriebene Verfahren - fällig gewesen seien.

III.

5
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
1. Die Rechtsbeschwerde ist ungeachtet des Umstands, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels (§ 574 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht vorliegen, weil die von dem Beschwerdegericht für klärungsbedürftig gehaltene Frage, wann die Voraussetzungen für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Gläubigers in einem Zwangsversteigerungsverfahren vorliegen, nur einzelfallbezogen beantwortet werden kann und eine grundsätzliche Bedeutung der Sache deshalb nicht gegeben ist (so schon Senat, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 223 ff.), aufgrund der Bindung des Senats an die Zulassung statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO).
7
2. In der Sache hat die Rechtsbeschwerde Erfolg. Die Feststellungen des Beschwerdegerichts rechtfertigen nicht den Vorwurf an die Beteiligte zu 1, sie habe rechtsmissbräuchlich gehandelt.
8
a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass dann, wenn - wie hier - ein Gläubiger die Zwangsversteigerung aus mehreren Beitrittsbeschlüssen betreibt, für jedes der dadurch anhängig gewordenen selbständigen Einzelverfahren gesondert geprüft werden muss, ob die mehrfache Bewilligung der einstweiligen Einstellung des Verfahrens durch den Gläubiger für jedes Einzelverfahren nach § 30 Abs. 1 Satz 3 ZVG als Rücknahme des Versteigerungsantrags gilt (OLG Düsseldorf, Rpfleger 1991, 28, 29; Hintzen in Dassler/Schiffhauer /Hintzen/Engel/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 30 Rn. 22). Ebenfalls zutreffend nimmt das Beschwerdegericht an, dass das aus dem Beitrittsbeschluss vom 22. März 2011 betriebene Verfahren von der Rücknahmefiktion grundsätzlich nicht erfasst wird, weil die Beteiligte zu 1 insoweit erst einmal die einstweilige Einstellung des Verfahrens bewilligt hat.
9
b) Zu Unrecht erstreckt das Beschwerdegericht jedoch die Rücknahmefiktion wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Beteiligten zu 1 auch auf das aus dem zweiten Beitrittsbeschluss betriebene Verfahren.
10
aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass der das materielle Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Verfahrensrecht gilt, und zwar sowohl im Erkenntnis- als auch im Vollstreckungsverfahren , und dass er die Parteien zu redlicher Prozessführung verpflichtet, insbesondere den Missbrauch prozessualer Befugnisse verbietet; rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig ist die Ausübung solcher Befugnisse, wenn sie nicht den gesetzlich vorgesehenen, sondern anderen, nicht notwendig unerlaubten , aber funktionsfremden und rechtlich zu missbilligen Zwecken dient (Beschluss vom 10. Mai 2007 - V ZB 83/06, BGHZ 172, 218, 222 f. m. umfangr. N.).
11
bb) Im Zwangsversteigerungsverfahren kommt dieser Grundsatz vielfach zur Anwendung. Bei einem Gläubiger ist die Zweckentfremdung prozessualer Befugnisse z.B. dann als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn er Haupt- und Nebenforderungen sukzessive geltend macht, um eine Aufhebung des Verfahrens nach § 30 Abs. 1 Satz 3 ZVG i.V.m. § 29 ZVG zu vermeiden und durch die wiederholte Einstellung und Fortsetzung des ohne ernsthafte Versteigerungsabsicht betriebenen Verfahrens einen permanenten Zahlungsdruck auf den Schuldner auszuüben (OLG Düsseldorf, aaO; LG Lüneburg, Rpfleger 1987, 468; LG Bonn, Rpfleger 1990, 433, 434 und 2001, 365, 366; LG Dessau, Rpfleger 2004, 724 f.; LG Erfurt, Rpfleger 2005, 375; Böttcher, ZVG, 5. Aufl., § 30 Rn. 17; Hintzen aaO, § 30 Rn. 25 f.).
12
cc) Danach ist es nicht generell als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn ein Gläubiger - wie hier - seine Grundschuldforderung in Hauptforderung und Zinsen aufteilt und die Zwangsversteigerung wegen später fällig werdender Zinsen durch den Beitritt zu dem Versteigerungsverfahren betreibt. Geschieht dies nicht nur zu dem Zweck, Druck auf den Schuldner auszuüben, ist dem Gläubiger kein rechtsmissbräuchliches Handeln vorzuwerfen.
13
dd) Gemessen daran ist der von dem Beschwerdegericht erhobene Vorwurf des Rechtsmissbrauchs unbegründet. Es ist auch unklar, welche Vorgehensweise der Beteiligten zu 1 es als rechtsmissbräuchlich ansieht.
14
(1) Allein die lange Verfahrensdauer, auf die das Beschwerdegericht hinweist, ist nicht geeignet, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu begründen. Denn es ist nicht festgestellt, dass sie auf einer rechtlich zu missbilligenden Vorgehensweise der Beteiligten zu 1 beruht. Nahe liegt die Annahme, dass sich kein Bieter für das Versteigerungsobjekt interessiert. Denn bereits in dem ersten Versteigerungstermin am 24. September 2008 wurde lediglich ein Meistgebot abgegeben, welches unter 5/10 des festgesetzten Verkehrswerts lag, so dass der Zuschlag nicht erteilt werden konnte (§ 85a Abs. 1 ZVG). Dass die Beteiligte zu 1 in der Folgezeit zweimal die einstweilige Einstellung des Verfahrens bewilligte, so dass der auf den 27. April 2009 und - nachdem sie rechtzeitig die Fortsetzung des Verfahrens beantragt hatte (§ 31 Abs. 1 ZVG) - der auf den 21. Juli 2010 anberaumte Versteigerungstermin aufgehoben werden mussten , ist nicht zu beanstanden. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beteiligte zu 1 mit dieser Vorgehensweise ein verwerfliches, den gesetzlichen Regelungen der Zwangsversteigerung zuwiderlaufendes Ziel verfolgte , dem die rechtliche Anerkennung zu versagen war (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1978 - VI ZR 67/77, NJW 1978, 162, 163). Dass in dem - nach erneutem Fortsetzungsantrag anberaumten - Versteigerungstermin am 8. April 2011 kein Gebot abgegeben wurde, so dass das Verfahren nach § 77 Abs. 1 ZVG einstweilen eingestellt werden musste, ist der Beteiligten zu 1 ebenso we- nig anzulasten wie der Umstand, dass in dem Versteigerungstermin am 29. Juli 2011 ebenfalls kein Gebot abgegeben wurde.
15
(2) Auch der von dem Beschwerdegericht hervorgehobene Umstand, dass durch die lange Verfahrensdauer ein nicht unerheblicher Druck "auf die Schuldnerseite" ausgeübt worden sei und werde, spricht nicht für ein rechtsmissbräuchliches Handeln der Beteiligten zu 1. Es ist der Zwangsversteigerung immanent, dass der Schuldner während des Verfahrens nicht nur unter Zahlungsdruck , sondern auch unter vielfältigem anderen Druck steht. Die Verfahrensdauer spielt dabei nicht generell, sondern ausschließlich individuell die entscheidende Rolle.
16
(3) Ebenfalls zu Unrecht lastet das Beschwerdegericht der Beteiligten zu 1 an, sie habe nichts dazu vorgetragen, ob und ggfs. inwieweit die ursprüngliche Schuldnerin mit der ursprünglichen Grundschuldgläubigerin Kontakt gesucht habe. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dieser Gesichtspunkt bei der Beurteilung etwaigen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Beteiligten zu 1 eine Rolle spielt.
17
(4) Rechtsmissbräuchlich könnte allenfalls der Antrag der Beteiligten zu 1 vom 15. März 2011 auf Zulassung des Beitritts zu dem Verfahren wegen der Zinsforderung vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2010 gewesen sein. Dagegen spricht allerdings, dass die Forderung - anders als in dem der Entscheidung des Landgerichts Erfurt (Rpfleger 2005, 375) zugrunde liegenden Fall - im Zeitpunkt der Anordnung des Versteigerungsverfahrens und auch des ersten Beitritts der Beteiligten zu 1 noch nicht fällig war, so dass sie seinerzeit noch nicht im Wege der Zwangsvollstreckung geltend gemacht werden konnte (§ 751 Abs. 1 ZPO). Die Frage des damaligen Rechtsmissbrauchs braucht jedoch nicht geklärt zu werden. Denn mit der Zulassung des Beitritts durch das Voll- streckungsgericht war die Beteiligte zu 1 nicht gehindert, die ihr daraus erwachsenen Verfahrensrechte wahrzunehmen. Dem hält das Beschwerdegericht zu Unrecht entgegen, dass die jetzigen Erwägungen zu einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten bei der Entscheidung über den Beitrittsantrag ohne Bedeutung gewesen seien. Das Gegenteil ist der Fall, wie sich aus dem Hinweis des Vollstreckungsgerichts in dem Beitrittsbeschluss auf das Verbot des Missbrauchs von Verfahrensmöglichkeiten zwecks Ausübung eines Dauerdrucks auf den Schuldner ergibt.
18
(5) Schließlich verkennt das Beschwerdegericht, dass die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Gläubigers in Fällen wie dem vorliegenden erfordert, dass das Verfahren ohne ernsthafte Versteigerungsabsicht geführt wird. Feststellungen dazu fehlen demgemäß. Für eine solche fehlende Absicht der Beteiligten zu 1 gibt es auch keine Anhaltspunkte. Ihre gesamte Vorgehensweise kann durchaus auch die Interessen des Schuldners berücksichtigt haben; denn anderenfalls wäre sie gezwungen gewesen, nach der Aufhebung des Verfahrens wegen vorheriger zweimaliger einstweiliger Einstellung (§ 30 Abs. 1 Satz 3 ZVG i.V.m. § 29 ZVG) oder wegen zwei ergebnisloser Termine (§ 77 Abs. 2 Satz 1 ZVG) ein neues Versteigerungsverfahren zu betreiben , wodurch weitere Kosten entstünden.
19
3. Nach alledem hat der angefochtene Beschluss keinen Bestand; er ist aufzuheben. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, ist auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 der Beschluss des Vollstreckungsgerichts insoweit aufzuheben , als er die Aufhebung auch des aus dem Beitrittsbeschluss vom 22. März 2011 betriebenen Verfahrens zum Gegenstand hat.

IV.

20
1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen weder für das Beschwerdeverfahren noch für das Rechtsbeschwerdeverfahren an (vgl. Nr. 2240 bis 2243 KV-GKG). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 kommt nicht in Betracht, weil sich die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381).
21
2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 1 beruht auf § 26 Nr. 1 RVG. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Deggendorf, Entscheidung vom 29.07.2011 - K 130/06 -
LG Deggendorf, Entscheidung vom 01.09.2011 - 13 T 118/11 -

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG | § 85a


(1) Der Zuschlag ist ferner zu versagen, wenn das abgegebene Meistgebot einschließlich des Kapitalwertes der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechte die Hälfte des Grundstückswertes nicht erreicht. (2) § 74a Abs. 3, 5 ist ent

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 26 Gegenstandswert in der Zwangsversteigerung


In der Zwangsversteigerung bestimmt sich der Gegenstandswert 1. bei der Vertretung des Gläubigers oder eines anderen nach § 9 Nummer 1 und 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Beteiligten nach dem Wert des dem Gläubige

Zivilprozessordnung - ZPO | § 751 Bedingungen für Vollstreckungsbeginn


(1) Ist die Geltendmachung des Anspruchs von dem Eintritt eines Kalendertages abhängig, so darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn der Kalendertag abgelaufen ist. (2) Hängt die Vollstreckung von einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheits

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG | § 30


(1) Das Verfahren ist einstweilen einzustellen, wenn der Gläubiger die Einstellung bewilligt. Die Einstellung kann wiederholt bewilligt werden. Ist das Verfahren auf Grund einer Bewilligung des Gläubigers bereits zweimal eingestellt, so gilt eine ern

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG | § 77


(1) Ist ein Gebot nicht abgegeben oder sind sämtliche Gebote erloschen, so wird das Verfahren einstweilen eingestellt. (2) Bleibt die Versteigerung in einem zweiten Termin gleichfalls ergebnislos, so wird das Verfahren aufgehoben. Liegen die Vora

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG | § 31


(1) Im Falle einer einstweiligen Einstellung darf das Verfahren, soweit sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt, nur auf Antrag des Gläubigers fortgesetzt werden. Wird der Antrag nicht binnen sechs Monaten gestellt, so ist das Verfahren aufzuh

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG | § 29


Das Verfahren ist aufzuheben, wenn der Versteigerungsantrag von dem Gläubiger zurückgenommen wird.

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(1) Das Verfahren ist einstweilen einzustellen, wenn der Gläubiger die Einstellung bewilligt. Die Einstellung kann wiederholt bewilligt werden. Ist das Verfahren auf Grund einer Bewilligung des Gläubigers bereits zweimal eingestellt, so gilt eine erneute Einstellungsbewilligung als Rücknahme des Versteigerungsantrags.

(2) Der Bewilligung der Einstellung steht es gleich, wenn der Gläubiger die Aufhebung des Versteigerungstermins bewilligt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 16/02
vom
4. Juli 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 233 Fc

a) Eine Sache, die eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige
Rechtsfrage aufwirft, welche sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen
stellen kann, hat grundsätzliche Bedeutung.

b) Die Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsanwalt seine Sorgfaltspflicht verletzt,
wenn er einer zuverlässigen Angestellten auch an den Tagen, an denen sie als
einzige von insgesamt drei Vollzeit- bzw. Teilzeitkräften im Büro anwesend ist, die
Fristenkontrolle ohne zusätzliche eigene Nachprüfung
überläßt, ist eine Frage des Einzelfalls und als solche einer Verallgemeinerung
nicht zugänglich.

c) Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
nur dann, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung
von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen
oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlaß, wenn es
für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte
an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise
fehlt.

d) Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung
des Rechtsbeschwerdegerichts nur dann, wenn bei der Auslegung
oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus
die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren. Dies ist in der Regel dann
der Fall, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoû gegen
Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zutage tritt, also offenkundig ist und die
angefochtene Entscheidung hierauf beruht.
BGH, Beschl. v. 4. Juli 2002 - V ZB 16/02 - KG in Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am4. Juli 2002 durch den Vizepräsidenten
des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluû des 25. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 8. Februar 2002 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 8.835,12 ?.

Gründe:

I.


Das Landgericht Berlin hat die Beklagte zur Herausgabe eines Grundstücks an die im Grundbuch eingetragene Eigentümerin verurteilt. Gegen dieses ihrem Prozeûbevollmächtigten am 24. August 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 25. September 2001 beim Kammergericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist um einen Tag beantragt. Zur Rechtfertigung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie vorgetragen und glaubhaft gemacht: Eine im Büro des Beklagtenvertreters seit 1990 stets sehr zuverlässig und fehlerlos arbeitende Gehilfin habe die Akte am Freitag, dem 21. September 2001 (weisungsgemäû notierte dreitägige Vorfrist), im Büro
nicht auffinden können. Zu diesem Zeitpunkt sei sie infolge Urlaubs einer weiteren Vollzeitmitarbeiterin und Abwesenheit einer nur an drei Tagen in der Woche tätigen Teilkraft die einzig verfügbare Angestellte gewesen. Wegen des von ihr zu bewältigenden auûerordentlichen Arbeitsanfalles habe sie die Aktensuche auf Montag, den 24. September 2001 (Ablauf der notierten Berufungsfrist ), verschoben. An diesem Tag habe die Gehilfin die im Fristenbuch eingetragenen Verfahrensakten herausgesucht, jedoch in der unzutreffenden, nicht überprüften Annahme, die den vorliegenden Fall betreffende Akte läge dem Beklagtenvertreter bereits mit einem Extrazettel "Fristablauf" vor, die rot notierte Berufungsfrist gestrichen und später im Fristenbuch neben der dort bereits durchgestrichenen Rotfrist einen Erledigungsvermerk mit ihrem Kürzel angebracht. Auch an diesem Tag sei sie als wiederum allein im Büro anwesende Angestellte einem auûerordentlichen Arbeitsdruck ausgesetzt gewesen. Allerdings habe der Beklagtenvertreter sie dadurch entlastet, daû er die am Wochenende und Montag eingegangene umfangreiche Post selbst bearbeitet, insbesondere die Notierung der jeweiligen Fristen und Termine verfügt habe. Diese Maûnahme habe sich in der Vergangenheit immer als ausreichend erwiesen , zumal der Beklagtenvertreter in Urlaubs- und Krankheitszeiten durch regelmäûige Stichproben überprüft habe, ob die im Kalender eingetragenen Fristen ordnungsgemäû gestrichen würden.
Das Kammergericht hat mit Beschluû vom 8. Februar 2002 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen am 5. März 2002 zugestellten Beschluû richtet sich die am 22. März 2002 eingegangene Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie ihr Wiedereinsetzungsgesuch weiterverfolgt und die Aufhebung der vom Kammergericht ausgesprochenen Verwerfung der Berufung erstrebt.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft (vgl. Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02 - zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 522 Rdn. 20; Zöller/Greger, aaO, § 238 Rdn. 7). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 60. Aufl., § 543 Rdn. 4; Musielak /Ball, ZPO, 3. Aufl., § 543 Rdn. 5; Zöller/Gummer, aaO, § 543 Rdn. 11). So liegen die Dinge hier nicht. Die Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsanwalt seine Sorgfaltspflicht verletzt, wenn er einer zuverlässigen Angestellten auch an den Tagen, an denen sie als einzige von insgesamt drei Vollzeit- bzw. Teilzeitkräften im Büro anwesend ist, die Fristenkontrolle ohne zusätzliche eigene Nachprüfung überläût, hängt von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab und ist einer Verallgemeinerung nicht zugänglich. Denn dabei ist nicht allein entscheidend, in welchem Umfang der Personalbestand reduziert ist, sondern es kommt vor allem darauf an, ob infolge einer angespannten Personallage eine erkennbare und durch zumutbare Maûnahmen behebbare Überlastung der mit der Fristenkontrolle betrauten, verfügbaren Mitarbeiter
eingetreten ist. Dementsprechend hat die höchstrichterliche Rechtsprechung je nach Fallgestaltung eine Erhöhung der grundsätzlichen Organisationspflichten eines Anwalts im Falle einer erheblichen Mehrbelastung des verfügbaren Personals manchmal bejaht (vgl. BGH, Beschl. v. 1. April 1965, II ZB 11/64, VersR 1965, 596, 597: Ausfall zweier von drei Bürokräften; Beschl. v. 1. Juli 1999, III ZB 47/98, NJW-RR 1999, 1664: Ausfall zweier von drei Mitarbeiterinnen während eines Arbeitstages; Beschl. v. 26. August 1999, VII ZB 12/99, NJW 1999, 3783 f: Reduzierung der Belegschaft auf fast die Hälfte für mehr als einen Monat; Beschl. v. 28. Juni 2001, III ZB 24/01, NJW 2001, 2975, 2976: Verzicht auf Eintragung des Fristablaufes bei Erkrankung einer Mitarbeiterin zum Fristende und unzureichender Wiedervorlagezeit wegen eines Wochenendes), teilweise aber auch verneint (BGH, Beschl. v. 17. November 1975, II ZB 8/75, VersR 1976, 343: Abwesenheit zweier von drei Kräften; Beschl. v. 29. Juni 2000, Vll ZB 5/00, NJW 2000, 3006: Ausscheiden eines Anwalts und Eheprobleme einer Anwaltssekretärin; Beschl. v. 27. März 2001, VI ZB 7/01, NJW-RR 2001, 1072, 1073: Doppeltes Fehlverhalten einer Bürokraft in einer Sache). Vorliegend erschöpft sich die Beurteilung der Sorgfaltspflichten des Beklagtenvertreters ebenfalls in einer Würdigung der konkreten Einzelfallumstände und ist damit nicht auf eine unbestimmte Anzahl von Fällen übertragbar.
Ob einer Sache grundsätzliche Bedeutung auch dann zukommt, wenn nur die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen der Entscheidung für die Allgemeinheit von Bedeutung sind, kann hier offen bleiben, weil dieser Tatbetand hier ebenfalls nicht vorliegt.
2. Aus denselben Gründen ist eine Entscheidung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) geboten.
Eine höchstrichterliche Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts nur dann erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 104; BGHSt 24, 15, 21 f; Hannich in: Hannich/Meyer/Seitz, ZPO-Reform 2002, § 543 Rdn. 22; Musielak/Ball, aaO, § 543 Rdn. 7; Zöller/Greger, aaO, § 543 Rdn. 12). Die Beklagte zeigt aber nicht auf, daû über die angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Verschärfung der Organisationspflichten eines Anwalts in Fällen angespannter Personallage (vgl. vor allem Beschl. vom 1. Juli 1999, III ZB 47/98 aaO; Beschl. v. 26. August 1999, VII ZB 12/99 aaO; Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, aaO), zur fehlenden Zurechenbarkeit organisationsunabhängigen Fehlverhaltens von Angestellten (vgl. Beschl. v. 23. März 2001, VI ZB 7/01, aaO) oder zum Überwachungs- und Organisationsverschulden bei Häufung von Mängeln (vgl. Beschl. v. 18. Dezember 1997, III ZB 41/97, BGHR ZPO § 233 Büropersonal 11) hinaus eine Notwendigkeit für weitere sachverhaltsbezogene Leitlinien besteht. Für die Aufstellung höchstrichterlicher Leitsätze besteht nur dann Anlaû, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich.

a) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zunächst in den Fällen einer Divergenz
geboten (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 5 - zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen; Musielak/Ball, aaO, § 543 Rdn. 8, § 574 Rdn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers, aaO, § 543 Rdn. 6, 574 Rdn. 2). Die Beklagte hat aber nicht dargelegt, daû die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die von ihr angeführte höchstrichterliche Rechtsprechung, also einen Rechtssatz aufstellt, der von einem die Vergleichsentscheidungen tragenden Rechtssatz abweicht (vgl. BGHZ 89, 149, 151; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, aaO).

b) Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung schlieûlich auch dann erforderlich, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren (BT-Drucks. 14/4722, S. 104, 116; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 6; Hannich, in: Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 543 Rdn. 23, § 574 Rdn. 12).
aa) Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn das Beschwerdegericht Verfahrensgrundrechte verletzt hat (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 104, 116; Lipp, NJW 2002, 1700, 1701; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, aaO, § 543 Rdn. 8; Hannich, in: Hannich/Meyer-Seitz, aaO; Zöller/Vollkommer, aaO, Einl. Rdn. 103), namentlich die Grundrechte auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Aus dem Beschluû des IX. Zivilsenats vom 7. März 2002, IX ZB 11/02, NJW 2002, 1577 - zur Veröffentl. in BGHZ
vorgesehen) ergibt sich nichts anderes. Dieser verweist ledigIich darauf, daû zur Korrektur von Verfahrensgrundrechtsverletzungen (§ 544 ZPO) eine "auûerordentliche Rechtsbeschwerde" nicht statthaft ist. Zu der - hiervon zu unterscheidenden - Frage, unter welchen Voraussetzungen eine "statthafte" Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 ZPO) zulässig ist, hat der IX. Zivilsenat dagegen nicht Stellung genommen. Ist die Rechtsbeschwerde - wie hier - gemäû § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, dann hat das Rechtsbeschwerdegericht - im Rahmen seiner Möglichkeiten - die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten und einen Grundrechtsverstoû der Vorinstanz zu beseitigen (vgl. BVerfGE 49, 252, 257 ff; 73, 322, 327; vgl. ferner BVerfG, Vorlagebeschl., ZVI 2002; 122), sofern diese nicht - etwa im Wege der Gegenvorstellung - die Grundrechtsverletzung selbst geheilt hat (vgl. BVerfGE 63, 77, 79; 73, 322, 327; BGHZ 130, 97, 99 ff; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99, JZ 2000, 526 f; Beschl. v. 26. April 2001, IX ZB 25/01, NJW 2001, 2262; vgl. ferner BT-Drucks. 14/4722, S. 63). Da andererseits für die Frage, ob die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung erfordert, Art und Gewicht eines Rechtsfehlers nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann Bedeutung erlangen sollen, wenn sie geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung im ganzen zu beschädigen (BT-Drucks. 14/4722 S. 104; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 6, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), wird eine auf § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO gestützte Rechtsbeschwerde in der Regel nur dann zulässig sein, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoû gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zu Tage tritt, also offenkundig ist (vgl. auch BVerfGE 47, 182, 187; 69, 233, 246; 73, 322, 329; 86, 133, 145 f; BVerfG, NJW-RR 2002, 68, 69), und die angefochtene Entscheidung hierauf beruht.
bb) Die Beklagte zeigt jedoch keine (hinreichenden) Anhaltspunkte für eine offenkundige Verletzung von Verfahrensgrundrechten auf.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, die Rechtsschutzgarantie und das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 41, 323, 326 ff; 41, 332, 334 ff; 44, 302, 305 ff; 69, 381, 385; BVerfG, NJW 1993, 720; 1995, 249; 1999, 3701, 3702; 2001, 2161, 2162). Demgemäû dürfen bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlaût haben muû, um Wiedereinsetzung zu erlangen, insbesondere beim "ersten Zugang" zum Gericht (vgl. BVerfGE 25, 158, 166; 38, 35, 38; 40, 88, 91; 67, 208, 212 ff), aber auch beim Zugang zu einer weiteren Instanz (vgl. BVerfGE 44, 302, 305 ff; 62, 334, 336; 69, 381, 385; BVerfG, NJW 1995, 249; 1996, 2857; 1999, 3701, 3702; 2001, 2161, 2162) nicht überspannt werden. Entsprechendes gilt für die Anforderungen, die nach Fristversäumung an den Vortrag und die Glaubhaftmachung der Versäumungsgründe gestellt werden dürfen (vgl. BVerfGE 26, 315, 319, 320; 37, 100, 103; 40, 42, 44; 40, 88, 91; BVerfG, NJW 1997, 1770, 1771).
(2) Gegen diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht nicht verstoûen. Insbesondere hat es die an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts und
die Kausalität einer Pflichtverletzung zu stellenden Anforderungen nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise überspannt.
Das Beschwerdegericht geht davon aus, daû die von der Beklagten vorgetragenen und glaubhaft gemachten organisatorischen Maûnahmen grundsätzlich den von höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine hinreichende Fristenkontrolle genügen (vgl. BGH, Beschl. v. 26. Februar 1996, II ZB 7/95, NJW 1996, 1540, 1541; Beschl. v. 14. März 1996, III ZB 13/96, VersR 1996, 1298; Beschl. v. 27. November 1996, XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312, 1313). Es ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, daû im Büro des Beklagtenvertreters sowohl im Zeitpunkt der auf den 21. September 2001 notierten Vorfrist als auch bei Ablauf der Berufungsfrist (24. September 2001) infolge des Ausfalls von zwei Bürokräften und der hierdurch bedingten erheblichen Mehrbelastung der allein verbliebenen Mitarbeiterin eine Sondersituation gegeben war, die den Beklagtenvertreter ausnahmsweise zu einer eigenen Fristenkontrolle verpflichtete. Diese auf den Einzelfall bezogene rechtliche Würdigung hält sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben. Zwar hätte das Beschwerdegericht nicht ohne weitere Aufklärung unterstellen dürfen, daû die allein verbliebene Bürokraft des Beklagtenvertreters auch deswegen einer erheblichen Arbeitsbelastung ausgesetzt war, weil sie nicht nur für diesen, sondern auch für einen mit diesem in Bürogemeinschaft verbundenen weiteren Rechtsanwalt tätig gewesen sei. Hierin liegt jedoch kein Verstoû gegen die Grundrechte auf rechtliches Gehör und Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes. Denn eine Beeinträchtigung dieser Verfahrensgrundrechte läge nur dann vor, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts hierauf beruhte (vgl. BVerfGE 86, 133, 147; 89, 381, 392 f). Dies ist jedoch nicht der Fall, da bereits allein der im Büro des Beklagtenvertreters
selbst aufgetretene auûergewöhnliche Arbeitsanfall Anlaû zu einer eigenen Fristenkontrolle des Anwalts gab. Aus dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Beklagten ergibt sich nämlich, daû das dort am 21. und 24. September anstehende Arbeitspensum von der verbliebenen Kanzleikraft allein nicht hinreichend bewältigt werden konnte.
(3) Auch für eine offenkundige Verletzung des Grundrechts auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Ein Verstoû hiergegen kommt nur in Betracht , wenn die angefochtene Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und daher auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 87, 273, 278 ff; BVerfG, NJW 1996, 1336; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99 aaO) oder wenn durch zu strenge Anforderungen an die Erfolgsaussicht eines Vorbringens (Prozeûkostenhilfe) eine sachwidrige Ungleichbehandlung erfolgt (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 92/97, NJW 1998, 82). Dies ist jedoch nicht der Fall.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger Klein Lemke

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Das Verfahren ist einstweilen einzustellen, wenn der Gläubiger die Einstellung bewilligt. Die Einstellung kann wiederholt bewilligt werden. Ist das Verfahren auf Grund einer Bewilligung des Gläubigers bereits zweimal eingestellt, so gilt eine erneute Einstellungsbewilligung als Rücknahme des Versteigerungsantrags.

(2) Der Bewilligung der Einstellung steht es gleich, wenn der Gläubiger die Aufhebung des Versteigerungstermins bewilligt.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 83/06
vom
10. Mai 2007
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Das Eigengebot des Gläubigervertreters in der Zwangsversteigerung von Grundstücken,
das ausschließlich darauf gerichtet ist, zu Gunsten des Gläubigers und zu Lasten des
Schuldners die Rechtsfolgen des § 85a Abs. 1 und 2 ZVG herbeizuführen, ist rechtsmissbräuchlich
und deshalb unwirksam.

b) Bei dem Eigengebot eines Gläubigervertreters spricht eine tatsächliche Vermutung für
die missbräuchliche Absicht, den von dem Gesetz bezweckten Schuldnerschutz zu unterlaufen.

c) Wurde ein unwirksames Gebot, das unter der Hälfte des Verkehrswerts des Grundstücks
lag, nicht nach § 71 Abs. 1 ZVG zurückgewiesen, sondern der Zuschlag nach § 85a
Abs. 1 ZVG versagt, ist das Vollstreckungsgericht an der erneuten Prüfung der Wirksamkeit
des Gebots in einem neuen Versteigerungstermin selbst dann nicht gehindert, wenn
die fehlerhafte Zuschlagsentscheidung nicht angefochten wurde.
BGH, Beschl. v. 10. Mai 2007 - V ZB 83/06 - LG Wuppertal
AG Wuppertal
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 10. Mai 2007 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 17. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 22.000 €.

Gründe:


I.


1
Die Beteiligte zu 1 betreibt die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Wohnungseigentums des Beteiligten zu 2. Der Verkehrswert des Objekts wurde auf 57.000 € festgesetzt.
2
In dem ersten Versteigerungstermin gab einzig die Terminsvertreterin der Beteiligten zu 1 im eigenen Namen ein Gebot von 20.000 € ab. Das Amtsgericht versagte den Zuschlag gemäß § 85a Abs. 1 ZVG. In dem zweiten Versteigerungstermin am 27. Januar 2006 blieb der Beteiligte zu 3 mit einem Gebot von 22.000 € Meistbietender. Der Terminsvertreter der Beteiligten zu 1 beantragte die sofortige Erteilung des Zuschlags. Dem kam das Amtsgericht nicht nach, sondern bestimmte Termin zur Verkündung einer Entscheidung über den Zuschlag auf den 3. Februar 2006.
3
Mit Schreiben vom 27. Januar 2006 wandte sich das Amtsgericht an die Vertreterin der Beteiligten zu 1, die den ersten Versteigerungstermin wahrgenommen hatte, und bat um Darlegung, ob ihr damaliges Gebot auf den Erwerb des Versteigerungsobjekts oder nur darauf gerichtet gewesen sei, einem anderen Interessenten den Erwerb des Objekts für weniger als die Hälfte des Wertes zu ermöglichen. Diese - an die Anschrift der Beteiligten zu 1 gerichtete - Anfrage erreichte die Adressatin nicht; eine Antwort der Vertreterin blieb folglich aus.
4
Mit Beschluss vom 3. Februar 2006 hat das Amtsgericht den Zuschlag auf das von dem Beteiligten zu 3 abgegebene Gebot gemäß § 85a Abs. 1 ZVG versagt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist erfolglos geblieben. Mit ihrer - von dem Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihr Ziel der Zuschlagserteilung weiter.

II.


5
Nach Auffassung des Beschwerdegerichts hat das Vollstreckungsgericht den Zuschlag auf das von dem Beteiligten zu 3 in dem zweiten Versteigerungstermin abgegebene Gebot zu Recht wegen Nichterreichens der 5/10Wertgrenze versagt. Das von der Terminsvertreterin der Beteiligten zu 1 in dem ersten Versteigerungstermin abgegebene Gebot habe für das Vollstreckungsgericht erkennbar unter dem geheimen Vorbehalt des fehlenden Erwerbswillens gestanden und sei deshalb nach § 116 Abs.2 BGB nichtig. Es habe daher zurückgewiesen werden müssen mit der Folge, dass in dem zweiten Versteige- rungstermin wiederum die 5/10-Grenze des § 85a ZVG gegolten habe. Dem stehe die Rechtskraft des Beschlusses über die Versagung des Zuschlags in dem ersten Versteigerungstermin nicht entgegen.
6
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

III.


7
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie ist aber nicht begründet.
8
1. Die Versagung des Zuschlags ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen des § 85a Abs. 1 ZVG sind erfüllt. Das Meistgebot des Beteiligten zu 3 erreicht die Hälfte des Grundstückswerts nicht. Das Beschwerdegericht nimmt zu Recht an, dass die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG in dem zweiten Versteigerungstermin am 27. Januar 2006 fortbestand. Das von der Terminsvertreterin der Beteiligten zu 1 in dem ersten Versteigerungstermin abgegebene Gebot war nämlich unwirksam.
9
Das entspricht den Grundsätzen, die der Senat in seiner Entscheidung vom 24. November 2005 (V ZB 98/05, NJW 2006, 1355 f.) entwickelt hat. Danach ist das Eigengebot eines Gläubigervertreters, der von vornherein nicht an dem Erwerb des Grundstücks interessiert ist, sondern nur erreichen will, dass einem anderen der Zuschlag auf ein Gebot unter 7/10 oder unter der Hälfte des Grundstückswerts erteilt werden kann, unwirksam und deshalb nicht geeignet, die Rechtsfolgen des § 85a Abs. 1 und 2 ZVG herbeizuführen. An dieser Rechtsprechung , die bei einigen Instanzgerichten und in der Literatur auf Kritik gestoßen ist (LG Detmold Rpfleger 2006, 491, 492; AG Stade Rpfleger 2006, 275; Eickmann, ZfIR 2006, 653 ff.; Hasselblatt, NJW 2006, 1320 ff.; Hintzen, Rpfleger 2006, 145 ff.; Weis, BKR 2006, 120 ff.; zustimmend dagegen LG Bonn, Beschl. v. 13. November 2006, 6 T 196/06, dokumentiert bei Juris; LG Dessau Rpfleger 2006, 557, 558; Geisler, jurisPR-BGHZivilR 3/3006 Anm. 1; im Ergebnis auch Rimmelspacher/Bolkart, WuB VI E. § 85a ZVG 1.06), hält der Senat in der Sache und im Ergebnis fest. Er stützt sich allerdings nicht mehr auf die der Entscheidung vom 24. November 2005 zugrunde liegende Erwägung (V ZB 98/05, NJW 2006, 1355, 1356), dass Gebote, mit denen der Bieter nicht die Erteilung des Zuschlags - auch nicht in einem weiteren Versteigerungstermin für weniger als die Hälfte des Verkehrswerts - erreichen will, sondern in Wahrheit andere Zwecke verfolgt, keine Gebote im Sinne des Zwangsversteigerungsgesetzes sind.
10
2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist das Eigengebot der Terminsvertreterin der Beteiligten zu 1 nicht nach § 116 Satz 2 BGB nichtig. Dabei kann offen bleiben, ob diese Vorschrift - wie die Rechtsbeschwerde meint - schon deshalb nicht eingreift, weil sie bei amtsempfangsbedürftigen Willenserklärungen generell keine Anwendung findet (ähnlich Rimmelspacher /Bolkart, aaO, m.w.N.). Denn der geheime Vorbehalt des fehlenden Erwerbswillens ist jedenfalls dann unschädlich, wenn der Bieter in dem ersten Versteigerungstermin ein Gebot unter der Hälfte des Grundstückswerts abgibt. Ein solches Gebot kann schon objektiv nicht zu dem Erwerb des Grundstücks führen, weil der Zuschlag nach § 85a Abs. 1 ZVG zwingend zu versagen ist. Es ist deshalb aber nicht unwirksam (Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 98/05 NJW 2006, 1355). Das gilt auch dann, wenn ein an dem Erwerb des Grundstücks interessierter Bieter ein solches Gebot nur abgibt, um die Rechtsfolgen des § 85a Abs. 1 und 2 ZVG herbeizuführen. Die Anwendung der §§ 116 ff. BGB scheidet hier von vornherein aus, weil der Bieter genau die Rechtsfolge erreichen will, die das Gesetz an sein Gebot knüpft (Senat, Beschl. v. 24. November 2005, aaO). Auch der Vorbehalt des fehlenden Erwerbswillens ändert daran nichts (Rimmelspacher/Bolkart, aaO). Denn das Gebot ist gerade nicht auf den - nach § 85a Abs. 1 ZVG ausgeschlossenen - Erwerb des Grundstücks , sondern nur auf die Versagung des Zuschlags und die Beseitigung der Wertgrenzen gerichtet; der Vorbehalt geht also nicht dahin, das Erklärte nicht zu wollen (§ 116 Satz 1 BGB).
11
3. Das Eigengebot der Terminsvertreterin der Beteiligten zu 1 ist jedoch rechtsmissbräuchlich und deshalb unwirksam, weil es ausschließlich zu dem Zweck abgegeben wurde, die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG in einem neuen Versteigerungstermin zu Fall zu bringen (Rimmelspacher/Bolkart, aaO; Hornung , Rpfleger 2000, 363, 365 f.; ähnlich LG Neubrandenburg Rpfleger 2005, 42, 43; vgl. auch Schiffhauer in Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 85a Rdn. 3; Kirsch, Rpfleger 2000, 147, 148 f.; a.A. OLG Koblenz Rpfleger 1999, 407 f.; LG Kassel Rpfleger 1986, 397; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 85a Rdn. 2.3; Storz, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 10. Aufl., S. 599 f.; Alff, Rpfleger 2005, 44; ohne Bedenken auch OLG Düsseldorf Rpfleger 1989, 36, 37).
12
a) Der das materielle Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gilt auch im Verfahrensrecht, und zwar sowohl im Erkenntnis - wie im Vollstreckungsverfahren (st. Rspr.; vgl. nur Senat, BGHZ 43, 289, 292; 48, 351, 354 sowie BGHZ 1, 181, 184; 57, 108, 111; BGH, Beschl. v. 20. Dezember 2006, VII ZB 88/06, WM 2007, 364, 366 [zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen]; w.N. bei Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB [2005], § 242 Rdn. 1028 ff. und 1048 ff.). Er verpflichtet die Parteien zu redlicher Prozessführung und verbietet insbesondere den Missbrauch prozessualer Befug- nisse (vgl. Senat, BGHZ 44, 367, 371 f.; BGH, Beschl. v. 27. Juli 2006, VII ZB 16/06, NJW 2006, 3214, 3215; Beschl. v. 20. Dezember 2006, aaO; w.N. bei Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., vor § 1 Rdn. 232 f.). Rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig ist die Ausübung solcher Befugnisse, wenn sie nicht den gesetzlich vorgesehenen, sondern anderen, nicht notwendig unerlaubten (BGH, Beschl. v. 29. Juni 2006, IX ZB 245/05, NJW-RR 2006, 1482, 1483), aber funktionsfremden und rechtlich zu missbilligenden Zwecken dient (vgl. BGH, Urt. v. 14. Oktober 1991 - II ZR 249/90, NJW 1992, 569, 570 f.; allgemein Zeiss, Die arglistige Prozesspartei, S. 150 ff., 179 ff.).
13
b) In dem Verfahren der Zwangsversteigerung kommt dieser Grundsatz vielfach zur Anwendung. So hat der Senat bereits entschieden, dass die Ablehnung des Rechtspflegers wegen Besorgnis der Befangenheit rechtsmissbräuchlich ist, wenn sie lediglich der Verschleppung dient (Beschl. v. 14. April 2005, V ZB 7/05, NJW-RR 2005, 1226, 1227). Nach der Rechtsprechung der Instanzgerichte gilt das auch für andere Anträge und Rechtsmittel des Schuldners, mit denen dieser keinen Rechtsschutz sucht, sondern das Verfahren verzögern will (vgl. OLG Köln Rpfleger 1980, 233, 234; LG Trier Rpfleger 1991, 70 f.; ebenso Stöber, aaO, Einl. Rdn. 8.5). Bei dem Gläubiger wird die Zweckentfremdung prozessualer Befugnisse etwa dann als missbräuchlich angesehen, wenn er Haupt- und Nebenforderungen sukzessive geltend macht, um eine Aufhebung des Verfahrens nach §§ 30 Abs. 1 Satz 3, 29 ZVG zu vermeiden und durch die wiederholte Einstellung und Fortsetzung des ohne ernsthafte Versteigerungsabsicht betriebenen Verfahrens einen permanenten Zahlungsdruck auf den Schuldner auszuüben (LG Bonn Rpfleger 1990, 433, 434; 2001, 365, 366; LG Erfurt Rpfleger 2005, 375; LG Lüneburg Rpfleger 1987, 469; im Einzelfall ablehnend OLG Düsseldorf Rpfleger 1991, 28, 29 und LG Dessau Rpfleger 2004, 724 f.; zu der missbräuchlichen Ausübung anderer Gläubigerbefugnisse OLG Celle WM 1987, 1438 f.; LG Braunschweig Rpfleger 1998, 482, 483; Kirsch, Rpfleger 2006, 373, 376 f.; Stöber, aaO, § 30 Rdn. 2.15 m.w.N.).
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Dieselben Erwägungen gelten für das Recht auf Abgabe von Geboten. Es soll jedem Erwerbsinteressenten die Möglichkeit verschaffen, als Meistbietender den Zuschlag zu erhalten und Eigentümer des Grundstücks zu werden (§§ 81 Abs. 1, 90 Abs. 1 ZVG). Seine Ausübung ist daher rechtsmissbräuchlich, wenn der Bieter daran nicht interessiert ist, sondern andere, rechtlich zu missbilligende Zwecke verfolgt. Auch das ist in der Rechtsprechung anerkannt. So wird das Gebot eines zahlungsunfähigen oder -unwilligen Bieters allgemein als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn es in der Absicht abgegeben wird, die Verwertung des Grundstücks zu hintertreiben (OLG Nürnberg Rpfleger 1999, 87 f.; AG Bremen Rpfleger 1999, 88 f.; AG Dortmund Rpfleger 1994, 119 f.; ebenso Stöber, aaO, § 71 Rdn. 2.10; vgl. auch OLG Hamm Rpfleger 1995, 35 f.; OLG Karlsruhe Rpfleger 1994, 376 f.; LG Essen Rpfleger 1995, 34 f.; LG Mainz JurBüro 2001, 214) oder die Wiederversteigerung zugunsten eines Dritten zu manipulieren (OLG Naumburg Rpfleger 2002, 324, 325). Verboten ist somit die Ausübung des Bietrechts zur Verfolgung unlauterer oder gesetzeswidriger Zwecke.
15
c) Danach sind Gebote, mit denen die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG in einem neuen Versteigerungstermin zu Fall gebracht werden soll, nicht generell wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam.
16
aa) Nicht rechtsmissbräuchlich handelt der Bieter, wenn er die von dem Gesetz (§ 85a Abs. 1 und 2 ZVG) eröffnete Möglichkeit wahrnimmt, das Grundstück nach der Versagung des Zuschlags in einem weiteren Versteigerungstermin für weniger als die Hälfte des Grundstückswerts ersteigern zu können (Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 98/05, NJW 2006, 1355; Hornung, aaO, 365; Rimmelspacher/Bolkart, aaO; insoweit zutreffend auch OLG Koblenz aaO, 407; LG Kassel aaO, 397; Stöber, aaO, § 85a Rdn. 2.3). Seine Absicht widerspricht dem Zweck eines Gebots nicht, weil sie letztendlich auf die Erteilung des Zuschlags gerichtet ist. Sie wird deshalb von der Rechtsordnung nicht missbilligt, sondern ausdrücklich anerkannt. Denn nach § 85a ZVG sind unter dem Mindestgebot liegende Gebote zwar nicht zuschlagsfähig, aber wirksam und damit auch geeignet, den erstrebten Wegfall der Wertgrenzen herbeizuführen. Der Zweck der Vorschrift steht dem nicht entgegen. Sie soll im Interesse des Eigentümers die Verschleuderung von Grundstücken verhindern und ein wirtschaftlich vertretbares Ergebnis bei der Versteigerung bewirken (BGH, Beschl. v. 10. Oktober 2003, IXa ZB 128/03, NJW-RR 2004, 302, 303). Der Bieter ist aber nicht verpflichtet, sein Interesse an einem möglichst preiswerten Erwerb des Grundstücks hinter das gegenteilige Interesse des Schuldners zurücktreten zu lassen (Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 98/05, aaO). Denn ihm gegenüber ist der Schuldner nur insofern geschützt, als er durch die Bestimmung eines neuen Versteigerungstermins gewissermaßen eine zweite Chance erhält, nämlich die Aussicht auf weitere Bietinteressenten und ein entsprechend höheres Meistgebot, aber auch Zeit, um die Vollstreckung doch noch abzuwenden. Einen dauerhaften Schutz, wie er bei der Versteigerung beweglicher Sachen durch das Mindestgebot nach § 817a Abs. 1 ZPO gewährleistet wird, sieht § 85a ZVG dagegen nicht vor.
17
bb) Das Bietrecht wird ferner nicht schon immer dann missbraucht, wenn der Bieter einen anderen als den gesetzlich vorgesehenen Erwerbszweck verfolgt ; denn der Grundsatz von Treu und Glauben schließt taktische Gebote - etwa mit dem Ziel, die Bietkonkurrenten hochzutreiben und den Verwertungserlös zu steigern - nicht aus (insoweit zutreffend Eickmann, aaO, 654).

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d) Es spricht indes viel dafür, dass dem Gläubiger bei der Abgabe solcher taktischer Gebote engere Grenzen gezogen sind und dass er bereits dann rechtsmissbräuchlich handelt, wenn er in dem ersten Versteigerungstermin mangels Bietinteressenten ein nicht zuschlagsfähiges Gebot unter der Hälfte des Verkehrswerts abgibt, damit das Grundstück von ihm in einem neuen Versteigerungstermin ohne Rücksicht auf die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG verwertet werden kann. Missbilligenswert kann dieses Verhalten deswegen sein, weil das Zwangsversteigerungsgesetz nach seiner Systematik und seiner Zweckrichtung dem Gläubiger eine solche Verfahrensweise an sich nicht offen hält. Ihm gegenüber soll das durch § 85a Abs. 1 ZVG geschützte Interesse des Schuldners nämlich nach der Konzeption des Gesetzes erst zurücktreten, wenn es sich schon einmal gegen ein tatsächlich vorhandenes Erwerbsinteresse durchgesetzt hat (vgl. Rimmelspacher/Bolkart, aaO).
19
aa) Nach dem Regelungszusammenhang der §§ 85a, 74a und 77 ZVG entfallen die Wertgrenzen in einem neuen Versteigerungstermin erst und nur dann, wenn der Zuschlag bereits einmal nach §§ 74a Abs. 1, 85a Abs. 1 ZVG versagt worden ist. Voraussetzung ist somit die Abgabe eines der Höhe nach unzureichenden Meistgebots. Eine ergebnislose Versteigerung, in der kein Gebot abgegeben wird oder sämtliche Gebote erloschen sind, wird von diesen Vorschriften dagegen nicht erfasst und führt deshalb auch nicht zu einem Wegfall der Wertgrenzen (vgl. dazu vor allem Hornung, Rpfleger 2000, 363, 366 f. gegen Kirsch, Rpfleger 2000, 147, 149; aber auch Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 74a Rdn. 4.3 und § 85a Rdn. 3.3 m.w.N.). Ihre Folgen ergeben sich vielmehr aus § 77 ZVG. Danach wird das Verfahren zunächst einstweilen eingestellt und nach dem zweiten ergebnislosen Termin entweder aufgehoben oder auf Antrag des Gläubigers als Zwangsverwaltung fortgesetzt. Das Fehlen von Bietern fällt damit in den Risikobereich des Gläubigers, während der Schuldner nach einer ergebnislosen Versteigerung weiterhin durch die Wertgrenzen der §§ 74a, 85a ZVG vor einer Verschleuderung des Grundstücks geschützt wird. Diese gesetzliche Risikoverteilung würde unterlaufen, wäre es dem Gläubiger gestattet, nur deshalb ein Gebot abzugeben, um das Verfahren ohne Rücksicht auf die Wertgrenzen fortsetzen zu können.
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bb) Eine solche Verfahrensweise zielt im Gegenteil unmittelbar darauf ab, den von § 85a ZVG bezweckten Schutz des Schuldners zu vereiteln.
21
(1) Die Verfahrensregeln der Zwangsversteigerung sollen grundsätzlich gewährleisten, dass das versteigerte Grundstück zu einem seinem Wert entsprechenden Gebot zugeschlagen und auf diese Weise eine wertrichtige Deckung der auf ihm ruhenden Lasten erreicht wird (BGH, Urt. v. 24. Oktober 1978, VI ZR 67/77, NJW 1979, 162, 163 - insoweit in BGHZ 72, 234 f. nicht abgedruckt ). Neben der Konkurrenz der Bieter ist der Gegensatz zwischen dem Wunsch potentieller Erwerber, den Preis möglichst niedrig zu halten, und dem Interesse der Gläubiger, dass ihre Rechte durch das Gebot gedeckt werden, geeignet, diesem Ziel zu dienen. Wenn diese Interessenkonkurrenz entfällt, läuft der Schuldner Gefahr, zugleich das Grundstück weit unter Wert zu verlieren und infolge des unzulänglichen Erlöses die davon nicht getilgten Gläubigerforderungen erfüllen zu müssen. Davor soll er durch die Regelung des § 114a ZVG bewahrt werden (BGHZ 117, 8, 14). Diese Vorschrift schützt den Schuldner aber nur dann, wenn der Ersteher zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigt ist. Deshalb hat der Gesetzgeber auch für den Fall Vorsorge getroffen , dass der erstrangig betreibende Gläubiger nicht bereit ist, dem Wunsch eines anderen Bieters nach einem möglichst preiswerten Erwerb des Grundstücks entgegenzuwirken.
22
So sollte bereits die Regelung des § 74a ZVG, welche - wie § 114a ZVG - durch das Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung vom 20. August 1953 (BGBl. I S. 952) aus dem Zwangsvollstreckungsnotrecht in das Zwangsversteigerungsgesetz übernommen wurde, nicht nur die - allein antragsberechtigten - Inhaber nachrangiger Rechte, sondern mittelbar auch den Schuldner vor einer Verschleuderung des Grundstücks schützen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 1/3668 S. 16). Auf eine von Amts wegen zu berücksichtigende Wertgrenze, wie sie mit § 817a Abs. 1 ZPO für die Versteigerung beweglicher Sachen eingeführt wurde, hat der Gesetzgeber zunächst verzichtet. Die Rechtsprechung musste deshalb auf die allgemeine Vollstreckungsschutzklausel des § 765a ZPO zurückgreifen, um den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Schuldners auch in der Zwangsversteigerung zu gewährleisten (vgl. nur BVerfGE 46, 325, 332 f.). Dem hat der Gesetzgeber in der Zwangsvollstreckungsnovelle vom 1. Februar 1979 (BGBl. I S. 127) durch die Einführung des § 85a ZVG Rechnung getragen. Er ging davon aus, dass Vorschriften fehlten, um der Verschleuderung von Grundstücken wirksam zu begegnen (Zweiter Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 8/2152, S. 1), und wollte die Verschleuderung deshalb durch eine § 817a ZPO entsprechende, von Amts wegen zu berücksichtigende Regelung verhindern (Begründung des Gesetzentwurfs, aaO, S. 52; vgl. auch S. 46 und BT-Drs. 7/3838, S. 1, 9, 13 und 18). Ziel der Regelung ist es also, den Schuldner unabhängig von dem Antrag eines nachrangigen Gläubigers vor der Gefahr zu bewahren , dass der erstrangig betreibende Gläubiger bereit ist, das Grundstück unter der Hälfte seines Werts zu verwerten. Sie ersetzt damit die insoweit fehlende Konkurrenz zwischen Gläubiger- und Bieterinteresse und schützt den Schuldner gerade auch gegenüber dem betreibenden Gläubiger.
23
Dieser Schutz liefe leer, wenn der betreibende Gläubiger die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG nach Belieben zu Fall bringen könnte. Denn dadurch wird der von dem Gesetz bezweckte Schuldnerschutz nicht nur vereitelt, sondern die vorher nicht bestehende Gefahr der Verschleuderung erst begründet. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Gläubiger das Grundstück im konkreten Fall tatsächlich unter der Hälfte seines Werts verwerten will (vgl. Hintzen, Rpfleger 2006, 145, 146) oder ob die Beseitigung der Wertgrenzen möglicherweise auch zu einer Konkurrenz neuer Bietinteressenten und damit zu entsprechend hohen Meistgeboten führen kann (so AG Stade Rpfleger 2006, 275; Alff, Rpfleger 2005, 44; Eickmann, ZfIR 2006, 653, 655; Hasselblatt, NJW 2006, 1320, 1324; Hintzen, Rpfleger 2006, 145, 146). Als mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbar kann vielmehr schon die Absicht des Gläubigers anzusehen sein, den zwingend vorgeschriebenen Schutz des Schuldners zu unterlaufen.
24
(2) Dass § 85a ZVG nicht nur von dem Gedanken des Schuldnerschutzes getragen ist, steht dieser Wertung nicht entgegen (so aber Hasselblatt, aaO, 1323). Die Vorschrift soll zwar auch dem Interesse des Gläubigers gerecht werden, dass eine Verwertung des unbeweglichen Vermögens möglich bleiben muss (Zweiter Bericht des Rechtsausschusses, aaO, 15). Sie sieht deshalb vor, dass der Zuschlag - anders als bei der Versteigerung beweglicher Sachen - nur einmal wegen Nichterreichens der 5/10-Grenze versagt werden darf. In den §§ 74a Abs. 4, 85a Abs. 2 Satz 2 ZVG hat der Gesetzgeber diese Regelung zudem auf die 7/10-Grenze des § 74a Abs. 1 ZVG erstreckt, um eine weitere Verzögerung des Verfahrens auszuschließen (Begründung des Gesetzentwurfs , aaO, S. 52). Durch den "Grundsatz der Einmaligkeit", der in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommt, wird dem Interesse des Gläubigers aber erst in dem neuen Versteigerungstermin der Vorrang eingeräumt (BGH, Beschl. v. 10. Oktober 2003, IXa ZB 128/03, NJW-RR 2004, 302, 303; Hornung, Rpfleger 2000, 363, 364 f.). Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Gläubiger weder nach dem Vorbild von § 74a Abs. 1 Satz 2 ZVG noch auf andere Weise geschützt. Das zeigt, dass sein Verwertungsinteresse den - einmaligen - Schutz des Schuldners nach § 85a Abs. 1 ZVG nicht weiter einschränken soll.
25
(3) Ob die 1979 eingeführte Vorschrift des § 85a ZVG der aktuellen Lage auf dem Grundstücksmarkt nicht mehr gerecht wird und deshalb zugunsten des Gläubigers geändert werden sollte (so vor allem Eickmann, aaO, 655), hat allein der Gesetzgeber zu entscheiden. Nach Treu und Glauben, also auch bei der hier zu beurteilenden Frage des Rechtsmissbrauchs, kann der mit der gesetzlichen Regelung bezweckte Interessenausgleich nicht korrigiert werden. Denn das Gesetz trägt den Schwankungen des Grundstückmarkts bereits dadurch Rechnung, dass es die schuldnerschützende Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG nach dem aktuellen Verkehrswert des Grundstücks bestimmt (§§ 85a Abs. 2 Satz 1, 74a Abs. 5 Satz 1 ZVG).
26
e) Mit Rücksicht auf diese gesetzlichen Schuldnerschutzmechanismen ist jedenfalls dann die Grenze zum Rechtsmissbrauch überschritten, wenn ein Terminsvertreter eines zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigten Gläubigers von seinem eigenen Bietrecht Gebrauch macht, um zu Gunsten des Gläubigers den von § 85a ZVG bezweckten Schuldnerschutz zu unterlaufen.
27
aa) Das folgt aus der Sonderregelung in § 85a Abs. 3 ZVG. Danach ist der Zuschlag nicht gemäß § 85a Abs. 1 ZVG zu versagen, wenn das Meistgebot von einem zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigten abgegeben wird und einschließlich des Kapitalwerts der bestehen bleibenden Rechte zusammen mit dem Betrag, mit dem der Meistbietende bei der Verteilung des Erlöses ausfallen würde, die Hälfte des Grundstückswerts erreicht. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Schuldner in diesem Fall bereits durch die Befriedigungswirkung nach § 114a ZVG vor einer Verschleuderung des Grundstücks geschützt ist (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 8/693, S. 52). Die Regelung hat aber auch zur Folge, dass ein Gläubiger, dessen Forderung die Hälfte des Grundstückswerts erreicht oder nur um den Kapitalbetrag der bestehen bleibenden Rechte und den durch Zahlung zu berichtigenden Teil des geringsten Gebots (§ 49 Abs. 1 ZVG) unterschreitet, die Rechtsfolgen des § 85a Abs. 2 ZVG nicht selbst herbeiführen kann, sondern auf einen Rettungserwerb zu den Bedingungen des § 114a ZVG beschränkt ist. Das zeigt, dass das Gesetz ein alleiniges Interesse des Gläubigers an der Beseitigung der Wertgrenzen jedenfalls hier nicht anerkennt.
28
Dass ein Gläubiger, dessen Forderung weit genug unter dem Verkehrswert liegt, die Erteilung des Zuschlags nach § 85a Abs. 3 ZVG durch ein entsprechend niedriges Gebot vermeiden kann, steht dem nicht entgegen. Denn ein solches Gebot wird von § 85a Abs. 1 und 2 ZVG nur deshalb erfasst, weil der Gläubiger trotz § 114a ZVG die Möglichkeit hat, das Grundstück - wirtschaftlich betrachtet - unter der Hälfte seines Werts zu ersteigern. Sein Interesse an einem möglichst preiswerten Grundstückserwerb ist damit ebenso berechtigt wie das eines anderen Bieters. Daraus folgt aber nicht, dass der Gläubiger befugt ist, die Rechtsfolgen des § 85a Abs. 2 ZVG herbeizuführen, wenn er den Zuschlag nicht erteilt haben will.
29
bb) Diese gesetzliche Regelung wird unterlaufen, wenn ein Terminsvertreter des zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigten Gläubigers im eigenen Namen ein Gebot abgibt, um zu Gunsten des Gläubigers die Grenze des § 85a Abs. 1 ZVG zu Fall zu bringen. Denn er unternimmt es, das zu erreichen , was dem Gläubiger selbst aufgrund der Regelungen der §§ 85a Abs. 3, 114a ZVG nicht in gleicher Weise möglich ist. Er macht dann von einer ihm formell zustehenden Befugnis Gebrauch, die wegen des verfolgten Zwecks rechtsmissbräuchlich ist.
30
Die missbräuchliche Abgabe eines solchen Eigengebots setzt keine Weisung des Gläubigers zum Bietverhalten seines Terminvertreters voraus. Denn zum einen muss sich der Gläubiger das Verhalten seines Vertreters jedenfalls nach dem Rechtsgedanken der Vorschrift des § 278 BGB zurechnen lassen (vgl. etwa Staudinger/Looschelders/Olzen, aaO, § 242 Rdn. 224; MünchKommBGB /Roth, 4. Aufl. 2003, § 242 Rdn. 189). Zum anderen kann nur derjenige Bieter den Wegfall der Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG in einem neuen Versteigerungstermin herbeiführen, der mit seinem Gebot nicht lediglich die Umgehung des in der Vorschrift (auch) zum Ausdruck kommenden Schuldnerschutzes beabsichtigt.
31
cc) Die Vorschriften des § 81 Abs. 2 und 3 ZVG rechtfertigen keine andere Beurteilung (so aber OLG Koblenz Rpfleger 1999, 407, 408; vgl. auch LG Detmold Rpfleger 2006, 491, 492; Hintzen, Rpfleger 2006, 145, 146). Durch sie hat der Gesetzgeber zwar das verdeckte Gebot für einen Dritten ermöglicht und damit das praktische Bedürfnis anerkannt, die Identität des Bieters und die wirkliche Interessenlage geheim zu halten (BGH, Urt. v. 14. Juli 1954, VI ZR 99/53, DB 1954, 974). Daraus folgt aber nur, dass das Gebot eines Strohmanns als solches weder sittenwidrig noch aus anderen Gründen unwirksam ist (BGH aaO ; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 71 Rdn. 2.9). Eine Befugnis zur Verfolgung unlauterer oder gesetzeswidriger Zwecke lässt sich aus den Vorschriften des § 81 Abs. 2 und 3 ZVG jedoch nicht herleiten.
32
4. Nach diesen Grundsätzen ist das Eigengebot, das die Terminsvertreterin der Beteiligten zu 1 in dem ersten Versteigerungstermin abgegeben hat, als rechtsmissbräuchlich und deshalb unwirksam zu bewerten. Denn nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Beschwerdegerichts war es ausschließlich darauf gerichtet, die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG in einem neuen Versteigerungstermin zu Gunsten des Gläubigers und zu Lasten des Schuldners zu beseitigen.
33
a) Der dagegen gerichtete Angriff der Rechtsbeschwerde ist nicht begründet (§§ 96 ZVG, 577 Abs. 2 Satz 4, 559 Abs. 2 ZPO). Das Beschwerdegericht hat seine tatrichterliche Überzeugung darauf gestützt, dass das Gebot von der Terminsvertreterin der betreibenden Gläubigerin abgegeben wurde. Danach ergebe sich seine wirkliche Zielrichtung bereits aus der von den Kreditinstituten geübten Praxis, durch in dem ersten Versteigerungstermin abgegebene Gebote die Wertgrenzen für den zweiten Termin zu beseitigen. Anhaltspunkte dafür, dass das Gebot auf die Erteilung des Zuschlags in einem neuen Versteigerungstermin gerichtet sein könnte, hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt. Die Rechtsbeschwerde zeigt solche Anhaltspunkte auch nicht auf und stellt nicht in Frage, dass derartige Eigengebote von Terminsvertretern der Gläubiger in der Praxis üblich sind (so auch Alff, Rpfleger 2005, 44; Hasselblatt, NJW 2006, 1320, 1321; Hintzen, Rpfleger 2006, 145; Weis, BKR 2006, 120 und 121). Sie beanstandet lediglich, dass die Beweiskraft dieser Indizien nicht ausreiche, um den von dem Beschwerdegericht gezogenen Schluss zu rechtfertigen. Diese Rüge hat keinen Erfolg.
34
b) Die Rechtsbeschwerde weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Stellung als Terminsvertreter des betreibenden Gläubigers in der Senatsentscheidung vom 24. November 2005 (V ZB 98/05, NJW 2006, 1355, 1356) nur als eines von mehreren Indizien dafür aufgeführt wird, dass der Bieter möglicherweise nicht an der Zuschlagserteilung interessiert ist. Ob die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts danach gegen Denkgesetze verstößt, weil sie die Ambivalenz einer Indiztatsache verkennt (vgl. dazu nur Senat, BGHZ 158, 269, 273), bedarf jedoch keiner Entscheidung. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Umstand, dass die Beteiligte zu 1 die Anfrage des Vollstreckungsgerichts vom 27. Januar 2006 nicht an ihre Terminsvertreterin weitergeleitet hat, als Beweisvereitelung zu würdigen ist, und welche Rückschlüsse das Fernbleiben der Terminsvertreterin in dem zweiten Versteigerungstermin zulässt. Denn bei einem Eigengebot des Gläubigervertreters spricht eine tatsächliche Vermutung für die missbräuchliche Absicht, den von dem Gesetz bezweckten Schuldnerschutz zu unterlaufen.
35
aa) Diese Vermutung trägt den besonderen Gegebenheiten des Zwangsversteigerungsverfahrens Rechnung. Nach § 71 Abs. 1 ZVG muss das Vollstreckungsgericht jedes Gebot sofort auf seine Wirksamkeit prüfen (vgl. nur Stöber, aaO, § 71 Rdn. 2.8). Dabei hat es weder die Möglichkeit der Beweisaufnahme, noch ist der Bieter verpflichtet, die mit dem Gebot verfolgte Absicht zu offenbaren. Das Vollstreckungsgericht kann diese Absicht deshalb nur den Umständen entnehmen, die ihm bei der Abgabe des Gebots bekannt sind. Ob der Gläubigervertreter tatsächlich von der Möglichkeit Gebrauch macht, das Grundstück in einem neuen Versteigerungstermin unter der Hälfte seines Werts zu ersteigern, kann - und muss (Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 98/05, aaO, 1356) - das Gericht naturgemäß erst berücksichtigen, wenn es nach diesem Termin erneut über die Wirksamkeit des Gebots zu befinden hat. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde (ebenso LG Detmold Rpfleger 2006, 491, 492; Eickmann, ZfIR 2006, 653, 654 f.; Hasselblatt, NJW 2006, 1320, 1323 f.; Hintzen, Rpfleger 2006, 145, 146; Weis, BKR 2006, 120, 121) sind praktische Schwierigkeiten kein Grund, objektiv begründete Zweifel zurücktreten zu lassen. Vielmehr muss das Vollstreckungsgericht einen Missbrauch des Bietrechts mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern, um den gesetzlich vorgeschriebenen Schuldnerschutz zu gewährleisten. Es ist deshalb - wie in anderen Fällen des Rechtsmissbrauchs - gehalten, die missbräuchliche Absicht des Gläubigervertreters zu berücksichtigen, wenn sie aufgrund konkreter Anhaltspunkte mit der in dem Verfahren der Zwangsversteigerung erreichbaren Sicherheit festgestellt werden kann.
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bb) Vor diesem Hintergrund lässt die Stellung als Terminsvertreter des Gläubigers im Regelfall den Schluss zu, dass ein auf die Rechtsfolgen des § 85a Abs. 1 und 2 ZVG gerichtetes Eigengebot dazu dient, den von dem Gesetz bezweckten Schuldnerschutz zu unterlaufen. Denn in dieser Funktion bieten Mitarbeiter von Kreditinstituten üblicherweise nicht aus eigenem Interesse (Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 98/05, aaO, 1356). Zudem widerspräche ihre Absicht, das Grundstück nach dem Wegfall der Wertgrenzen möglichst preiswert zu ersteigern, der im Innenverhältnis bestehenden Pflicht, das Interesse ihres Arbeitgebers an der bestmöglichen Verwertung des Grundstücks zu wahren (vgl. Kirsch, Rpfleger 2000, 147, 148). Wegen dieser Interessenkollision führt die an die Vertretung des Gläubigers geknüpfte Vermutung nicht zu einer unzumutbaren Beschränkung des Bietrechts, zumal der Terminsvertreter im Einzelfall die Möglichkeit hat, der Zurückweisung seines Gebots nach § 72 Abs. 2 ZVG zu widersprechen und ein gesetzeskonformes Interesse glaubhaft zu machen. Der Vermutung steht auch nicht entgegen, dass sie durch das Vortäuschen eines solchen Interesses oder durch die Einschaltung Dritter umgangen werden kann (vgl. nur die entsprechenden Empfehlungen von Hasselblatt , aaO, 1324; Hintzen, aaO, 147; v. Seldeneck, InfoM 2006, 142; Weis, aaO, 121). Denn zum einen verhindert sie eine besonders einfache und ent- sprechend verbreitete Form des Rechtsmissbrauchs. Zum anderen kann das Vollstreckungsgericht ihrer Umgehung wirksam begegnen, indem es - nach Gewährung rechtlichen Gehörs - auf seine in anderen Verfahren gewonnene Personen- und Sachkenntnis zurückgreift (vgl. OLG Nürnberg Rpfleger 1999, 87; LG Mainz JurBüro 2001, 214; AG Bremen Rpfleger 1999, 88, 89; AG Dortmund Rpfleger 1994, 119, 120; auch Eickmann, ZfIR 2006, 653, 655).
37
c) Die Rechtsprechung des Senats zu dem verdeckten Meistgebot eines dinglich Berechtigten (Beschl. v. 14. April 2005, V ZB 9/05, NJW-RR 2005, 1359, 1361) steht der Annahme der Unwirksamkeit des Eigengebots der Terminsvertreterin der Beteiligten zu 1 nicht entgegen. Danach handelt ein Gläubiger zwar gegenüber seinem Schuldner arglistig, wenn er im Hinblick auf § 114a ZVG einen Dritten an seiner Stelle bieten lässt und sich dann gegenüber dem Schuldner auf die Teile seiner Forderung beruft, die bei einem eigenen Gebot erloschen wären. Die Wirksamkeit des Gebots wird von einem solchen Vorgehen jedoch nicht berührt. Denn § 114a ZVG soll nicht bestimmte Gebote oder das Bieten durch bestimmte Personen, sondern nur verhindern, dass ein mit seinem Gebot innerhalb der 7/10-Grenze liegender Berechtigter das Grundstück in der Zwangsversteigerung günstig erwirbt und sodann den durch sein Meistgebot nicht gedeckten Restbetrag seiner persönlichen Forderung gegen den Schuldner in voller Höhe geltend macht (Beschl. v. 14. April 2005, V ZB 9/05, aaO m. w. N.). Die Unwirksamkeit des verdeckten Meistgebots würde die mit der Vorschrift angestrebte erweiterte Befriedigungswirkung verfehlen. Der Zweck des § 114a ZVG gebietet deshalb seine gegebenenfalls vor dem Prozessgericht durchzusetzende Anwendung auch auf den dinglichen Gläubiger, der den materiell-rechtlichen Folgen eines eigenen Meistgebots zu entgehen versucht. Hier verfolgt der rechtsmissbräuchlich Handelnde hingegen eine andere Zielrichtung, die auch eine andere Sanktion erfordert. Er will das Objekt nicht ersteigern, sondern erreichen, dass es ein anderer ohne die zu Gunsten des Schuldners gezogenen Wertgrenzen erwerben kann. Der Rechtsmissbrauch des dinglich Berechtigten besteht nicht darin (wie aber in dem Fall des verdeckten Meistgebots), den Zuschlag unter Vermeidung der für ihn nachteiligen Wirkungen des § 114 ZVG zu bekommen, sondern darin, den möglichen Zuschlag auf ein Eigengebot zu vermeiden, indem ein nicht zuschlagsfähiges Fremdgebot initiiert wird. Das kann sinnvollerweise nur zur Folge haben, dass das Fremdgebot unwirksam ist.
38
5. Die Unwirksamkeit des von der Terminsvertreterin der Beteiligten zu 1 in dem ersten Versteigerungstermin abgegebenen Gebots hat zur Folge, dass die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG weiterhin von Amts wegen zu beachten ist.
39
a) Das Gebot hätte nach § 71 Abs. 1 ZVG zurückgewiesen werden müssen (vgl. OLG Nürnberg Rpfleger 1999, 87; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 71 Rdn. 2.10). Nachdem dies unterblieben war, konnte und musste seine Unwirksamkeit bei der Beschlussfassung über den Zuschlag in dem ersten Versteigerungstermin berücksichtigt werden. Bei dieser Entscheidung war das Vollstreckungsgericht nach § 79 ZVG nicht an die rechtsfehlerhafte Zulassung des Gebots gebunden (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 1988, 690, 691; Stöber, aaO, § 72 Rdn. 5.4). Es hätte den Zuschlag also schon deshalb versagen müssen, weil kein wirksames Meistgebot vorlag (§ 81 Abs. 1 ZVG; vgl. OLG Naumburg Rpfleger 2002, 324, 325; LG Mainz JurBüro 2001, 214; allgemein Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 71 Rdn. 2.8, und § 81 Rdn. 2.1). Die stattdessen auf § 85a Abs. 1 ZVG gestützte Versagung des Zuschlags ist rechtswidrig, weil auch diese Vorschrift ein wirksames Meistgebot voraussetzt (vgl. nur Stöber, aaO, § 85a Rdn. 2.5).
40
b) Trotz dieser Entscheidung kann und muss die Unwirksamkeit des Gebots weiterhin berücksichtigt werden. Sie ist deshalb entscheidungserheblich, weil nur ein wirksames Gebot geeignet ist, den in § 85a Abs. 2 Satz 2 ZVG vorgesehenen Wegfall der Wertgrenzen herbeizuführen. Das ergibt sich aus dem Zweck der Vorschrift. Sie räumt - wie ausgeführt - dem Verwertungsinteresse des Gläubigers nur für den Fall den Vorrang ein, dass der Schuldner schon einmal nach § 85a Abs. 1 ZVG vor einer Verschleuderung des Grundstücks geschützt wurde. Hieran fehlt es, wenn in dem ersten Versteigerungstermin kein wirksames Gebot abgegeben wurde. Denn dann bestand von vornherein nicht die Möglichkeit, das Grundstück in diesem Termin zu verwerten. Das hat zur Folge, dass der Schuldner auch in dem neuen Versteigerungstermin durch die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG geschützt wird (Rimmelspacher/Bolkart, aaO).
41
c) Die fehlerhafte Begründung der ersten Zuschlagsentscheidung ändert daran nichts. Sie ist nach dem Zweck des § 85a Abs. 2 Satz 2 ZVG unbeachtlich und hindert das Vollstreckungsgericht nicht, die zu Unrecht unterstellte Wirksamkeit des Gebots zu überprüfen. Denn nach § 79 ZVG ist das Gericht bei der erneuten Beschlussfassung über den Zuschlag ebenfalls nicht an seine bis dahin getroffenen Entscheidungen gebunden. Es soll damit in die Lage versetzt werden, das gesamte bisherige Versteigerungsverfahren neu und unabhängig von seinen früheren Entscheidungen zu würdigen (Senat, Beschl. v. 26. Oktober 2006, V ZB 188/05, NJW-RR 2007, 194, 197 [insoweit zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen]). Danach steht die zu Unrecht auf § 85a Abs. 1 ZVG gestützte Versagung des Zuschlags der nachträglichen Berücksichtigung des missbräuchlichen Bieterverhaltens ebenso wenig entgegen wie die fehlerhafte Zulassung des Gebots.
42
d) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde (ebenso Hasselblatt, NJW 2006, 1320, 1323; Hintzen, Rpfleger 2006, 145, 146 f.; Weis, BKR 2006, 120, 121) ist die erneute Überprüfung der Wirksamkeit des Gebots auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die fehlerhafte Versagung des Zuschlags nicht angefochten wurde und damit - jedenfalls formell - rechtskräftig ist.
43
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 26. Oktober 2006, V ZB 188/05, NJW-RR 2007, 194, 197 f.) sind nur die mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestatteten Verfahren der Verkehrswertfestsetzung (§ 74a Abs. 5 ZVG), der einstweiligen Einstellung gemäß §§ 30 a bis 30 f ZVG und des Vollstreckungsschutzes nach § 765a ZPO von der Regelung des § 79 ZVG ausgenommen. Im Übrigen erfasst die Vorschrift alle Vorentscheidungen des Vollstreckungsgerichts, die von der Rechtsmittelinstanz nicht überprüft worden sind. Das schließt auch die nach § 95 ZVG anfechtbaren Entscheidungen über die Anordnung, Aufhebung, einstweilige Einstellung und Fortsetzung des Verfahrens ein. Denn die Anfechtbarkeit dieser Zwischenentscheidungen beruht auf ihrer besonderen Bedeutung für das weitere Verfahren und lässt deshalb nicht den Schluss zu, dass die von § 79 ZVG bezweckte Überprüfung der Rechtmäßigkeit des gesamten Verfahrens diese grundlegenden Entscheidungen nicht erfassen soll. Nichts anderes gilt für die nach §§ 96 ff. ZVG, 567 ff. ZPO anfechtbare Entscheidung über die Versagung des Zuschlags. Denn auch sie wirkt nach § 86 ZVG grundsätzlich wie eine einstweilige Einstellung oder wie die Aufhebung des Verfahrens; wegen der Rechtsfolgen des § 85a Abs. 2 Satz 2 ZVG bleibt ihre Rechtmäßigkeit für die erneute Beschlussfassung über den Zuschlag auch dann von Bedeutung, wenn das Verfahren - wie hier - nach §§ 85a Abs. 2 Satz 1, 74 a Abs. 3 Satz 1 ZVG von Amts wegen fortgesetzt worden ist. Ihre Anfechtbarkeit steht einer Überprüfung nach § 79 ZVG daher ebenso wenig entgegen wie in den Fällen des § 95 ZVG (Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 79 Rdn. 4.5).
44
bb) Ob der - nicht mehr abänderbare - Beschluss über die Versagung des Zuschlags gleichwohl der materiellen Rechtskraft fähig ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, erwüchse nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. nur Senat, Urt. v. 13. November 1998, V ZR 29/98, NJWRR 1999, 376, 377) nur der Ausspruch über die Versagung des Zuschlags in Rechtskraft, nicht aber die ihm zugrunde liegende Beurteilung der - für § 85a Abs. 2 Satz 2 ZVG entscheidenden - Vorfrage nach der Wirksamkeit des missbräuchlich abgegebenen Gebots.
45
6. Nach alledem hat das Beschwerdegericht die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 3. Februar 2006 zu Recht zurückgewiesen.

IV.


46
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Verpflichtung der Beteiligten zu 1, die Gerichtsgebühren zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet bei Beschwerden in Zwangsversteigerungssachen grundsätzlich nicht statt (Senat, Beschl. v. 21. September 2006, V ZB 76/06, WM 2006, 2266, 2267 m.w.N.). Der Wert der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Wert des Zuschlags zu bestimmen , dessen Erteilung die Beteiligte zu 1 erstrebt. Er entspricht damit dem Meistgebot des Beteiligten zu 3 (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG).
Krüger RiBGH Dr. Klein ist infolge Lemke Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Krüger Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Wuppertal, Entscheidung vom 03.02.2006 - 402 K 12/04 -
LG Wuppertal, Entscheidung vom 17.05.2006 - 6 T 138/06 -

(1) Das Verfahren ist einstweilen einzustellen, wenn der Gläubiger die Einstellung bewilligt. Die Einstellung kann wiederholt bewilligt werden. Ist das Verfahren auf Grund einer Bewilligung des Gläubigers bereits zweimal eingestellt, so gilt eine erneute Einstellungsbewilligung als Rücknahme des Versteigerungsantrags.

(2) Der Bewilligung der Einstellung steht es gleich, wenn der Gläubiger die Aufhebung des Versteigerungstermins bewilligt.

Das Verfahren ist aufzuheben, wenn der Versteigerungsantrag von dem Gläubiger zurückgenommen wird.

(1) Der Zuschlag ist ferner zu versagen, wenn das abgegebene Meistgebot einschließlich des Kapitalwertes der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechte die Hälfte des Grundstückswertes nicht erreicht.

(2) § 74a Abs. 3, 5 ist entsprechend anzuwenden. In dem neuen Versteigerungstermin darf der Zuschlag weder aus den Gründen des Absatzes 1 noch aus denen des § 74a Abs. 1 versagt werden.

(3) Ist das Meistgebot von einem zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigten abgegeben worden, so ist Absatz 1 nicht anzuwenden, wenn das Gebot einschließlich des Kapitalwertes der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechte zusammen mit dem Betrag, mit dem der Meistbietende bei der Verteilung des Erlöses ausfallen würde, die Hälfte des Grundstückswertes erreicht.

(1) Im Falle einer einstweiligen Einstellung darf das Verfahren, soweit sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt, nur auf Antrag des Gläubigers fortgesetzt werden. Wird der Antrag nicht binnen sechs Monaten gestellt, so ist das Verfahren aufzuheben.

(2) Die Frist nach Absatz 1 Satz 2 beginnt

a)
im Falle des § 30 mit der Einstellung des Verfahrens,
b)
im Falle des § 30a mit dem Zeitpunkt, bis zu dem die Einstellung angeordnet war,
c)
im Falle des § 30f Abs. 1 mit dem Ende des Insolvenzverfahrens, im Falle des § 30f Abs. 2 mit der Rücknahme oder der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens,
d)
wenn die Einstellung vom Prozeßgericht angeordnet war, mit der Wiederaufhebung der Anordnung oder mit einer sonstigen Erledigung der Einstellung.

(3) Das Vollstreckungsgericht soll den Gläubiger auf den Fristbeginn unter Bekanntgabe der Rechtsfolgen eines fruchtlosen Fristablaufs hinweisen; die Frist beginnt erst zu laufen, nachdem der Hinweis auf die Rechtsfolgen eines fruchtlosen Fristablaufs dem Gläubiger zugestellt worden ist.

(1) Ist ein Gebot nicht abgegeben oder sind sämtliche Gebote erloschen, so wird das Verfahren einstweilen eingestellt.

(2) Bleibt die Versteigerung in einem zweiten Termin gleichfalls ergebnislos, so wird das Verfahren aufgehoben. Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Zwangsverwaltung vor, so kann auf Antrag des Gläubigers das Gericht anordnen, daß das Verfahren als Zwangsverwaltung fortgesetzt wird. In einem solchen Fall bleiben die Wirkungen der für die Zwangsversteigerung erfolgten Beschlagnahme bestehen; die Vorschrift des § 155 Abs. 1 findet jedoch auf die Kosten der Zwangsversteigerung keine Anwendung.

(1) Ist die Geltendmachung des Anspruchs von dem Eintritt eines Kalendertages abhängig, so darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn der Kalendertag abgelaufen ist.

(2) Hängt die Vollstreckung von einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung ab, so darf mit der Zwangsvollstreckung nur begonnen oder sie nur fortgesetzt werden, wenn die Sicherheitsleistung durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen und eine Abschrift dieser Urkunde bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.

(1) Das Verfahren ist einstweilen einzustellen, wenn der Gläubiger die Einstellung bewilligt. Die Einstellung kann wiederholt bewilligt werden. Ist das Verfahren auf Grund einer Bewilligung des Gläubigers bereits zweimal eingestellt, so gilt eine erneute Einstellungsbewilligung als Rücknahme des Versteigerungsantrags.

(2) Der Bewilligung der Einstellung steht es gleich, wenn der Gläubiger die Aufhebung des Versteigerungstermins bewilligt.

Das Verfahren ist aufzuheben, wenn der Versteigerungsantrag von dem Gläubiger zurückgenommen wird.

(1) Ist ein Gebot nicht abgegeben oder sind sämtliche Gebote erloschen, so wird das Verfahren einstweilen eingestellt.

(2) Bleibt die Versteigerung in einem zweiten Termin gleichfalls ergebnislos, so wird das Verfahren aufgehoben. Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Zwangsverwaltung vor, so kann auf Antrag des Gläubigers das Gericht anordnen, daß das Verfahren als Zwangsverwaltung fortgesetzt wird. In einem solchen Fall bleiben die Wirkungen der für die Zwangsversteigerung erfolgten Beschlagnahme bestehen; die Vorschrift des § 155 Abs. 1 findet jedoch auf die Kosten der Zwangsversteigerung keine Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 125/05
vom
25. Januar 2007
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Wird die Zwangsversteigerung eines Grundstücks aus einem Recht betrieben, das
einer vor der Beschlagnahme eingetragenen Auflassungsvormerkung im Rang
vorgeht, hat eine nach der Beschlagnahme erfolgte Umschreibung des Eigentums
auf den Vormerkungsberechtigten keinen Einfluss auf den Fortgang des Verfahrens.
Die Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO sind auf Beschwerden im Zwangsversteigerungsverfahren
anwendbar, wenn es sich um ein kontradiktorisches Verfahren
handelt. In diesem Fall ist über die Kosten eines Beschwerdeverfahrens nach
§ 91a Abs. 1 ZPO zu entscheiden, wenn die Beteiligten das Verfahren im Hinblick
auf die Rücknahme des Zwangsversteigerungsantrags in der Hauptsache für erledigt
erklären.
BGH, Beschl. v. 25. Januar 2007 - V ZB 125/05 - LG Hagen
AGHagen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 25. Januar 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren haben der Schuldner und die Beteiligte zu 3 zu tragen.
Der Wert der Verfahren beträgt 1.500 €.

Gründe:

I.

1
Auf Antrag der Gläubigerin wurden Mitte 2004 zwei Zwangssicherungshypotheken am hälftigen Miteigentumsanteil des Schuldners an dem im Rubrum bezeichneten Wohnungseigentum eingetragen. Diesen Miteigentumsanteil ließ der Schuldner am 10. Dezember 2004 an die Beteiligte zu 3 auf. Zur Sicherung ihres Eigentumserwerbs wurde am 14. Dezember 2004 eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen.
2
Mit Beschluss vom 10. Januar 2005, dem Schuldner zugestellt am 12. Januar 2005, ordnete das Amtsgericht die Zwangsversteigerung des Miteigentumsanteils des Schuldners wegen dinglicher Ansprüche aus den Zwangssicherungshypotheken an. Am 8. Februar 2005 wurde das Eigentum an dem Anteil auf die Beteiligte zu 3 umgeschrieben. Im Hinblick hierauf beantragten der Schuldner und die Beteiligte zu 3 unter Hinweis auf § 28 Abs. 1 ZVG, das Zwangsversteige- rungsverfahren aufzuheben bzw. unter Bestimmung einer Frist für die Gläubigerin einstweilen einzustellen. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners und der Beteiligten zu 3 ist erfolglos geblieben.
3
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde haben beide ihren Aufhebungs - bzw. Einstellungsantrag zunächst weiterverfolgt. Nachdem die Gläubigerin den Zwangsversteigerungsantrag zurückgenommen hat, haben der Schuldner und die Beteiligte zu 3 das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt , der Gläubigerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Gläubigerin hat sich zu der Erledigungserklärung nicht geäußert.

II.

4
1. Aufgrund der Erledigungserklärung des Schuldners und der Beteiligten zu 3 ist über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gemäß § 91a ZPO zu entscheiden.
5
a) Die vorausgegangene Rücknahme des Zwangsversteigerungsantrags durch die Gläubigerin steht dem nicht entgegen, denn sie führt nicht dazu, dass der Gläubigerin entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO alle Kosten des Verfahrens aufzuerlegen wären. Die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens fallen, soweit sie notwendig waren, nach der spezielleren Vorschrift des § 788 ZPO stets dem Schuldner zur Last. Das gilt - da sich die Notwendigkeit nach dem Standpunkt des Gläubigers zum Zeitpunkt der Antragstellung bestimmt (vgl. BGH, Beschl. v. 18. Juli 2003, IXa ZB 146/03, NJW-RR 2003, 1581) - auch im Fall der Antragsrücknahme durch den Gläubiger (ebenso Stöber, ZVG, 18. Aufl., Einl. 39.4; Mohrbutter/Drischler/Radtke/Tiedemann, Zwangsversteigerung- und Zwangsverwaltungspraxis, 7. Aufl., Muster 49 Anm. 5; LG Oldenburg ZIP 1983, 224, 225 sowie allgemein Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rdn. 1 u. 22; MünchKomm-ZPO/K. Schmidt, 2. Aufl., § 788 Rdn. 7; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 788 Rdn. 20).
6
b) Über die Kosten besonderer Rechtsbehelfe im Zwangsversteigerungsverfahren ist demgegenüber grundsätzlich nicht gemäß § 788 ZPO, sondern nach den insoweit spezielleren Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO zu entscheiden (ebenso Stöber, ZVG, 18. Aufl., Einl. 39.10; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 99 Rdn. 9; Jäckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., Vorbem zu § 95 Rdn. 8 a.E.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 91a Rdn. 7; OLG Karlsruhe Rpfleger 1995, 472, 473; OLG Bremen JurBüro 1985, 776; OLG Hamm Rpfleger 1976, 146, 148; für das Vollstreckungsverfahren allgemein: BGH, Beschl. v. 29. September 1988, I ARZ 589/88, NJW-RR 1989, 125; OLG Hamburg JurBüro 1995, 547; Zöller /Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 788 Rdn. 12; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rdn. 20; Musielak/Lackmann, ZPO, 5. Aufl., § 788 Rdn. 6).
7
Eine Einschränkung ergibt sich allerdings daraus, dass die Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO ein kontradiktorisches Verfahren voraussetzen (vgl. Musielak/Wolst, ZPO, 5. Aufl., Vor § 91 Rdn. 2 sowie Stein/Jonas/Münzberg, aaO). Daran kann es im Zwangsversteigerungsverfahren fehlen, wenn nicht das Vollstreckungsrechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger im Vordergrund steht, wie bei einem Streit um die Anordnung, Einstellung oder Fortsetzung des Verfahrens regelmäßig anzunehmen ist, sondern Entscheidungen angefochten werden, die auch andere Verfahrensbeteiligte betreffen oder bei denen Gläubiger und Schuldner nicht zwangsläufig widerstreitende Interessen verfolgen. Hiervon geht der Senat für den Regelfall bei der Verkehrswertbeschwerde (Senat, Beschl. v. 18. Mai 2006, V ZB 142/05, WM 2006, 1727, 1730; ebenso Stöber , ZVG, 18. Aufl., § 74a Anm. 9.5.; LG München II Rpfleger 1984, 108) und bei der Zuschlagsbeschwerde (Senat, Beschl. v. 20. Juli 2006, V ZB 168/05, Rpfleger 2006, 665; Beschl. v. 26. Oktober 2006, V ZB 188/05, WM 2007, 82, 86; ebenso Stöber, aaO, § 99 Anm. 2.5.; OLG Oldenburg JurBüro 1989, 1176, 1177) aus.
8
Vorliegend bleibt es indessen bei der Anwendbarkeit der §§ 91 ff. ZPO, da sich die Beteiligten als Gläubiger einerseits sowie als Schuldner und dessen Einzelrechtsnachfolger andererseits über die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens streiten, mithin in einem kontradiktorischen Verhältnis zueinander stehen. Da die genannten Vorschriften, wie dargelegt, nicht für das Vollstreckungsverfahren selbst, sondern nur für die Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde gelten, beschränkt sich die Wirkung der Erledigungserklärung des Schuldners und der Beteiligten zu 3 auf diese Rechtsmittelverfahren (vgl. zu dieser Möglichkeit: Senat, Beschl. v. 11. Januar 2001, V ZB 40/99, NJWRR 2001, 1007, 1008; BGH, Beschl. v. 12. Mai 1998, XI ZR 219/97, WM 1998, 1747, 1748). Nachdem die auf die Zustimmungsfiktion des § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO hingewiesene Gläubigerin der Erledigungserklärung des Schuldners und der Beteiligten zu 3 nicht widersprochen hat, ist somit über die Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
9
2. Das führt zur Auferlegung der Kosten auf den Schuldner und die Beteiligte zu 3, da ihre Rechtsbeschwerde keinen Erfolg gehabt hätte und es damit bei der Zurückweisung ihrer sofortigen Beschwerde durch das Beschwerdegericht geblieben wäre.
10
Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass der auf der Auflassungsvormerkung beruhende Eigentumserwerb der Beteiligten zu 3 einer Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht entgegen stand, da dieses aus einem dem vorgemerkten Eigentumsverschaffungsanspruch vorgehenden Recht betrieben worden ist.
11
a) Allerdings ließ sich dieses Ergebnis entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht auf den Rechtsgedanken des § 867 Abs. 3 ZPO stützen. Zwar ermöglicht die Vorschrift dem Gläubiger, die Zwangsvollstreckung unmittelbar aus der Zwangshypothek, also ohne einen besonderen dinglichen Duldungstitel , zu betreiben. Voraussetzung ist aber, dass es sich bei dem Schuldner um den Grundstückseigentümer handelt. Nach einem Eigentumswechsel ist ein gegen den neuen Eigentümer gerichteter Titel erforderlich. Das folgt aus der Vorschrift des § 17 Abs. 1 ZVG, wonach die Zwangsversteigerung nur angeordnet werden darf, wenn der Schuldner als Eigentümer des Grundstücks eingetragen ist. Dabei kann dahinstehen, ob gegen den neuen Eigentümer ein Duldungstitel erwirkt werden muss (so die Begründung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften, BT/Drucks. 12/8314, S. 38, und die ganz hM, vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 867 Rdn. 49; MünchKomm-ZPO/Eickmann, 2. Aufl., § 867 Rdn. 57; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 867 Rdn. 20; Musielak/Becker, ZPO, 5. Aufl., § 867 Rdn. 11; Saenger /Kindl, ZPO, § 867 Rdn. 24) oder ob der in § 867 Abs. 3 ZPO genannte Titel wie ein Duldungstitel behandelt und gemäß § 727 ZPO auf den neuen Eigentümer umgeschrieben werden kann (so Dümig, Rpfleger 2004, 3, 10; Alff, Rpfleger 2001, 385, 394). Nach einem Eigentümerwechsel ist es dem Gläubiger jedenfalls nicht mehr möglich, ohne weitere Maßnahmen aus der Zwangshypothek zu vollstrecken.
12
b) Das Beschwerdegericht hat aber zutreffend angenommen, dass der Eigentumswechsel an dem beschlagnahmten Miteigentumsanteil die Fortsetzung des Verfahrens deshalb nicht hinderte, weil die Voraussetzungen des § 26 ZVG gegeben waren. Die Vorschrift bestimmt, dass eine nach der Beschlagnahme bewirkte Veräußerung des Grundstücks auf das Verfahren keinen Einfluss hat, wenn die Zwangsversteigerung wegen eines Anspruchs aus einem eingetragenen Recht angeordnet worden ist. Diese Voraussetzungen lagen hier vor, weil die Gläubigerin aus einer auf dem Miteigentumsanteil lastenden Zwangshypothek vollstreckte und die Veräußerung des Miteigentumsanteils - gemeint ist der dingliche Rechtsübergang (vgl. Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, 12. Aufl., § 26 Rdn. 2; Steiner /Teufel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 26 Rdn. 6) - zeitlich nach der Beschlagnahme erfolgt war.
13
aa) Dem steht nicht entgegen, dass vor der Beschlagnahme eine Auflassungsvormerkung zugunsten der Beteiligten zu 3 in das Grundbuch eingetragen worden war. Die Auflassungsvormerkung führt zwar in vielerlei, nicht aber in jeder Hinsicht dazu, dass der Rechtserwerb des Vormerkungsberechtigten auf den Zeitpunkt ihrer Eintragung zurückbezogen wird (vgl. Erman/Lorenz, BGB, 11. Aufl., § 883 Rdn. 31; Bamberger/Roth/Kössinger, BGB, § 883 Rdn. 63). Sie hat zur Folge, dass - auch im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgte (§ 883 Abs. 2 Satz 2 BGB) - Verfügungen, die nach der Eintragung der Vormerkung über das Grundstück oder das Recht getroffen werden, insoweit unwirksam sind, als sie den gesicherten Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würden (§ 883 Abs. 2 Satz 1 BGB). Diese Wirkung hat hier zwar zu einem auch gegenüber der Gläubigerin wirksamen Eigentumserwerb der Beklagten zu 3 geführt, nicht aber dazu, dass die Fortsetzung des - auch in Ansehung der Auflassungsvormerkung zulässigerweise begonnenen (vgl. Senat, BGHZ 46, 124, 127; BGH Urt. v. 11. Juli 1996, IX ZR 226/94, NJW 1996, 3147, 3148) - Zwangsversteigerungsverfahrens unzulässig war.
14
(1) Die mit der Anordnung der Zwangsversteigerung verbundene Beschlagnahme des Miteigentumsanteils des Schuldners (§ 20 Abs. 1 ZVG) hatte die Wirkung eines relativen Veräußerungsverbots zugunsten der betreibenden Gläubigerin (§ 23 Abs. 1 Satz 1 ZVG i.V.m. §§ 135, 136 BGB) und war deshalb geeignet, die durch die Auflassungsvormerkung gesicherte, aber erst nach der Beschlagnahme vollendete Übertragung des Miteigentumsanteils an die Beteiligte zu 3 zu vereiteln (vgl. BGH, Urt. v. 31. Mai 1988, IX ZR 103/87, WM 1988, 1388, 1389). Hiervor war die Beteiligte zu 3 durch die vor der Beschlagnahme eingetragene Auflassungsvormerkung geschützt. Dabei ist unerheblich, dass die mit der Beschlagnahme einhergehende Beschränkung der Verfügungsmacht des Schuldners vom Wortlaut des § 883 Abs. 2 BGB nicht erfasst ist, weil es sich bei ihr nicht um eine Verfügung im Rechtssinne handelt. Nachträglich gegen den Schuldner verhängte Verfügungsbeschränkungen werden Verfügungen über das Grundstück nämlich gleichgestellt und sind deshalb, soweit sie der Verwirklichung des gesicherten Anspruchs entgegenstehen, im Verhältnis zu dem Vormerkungsberechtigten in entsprechender Anwendung von § 883 Abs. 2 BGB unwirksam (Senat, Urt. v. 27. Mai 1966, V ZR 200/63, JZ 1966, 526; MünchKomm-BGB/Wacke, 4. Aufl., § 883 Rdn. 41; Staudinger/Gursky, BGB [2002], § 883 Rdn. 203; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 888 Rdn. 6).
15
(2) Vor der Fortsetzung des eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahrens schützte die Auflassungsvormerkung dagegen nicht. Mit dem Erwerb des Eigentums an dem beschlagnahmten Miteigentumsanteil durch die Beteiligte zu 3 war der Sicherungszweck der Vormerkung erreicht. Dass dieses Eigentum mit einer Zwangshypothek belastet war, beruhte darauf, dass die Hypothek der Auflassungsvormerkung im Rang vorging. Ein besserrangiges Recht muss der Vormerkungsberechtigte stets gegen sich gelten lassen. Deshalb gewährt die Vormerkung auch keinen Schutz vor der Durchsetzung eines solchen Rechts im Wege der Zwangsvollstreckung. Hiermit muss der Vormerkungsberechtigte von vornherein rechnen, weil der Grundbesitz schon bei Eintragung der Vormerkung belastet war. Die Vormerkung schützt den Berechtigten nur davor, dass der Erwerb des (belasteten) Eigentums vereitelt oder beeinträchtigt wird, nicht aber davor, dass der Gläubiger eines vorrangigen Rechts dieses im Wege der Zwangsvollstreckung verfolgt (so zutreffend Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 28 Anm. 4.8.c; Assmann, Die Vormerkung , 1998, S. 232).
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(3) Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht aus der Vorschrift des § 883 Abs. 3 BGB. Sie bezieht sich nur auf rangfähige dingliche Rechte, mit denen ein Grundstück belastet ist (vgl. § 879 BGB), nicht aber auf das Eigentum selbst. Als das umfassende Vollrecht ist dieses nicht rangfähig (vgl. BayObLG NJW-RR 1991, 567; MünchKomm-BGB/Wacke, 4. Aufl., § 883 Rdn. 57; Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 11. Aufl., § 883 Rdn. 47; Staudinger/Gursky, BGB [2002], § 883 Rdn. 254). § 883 Abs. 3 BGB findet auf eine Vormerkung zur Sicherung eines Eigentumsverschaffungsanspruchs deshalb keine Anwendung (ebenso BayObLG aaO; unzutreffend daher OLG Hamm Rpfleger 1984, 426; Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 28 Rdn. 9; Drischler, Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, 4. Aufl., § 28 Anm. 7).
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bb) Wird ein nach Eintragung einer Auflassungsvormerkung aus einem der Vormerkung vorgehenden dinglichen Recht angeordnetes Zwangsversteigerungsverfahren durchgeführt, beschränkt sich die Wirkung der Vormerkung nach § 883 Abs. 2 BGB somit darauf, dass die durch die Beschlagnahme eingetretene relative Verfügungsbeschränkung des Schuldners einen Eigentumserwerb des Vormerkungsberechtigten vor Erteilung des Zuschlags nicht hindert. Da die Geltendmachung des vorrangigen dinglichen Rechts demgegenüber nicht vormerkungswidrig ist, hat die Vormerkung insoweit keine Wirkung; insbesondere findet eine Rückbeziehung des Rechtserwerbs auf den Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung nicht statt. Das Verfahren ist deshalb gemäß § 26 ZVG fortzusetzen (ebenso: Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 28 Anm. 4.8.c; Eickmann, Zwangsvollstreckungsrecht , 2. Aufl., S. 103; Steiner/Eickmann, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 28 Rdn. 16; Hock/Mayer, Immobiliarvollstreckung, 2. Aufl., Rdn. 143; Assmann, Die Vormerkung, 1998, S. 231 f.; Jursnik, MittBayNot 1999, 433, 436; Weirich, DNotZ 1989, 143; Jäckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., § 26 Rdn. 2; Fischer/Schaefer, Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen im Reich und in Preußen, 2. Aufl., § 26 Anm. 4; a.A. [Anwendung von § 28 ZVG]: OLG Hamm aaO; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl. § 883 Rdn. 38; Böttcher, aaO, § 28 Rdn. 9; Storz, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 9. Aufl., S. 216; Hintzen, Handbuch der Immobiliarvollstreckung, 3. Aufl., C Rdn. 141 a.E.; Drischler, aaO, § 28 Anm. 1b; Lippross, Vollstreckungsrecht, 9. Aufl., Rdn. 572).
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Dieses Ergebnis ist auch im Hinblick auf die Rechtsstellung der Erwerber sachgerecht, welche trotz der Beschlagnahme im Verhältnis zu dem betreibenden Gläubiger ebenfalls wirksam Eigentum erwerben, nämlich auf der Grundlage von § 878 BGB oder von § 892 BGB. Für diesen Fall steht außer Frage , dass § 26 ZVG Anwendung findet und das Zwangsversteigerungsverfahren deshalb ohne weiteres, also ohne Umschreibung und ohne erneute Zustellung des Titels, gegen den alten Schuldner fortzusetzen ist (vgl. Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 28 Steiner/Teufel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 26 Rdn. 2 f.; Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 26 Rdn. 1; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, 12. Aufl., § 26 Rdn. 1; Jursnik, MittBayNot 1999, 433, 435). Maßgeblich hierfür ist die Überlegung , dass das dingliche Recht, aus dem die Vollstreckung betrieben wird, diesen Erwerbern gegenüber Bestand hat und sie deshalb mit einer Vollstreckung durch den Gläubiger rechnen müssen (vgl. Steiner/Teufel, aaO; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt /Muth, aaO). Einen Grund, den infolge der Wirkungen des § 883 Abs. 2 BGB Erwerbenden besser zu stellen, obwohl er das dem Zwangsversteigerungsverfahren zugrunde liegende dingliche Recht gleichermaßen gegen sich gelten lassen muss, besteht nicht (so zutreffend Assmann, Die Vormerkung, 1998, S. 232). Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Hagen, Entscheidung vom 23.05.2005 - 31 K 187/04 -
LG Hagen, Entscheidung vom 08.07.2005 - 3 T 345/05 -

In der Zwangsversteigerung bestimmt sich der Gegenstandswert

1.
bei der Vertretung des Gläubigers oder eines anderen nach § 9 Nummer 1 und 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Beteiligten nach dem Wert des dem Gläubiger oder dem Beteiligten zustehenden Rechts; wird das Verfahren wegen einer Teilforderung betrieben, ist der Teilbetrag nur maßgebend, wenn es sich um einen nach § 10 Absatz 1 Nummer 5 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zu befriedigenden Anspruch handelt; Nebenforderungen sind mitzurechnen; der Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung (§ 66 Absatz 1, § 74a Absatz 5 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung), im Verteilungsverfahren der zur Verteilung kommende Erlös, sind maßgebend, wenn sie geringer sind;
2.
bei der Vertretung eines anderen Beteiligten, insbesondere des Schuldners, nach dem Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung, im Verteilungsverfahren nach dem zur Verteilung kommenden Erlös; bei Miteigentümern oder sonstigen Mitberechtigten ist der Anteil maßgebend;
3.
bei der Vertretung eines Bieters, der nicht Beteiligter ist, nach dem Betrag des höchsten für den Auftraggeber abgegebenen Gebots, wenn ein solches Gebot nicht abgegeben ist, nach dem Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung.