Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2012 - LwZR 12/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Mutter (bzw. Schwiegermutter) der Parteien überließ den Beklagten mit Vertrag vom 11. Mai 1988 das alleinige Nutzungsrecht an ihrer landwirtschaftlichen Besitzung für zehn Jahre gegen Zahlung von 250 DM/Monat sowie Verpflegung und Fürsorge in gesunden und kranken Tagen. Nach diversen Prozessen einigten sich die Vertragschließenden am 14. September 2004 auf die Fortsetzung des Nutzungsüberlassungsvertrags, ohne eine Bestimmung über die Laufzeit zu treffen; zugleich vereinbarten sie eine Nutzungsentgeltzahlung von 141 €/Monat.
- 2
- Mit Anwaltsschreiben vom 29. Juni 2006 ließ die Mutter die Kündigung des Vertrags zum 31. Mai 2008 erklären.
- 3
- Die auf die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe der landwirtschaftlichen Besitzung gerichtete Klage, welche nach dem Tod der Mutter die Kläger als Erben weitergeführt haben, hat das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Die Revision gegen sein Urteil hat das Oberlandesgericht - Senat für Landwirtschaftssachen - nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kläger, die in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klage weiterverfolgen wollen.
II.
- 4
- Das Rechtsmittel ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
- 5
- 1. Ist das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2004 - XII ZB 106/04, NZM 2005, 157 f.) streitig, berechnet sich die Rechtsmittelbeschwer gemäß § 8 ZPO grundsätzlich nach dem Betrag des auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Entgelts. Die "streitige Zeit" beginnt mit der Erhebung der Räumungsklage und endet bei Verträgen von unbestimmter Dauer in dem Zeitpunkt, zu dem derjenige hätte kündigen können, der die längere Bestehenszeit des Vertrags für sich in Anspruch nimmt. Hat er keinen Zeitpunkt genannt, sondern zu erkennen gegeben, die Sache möglichst lange nutzen zu wollen, hat er damit zum Ausdruck gebracht, dass er zwar ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht in Anspruch nimmt, dass der Zeitpunkt der Beendigung des Rechts aber ungewiss ist. In einem solchen Fall ist die "streitige Zeit" in entsprechender Anwendung von § 9 ZPO zu bestimmen. Die Beschwer ist deshalb mit dem 3,5fachen Jah- resbetrag des für die Nutzung zu zahlenden Entgelts anzusetzen (vgl. Senat, Beschluss vom 7. November 2002 - LwZR 9/02, BGHReport 2003, 575 f. sowie BVerfG, NZM 2006, 578 mit umfangreichen Nachweisen).
- 6
- 2. So liegt es hier. Die Beklagten berufen sich darauf, dass der Überlassungsvertrag nach der vergleichsweisen Verlängerung vom 14. September 2004 nicht ordentlich kündbar und die am 29. Juni 2006 ausgesprochene Kündigung als außerordentliche Kündigung unwirksam ist. Die mit der Revision geltend zu machende Beschwer beläuft sich mithin auf 5.922 €. Von dieser auf der Rechtsprechung des Senats beruhenden Berechnung abzurücken , besteht kein Anlass.
III.
- 7
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts hat ihre Grundlage in § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG.
Vorinstanzen:
AG Unna, Entscheidung vom 10.11.2010 - 6 Lw 50/08 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 10.11.2011 - I-10 U 141/10 -
Annotations
Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Ist das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig, ist der Betrag des auf die streitige Zeit entfallenden Entgelts und, wenn das einjährige Entgelt geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung maßgebend. Das Entgelt nach Satz 1 umfasst neben dem Nettogrundentgelt Nebenkosten dann, wenn diese als Pauschale vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden.
(2) Wird wegen Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils verlangt, ist ohne Rücksicht darauf, ob über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses Streit besteht, das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt maßgebend, wenn sich nicht nach Absatz 1 ein geringerer Streitwert ergibt. Wird die Räumung oder Herausgabe auch aus einem anderen Rechtsgrund verlangt, ist der Wert der Nutzung eines Jahres maßgebend.
(3) Werden der Anspruch auf Räumung von Wohnraum und der Anspruch nach den §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Fortsetzung des Mietverhältnisses über diesen Wohnraum in demselben Prozess verhandelt, werden die Werte nicht zusammengerechnet.
(4) Bei Ansprüchen nach den §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist auch für die Rechtsmittelinstanz der für den ersten Rechtszug maßgebende Wert zugrunde zu legen, sofern nicht die Beschwer geringer ist.
(5) Bei Ansprüchen auf Erhöhung der Miete für Wohnraum ist der Jahresbetrag der zusätzlich geforderten Miete, bei Feststellung einer Minderung der Miete für Wohnraum der Jahresbetrag der Mietminderung, bei Ansprüchen des Mieters auf Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen der Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung und bei Ansprüchen des Vermieters auf Duldung einer Durchführung von Modernisierungs- oder Erhaltungsmaßnahmen der Jahresbetrag einer möglichen Mieterhöhung, in Ermangelung dessen einer sonst möglichen Mietminderung durch den Mieter maßgebend. Endet das Mietverhältnis vor Ablauf eines Jahres, ist ein entsprechend niedrigerer Betrag maßgebend.