vorgehend
Oberlandesgericht Düsseldorf, Kart 4/09, 22.12.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
KVR 15/11 Verkündet am:
19. Juni 2012
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Kartellverwaltungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Haller Tagblatt

a) Für die Annahme, dass eine marktbeherrschende Stellung verstärkt wird,
reicht es aus, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass infolge des
Zusammenschlusses mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Veränderung rechtlicher
oder tatsächlicher Umstände zu erwarten ist, die dem marktbeherrschenden
Unternehmen eine günstigere Wettbewerbssituation verschaffen.
Lediglich eine Veränderung von - insbesondere rechtlichen - Rahmenbedingungen
des Wettbewerbs darf bei der Prognose nur berücksichtigt werden,
wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Klarstellung zu BGH,
Beschluss vom 21. Februar 1978 - KVR 4/77, BGHZ 71, 102, 117 f. - KfzKupplungen
; Fortführung von BGH, Beschluss vom 15. Juli 1997
- KVR 33/96, BGHZ 136, 268, 276 - Stromversorgung Aggertal).

b) Der für die Fusionskontrolle maßgebliche Prognosezeitraum beträgt in der
Regel drei bis fünf Jahre.
BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 - KVR 15/11 - OLG Düsseldorf
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Juni 2012 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Tolksdorf und die Richter Dr. Strohn, Dr. Kirchhoff, Dr. Bacher und
Dr. Löffler

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Bundeskartellamts gegen den Beschluss des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Das Bundeskartellamt trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Kosten der Beteiligten zu 1 bis 3.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2 Mio. € festgesetzt.

Gründe:


1
A. Die Beteiligte zu 1, die Neue Pressegesellschaft mbH & Co. KG (nachfolgend: NPG), beabsichtigt, von dem Beteiligten zu 3 sämtliche Geschäftsanteile an der Beteiligten zu 2, dem Zeitungsverlag Schwäbisch Hall GmbH (nachfolgend: ZSH), zu erwerben.
2
NPG hält Beteiligungen unterschiedlicher Höhe an verschiedenen Verlags - und Presseunternehmen im süddeutschen Raum, unter anderem eine Mehrheitsbeteiligung am Hohenloher Druck- und Verlagshaus in Gerabronn (nachfolgend: HDV) sowie alle Anteile an der Neue Kreis-Rundschau GmbH in Gaildorf (nachfolgend: NKR). Die HDV gibt die Abonnement-Tageszeitung "Hohenloher Tagblatt" (durchschnittlich verkaufte Auflage ca. 14.400 Exemplare) sowie das Anzeigenblatt "Hohenloher Wochenpost" (Auflage rund 56.000 Exemplare) heraus, deren jeweiliges Kernvertriebsgebiet im Wesentlichen der Altkreis Crailsheim ist. NKR ist Herausgeber der AbonnementTageszeitung "Rundschau für den Schwäbischen Wald" (nachfolgend: Rundschau ) mit dem Kernvertriebsgebiet Gaildorf (einschließlich umliegender Gemeinden ) und einer durchschnittlich verkauften Auflage von ca. 4.700 Exemplaren.
3
ZSH ist Herausgeber der Abonnement-Tageszeitung "Haller Tagblatt", (durchschnittlich verkaufte Auflage: rund 17.300 Exemplare) und des Anzeigenblatts "KreisKurier" (Auflage rund 67.600 Exemplare), die im Wesentlichen im Altkreis Schwäbisch Hall verbreitet werden.
4
Abgesehen von wenigen marginalen Überschneidungen haben sowohl das "Hohenloher Tagblatt" wie auch das "Haller Tagblatt" in ihren jeweiligen Verbreitungsgebieten eine Alleinstellung als Abonnement-Tageszeitung. Westlich des Verbreitungsgebiets des "Haller Tagblatt" erscheint im Hohenlohe-Kreis die "Heilbronner Stimme" (verkaufte Gesamtauflage: rund 93.100 Exemplare), die vom Heilbronner Stimme Verlag GmbH & Co. KG herausgegeben wird.
5
NPG und ZSH kooperieren seit Jahrzehnten mit anderen Lokalverlagen aus dem östlichen Baden-Württemberg und dem bayerischen Landkreis NeuUlm im seit 1968 bestehenden "Südwest Presseverbund". Kernleistungen der Kooperation sind die Belieferung von 17 Lokalverlagen mit einem zentral erstellten Zeitungsmantel und dessen Vermarktung für überregionale Werbung in einer Anzeigengemeinschaft, der 14 dieser Lokalverlage angehören. Die NPG ist mit der Herstellung des Zeitungsmantels und der Verwaltung der Anzeigengemeinschaft beauftragt. Der unbefristete Mantel-Liefervertrag zwischen NPG und ZSH kann von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Jahren zum Ende eines Kalenderjahres mit gerader Jahreszahl gekündigt werden. Der zugelieferte Zeitungsmantel und der von ZSH selbst hergestellte Lokalteil machen jeweils etwa die Hälfte des regelmäßigen Gesamtumfangs des "Haller Tagblatt" aus. Der Anzeigengemeinschaftsvertrag zwischen NPG und ZSH verlängert sich seit dem 1. Januar 1978 jeweils um fünf Jahre, wenn er nicht ein Jahr vor dem jeweiligen Ablauf gekündigt wird. Für den Vertrieb von Anzeigen im Lokalteil des "Haller Tagblatt" und im "KreisKurier" unterhält ZSH eine eigene Anzeigenabteilung.
6
ZSH lässt das "Haller Tagblatt" in der Druckerei des HDV zu dessen üblichen Preisen drucken. ZSH und NPG bzw. HDV arbeiten außerdem bei der Buchführung und elektronischen Datenverarbeitung zusammen.
7
Der Beteiligte zu 3 möchte nunmehr aus Altersgründen den ZSH an NPG verkaufen, um die von ihm geprägte verlegerische Ausrichtung und die unternehmerische Existenz des ZSH zu sichern.
8
Mit Beschluss vom 21. April 2009 hat das Bundeskartellamt das angemeldete Zusammenschlussvorhaben untersagt. Zur Begründung hat es ausgeführt , ZSH sei auf dem räumlich auf das Verbreitungsgebiet des "Haller Tagblatt" abgegrenzten Lesermarkt für Abonnement-Tageszeitungen mit lokaler und regionaler Berichterstattung sowie auf dem das Verbreitungsgebiet des "Haller Tagblatt" und des "KreisKurier" umfassenden lokalen (Print-)Anzeigen- markt aufgrund faktischer Alleinstellung marktbeherrschend. Diese marktbeherrschende Stellung werde durch den Zusammenschluss mit NPG verstärkt, weil NPG dadurch dauerhaft als potentieller Wettbewerber entfalle. Auch die marktbeherrschende Stellung von NPG auf den Lesermärkten für AbonnementTageszeitungen im Raum Crailsheim (über HDV) und im Raum Gaildorf (über NKR) werde verstärkt, weil ZSH infolge der Fusion als potentieller Wettbewerber auf diesen Märkten wegfalle.
9
Das Beschwerdegericht hat die Untersagungsverfügung aufgehoben (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Dezember 2010, WuW/E DE-R 3173). Dagegen wendet sich das Bundeskartellamt mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde. Die Beteiligten beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
10
B. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
11
Das Bundeskartellamt habe zwar die relevanten Märkte räumlich und sachlich zutreffend abgegrenzt. ZSH sei sowohl auf dem Leser- wie auch auf dem Anzeigenmarkt im Altkreis Schwäbisch-Hall, NPG sei über ihre Beteiligungen HDV und NKR auf den Lesermärkten im Altkreis Crailsheim sowie im Raum Gaildorf bereits marktbeherrschend. Es sei aber nicht zu erwarten, dass der beabsichtigte Zusammenschluss diese marktbeherrschenden Stellungen verstärke. NPG und ZSH seien auf den relevanten Märkten derzeit weder aktuellem noch potentiellen Wettbewerb ausgesetzt. Es sei auch nicht zu erwarten, dass der Zusammenschluss zu einer noch weitergehenden Einschränkung des Wettbewerbs führe, weil er die Entwicklung zumindest potentiellen Wettbewerbs verhindere. Die Annahme des Bundeskartellamts, es sei naheliegend, dass künftig ein Anreiz für NPG und ZSH zur Aufnahme wechselseitigen Wettbewerbs entstehe, setze voraus, dass statt NPG ein Dritter ZSH erwerbe, der über eine eigene Anzeigenkooperation und Mantellieferungsmöglichkeit verfüge und es deshalb für wirtschaftlich vernünftig halten könne, ZSH aus den bestehenden Kooperationen herauszulösen; nur dann bestehe für den Dritterwerber ein wirtschaftlicher Anreiz, in die Verbreitungsgebiete des "Hohenloher Tagblatt" und der "Rundschau" vorzustoßen, sowie umgekehrt ein wirtschaftlicher Anreiz für NPG, mit ihren Titeln im Verbreitungsgebiet des "Haller Tagblatt" und des "KreisKurier" tätig zu werden. Das Bundeskartellamt könne seine Prognose aber nicht mit der rein theoretischen Möglichkeit einer solchen Wettbewerbsentwicklung begründen. Vielmehr müsse für den Fall, dass der Zusammenschluss nicht vollzogen werde, eine durch konkrete Tatsachen gestützte hohe Wahrscheinlichkeit für die Aufnahme von Wettbewerb zwischen den Zusammenschlussbeteiligten bestehen. Es lägen jedoch keine konkreten Anhaltspunkte für die ernsthafte und naheliegende Möglichkeit vor, dass die insoweit vom Bundeskartellamt angenommenen Voraussetzungen im Prognosezeitraum einträten.
12
C. Die Rechtsbeschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zwar bei der nach § 36 Abs. 1 GWB erforderlichen Prognose zu hohe Anforderungen an die Berücksichtigung von Entwicklungen der Wettbewerbsverhältnisse gestellt, die ohne den Zusammenschluss zu erwarten sind. Die Beschwerdeentscheidung beruht aber nicht auf diesem Rechtsfehler. Auf der Grundlage der insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts ist infolge des Zusammenschlusses auch bei Anwendung des richtigen Prüfungsmaßstabs keine Verstärkung marktbeherrschender Stellungen von NPG oder ZSH zu erwarten.
13
I. Die Abgrenzung der relevanten Märkte sowie die Feststellung marktbeherrschender Stellungen von NPG und ZSH im Verbreitungsgebiet der von ihnen jeweils herausgegebenen Lokalzeitungen und Anzeigenblätter durch das Beschwerdegericht lassen keinen Rechtsfehler erkennen und werden von den Parteien nicht angegriffen.
14
II. Die Beurteilung des Beschwerdegerichts, von dem beabsichtigten Zusammenschluss sei keine Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zu erwarten, hält der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren im Ergebnis stand.
15
1. Die für die Beurteilung dieser Frage erforderliche tatrichterliche Prognoseentscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur darauf überprüft werden, ob Verfahrensregeln verletzt worden sind und ob das Beschwerdegericht unzutreffende rechtliche Erwägungen angestellt, insbesondere gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. zu § 19 Abs. 3 Satz 2 GWB BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - KVR 60/07, BGHZ 178, 285 Rn. 26 - E.ON/Stadtwerke Eschwege; Beschluss vom 20. April 2010 - KVR 1/09, WuW/E DE-R 2905 Rn. 56 - Phonak/GN Store; Beschluss vom 8. Juni 2010 - KVR 4/09, WuW/E DE-R 3067 Rn. 23 - Springer/Pro Sieben

II).


16
2. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, eine Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung könne unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung potentiellen Wettbewerbs, der ohne den Zusammenschluss zu erwarten sei, nur angenommen werden, wenn eine durch konkrete Tatsachen gestützte hohe Wahrscheinlichkeit für eine solche Wirkung des Zusammenschlusses spreche. Damit hat das Beschwerdegericht seiner Prüfung einen zu strengen Maßstab zugrunde gelegt.
17
a) Ein Zusammenschluss lässt die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung erwarten, wenn rechtliche oder tatsächliche Umstände dem markt- beherrschenden Unternehmen zwar nicht zwingend, aber doch mit einiger Wahrscheinlichkeit eine günstigere Wettbewerbssituation verschaffen. Bei der für diese Beurteilung erforderlichen Prognose sind die Wettbewerbsbedingungen , die ohne den Zusammenschluss herrschen, zu vergleichen mit denjenigen, die durch den Zusammenschluss entstehen würden. Bei Märkten mit einem hohen Konzentrationsgrad genügt schon eine geringfügige Beeinträchtigung des verbliebenen oder potentiellen Wettbewerbs. Es reicht aus, wenn die Gefahr entsteht oder erhöht wird, dass potentielle Wettbewerber entmutigt und so von nachstoßendem Wettbewerb abgehalten werden (BGHZ 178, 285 Rn. 61 - E.ON/Stadtwerke Eschwege; BGH, WuW/E DE-R 3067 Rn. 44 - Springer/Pro Sieben II). Auch ein Entmutigungseffekt für potentielle Wettbewerber infolge des Zusammenschlusses muss indes wahrscheinlich sein, um eine Verstärkungswirkung zu begründen (BGH, Beschluss vom 27. Mai 1986 - KVR 7/84, WuW/E 2276, 2283 - Süddeutscher Verlag/Donau Kurier; Ruppelt in Langen/ Bunte, GWB, 11. Aufl., § 36 Rn. 43).
18
Für die Annahme, eine Verstärkungswirkung sei wahrscheinlich, bedarf es stets konkreter Anhaltspunkte (vgl. MünchKommGWB/C.Becker/Knebel, § 36 Rn. 30). Der mit einer Untersagungsverfügung verbundene erhebliche Eingriff in die unternehmerische Freiheit und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verbieten es, eine Verstärkungswirkung anzunehmen, wenn sie nicht aufgrund konkreter Umstände jedenfalls wahrscheinlich ist (vgl. Richter in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 2. Aufl., § 20 Rn. 151, der allerdings zu weitgehend generell hohe Wahrscheinlichkeit als Eingriffsmaßstab fordert).
19
b) Zu Unrecht beruft sich das Beschwerdegericht für den von ihm verwendeten strengeren Prüfungsmaßstab "hoher Wahrscheinlichkeit" auf die Senatsentscheidung "Kfz-Kupplungen" (BGH, Beschluss vom 21. Februar 1978 - KVR 4/77, BGHZ 71, 102, 117 f.). Dieser Maßstab gilt nur für die Berücksichti- gung künftiger Veränderungen der Rahmenbedingungen des Wettbewerbs oder bevorstehender Gesetzesänderungen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 1997 - KVR 33/96, BGHZ 136, 268, 276 - Stromversorgung Aggertal; Ruppelt in Langen /Bunte, aaO, § 36 Rn. 45). Um mögliche Veränderungen solcher Rahmenbedingungen , wie etwa der allgemeinen Bedingungen, unter denen Lokalzeitungen und Anzeigenblätter auf dem Markt tätig sind, geht es im Streitfall indes nicht. Vielmehr steht in ihm die Frage im Mittelpunkt, ob sich ein Dritter als Erwerber des ZSH findet und sodann die bestehende Zeitungsmantel- und Anzeigenkooperation beendet. Die Möglichkeit einer solchen Veränderung beim Zielobjekt ist deshalb entsprechend dem allgemein für die Prognose nach § 36 Abs. 1 GWB geltenden Maßstab schon dann zu berücksichtigen, wenn dafür auf der Grundlage der vor dem Zusammenschluss bestehenden Wettbewerbsbedingungen jedenfalls einige Wahrscheinlichkeit spricht.
20
3. Der Rechtsfehler des Beschwerdegerichts verhilft der Rechtsbeschwerde jedoch nicht zum Erfolg. Denn die Aufhebung der Untersagungsverfügung stellt sich gleichwohl als rechtmäßig dar, weil sie nicht auf dem Rechtsfehler beruht (§ 76 Abs. 2 Satz 1 GWB). Die vom Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, an die das Rechtsbeschwerdegericht in den Grenzen des § 76 Abs. 4 GWB gebunden ist, lassen eine abschließende Entscheidung zu. Eine weitere Sachaufklärung ist nicht erforderlich.
21
a) Das Bundeskartellamt stellt nicht in Frage, dass die Zusammenschlussbeteiligten keinem aktuellen Wettbewerb ausgesetzt sind.
22
b) Die Feststellung des Beschwerdegerichts, dass NPG und ZSH vor dem Zusammenschluss auf den von ihnen beherrschten Märkten auchkeinem potentiellen Wettbewerb begegnen, hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.

23
aa) Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass die Aufnahme von Wettbewerb durch "Hohenloher Tagblatt" oder "Rundschau" im Verbreitungsgebiet des "Haller Tagblatt" und umgekehrt sowie ein Markteintritt der NPG in den lokalen Anzeigenmarkt im Verbreitungsgebiet von "Haller Tagblatt" und "KreisKurier" gegenwärtig weder wirtschaftlich zweckmäßig noch kaufmännisch vernünftig seien. Es hat dies mit den Markt- und Wettbewerbsverhältnissen begründet , die maßgeblich auch durch die bestehende Mantel- und Anzeigenkooperation geprägt seien. Solange diese Kooperationen, die ZSH und NPG erhebliche Vorteile brächten, fortbestünden, fehle jeder Anhaltspunkt dafür, dass sich etwas an dem bisher wettbewerbslosen Zustand zwischen ihnen ändere. Die Grenzen der Verbreitungsgebiete seien seit Jahren unverändert. Weder hätten die Zusammenschlussbeteiligten in der Vergangenheit versucht, in den jeweils benachbarten Lesermarkt einzudringen, noch seien entsprechende Strategien für die Zukunft erkennbar. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
24
bb) Das Beschwerdegericht hat zu Recht die Kooperationen bei Mantellieferung und Anzeigen zwischen NPG und ZSH als Teil der Wettbewerbsbedingungen vor dem Zusammenschluss berücksichtigt. Es hatte keinen Anlass, sie wegen eines Verstoßes gegen § 1 GWB außer Betracht zu lassen.
25
Das Beschwerdegericht hat insoweit nicht nur darauf abgestellt, dass die seit Jahrzehnten bestehenden Kooperationen von der Landeskartellbehörde überprüft und nicht beanstandet worden seien. Es hat ferner - ohne dass dies von der Rechtsbeschwerde angegriffen wird - ausgeführt, insbesondere ZSH könne ohne die Kooperationen auf dem Leser- und Anzeigenmarkt nicht bestehen , so dass sie sogar eher wettbewerbsfördernd wirkten. Zudem habe das Bundeskartellamt nicht aufgezeigt, warum die Verträge kartellrechtswidrig sein sollten.
26
Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Im Hinblick auf die für die Lokalpresse bestehenden Wettbewerbsbedingungen ist nichts dafür ersichtlich, dass die in Rede stehende Mantel- und Anzeigenkooperation eine nicht freigestellte Wettbewerbsbeschränkung darstellt. Es fehlen schon Anhaltspunkte dafür, dass NPG ohne die Kooperation wirtschaftlich erfolgreich in das Gebiet von ZSH vordringen könnte oder umgekehrt. Dasselbe gilt für eine Ausdehnung der Geschäftstätigkeit anderer Zeitungsverlage in dieses Gebiet, so dass auch keine entsprechende Abschreckungswirkung der Kooperation angenommen werden kann. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung weist auch zutreffend darauf hin, dass das Bundeskartellamt eine Anzeigenkooperation von vier Tageszeitungsverlagen mit einer Gesamtauflage von 1,6 Mio. Exemplaren nicht als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung im Sinne von § 1 GWB angesehen hat, weil keiner der beteiligten Verlage allein in der Lage war, den Anzeigenkunden die in mehreren Zeitungen verschiedener Verlage erscheinenden Kombinationsanzeigen anzubieten (Bundeskartellamt, Tätigkeitsbericht 1976, BT-Drucks. 8/704, S. 85). Fusionskontrollrechtlich ist hinzunehmen, dass die Folgen einer zulässigen Mantel- und Anzeigenkooperation von Lokal- und Regionalzeitungen im Rahmen des § 36 Abs. 1 GWB zu berücksichtigen sind.
27
Die Rechtsbeschwerde legt auch nicht dar, dass das Beschwerdegericht die weitgehenden Kooperationen von NPG und ZSH als Indiz für das Interesse am Verbreitungsgebiet des jeweils anderen hätte ansehen müssen. Da das Beschwerdegericht die Kooperationen ohne Rechtsfehler für erforderlich gehalten hat, damit sich jedenfalls ZSH auf dem Markt halten kann, ist ein Vergleich mit Fällen verfehlt, in denen die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots Indiz für ansonsten bestehenden potentiellen Wettbewerb sein kann (vgl. BGH, Be- schluss vom 24. Juni 1980 - KZR 22/79, WuW/E BGH 1732, 1734 - Fertigbeton II).
28
cc) Das Bundeskartellamt macht geltend, auch zwischen benachbarten Gebietsmonopolen bestünden per se Kontrollpotentiale, die bei Lokalzeitungen zu publizistischem Restwettbewerb und wechselseitiger publizistischer Kontrolle führten. Bei unzureichender Berichterstattung, z.B. über Affären und Skandale der Lokalpolitik, müsse eine Lokalzeitung damit rechnen, dass die Lücke vom benachbarten Blatt gefüllt werde. Diese allgemeinen Erwägungen reichen nicht aus, um die Annahme gegenwärtigen potentiellen Wettbewerbs zwischen ZSH und NPG zu begründen.
29
Zwar erscheint eine gewisse publizistische Kontrolle zwischen benachbarten lokalen Monopolzeitungen grundsätzlich denkbar, beispielsweise wenn die Leser auf einen bestimmten Inhalt der Nachbarzeitung aufmerksam werden und ein entsprechendes Angebot dann auch von ihrer Lokalzeitung erwarten. Mit dieser etwa bestehenden wechselseitigen publizistischen Kontrolle ist aber kein ausreichendes Abschreckungspotential verbunden, um bei der Prüfung eines Zusammenschlusses nach § 36 Abs. 1 GWB potentiellen Wettbewerb zwischen benachbarten lokalen Monopolzeitungen anzunehmen. Ist in einem Gebiet die Versorgung durch die einzige Lokalzeitung qualitativ mangelhaft, so kann dies nicht ohne weiteres durch die benachbarte Lokalzeitung ausgeglichen werden. Auch wenn die Zeitungen den gleichen Mantel verwenden, unterscheiden sie sich gerade im Lokalteil. Das ist anders als etwa beim Pressegrosso , bei dem der eine Gebietsmonopolist mit denselben Dienstleistungen dasselbe Zeitschriftensortiment vertreibt wie sein Nachbar. Die Ausdehnung der Tätigkeit einer Lokalzeitung in ein Nachbargebiet bedarf dagegen eines erheblichen Aufwands bei ungewissem Erfolg. Demgemäß geht auch die Rechtsbeschwerde davon aus, dass während der Laufzeit der Mantel- und Anzeigenko- operation Vorstöße in das benachbarte Vertriebsgebiet nicht zu erwarten sind. Daran ändert auch die Möglichkeit einer gewissen wechselseitigen publizistischen Kontrolle nichts.
30
Hier nicht zu erörtern ist die Frage, ob ein publizistischer Restwettbewerb unter dem Aspekt des Verbrauchervorteils im Rahmen einer Freistellungsprüfung für eine Zeitungskooperation nach § 2 GWB Bedeutung gewinnen kann.
31
dd) Es ist auch nicht ersichtlich, dass der mit dem Zusammenschluss verbundene Ressourcenzuwachs für NPG dazu führt, den Verlag der "Heilbronner Stimme" oder andere unabhängige Verlage von Anzeigenblättern zu entmutigen und dauerhaft von einem Vordringen in den von ZSH beherrschten Anzeigenmarkt abzuhalten. Über Jahrzehnte wurde offenbar weder seitens der "Heilbronner Stimme" noch von anderen unabhängigen Anzeigenverlagen der Versuch unternommen, mit einem eigenen Anzeigenblatt in das Gebiet des ZSH einzudringen. Es fehlen substantiierte Darlegungen des Bundeskartellamts, warum trotzdem gegenwärtig insoweit potentieller Wettbewerb bestehen soll, der durch die Fusion entmutigt werden könnte.
32
c) Eine Verhinderung der künftigen Entstehung potentiellen Wettbewerbs infolge des Zusammenschlusses ist im Streitfall allenfalls möglich, indes nicht aufgrund konkreter Anhaltspunkte mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Das Beschwerdegericht hat deshalb im Ergebnis zu Recht die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auch unter diesem Aspekt verneint.
33
aa) Der Zusammenschluss könnte im Streitfall wegen der Verhinderung künftigen potentiellen Wettbewerbs nur untersagt werden, wenn nach den bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht bestehenden Wettbewerbsbedingungen aufgrund konkreter Anhaltspunkte ohne den ange- meldeten Zusammenschluss mit einiger Wahrscheinlichkeit drei Voraussetzungen erfüllt werden. Zunächst müsste ein vom Südwest Presseverbund unabhängiger Dritter kurz- oder mittelfristig den ZSH erwerben. Er müsstezweitens die bestehende Mantel- und Anzeigenkooperation mit NPG beenden. Nach den danach bestehenden Wettbewerbsbedingungen müsste drittens ein wirtschaftlich sinnvoller Markteintritt von ZSH in das Vertriebsgebiet von NPG oder umgekehrt möglich sein. Nur dann, wenn NPG aufgrund konkreter Tatsachen gegenwärtig zu befürchten hätte, dass ohne den Zusammenschluss mit einiger Wahrscheinlichkeit künftig alle drei Bedingungen erfüllt werden, könnte eine die Untersagung des Zusammenschlusses rechtfertigende Verstärkungswirkung durch Verhinderung potentiellen Wettbewerbs angenommen werden.
34
bb) Das Beschwerdegericht hat konkrete Anhaltspunkte für die vom Bundeskartellamt angenommene Verhinderung künftigen potentiellen Wettbewerbs verneint. Diese tatrichterliche Würdigung ist nicht von dem zu strengen Prüfungsmaßstab hoher Wahrscheinlichkeit beeinflusst. Sie hält auch der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren stand.
35
(1) Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, aus dem Umstand, dass der Beteiligte zu 3 aus Altersgründen den ZSH veräußern wolle, ergebe sich keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass ZSH im Prognosezeitraum von einem Erwerber außerhalb des Südwest Presseverbunds erworben werde. Auch die vom Bundeskartellamt vorgetragene wirtschaftliche Attraktivität der ZSH für einen Erwerber wie auch die allgemeine technische Möglichkeit, einen Zeitungsmantel über Distanz zur Verfügung zu stellen, führten ohne Berücksichtigung insbesondere der Ressourcen und Geschäftspolitik eines ernsthaft in Betracht kommenden Dritterwerbers über die reine Vorstellbarkeit hinaus noch nicht zu einer naheliegenden Möglichkeit eines Dritterwerbs und erst recht nicht zur ernsthaften Gefährdung der bestehenden Kooperationen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass nach den Ausführungen des Bundeskartellamts im Fall eines Dritterwerbs des ZSH mit der Aufnahme empfindlichen Wettbewerbs seitens NPG zu rechnen sei. Soweit das Bundeskartellamt anhand des Beispiels der - durch den sukzessiven Erwerb kleiner und mittlerer Zeitungen in verschiedenen Bundesländern gewachsenen - Zeitungsgruppe Ippen aufzeigen wolle, dass nicht nur angrenzende, sondern auch andere Verlage mit eigenem Zeitungsmantel als Erwerber in Betracht kämen, ergebe sich daraus nur die denkbare Möglichkeit eines Dritterwerbs unter den vom Bundeskartellamt darüber hinaus zugrunde gelegten Bedingungen. Konkrete Interessenbekundungen Dritter seien ebenso wenig ersichtlich wie Markteintrittsversuche, aus denen sich ein Interesse an der Übernahme des ZSH ergeben könnte.
36
(2) Diese Erwägungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
37
Zu Recht hat das Beschwerdegericht dem Umstand, dass der Beteiligte zu 3 den ZSH aus Altersgründen veräußern will, keine Bedeutung für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit zugemessen, ob ein Verkauf des ZSH an einen außerhalb des Südwest Presseverbunds stehenden Dritten zu erwarten ist. Im Falle eines solchen Verkaufs hätte der Erwerber auch keinen Anlass, die Verträge über Mantellieferung und Anzeigengemeinschaft zu beenden. Die technische Möglichkeit, Zeitungsmäntel über Distanz zur Verfügung zu stellen, sowie der Umstand, dass es sich beim ZSH um ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen handelt, lassen ebenfalls keinen Schluss darauf zu, dass die Übernahme durch einen im Sinne des Bundeskartellamts qualifizierten Erwerber wahrscheinlich ist.
38
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht aus dem vom Bundeskartellamt angeführten Beispiel der Ippen-Gruppe lediglich die denkbare Möglichkeit eines Dritterwerbs entnommen hat. Diese tatrichterliche Würdigung ist schon deshalb vertretbar, weil zwischen den letzten vom Bundeskartellamt vorgetragenen Erwerbungen von Lokalzeitungen durch die IppenGruppe jeweils sieben bzw. zwölf Jahre lagen und damit eine Zeitspanne, die jenseits des für die Fusionskontrolle maßgeblichen mittelfristigen Prognosezeitraums liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - KVR 26/03, WuW/E DE-R 1419, 1424 f. - Deutsche Post/trans-o-flex). Dieser beträgt in der Regel drei bis fünf Jahre (so auch OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 1835, 1836; Ruppelt in Langen/Bunte aaO § 36 Rn. 45; Bechtold, GWB, § 36 Rn. 5; Kahlenberg /Peter in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, GWB, 2. Aufl., § 36, Rn. 9; Bundeskartellamt, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, 2012, Rn. 12 Fußnote 11 – abrufbar unter www.bundeskartellamt.de; enger für den Regelfall MünchKommGWB/C.Becker/Knebel, § 36 Rn. 28: drei Jahre; weiter Richter in Wiedemann, aaO, § 20 Rn. 152: fünf bis acht Jahre). Das Bundeskartellamt hat zudem nicht aufgezeigt, dass die Ippen-Gruppe unter mit dem Streitfall vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen jemals den Versuch unternommen hat, nach Erwerb einer lokalen Alleinzeitung in benachbarte Gebiete einzudringen, in denen lediglich eine Lokalzeitung angeboten worden ist.
39
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann auch der Ende 2001/Anfang 2002 unternommene Versuch des Verlags der "Heilbronner Stimme" , den ZSH zu erwerben, heute nicht mehr als Indiz für die Wahrscheinlichkeit eines Dritterwerbs und eine Lösung der Kooperationen sprechen. Ein etwa neun Jahre zurückliegender, einzelner Vorgang könnte für die nach § 36 Abs. 1 GWB erforderliche Prognose allenfalls dann Bedeutung erlangen, wenn sich seitdem die Wettbewerbsverhältnisse auf den relevanten Märkten nicht wesentlich verändert hätten. Das hat das Bundeskartellamt nicht dargelegt. Insbesondere wegen des Vordringens des Internets als Informationsmedium kann davon im Pressebereich auch nicht ausgegangen werden.
40
Soweit das Beschwerdegericht für die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung die Berücksichtigung der Ressourcen und Geschäftspolitik eines bestimmten ernsthaft in Betracht kommenden Dritterwerbers fordert, wird es allerdings ausreichen , wenn allgemein Unternehmen auf dem sachlich relevanten Markt tätig sind, die nach ihrem Geschäftsmodell sowie ihrer finanziellen und materiellen Ausstattung innerhalb des für die Prognose maßgeblichen Zeitraums ernsthaft als Erwerber des Zielobjekts in Betracht kommen können. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts sind solche potentiellen Dritterwerber des ZSH aber nicht vorhanden.
41
cc) Sind nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts schon ein Erwerb der ZSH durch einen unabhängigen Dritten und eine Kündigung der bestehenden Mantel- und Anzeigenkooperation nicht wahrscheinlich, so gilt dies erst recht für die dritte notwendige Voraussetzung potentiellen Wettbewerbs , dass die danach bestehenden Wettbewerbsbedingungen während des maßgeblichen mittelfristigen Prognosezeitraums einen Markteintritt von ZSH in das Vertriebsgebiet von NPG oder umgekehrt wirtschaftlich sinnvoll erscheinen lassen.
42
Das Beschwerdegericht hat dazu zwar - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen getroffen. Der Bundesgerichtshof ist aber schon für das Jahr 2003 davon ausgegangen, dass die Marktzutrittsschranken für lokale und regionale Abonnement-Tageszeitungen extrem hoch waren und Monopolanbieter , nachdem sie einmal diese Stellung errungen hatten, nicht mehr damit rechnen mussten, dass ihnen Konkurrenz durch andere Abonnementzeitungen erwächst (BGH, Urteil vom 20. November 2003 - I ZR 151/01, BGHZ 157, 55, 65 - 20 Minuten Köln). Es ist nicht ersichtlich, dass sich daran seitdem etwas geändert hat. Die heutigen Pressemärkte kennzeichnet mit dem Internet als bedeutendem Informationsmedium eine gewachsene Konkurrenz durch neue Anbieter, andere Mediengattungen sowie ein geändertes Mediennutzungsverhalten (vgl. den seit Ende März 2012 unter www.bmwi.de abrufbaren Referentenentwurf zur 8. GWB-Novelle, S. 42 zu Nr. 22a). Die Rechtsbeschwerdeerwiderung verweist in diesem Zusammenhang zu Recht auch auf den mit einem Gutachten unterlegten - vom Bundeskartellamt nicht bestrittenen - Vortrag der Beteiligten zum schrumpfenden Leser- und Anzeigenmarkt regionaler Tageszeitungen.
43
dd) Das Beschwerdegericht durfte aufgrund einer abweichenden tatrichterlichen Würdigung des maßgeblichen Sachverhalts im Streitfall zu einer anderen Beurteilung kommen als das Kammergericht im Fall "Werra Rundschau" (KG, WuW/E DE-R 317, bestätigt durch BGH, Beschluss vom 6. März 2001 - KVR 18/99, WuW/E DE-R 668).
44
Der Fall "Werra Rundschau" betraf zwar eine mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbare Konstellation. Im Gegensatz zum vorliegenden Fall kam es dort aber nicht auf potentiellen Wettbewerb an, der erst durch einen anderweitigen Verkauf des Zielobjekts und auch dann nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ermöglicht würde. Das Kammergericht hatte vielmehr auf verfahrensfehlerfreier Grundlage angenommen, dass der D.-Verlag durch den Erwerb der die "Werra Rundschau" herausgebenden WV KG seine Marktstellung gegenüber vorhandenen Wettbewerbern absichern und – schon vorhandenen - potentiellen Wettbewerbern den Marktzutritt weiter erschweren würde. In jenem Fall gab es für Zeitungsverleger etwa aus Niedersachsen und Hessen wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeiten eines Marktzutritts, insbesondere kam die Herausgabe neuer Lokalausgaben im Altkreis Eschwege durch die in der Region tätigen Zeitungsverlage in Betracht (vgl. KG, Beschluss vom 23. Dezember 1998 - Kart 13/98, bei juris Rn. 13, insoweit in WuW/E DE-R 317 nicht abgedruckt). Die Annahme der Verstärkungswirkung wurde im Fall "Werra Rundschau" also auf die gegenwärtigen Wettbewerbsverhältnisse gestützt, die durch aktuellen und potentiellen Wettbewerb gekennzeichnet waren.
45
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 1 GWB.
Tolksdorf Strohn Kirchhoff
Bacher Löffler
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.12.2010 - VI-Kart 4/09 (V) -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2012 - KVR 15/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2012 - KVR 15/11

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2012 - KVR 15/11 zitiert 8 §§.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 19 Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen


(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten. (2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 1 Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen


Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 78 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann von den am Beschwerdeverfahren Beteiligten durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden. (2) Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begrü

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 36 Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen


(1) Ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist vom Bundeskartellamt zu untersagen. Dies gilt nicht, wenn

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 2 Freigestellte Vereinbarungen


(1) Vom Verbot des § 1 freigestellt sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Ve

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 76 Beschwerdeentscheidung


(1) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluss nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Beschluss darf nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnte

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2012 - KVR 15/11 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2012 - KVR 15/11 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Nov. 2003 - I ZR 151/01

bei uns veröffentlicht am 20.11.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 151/01 Verkündet am: 20. November 2003 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : ja BGHR

Referenzen

(1) Ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist vom Bundeskartellamt zu untersagen. Dies gilt nicht, wenn

1.
die beteiligten Unternehmen nachweisen, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und diese Verbesserungen die Behinderung des Wettbewerbs überwiegen, oder
2.
die Untersagungsvoraussetzungen ausschließlich auf Märkten vorliegen, auf denen seit mindestens fünf Jahren Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten werden und auf denen im letzten Kalenderjahr im Inland insgesamt weniger als 20 Millionen Euro umgesetzt wurden, es sei denn, es handelt sich um Märkte im Sinne des § 18 Absatz 2a oder einen Fall des § 35 Absatz 1a, oder
3.
die marktbeherrschende Stellung eines Zeitungs- oder Zeitschriftenverlags verstärkt wird, der einen kleinen oder mittleren Zeitungs- oder Zeitschriftenverlag übernimmt, falls nachgewiesen wird, dass der übernommene Verlag in den letzten drei Jahren jeweils in der Gewinn- und Verlustrechnung nach § 275 des Handelsgesetzbuchs einen erheblichen Jahresfehlbetrag auszuweisen hatte und er ohne den Zusammenschluss in seiner Existenz gefährdet wäre. Ferner muss nachgewiesen werden, dass vor dem Zusammenschluss kein anderer Erwerber gefunden wurde, der eine wettbewerbskonformere Lösung sichergestellt hätte.

(2) Ist ein beteiligtes Unternehmen ein abhängiges oder herrschendes Unternehmen im Sinne des § 17 des Aktiengesetzes oder ein Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes, sind die so verbundenen Unternehmen als einheitliches Unternehmen anzusehen. Wirken mehrere Unternehmen derart zusammen, dass sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können, gilt jedes von ihnen als herrschendes.

(3) Steht einer Person oder Personenvereinigung, die nicht Unternehmen ist, die Mehrheitsbeteiligung an einem Unternehmen zu, gilt sie als Unternehmen.

(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen

1.
ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen;
2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;
3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist;
4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt;
5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.

(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.

(1) Ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist vom Bundeskartellamt zu untersagen. Dies gilt nicht, wenn

1.
die beteiligten Unternehmen nachweisen, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und diese Verbesserungen die Behinderung des Wettbewerbs überwiegen, oder
2.
die Untersagungsvoraussetzungen ausschließlich auf Märkten vorliegen, auf denen seit mindestens fünf Jahren Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten werden und auf denen im letzten Kalenderjahr im Inland insgesamt weniger als 20 Millionen Euro umgesetzt wurden, es sei denn, es handelt sich um Märkte im Sinne des § 18 Absatz 2a oder einen Fall des § 35 Absatz 1a, oder
3.
die marktbeherrschende Stellung eines Zeitungs- oder Zeitschriftenverlags verstärkt wird, der einen kleinen oder mittleren Zeitungs- oder Zeitschriftenverlag übernimmt, falls nachgewiesen wird, dass der übernommene Verlag in den letzten drei Jahren jeweils in der Gewinn- und Verlustrechnung nach § 275 des Handelsgesetzbuchs einen erheblichen Jahresfehlbetrag auszuweisen hatte und er ohne den Zusammenschluss in seiner Existenz gefährdet wäre. Ferner muss nachgewiesen werden, dass vor dem Zusammenschluss kein anderer Erwerber gefunden wurde, der eine wettbewerbskonformere Lösung sichergestellt hätte.

(2) Ist ein beteiligtes Unternehmen ein abhängiges oder herrschendes Unternehmen im Sinne des § 17 des Aktiengesetzes oder ein Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes, sind die so verbundenen Unternehmen als einheitliches Unternehmen anzusehen. Wirken mehrere Unternehmen derart zusammen, dass sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können, gilt jedes von ihnen als herrschendes.

(3) Steht einer Person oder Personenvereinigung, die nicht Unternehmen ist, die Mehrheitsbeteiligung an einem Unternehmen zu, gilt sie als Unternehmen.

(1) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluss nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Beschluss darf nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Das Beschwerdegericht kann hiervon abweichen, soweit Beigeladenen aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, Akteneinsicht nicht gewährt und der Akteninhalt aus diesen Gründen auch nicht vorgetragen worden ist. Dies gilt nicht für solche Beigeladene, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann.

(2) Hält das Beschwerdegericht die Verfügung der Kartellbehörde für unzulässig oder unbegründet, so hebt es diese auf. Hat sich die Verfügung vorher durch Zurücknahme oder auf andere Weise erledigt, so spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Verfügung der Kartellbehörde unzulässig oder unbegründet gewesen ist, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(3) Hat sich eine Verfügung nach den §§ 32 bis 32b oder § 32d wegen nachträglicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder auf andere Weise erledigt, so spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, ob, in welchem Umfang und bis zu welchem Zeitpunkt die Verfügung begründet gewesen ist.

(4) Hält das Beschwerdegericht die Ablehnung oder Unterlassung der Verfügung für unzulässig oder unbegründet, so spricht es die Verpflichtung der Kartellbehörde aus, die beantragte Verfügung vorzunehmen.

(5) Die Verfügung ist auch dann unzulässig oder unbegründet, wenn die Kartellbehörde von ihrem Ermessen fehlsamen Gebrauch gemacht hat, insbesondere, wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder durch die Ermessensentscheidung Sinn und Zweck dieses Gesetzes verletzt hat. Die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung ist hierbei der Nachprüfung des Gerichts entzogen.

(6) Der Beschluss ist zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung den Beteiligten zuzustellen.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

(1) Ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist vom Bundeskartellamt zu untersagen. Dies gilt nicht, wenn

1.
die beteiligten Unternehmen nachweisen, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und diese Verbesserungen die Behinderung des Wettbewerbs überwiegen, oder
2.
die Untersagungsvoraussetzungen ausschließlich auf Märkten vorliegen, auf denen seit mindestens fünf Jahren Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten werden und auf denen im letzten Kalenderjahr im Inland insgesamt weniger als 20 Millionen Euro umgesetzt wurden, es sei denn, es handelt sich um Märkte im Sinne des § 18 Absatz 2a oder einen Fall des § 35 Absatz 1a, oder
3.
die marktbeherrschende Stellung eines Zeitungs- oder Zeitschriftenverlags verstärkt wird, der einen kleinen oder mittleren Zeitungs- oder Zeitschriftenverlag übernimmt, falls nachgewiesen wird, dass der übernommene Verlag in den letzten drei Jahren jeweils in der Gewinn- und Verlustrechnung nach § 275 des Handelsgesetzbuchs einen erheblichen Jahresfehlbetrag auszuweisen hatte und er ohne den Zusammenschluss in seiner Existenz gefährdet wäre. Ferner muss nachgewiesen werden, dass vor dem Zusammenschluss kein anderer Erwerber gefunden wurde, der eine wettbewerbskonformere Lösung sichergestellt hätte.

(2) Ist ein beteiligtes Unternehmen ein abhängiges oder herrschendes Unternehmen im Sinne des § 17 des Aktiengesetzes oder ein Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes, sind die so verbundenen Unternehmen als einheitliches Unternehmen anzusehen. Wirken mehrere Unternehmen derart zusammen, dass sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können, gilt jedes von ihnen als herrschendes.

(3) Steht einer Person oder Personenvereinigung, die nicht Unternehmen ist, die Mehrheitsbeteiligung an einem Unternehmen zu, gilt sie als Unternehmen.

(1) Vom Verbot des § 1 freigestellt sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne dass den beteiligten Unternehmen

1.
Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder
2.
Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten.

(2) Bei der Anwendung von Absatz 1 gelten die Verordnungen des Rates oder der Europäischen Kommission über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (Gruppenfreistellungsverordnungen) entsprechend. Dies gilt auch, soweit die dort genannten Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen nicht geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu beeinträchtigen.

(1) Ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist vom Bundeskartellamt zu untersagen. Dies gilt nicht, wenn

1.
die beteiligten Unternehmen nachweisen, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und diese Verbesserungen die Behinderung des Wettbewerbs überwiegen, oder
2.
die Untersagungsvoraussetzungen ausschließlich auf Märkten vorliegen, auf denen seit mindestens fünf Jahren Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten werden und auf denen im letzten Kalenderjahr im Inland insgesamt weniger als 20 Millionen Euro umgesetzt wurden, es sei denn, es handelt sich um Märkte im Sinne des § 18 Absatz 2a oder einen Fall des § 35 Absatz 1a, oder
3.
die marktbeherrschende Stellung eines Zeitungs- oder Zeitschriftenverlags verstärkt wird, der einen kleinen oder mittleren Zeitungs- oder Zeitschriftenverlag übernimmt, falls nachgewiesen wird, dass der übernommene Verlag in den letzten drei Jahren jeweils in der Gewinn- und Verlustrechnung nach § 275 des Handelsgesetzbuchs einen erheblichen Jahresfehlbetrag auszuweisen hatte und er ohne den Zusammenschluss in seiner Existenz gefährdet wäre. Ferner muss nachgewiesen werden, dass vor dem Zusammenschluss kein anderer Erwerber gefunden wurde, der eine wettbewerbskonformere Lösung sichergestellt hätte.

(2) Ist ein beteiligtes Unternehmen ein abhängiges oder herrschendes Unternehmen im Sinne des § 17 des Aktiengesetzes oder ein Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes, sind die so verbundenen Unternehmen als einheitliches Unternehmen anzusehen. Wirken mehrere Unternehmen derart zusammen, dass sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können, gilt jedes von ihnen als herrschendes.

(3) Steht einer Person oder Personenvereinigung, die nicht Unternehmen ist, die Mehrheitsbeteiligung an einem Unternehmen zu, gilt sie als Unternehmen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 151/01 Verkündet am:
20. November 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
BGHR : ja
20 Minuten Köln
Unter dem Gesichtspunkt einer Marktstörung ist der unentgeltliche Vertrieb einer
durch Anzeigen finanzierten Tageszeitung auch dann nicht wettbewerbswidrig,
wenn er zu Absatzeinbußen der bestehenden Kauf- und Abonnementzeitungen
führt. Das verfassungsrechtliche Gebot der Neutralität verbietet es, einer Kaufund
Abonnementzeitung von vornherein einen höheren Schutz vor einer Marktstörung
zuzubilligen als einer vollständig durch Anzeigen finanzierten Zeitung.
BGH, Urt. v. 20. November 2003 – I ZR 151/01 – OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Mai 2001 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin gibt die Tageszeitungen „Kölner Stadt-Anzeiger“, „Kölnische Rundschau“ und den „EXPRESS“ heraus. Der „EXPRESS“ ist eine sogenannte Boulevardzeitung, die im Raum Köln/Bonn mit einer Auflage von etwa 253.000 Exemplaren erscheint und dort mit der vom Axel Springer Verlag herausgegebenen Tageszeitung „BILD“ konkurriert, die in diesem Erscheinungsgebiet eine tägliche Auflage von etwa 85.000 Exemplaren erreicht.
Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft des größten norwegischen Medienkonzerns, der u.a. auch Tageszeitungen verlegt, die sich ausschließlich aus Anzeigen finanzieren und an die Leser auf Dauer unentgeltlich abgegeben werden. Die Beklagte ließ erstmals am 13. Dezember 1999 in Köln eine solche für
die Leser unentgeltliche Tageszeitung mit dem Titel „20 Minuten Köln“ verteilen. Diese Zeitung mit einer Startauflage von 150.000 Exemplaren verfügte über einen redaktionellen Teil, der etwa zwei Drittel ihres Inhalts ausmachte und lokale Nachrichten sowie Berichte insbesondere aus Politik, Kultur und Sport enthielt. Sie wurde montags bis freitags in allen Kölner Straßenbahn- und U-Bahn-Stationen in Zeitungsboxen ausgelegt sowie von Mitarbeitern der Beklagten an belebten Stellen im Kölner Stadtgebiet verteilt. Dieser unentgeltliche Vertrieb ist – abgesehen von einer zweimonatigen Unterbrechung, die durch eine vom Kammergericht (GRUR 2000, 624) aufgehobene einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin verursacht worden war – jedenfalls bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz am 16. März 2001 aufrechterhalten worden. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt erschienen auch die kostenlos verteilten Tageszeitungen „Kölner Morgen“ aus dem Hause der Klägerin und „Köln Extra“ des Axel Springer Verlages , die als Reaktion auf das Erscheinen von „20 Minuten Köln“ ins Leben gerufen worden waren.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die kostenlose Abgabe einer Tageszeitung verstoße unter dem Gesichtspunkt einer Marktstörung und einer unzulässigen Wertreklame gegen § 1 UWG. Ein solches Wettbewerbsverhalten berge für die gegen Entgelt angebotenen Tageszeitungen die Gefahr von Verkaufs- und Anzeigenrückgängen in sich, die sich im Streitfall auch realisiert habe. Langfristig stelle der unentgeltliche Vertrieb eine Existenzbedrohung für verkaufte Tageszeitungen dar und gefährde daher die unabhängige Presseberichterstattung.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, zu Wettbewerbszwecken (hilfsweise: im Gebiet der Stadt Köln) ein täglich von montags bis freitags erscheinendes Presseerzeugnis mit Inhalt und Aufmachung nach Art einer Tageszeitung wie
nachstehend wiedergegeben (es folgen Kopien von S. 3 bis 26 der Ausgabe von „20 Minuten Köln“ vom 13.12.1999) unentgeltlich zu verbreiten , verbreiten zu lassen, abzugeben und/oder abgeben zu lassen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Auffassung vertreten , daß ein generelles Verbot, anzeigenfinanzierte Tageszeitungen zu vertreiben, mit Art. 5 GG unvereinbar sei. Eine Gefährdung des Bestandes der herkömmlichen Tageszeitungen durch den Vertrieb ausschließlich anzeigenfinanzierter Zeitungen sei im übrigen nicht dargetan.
Das Landgericht hat die Klage unter Bezugnahme auf die im Verfügungsverfahren ergangenen Entscheidungen (LG Köln ZUM-RD 2000, 190; OLG Köln ZUM-RD 2000, 377) abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (OLG Köln ZUM-RD 2001, 393).
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihren Unterlassungsanspruch weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat einen Wettbewerbsverstoß der Beklagten verneint und zur Begründung ausgeführt:
Eine unzulässige Wertreklame unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens komme im Streitfall nicht in Betracht, weil die Beklagte die Leser durch das unentgeltliche Verteilen nicht zu einem späteren entgeltlichen Bezug ihrer Zeitung veranlassen wolle; im Falle der Beklagten sei vielmehr der unentgeltliche
Vertrieb auf Dauer angelegt. Auch die Voraussetzungen einer wettbewerbswidri- gen Marktstörung seien nicht gegeben. Allein der Umstand, daß eine gewöhnlich nur gegen Entgelt erbrachte Leistung unentgeltlich angeboten werde, lasse noch nicht ohne weiteres auf eine wettbewerbswidrige Marktstörung schließen. Vielmehr müsse ein weiteres Element hinzutreten, um die Unlauterkeit zu begründen. Alsdann habe unter Würdigung aller Gesamtumstände eine Interessenabwägung stattzufinden. Dabei treffe im allgemeinen denjenigen, der sich auf die Marktstörung berufe, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen. Im Streitfall gelte nicht etwa deswegen etwas anderes, weil der Gratisvertrieb einer Tageszeitung in Rede stehe und die Allgemeinheit ein schützenswertes Interesse am Bestand der herkömmlichen Presse als Institution zur Bildung der Meinungsvielfalt habe. Die Entwicklung am Markt habe dazu geführt , daß auch Tageszeitungen mit einem anspruchsvollen redaktionellen Teil ausschließlich durch Anzeigen finanziert und kostenlos verteilt würden. Dieses Konzept begegne nicht von vornherein wettbewerbs- oder verfassungsrechtlichen Bedenken. Unter diesen Umständen reichten bloße Mutmaßungen über eine Bestandsgefährdung entgeltlich vertriebener Tageszeitungen, über Qualitätseinbußen im redaktionellen Teil oder über einen erhöhten Einfluß der Anzeigenkunden auf die Redaktionen nicht aus, um den in einem wettbewerbsrechtlichen Verbot liegenden massiven Eingriff in die Presse- und Informationsfreiheit zu rechtfertigen. Auch auf dem Kölner Zeitungsmarkt, auf den der Hilfsantrag abstelle, sei der Bestand der herkömmlichen Tageszeitungen selbst nach eineinhalbjähriger Präsenz der unentgeltlich verteilten Tageszeitung der Beklagten – soweit ersichtlich – keinen ernstlichen Gefahren ausgesetzt. Der von der Klägerin vorgetragene Absatzrückgang in Höhe von 6 bis 20 % – Einbußen im Anzeigengeschäft seien nicht vorgetragen – reiche nicht aus, um eine Bestandsgefährdung anzunehmen. Dabei bleibe noch unberücksichtigt, daß der Absatz der entgeltlich vertriebenen Tageszeitungen der Klägerin auch unter der eigenen Gratiszeitung der Klägerin und dem
entsprechenden Abwehrblatt des Axel Springer Verlages gelitten habe. Diese Be- urteilung schließe es nicht aus, daß unter veränderten Umständen das Individualrecht der Beklagten, den Vertriebsweg für ihre Zeitung frei zu wählen, hinter der institutionellen Garantie der Pressefreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zurücktreten müssen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Mit Recht hat das Berufungsgericht das beanstandete Verhalten der Beklagten, die Tageszeitung „20 Minuten Köln“ unentgeltlich zu vertreiben, nicht als wettbewerbswidrig angesehen.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß im Streitfall die Voraussetzungen einer wettbewerbswidrigen Wertreklame im Sinne einer unlauteren Kundenbeeinflussung nach § 1 UWG nicht vorliegen.

a) Der Begriff der Wertreklame besagt, daß ein Kaufmann nicht mit Worten, sondern mit Werten Werbung treibt, daß er also etwas verschenkt, sei es eine ungekoppelte Werbegabe, sei es eine Zugabe oder sei es die Ware selbst, für deren entgeltlichen Absatz er damit zugleich wirbt. Eine solche Wertreklame ist nicht stets wettbewerbswidrig, sie kann aber im Einzelfall – etwa unter dem Gesichtspunkt einer Preisverschleierung, eines übertriebenen Anlockens oder eines psychischen Kaufzwangs – ausnahmsweise gegen die Regeln lauteren Wettbewerbs verstoßen (BGH, Urt. v. 18.9.1997 – I ZR 119/95, GRUR 1998, 475, 476 = WRP 1998, 162 – Erstcoloration; Urt. v. 26.3.1998 – I ZR 231/95, GRUR 1998, 1037, 1038 = WRP 1998, 727 – Schmuck-Set; Urt. v. 28.1.1999 – I ZR 192/96, GRUR 1999, 755, 756 = WRP 1999, 828 – Altkleider-Wertgutscheine; BGHZ 151, 84, 88 ff. – Kopplungsangebot I; BGH, Urt. v. 13.6.2002 – I ZR 71/01, GRUR 2002, 979, 980 ff. = WRP 2002, 1259 – Kopplungsangebot II; Urt. v. 22.5.2003 – I ZR 185/00, GRUR 2003, 804 f. = WRP 2003, 1101 – Foto-Aktion; Urt. v.
22.5.2003 – I ZR 8/01, GRUR 2003, 1057 = WRP 2003, 1428 – Einkaufsgutschein I, jeweils m.w.N.).

b) Im Streitfall kommt eine wettbewerbswidrige Wertreklame von vornherein nicht in Betracht, weil bei einem Zeitungsvertrieb, der auf Dauer darauf eingerichtet ist, die Zeitung ohne Entgelt abzugeben, eine auf den Erwerb einer entgeltlichen Leistung gerichtete unsachliche Beeinflussung des Empfängers ausscheidet (vgl. BGHZ 81, 291, 294 f. – Bäckerfachzeitschrift; OLG Karlsruhe WRP 1996, 118, 119). Ein Zeitungsverleger setzt seine Ware oder Leistung auf zwei verschiedenen Märkten ab, auf dem Lesermarkt und auf dem Anzeigenmarkt. Entscheidet er sich dafür, nur auf dem einen der beiden Märkte ein Entgelt zu verlangen, verursacht das unentgeltliche Angebot auf dem anderen Markt keine unsachliche Beeinflussung der Marktgegenseite, weil diese von vornherein nicht für ein Umsatzgeschäft gewonnen werden soll. Der Vorwurf, er verschenke eine geldwerte journalistische Leistung, kann dem Verleger, der seine Zeitung unentgeltlich abgibt, nicht gemacht werden, solange sie sich – wenn auch nicht in der Anlaufphase, so doch auf längere Sicht – ausschließlich durch Anzeigen finanzieren soll. Denn er läßt sich seine Leistung in diesem Fall bezahlen, wenn auch nicht vom Leser, so doch vom Anzeigenkunden (vgl. Hefermehl in der Anmerkung zur Senatsentscheidung „Bliestal-Spiegel“ GRUR 1985, 881, 883; OLG Karlsruhe WRP 1996, 118, 119 f.). Derartige Finanzierungsmodelle sind auch sonst gang und gäbe, etwa bei Internet-Diensten oder beim privaten Rundfunk, ohne daß hierin ein wettbewerbswidriges Verhalten gesehen wird.
2. Mit Recht hat das Berufungsgericht auch einen Wettbewerbsverstoß der Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer allgemeinen Marktbehinderung nach § 1 UWG verneint.

a) Das Verschenken von Ware kann auch dann wettbewerbswidrig sein, wenn es eine allgemeine Marktbehinderung oder Marktstörung zur Folge hat. Ein solcher Fall ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann gegeben, wenn das Wettbewerbsverhalten allein oder in Verbindung mit zu erwartenden gleichartigen Maßnahmen von Mitbewerbern die ernstliche Gefahr begründet, der auf der unternehmerischen Leistung beruhende Wettbewerb werde in erheblichem Maße eingeschränkt (vgl. BGHZ 114, 82, 84 – Motorboot-Fachzeitschrift; BGH, Urt. v. 29.6.2000 – I ZR 128/98, GRUR 2001, 80, 81 = WRP 2000, 1394 – ad-hocMeldung ; Urt. v. 14.12.2000 – I ZR 147/98, GRUR 2001, 752, 753 = WRP 2001, 688 – Eröffnungswerbung). Damit soll im Interesse der betroffenen Wettbewerber, in dem sich das Interesse der Allgemeinheit am Bestand des Wettbewerbs widerspiegelt , auch in Fällen, in denen eine gezielte Verdrängungsabsicht nicht vorliegt, verhindert werden, daß durch ein systematisches Verschenken von Waren oder durch einen Verkauf unter Einstandspreis der Wettbewerbsbestand gefährdet wird (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.1988 – I ZR 29/87, GRUR 1990, 371, 372 = WRP 1989, 468 – Preiskampf).
Eine Marktverhaltenskontrolle läuft in diesem Fall – ähnlich wie bei den die Kontrolle von Marktmacht betreffenden Bestimmungen der §§ 19 und 20 GWB, die den Wettbewerb als Institution zu schützen bestimmt sind – gleichzeitig auf eine Marktstrukturkontrolle hinaus. Dieser Umstand und die damit verbundene parallele Anwendung der Bestimmungen des UWG und des GWB führen dazu, daß auch bei der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung stets die Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen berücksichtigt werden muß. Insbesondere ist zu beachten, daß dem lauterkeitsrechtlichen Verbot nicht die Wirkung zukommt, ohnehin bestehende Marktzutrittsschranken zu erhöhen und damit zu einer Marktabschottung beizutragen.

b) Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß die Gratisverteilung von Anzeigenblättern, die über einen redaktionellen Teil verfügen, unter besonderen Umständen gegen § 1 UWG verstoßen kann (vgl. BGHZ 19, 392, 397 f. – Freiburger Wochenbericht; 51, 236, 238 – Stuttgarter Wochenblatt I; BGH, Urt. v. 22.11.1984 – I ZR 98/82, GRUR 1985, 881, 882 = WRP 1985, 330 – Bliestal-Spiegel ). Ein solcher Verstoß soll insbesondere dann vorliegen, wenn der redaktionelle Teil des Anzeigenblattes geeignet sei, für einen nicht unerheblichen Teil des Publikums eine Tageszeitung zu ersetzen, und wenn die ernstliche Gefahr bestehe, daß deshalb die Tagespresse als Institution in ihrem verfassungsrechtlich garantierten Bestand bedroht sei (BGH GRUR 1985, 881, 882 – Bliestal-Spiegel, m.w.N.). Dabei hat der Senat jedoch klargestellt, daß auch die ständige Gratisverteilung von Anzeigenblättern und Fachzeitschriften mit einem gewissen Eigenwert des redaktionellen Teils nicht ohne weiteres, sondern nur unter besonderen Umständen gegen § 1 UWG verstößt (BGHZ 81, 291, 294 – Bäckerfachzeitschrift; BGH GRUR 1985, 881, 882 – Bliestal-Spiegel). Außerdem hat der Senat betont, daß im Geschäftsleben niemand Anspruch auf eine unveränderte Erhaltung seines Kundenkreises hat und daß auch neuartige und vielleicht besonders wirksame Wettbewerbsmaßnahmen nicht schon deshalb als unlauter zu mißbilligen sind, weil sie sich für Mitbewerber wegen ihres Erfolges nachteilig auswirken (BGHZ 51, 236, 242 – Stuttgarter Wochenblatt I; BGH, Urt. v. 12.10.1989 – I ZR 155/87, GRUR 1990, 44, 45 = WRP 1990, 266 – Annoncen-Avis; BGHZ 114, 82, 84 – Motorboot-Fachzeitschrift).

c) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, der Bestand ihrer Tageszeitungen müsse schon aus verfassungsrechtlichen Gründen vor dem Wettbewerb durch die unentgeltlich vertriebene Tageszeitung der Beklagten geschützt werden.
aa) Die Garantie der Pressefreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterscheidet nicht danach, ob sich eine Zeitung mit redaktionellem Textteil allein durch Anzei-
gen oder daneben auch dadurch finanziert, daß der Leser für den Erwerb ein Entgelt zahlen muß (vgl. BGHZ 51, 236, 246 f. – Stuttgarter Wochenblatt I). Bei der institutionellen Garantie der Presse durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geht es nicht darum, den Bestand eines Presseorgans gegen den Wettbewerb durch ein anderes Presseorgan zu schützen. Nur wenn der Bestand eines meinungsbildenden Blattes – also einer Zeitung, die „sich redaktionell vor allem mit allgemein interessierenden politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gegenständen“ befaßt und dabei „informierend und kommentierend an der Bildung der öffentlichen Meinung“ mitwirkt (BGH GRUR 1985, 881, 882 – Bliestal-Spiegel) – durch ein Konkurrenzprodukt gefährdet würde, das diese Funktionen nicht wahrnehmen könnte, käme ein Rückgriff auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in Betracht (vgl. OLG Karlsruhe WRP 1996, 118, 120; vgl. auch Hefermehl in der Anmerkung zur Senatsentscheidung „Stuttgarter Wochenblatt II“ GRUR 1971, 477, 479).
bb) Im Streitfall ist nicht ersichtlich, weshalb den von der Klägerin verlegten Tageszeitungen gegenüber der Tageszeitung der Beklagten von Verfassungs wegen eine Vorrangstellung zukommen sollte. Die Bedenken, die die Revision in diesem Zusammenhang generell gegenüber anzeigenfinanzierten Tageszeitungen äußert, können nicht dazu führen, die eine Form der Tageszeitung gegenüber der anderen auch im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung auf eine höhere Stufe zu stellen. Die Revision meint, bei der gratis verteilten Zeitung sei auch die gesamte redaktionelle Arbeit anzeigenfinanziert, so daß die Gefahr der Einflußnahme der Werbetreibenden auf die Arbeit, Ausrichtung und personelle Besetzung der Redaktion bestehe. Diese Erwägung liegt nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung (vgl. BGHZ 114, 82, 86 – Motorboot-Fachzeitschrift; ferner Teplitzky, GRUR 1999, 108, 111). Daraus folgt aber nicht, daß der über die Leserschaft (mit-)finanzierten Tageszeitung von vornherein ein höherer Schutz vor einer Marktstörung zugebilligt werden müßte. Ohne die ebenfalls nicht fernliegende Abhängigkeit der
mischfinanzierten Presse von wirtschaftlich bedingten meinungsbildenden Fakto- ren zu gewichten, schlägt das verfassungsrechtliche Gebot, bei der Wertung redaktioneller Berichterstattung Neutralität zu wahren, auch bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung durch. Entgegen der Ansicht der Revision kann der Klägerin deshalb auch kein präventiver Schutz zugesprochen und das unentgeltliche Verteilen von Tageszeitungen unabhängig vom Vorliegen einer konkreten Gefährdung des Bestands als wettbewerbswidrig angesehen werden. Eine dahingehende Äußerung kann der Senatsentscheidung „Stumme Verkäufer“ (Urt. v. 15.2.1996 – I ZR 1/94, GRUR 1996, 778, 780 = WRP 1996, 889) nicht entnommen werden. In keinem Fall reicht eine abstrakte Gefährdung aus, um das beanstandete Marktverhalten zu verbieten. Im übrigen gelten für die einen wie für die anderen Tageszeitungen dieselben presse- und lauterkeitsrechtlichen Regeln, mit denen beispielsweise eine redaktionell getarnte Werbung verhindert werden kann.
cc) Nicht weiterführend ist die Parallele, die die Revision zur Rundfunkordnung ziehen möchte. Sie verweist darauf, daß das mit einer ausschließlichen Werbefinanzierung verbundene Gefährdungspotential für den Rundfunk schon seit längerem bekannt sei; dies habe zur Folge, daß das Bundesverfassungsgericht die ausschließliche Werbefinanzierung als unvereinbar mit der grundgesetzlich geschützten Informationsfreiheit und der Institution eines freien Rundfunks angesehen habe. Die Revision verkennt hierbei, daß in der dualen Rundfunkordnung neben den öffentlichrechtlichen Anstalten auch die ausschließlich werbefinanzierten privaten Rundfunkunternehmen ihren festen Platz haben. Im übrigen kann auch das mit den Abonnementzeitungen am ehesten vergleichbare sogenannte Bezahlfernsehen, das sich durch Abonnenten finanziert, nicht beanspruchen, daß ihm durch werbefinanzierte Fernsehsender kein Wettbewerb erwächst.

d) Auch die weiteren Umstände des Streitfalls, die sämtlich zur Prüfung heranzuziehen sind (vgl. BGHZ 81, 291, 294 – Bäckerfachzeitschrift; Hefermehl,
GRUR 1985, 883), rechtfertigen es nicht, der Beklagten den Betrieb einer rein anzeigenfinanzierten Zeitung mit Hilfe des Wettbewerbsrechts zu untersagen.
aa) Der vorgetragene Absatzrückgang bei den Zeitungen der Klägerin deutet entgegen der Ansicht der Revision nicht darauf hin, daß das Verhalten der Beklagten wettbewerbsrechtlich zu beanstanden wäre. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen , daß sie in der Zeit, in der ihre Blätter dem Wettbewerb der Beklagten mit ihrer Zeitung „20 Minuten Köln“ ausgesetzt waren, Absatzrückgänge zwischen 6 und 20 % zu verzeichnen hatte. Zu ihren Gunsten ist von diesem – bestrittenen – Vortrag im Revisionsverfahren auszugehen. Es kann auch unterstellt werden, daß dieser Rückgang auf den Wettbewerb durch die neue Tageszeitung der Beklagten zurückzuführen ist. Daraus läßt sich indessen kein die Unlauterkeit begründendes Merkmal ableiten. Es ist nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts, den Bestand bestehender wettbewerblicher Strukturen zu bewahren und wirtschaftlichen Entwicklungen entgegenzusteuern, in denen die bisherigen Marktteilnehmer mit Recht eine Bedrohung ihres Kundenstammes erblicken. Denn es ist gerade Sinn der Wettbewerbsrechtsordnung, dem freien Spiel der Kräfte des Marktes im Rahmen der gesetzten Rechtsordnung Raum zu gewähren (BGH GRUR 1990, 44, 45 – Annoncen-Avis; BGHZ 114, 82, 84 – Motorboot-Fachzeitschrift). Die Klägerin kann daher keine Sicherung ihres Bestandes – schon gar nicht auf dem vor Eintritt des Wettbewerbers gehaltenen Niveau – beanspruchen.
bb) Eine Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb führt zu keiner anderen Sichtweise. Die Verhältnisse auf den lokalen und regionalen Pressemärkten haben sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert. Während die lokalen und regionalen Tageszeitungen in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts einem nicht unerheblichen Wettbewerb ausgesetzt waren, sind die lokalen und regionalen Tageszeitungen heute in ihren Kernverbreitungsgebieten vielfach Monopolanbieter auf dem Lesermarkt. Lediglich
dort, wo sich die Verbreitungsgebiete benachbarter Lokal- oder Regionalzeitungen überschneiden, herrscht noch Wettbewerb. So waren auch die Blätter der Klägerin auf dem regionalen Lesermarkt der meinungsbildenden Tageszeitungen in Köln bis zum Erscheinen des Blattes der Beklagten keinem Wettbewerb ausgesetzt.
Neu hinzutretende Wettbewerber können in den auf diese Weise strukturierten Märkten nur schwer Fuß fassen. Die Marktzutrittsschranken sind extrem hoch. Bislang mußten Monopolanbieter, nachdem sie einmal diese Stellung errungen hatten, mit dem Zutritt neuer Wettbewerber nicht mehr rechnen. Auch heute noch erscheint es ausgeschlossen, daß ihnen Konkurrenz durch andere Abonnementzeitungen erwächst. Möchte sich ein neuer Anbieter etablieren, bleibt ihm kaum eine andere Wahl als den der ausschließlich anzeigenfinanzierten Tageszeitung (vgl. Berst, AfP 1999, 425, 429). Diesen aufkeimenden Wettbewerb mit Hilfe des Lauterkeitsrechts zu verbieten und sich zur Rechtfertigung auf den Schutz des Wettbewerbs zu berufen, hieße, die Dinge auf den Kopf zu stellen.
III. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Ullmann RiBGH Prof. Starck ist altersbedingt aus Bornkamm dem richterlichen Dienst ausgeschieden und daher an der Unterschriftsleistung verhindert. Ullmann Büscher Schaffert

(1) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann von den am Beschwerdeverfahren Beteiligten durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden.

(2) Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begründen ist. Der Beschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.

(4) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu begründen. Die Frist kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden verlängert werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde müssen die Zulassungsgründe des § 77 Absatz 2 dargelegt werden.

(5) Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies gilt nicht für Nichtzulassungsbeschwerden der Kartellbehörden.

(6) Wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, so wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs rechtskräftig. Wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, so wird das Verfahren als Rechtsbeschwerdeverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Rechtsbeschwerde. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde.