Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2011 - IX ZR 8/09

published on 07/07/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2011 - IX ZR 8/09
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Landgericht Stuttgart, 26 O 181/05, 20/05/2008
Oberlandesgericht Stuttgart, 7 U 114/08, 11/12/2008

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 8/09
vom
7. Juli 2011
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin
Möhring
am 7. Juli 2011

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 11. Dezember 2008 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 111.913,76 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
2
1. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht das Tatbestandsmerkmal der drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO verneint hat, verstoßen nicht gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG). Ein solcher Verstoß liegt nicht einmal bei einer zweifelsfrei fehlerhaften Rechtsanwendung vor. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Rechtsanwendung unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerfGE 4, 1, 7; 70, 93, 97). Dies ist bei einer fehlerhaften Rechtsanwendung der Fall, die sachlich schlechthin unhaltbar ist (BVerfGE 58, 163, 167 f), weil sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar erscheint (BVerfG WM 2003, 2370, 2372). Dies trifft auf die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts nicht zu. Sie stützt sich auf die umfassende sachverständige Auswertung nicht nur des von der Beschwerde hervorgehobenen Konzernfinanzplans vom 8. Februar 2002, sondern insbesondere auch der wöchentlich erstellten Liquiditätsentwicklungsübersichten. Der Sachverständige hat anhand dieser und weiterer Rechenwerke weder eine Zahlungsunfähigkeit bis zum Ende des Monats Mai 2002 festzustellen vermocht noch eine für die Schuldnerin erkennbare größere Wahrscheinlichkeit, dass dieser Zustand bis dahin hätte eintreten können. Diese Einschätzung hat er keineswegs auf die - ausdrücklich als solche bezeichnete - Vermutung gestützt, dass der Konzernfinanzplan nur ein Planungsinstrument gewesen sei. Der Kläger hat seine gegenteilige Behauptung folglich nicht beweisen können. Das Berufungsgericht hat die bereits hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit vorgenommene Würdigung des Gutachtens bezüglich der drohenden Zahlungsunfähigkeit auch nicht noch einmal vollständig wiederholen müssen.
3
2. Das Berufungsgericht hat auch nicht durch die Würdigung der weiteren Indizien gegen das Willkürverbot verstoßen. Die verschiedenen Schätzungen , wie viel Kapital die Schuldnerin bis zur endgültigen Fertigstellung ihres Entwicklungsprojekts insgesamt benötigte, haben für die Beurteilung des Drohens der Zahlungsunfähigkeit keine Bedeutung. Dafür ist vielmehr in erster Linie eine auf den konkreten Umständen beruhende und auf einen überschaubaren Zeitraum bezogene Liquiditätsbilanz maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 140 f; vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, Rn. 28). Diese hat das Berufungsgericht untersuchen lassen und gewürdigt. Dabei ist es nicht von dem unzutreffenden Obersatz ausgegangen, ein bloßes Bemühen des Schuldners um weitere Liquidität lasse die Wahrscheinlichkeit entfallen, dass er voraussichtlich nicht in der Lage sein werde, bestehende Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Das Berufungsgericht hat vielmehr festgestellt, dass die Schuldnerin durchaus Aussichten gehabt habe, von öffentlicher Seite Fördermittel zu erhalten.
4
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Kayser Raebel Pape
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 20.05.2008 - 26 O 181/05 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 11.12.2008 - 7 U 114/08 -
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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
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published on 21/10/2022 14:35

Der Bundesgerichtshof äußert sich zu der Frage, wann ein Unternehmen Zahlungsunfähig ist (und daher Insolvenz anmelden muss) und wann lediglich eine Zahlungsstockung vorliegt. Im Urteil vom 24.05.2005 (IX ZR 123/04) nennt der BGH Abgr
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Annotations

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.