Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Jan. 2002 - IX ZR 452/00

bei uns veröffentlicht am17.01.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 452/00
vom
17. Januar 2002
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft und die Richter Stodolkowitz, Dr. Ganter, Raebel und Kayser
am 17. Januar 2002

beschlossen:
Der Wert der Beschwer der Beklagten durch das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 4. Oktober 2000 wird auf mehr als 60.000 DM festgesetzt.
Die Revisionen der Beklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden angenommen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren beträgt 69.183,47 DM (= 35.372,95 Euro); davon entfallen 46.797,63 DM (= 23.927,25 Euro) auf die Revision der Beklagten zu 1 und 22.385,84 DM (= 11.445,70 Euro) auf die Revision der Beklagten zu 2.

Gründe:


Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil lediglich ausgesprochen, daß die Beschwer keines der beiden Beklagten 60.000 DM übersteige; die Beschwer des unterlegenen Teils hat es nicht festgesetzt. Das verstößt gegen die §§ 2 und 5 ZPO sowie § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO aF.

Gemäû § 5 ZPO werden mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche wertmäûig zusammengerechnet. Das gilt auch für die Klaghäufung und die nach Prozeûverbindung entstandene Beschwer unterlegener Streitgenossen , soweit es sich nicht um wirtschaftlich identische Streitgegenstände handelt (vgl. BGH, Urt. v. 5. Februar 1997 - VIII ZR 41/96, WM 1997, 1483; Beschl. v. 19. Oktober 2000 - I ZR 176/00, NJW 2001, 230, 231).
Hier richtet sich die Widerspruchsklage gegen die Pfändung von Seiten der Beklagten zu 1 und die Anschluûpfändung von Seiten der Beklagten zu 2. Die Pfändungen stellen voneinander unabhängige Forderungen beider Gläubiger sicher. Die Beschwer der Beklagten zu 1 und 2 ergibt sich daher aus dem zusammengerechneten Wert ihrer Forderungen, ausgenommen die Nebenforderung im Sinne des § 4 ZPO, soweit der Gegenstand des Pfandrechts keinen geringeren Wert hat (§ 6 ZPO). Den Wert der gepfändeten ungetrennten Feldfrüchte hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; es ist nichts dafür ersichtlich , daû er unterhalb des Forderungsbetrages liegt.
Der Streitwert für die Revision des Beklagten zu 2 setzt sich zusammen aus einer Hauptforderung von 19.372 DM, Inkassokosten von 1.190,49 DM und selbständig verfolgten Zinsen von 1.823,35 DM.
Kreft Stodolkowitz Ganter Raebel Kayser

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 546 Begriff der Rechtsverletzung


Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 4 Wertberechnung; Nebenforderungen


(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht,

Zivilprozessordnung - ZPO | § 5 Mehrere Ansprüche


Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 2 Bedeutung des Wertes


Kommt es nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Wert des Streitgegenstandes, des Beschwerdegegenstandes, der Beschwer oder der Verurteilung an, so gelten die nachfolgenden Vorschriften.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 6 Besitz; Sicherstellung; Pfandrecht


Der Wert wird bestimmt: durch den Wert einer Sache, wenn es auf deren Besitz, und durch den Betrag einer Forderung, wenn es auf deren Sicherstellung oder ein Pfandrecht ankommt. Hat der Gegenstand des Pfandrechts einen geringeren Wert, so ist dieser

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2000 - I ZR 176/00

bei uns veröffentlicht am 19.10.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZR 176/00 vom 19. Oktober 2000 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR : ja ZPO § 546 Abs. 2, §§ 91a, 93 Hat das Berufungsgericht auch über Kosten entschieden, die für einen durch Anerkenntn

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Kommt es nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Wert des Streitgegenstandes, des Beschwerdegegenstandes, der Beschwer oder der Verurteilung an, so gelten die nachfolgenden Vorschriften.

Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 176/00
vom
19. Oktober 2000
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Hat das Berufungsgericht auch über Kosten entschieden, die für einen durch Anerkenntnis
oder übereinstimmende Erledigungserklärungen erledigten Teil des
Rechtsstreits entstanden sind (§§ 91a, 93 ZPO), ist dieser Teil des Berufungsurteils
im Revisionsverfahren nicht überprüfbar. Das entsprechende Kosteninteresse
muß daher auch bei der Bemessung des Wertes der Beschwer außer Betracht
bleiben.
BGH, Beschl. v. 19. Oktober 2000 – I ZR 176/00 – OLG Hamm
LG Bochum
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 19. Oktober 2000 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. UngernSternberg
, Starck, Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Schaffert

beschlossen:
Der Antrag der Beklagten auf Heraufsetzung des Wertes der Beschwer wird abgelehnt.
Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 60.000 DM festgesetzt.

Gründe:


I. Die Klägerin und die Beklagte zu 1 handeln mit Schmuck, den sie über sogenannte Beraterinnen vertreiben. Die Beklagte zu 2 war früher für die Klägerin und ist jetzt für die Beklagte zu 1 als Beraterin tätig. Gegenstand des Rechtsstreits ist eine Ä ußerung über die Klägerin, die die Beklagte zu 2 nach ihrem Wechsel zur Beklagten zu 1 in einem an ihre Kundinnen gerichteten Rundschreiben gemacht hat.
Nachdem die Klägerin diese Ä ußerung als wettbewerbswidrig beanstandet hatte, gab nur die Beklagte zu 2 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, weigerte sich jedoch, die geltend gemachten Kosten der Abmahnung in Höhe von 1.213,80 DM (Anwaltskosten aus einem Streitwert von 60.000 DM) zu zahlen. Die Klägerin nahm daraufhin die Beklagte zu 1 auf Unterlassung in Anspruch und begehrte von der Beklagten zu 2 Zahlung der Abmahnkosten. Vor dem Landgericht
gab die Beklagte zu 2 ein Anerkenntnis ab. Das Landgericht verurteilte sie entsprechend diesem Anerkenntnis zur Zahlung; die Klage gegen die Beklagte zu 1 wies das Landgericht ab; die Kosten des gesamten Rechtsstreits erlegte es der Klägerin auf, und zwar hinsichtlich des anerkannten Teils nach § 93 ZPO. Auf die Berufung der Klägerin, die sich sowohl gegen die Klageabweisung als auch gegen die Kostenentscheidung (soweit sie auf § 93 ZPO beruhte) richtete, verurteilte das Oberlandesgericht die Beklagte zu 1 antragsgemäß und belastete die Beklagten anteilsmäßig mit den Kosten des Rechtsstreits. Den Streitwert setzte das Berufungsgericht auf 60.600 DM fest, wobei 60.000 DM auf die Unterlassungsklage gegen die Beklagte zu 1 und – als Kosteninteresse – 600 DM auf das Verfahren gegen die Beklagte zu 2 entfielen. Ferner wurde bestimmt, daß das Urteil keine der Parteien mit mehr als 60.000 DM beschwere.
Die Beklagten beantragen, den Wert der Beschwer auf 60.600 DM heraufzusetzen.
II. Der Antrag ist nicht begründet.
Zwar sind, worauf die Beklagten mit Recht hinweisen, für die Berechnung der Beschwer – soweit es sich nicht um wirtschaftlich identische Streitgegenstände handelt – die Werte der Beschwer aller Streitgenossen nach §§ 2, 5 ZPO zusammenzurechnen , und zwar unabhängig davon, ob das Berufungsurteil auch von allen Streitgenossen angefochten worden ist (BGH, Beschl. v. 28.10.1980 – VI ZR 303/79, NJW 1981, 578; Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 136/82, NJW 1984, 927, 928; Urt. v. 23.5.1989 – IVa ZR 88/88, BGHR ZPO § 546 Abs. 1 Satz 1 – Streitgenossen 1). Von dieser Regel ist jedoch im Streitfall eine Ausnahme zu machen. Denn die Verurteilung der Beklagten zu 2 betrifft lediglich die Kosten des Rechtsstreits. Der Beklagten zu 2 wäre es daher verwehrt, ihre Verurteilung zur
Zahlung eines (anteilsmäßig bestimmten) Teils der Kosten des Rechtsstreits mit der Revision anzufechten. Der Teil des Rechtsstreits, hinsichtlich dessen die Revision unstatthaft wäre, muß bei der Bemessung des Wertes der Beschwer außer Betracht bleiben.
Entscheidet das Landgericht – wie im Streitfall – durch Teilanerkenntnisund Schlußurteil und trifft es insofern eine einheitliche Kostenentscheidung, so kann der auf § 93 ZPO beruhende Teil der Kostenentscheidung nicht nur mit der sofortigen Beschwerde (§ 99 Abs. 2 ZPO), sondern – zusammen mit dem streitigen Teil der Hauptsache – auch mit der Berufung angefochten werden (BGHZ 17, 392, 397 f.; Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 99 Rdn. 11). Es gilt insofern nichts anderes als für die Anfechtung der Kostenentscheidung nach einer Teilerledigung (§ 91a ZPO; Zöller/Vollkommer aaO § 91a Rdn. 56; Musielak/Wolst, ZPO, § 91a Rdn. 53). In diesen Fällen ist jedoch die Bestimmung des § 567 Abs. 4 ZPO zu beachten, die eine weitere Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Oberlandesgerichts ausschließt (Musielak/Wolst aaO). Sollen derartige Entscheidungen der Oberlandesgerichte keiner weiteren Sachprüfung unterzogen werden, muß dies auch gelten, wenn die Kosten(teil)entscheidung ausnahmsweise wegen der gleichzeitigen Entscheidung über weitere Anträge der Klage mit der Berufung angefochten worden ist (BGHZ 58, 341, 342; 107, 315, 317 f.; 113, 362, 363 f.; BGH, Urt. v. 30.11.1989 – I ZR 55/87, WRP 1990, 488, 498 – Metro III).
Scheidet aus diesen Gründen eine Anfechtung des Berufungsurteils durch die Beklagte zu 2 als unstatthaft aus, muß deren Beschwer auch bei der Festsetzung des Wertes der Beschwer nach § 546 Abs. 2 ZPO außer Betracht bleiben. Die für die Zusammenrechnung der Werte der Beschwer mehrerer Streitgenossen maßgebliche Erwägung, schon bei Erlaß des Berufungsurteils müsse der Umfang der Beschwer feststehen, damit das Berufungsgericht gegebenenfalls über die
Frage der Zulassung der Revision befinden könne, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Nichtanfechtbarkeit dieses Teils der Kostenentscheidung steht bereits bei Erlaß des Berufungsurteils fest und kann daher auch vom Berufungsgericht bei der Bemessung des Wertes der Beschwer berücksichtigt werden.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck
Bornkamm Schaffert

(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, entscheidend; Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.

(2) Bei Ansprüchen aus Wechseln im Sinne des Wechselgesetzes sind Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, als Nebenforderungen anzusehen.

Der Wert wird bestimmt: durch den Wert einer Sache, wenn es auf deren Besitz, und durch den Betrag einer Forderung, wenn es auf deren Sicherstellung oder ein Pfandrecht ankommt. Hat der Gegenstand des Pfandrechts einen geringeren Wert, so ist dieser maßgebend.