Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2010 - IX ZB 48/09
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe:
- 1
- gesetzlicher Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 219 Abs. 2 BEG) besteht nicht.
- 2
- 1. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts genügt den von der Beschwerde herangezogenen Grundsätzen (vgl. BGH, Urt. v. 4. März 1980 - VI ZR 6/79, VersR 1980, 533 unter II. 1.; v. 9. Juni 1992 - VI ZR 222/91, NJW 1992, 2291, 2292 unter II. 2. c). Das Berufungsgericht hat die Unterschiede der beiden Sachverständigengutachten von Prof. Dr. v. Ar. und Prof. Dr. K. behandelt und dargelegt, weshalb es dem zweitinstanzlichen Gutachten gefolgt ist. Eine Verpflichtung zur nochmaligen Befragung des erstinstanzlichen Sachverständigen bestand nicht.
- 3
- 2. Hätte das Berufungsgericht gegen die §§ 176 BEG, 286 ZPO verstoßen , so läge in diesem Verfahrensfehler des Einzelfalls kein Grund zur Zulassung der Revision (BGH, Beschl. v. 26. September 2002 - IX ZR 148/02, bei juris Rn. 5, 6). Das von Art. 103 Abs. 1 GG garantierte rechtliche Gehör der Klägerin ist insoweit nicht berührt worden.
- 4
- 3. Auch die von der Beschwerde geltend gemachte "Beweisnot" der Hinterbliebenen angesichts der Meinungsverschiedenheiten der medizinischen Wissenschaft gibt keinen Anlass zur Zulassung der Revision. Die hieraus er- wachsenen Folgen sind nicht mehr grundsätzlich klärungsbedürftig (vgl. BGH, Beschl. v. 23. April 2009 - IX ZB 25/08, bei juris Rn. 4).
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 17.04.2008 - 22 O 11406/07 -
OLG München, Entscheidung vom 13.01.2009 - 18 EU 2/08 -
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(1) Gegen Endurteile des Oberlandesgerichts findet die Revision an den Bundesgerichtshof statt, wenn das Oberlandesgericht die Revision zugelassen hat.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist; - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abweicht und auf dieser Abweichung beruht; - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert; - 4.
streitig ist, ob das Land, gegen das der Anspruch auf Entschädigung gerichtet ist (§ 188), zu Recht als zuständig in Anspruch genommen ist.
(3) Über die Zulassung oder Nichtzulassung der Revision ist im Urteil zu befinden. Die Nichtzulassung ist zu begründen.
(4) Für die Einlegung und Begründung der Revision gilt § 218 Abs. 2 entsprechend.
(1) Die Entschädigungsorgane haben von Amts wegen alle für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu ermitteln und alle erforderlichen Beweise zu erheben.
(2) Kann der Beweis für eine Tatsache infolge der Lage, in die der Antragsteller durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen geraten ist, nicht vollständig erbracht werden, so können die Entschädigungsorgane diese Tatsache unter Würdigung aller Umstände zugunsten des Antragstellers für festgestellt erachten. Ebenso ist zu verfahren, wenn Urkunden verlorengegangen, Zeugen verstorben oder unauffindbar sind oder wenn die Vernehmung des Antragstellers oder eines Zeugen mit Schwierigkeiten verbunden ist, die in keinem Verhältnis zu der Bedeutung der Aussage stehen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
Gründe
Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision (§ 219 Abs. 2 BEG) liegt nicht vor.
1. Das Berufungsgericht ist von der zutreffenden Annahme ausgegangen , daß über Hinterbliebenenansprüche gemäß § 41 BEG in der Vorfrage eines todesursächlichen Verfolgungsgeschehens ohne Bindung an die Entscheidung über den Anspruch der Verstorbenen auf Entschädigung für den Gesundheitsschaden zu befinden ist (vgl. BGH, Urt. v. 8. Dezember 1967 - IV ZR 132/66, RzW 1968, 174). Es hat auch nicht verkannt, daß die Beweiserleichterung für den Ursachenzusammenhang zwischen Verfolgung und Tod in Form eines Wahrscheinlichkeitsnachweises (§ 28 Abs. 1 Satz 2, § 41 Abs. 2 Satz 1
BEG) für den gesamten zwischen diesen Ereignissen liegenden Krankheitsverlauf einschließlich der Todesfolge gilt (vgl. BGH, Urt. v. 6. Juni 2002 - IX ZR 35/02, z.V.b.).
2. Der Kläger beanstandet, daß das Berufungsgericht sich die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Sch. zu eigen gemacht hat. Hiernach soll die verfolgungsbedingte Angstneurose der Verstorbenen ihre anlagebedingte Polyarthritis nach klinischen Erfahrungen möglicherweise zwar in einzelnen Schüben vorübergehend verschlimmert, den Gesamtverlauf der Erkrankung in ihrem Ausmaß aber nicht verschlechtert oder in ihrem Ablauf beschleunigt haben.
Es kann offen bleiben, ob diese medizinische Beurteilung, wie der Kläger mit seiner nicht zugelassenen Revision rügen möchte, einen Widerspruch enthält und aus etwaigen Schubverstärkungen mindestens eine beschleunigte Langzeitentwicklung der tödlich verlaufenden Polyarthritis abgeleitet werden müßte. Selbst wenn darin ein das Gebiet tatrichterlicher Beweiswürdigung überschreitender Verstoß gegen die §§ 176 BEG, 286 ZPO gesehen werden könnte, würde dieser Verfahrensfehler nicht zur Zulassung der Revision führen.
Nur wenn das Berufungsgericht eine Verfahrensvorschrift anders auslegt , als sie in einer früheren Entscheidung des Bundesgerichtshofs ausgelegt worden ist, kommt eine Abweichung (§ 219 Abs. 2 Nr. 2 BEG) in Betracht (BGH, Beschl. v. 8. Februar 1967 - IV ZB 634/66, RzW 1967, 281 Nr. 33; v. 31. März 1967 - IV ZB 479/66, RzW 1967, 431 Nr. 42). Anhaltspunkte dafür, daß das Berufungsurteil auf einer von der Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs abweichenden Auslegung der §§ 176 BEG und 286 ZPO beruht, sind nicht vorhanden.
Wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften kann die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im übrigen nur dann mit Erfolg angegriffen werden , wenn das Berufungsgericht eine Frage des Verfahrensrechts von grundsätzlicher Bedeutung entschieden hat oder wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Rechtsprechungseinheit in Ansehung einer verfahrensrechtlichen Rechtsfrage die Entscheidung des Bundesgerichtshofs fordert (§ 219 Abs. 2 Nr. 1 und 3 BEG; vgl. dazu BGHZ 81, 53, 54 f unter Bezug auf BGH, Beschl. v. 20. September 1957 - IV ZB 170/57, RzW 1957, 416 Nr. 42 LS). Das Berufungsgericht hat mit seiner nur auf den Einzelfall bezogenen Würdigung des Beweisergebnisses zum Ursachenzusammenhang zwischen Verfolgung und Tod der Ehefrau des Klägers hier weder eine Rechtsfrage verfahrensrechtlicher Art, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, in einem bestimmten Sinn entschieden, noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Überprüfung der Beweiswürdigung.
Kreft Ganter Raebel Kayser Bergmann