Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2010 - IX ZB 281/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Schuldnerin trägt die Kosten beider Rechtsmittelverfahren.
Der Wert der Rechtsmittelverfahren wird auf jeweils 300 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Über das Vermögen der Schuldnerin ist am 20. Oktober 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die weitere Beteiligte (fortan: Treuhänderin) ist zur Treuhänderin ernannt worden. Mit Beschluss vom 1. August 2008 ist die Restschuldbefreiung angekündigt, mit weiterem Beschluss vom 26. August 2008 das Insolvenzverfahren aufgehoben worden.
- 2
- Mit Schreiben vom 2. April 2009 hat die Schuldnerin eine Überprüfung des an die Treuhänderin abzuführenden pfändbaren Betrages ihres Arbeitseinkommens beantragt. Die Schuldnerin ist beim A. , Landesverband Baden-Württemberg e.V., angestellt. Sie hat eine im Tarifvertrag vorgesehene Zusatzvereinbarung abgeschlossen, nach welcher sie zusätzlich beim V. e.V. (fortan: V. ) versichert ist; die Beiträge in Höhe von 4,6 % des jeweiligen Arbeitslohnes hat der Arbeitgeber zu tragen. Die Schuldnerin und die Treuhänderin streiten um die Frage, ob der Beitrag Teil des Arbeitseinkommens ist.
- 3
- Mit Beschluss vom 17. Juli 2009 hat das Insolvenzgericht angeordnet, dass vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 4,99 € abzuziehen seien; den weitergehenden Antrag der Schuldnerin hat es abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht angeordnet, dass die Beiträge des Arbeitgebers an den V. ebenfalls als unpfändbar zu berücksichtigen seien. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Treuhänderin die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin erreichen.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin.
- 5
- Das Beschwerdegericht hat die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nicht geprüft. Diese ist nicht gegeben. Die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach § 36 Abs. 4 InsO folgt noch nicht aus der Anwendung vollstreckungsrechtlicher Beurteilungsnormen. Der Streit zwischen Insolvenzverwalter oder Treuhänder und Schuldner über die Massezugehörigkeit von Lohnanteilen kann nur im Wege des Rechtsstreits entschieden werden, weil er keine Vollstreckungshandlung und keine Anordnung des Vollstreckungsgerichts zum Gegenstand hat (vgl. BGH, Beschl. v. 11. Mai 2010 - IX ZB 268/09, ZIP 2010, 1197 f Rn. 2 mit weiteren Nachweisen). Der Antrag der Schuldnerin wäre als unzulässig abzulehnen gewesen.
Vorinstanzen:
AG Ludwigsburg, Entscheidung vom 17.07.2009 - 3 IK 429/06-s -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 25.11.2009 - 19 T 310/09 -
Annotations
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse. Die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850l, 851c, 851d, 899 bis 904, 905 Satz 1 und 3 sowie § 906 Absatz 2 bis 4 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Verfügungen des Schuldners über Guthaben, das nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wirkungen des Pfändungsschutzkontos nicht von der Pfändung erfasst wird, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Freigabe dieses Kontoguthabens durch den Insolvenzverwalter.
(2) Zur Insolvenzmasse gehören jedoch
- 1.
die Geschäftsbücher des Schuldners; gesetzliche Pflichten zur Aufbewahrung von Unterlagen bleiben unberührt; - 2.
im Fall einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners die Sachen nach § 811 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b und Tiere nach § 811 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe b der Zivilprozessordnung; hiervon ausgenommen sind Sachen, die für die Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit erforderlich sind, welche in der Erbringung persönlicher Leistungen besteht.
(3) Sachen, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören und im Haushalt des Schuldners gebraucht werden, gehören nicht zur Insolvenzmasse, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, daß durch ihre Verwertung nur ein Erlös erzielt werden würde, der zu dem Wert außer allem Verhältnis steht.
(4) Für Entscheidungen, ob ein Gegenstand nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Vorschriften der Zwangsvollstreckung unterliegt, ist das Insolvenzgericht zuständig. Anstelle eines Gläubigers ist der Insolvenzverwalter antragsberechtigt. Für das Eröffnungsverfahren gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.