Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2013 - IX ZB 238/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf bis zu 200.000 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 44 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO, ABl. EG 2001 L 12,5.1) in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nach § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist.
- 2
- 1. Der von der Rechtsbeschwerde behauptete Gehörsverstoß durch Übergehen eines Aussetzungsantrags nach Art. 46 Abs. 1 EuGVVO liegt nicht vor. Vielmehr hat das Beschwerdegericht durch den Erlass seiner Beschwerdeentscheidung deutlich gemacht, das Verfahren nicht aussetzen zu wollen. Es hat somit inzident eine nicht rechtsbeschwerdefähige Ermessensentscheidung nach Art. 46 Abs. 1 EuGVVO getroffen (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Oktober 1991 - Rs. C 183/90, van Dalfsen u.a./van Loon u.a., Slg. 1991 I-4765 Rn. 26 zu Art. 38 EuGVÜ; BGH, Beschluss vom 21. April 1994 - IX ZB 8/94; NJW 1994, 2156, 2157). Dass sich in diesem Zusammenhang eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche, bislang nicht gerichtlich geklärte Rechtsfrage stellt, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu der unterschiedliche Auffassungen vertreten werden (Hk-ZPO/Kayser/Koch, 5. Aufl., § 543 Rn. 8), ist weder dargelegt noch ersichtlich.
- 3
- 2. Ebenso wenig greift der Zulässigkeitsgrund des Einheitlichkeitssicherungsbedarfs ein, soweit der Antragsgegner meint, durch die Verneinung des Versagungsgrundes nach Art. 34 Nr. 2 EuGVVO in seinen Verfahrensgrundrechten verletzt worden zu sein. Die vom Beschwerdegericht angenommene rechtzeitige Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes am Wohnsitz des Antragsgegners in Verona beruht nicht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, sondern auf dem unzureichenden Vortrag des Antragsgegners zur fehlenden Möglichkeit der Kenntnisnahme. Die Zustellung ist nach dem maßgeblichen italienischen Recht (vgl. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht , 3. Aufl., A. 1 Art. 34 Rn. 132) gemäß Art. 140 c.p.c. durch den Gerichtsvollzieher gegenüber dem zeitweilig abwesenden Antragsgegner an dessen amtliche Meldeanschrift erfolgt. Dass der Antragsgegner zum Zustellungszeitpunkt tatsächlich nicht unter der Zustellungsadresse in Verona gemeldet war, hat er nicht behauptet. Der Antragsgegner hat lediglich ohne nähere Ausführungen bestritten, seinen Wohnsitz, seinen Aufenthalt oder sein Domizil zu diesem Zeitpunkt in Verona gehabt zu haben. Die amtliche Meldung begründet nach dem italienischen Zivilrecht aber die widerlegbare Vermutung, dass sich der Wohnsitz der Person an dieser Meldeadresse befindet (Christandl in Eccher/Schurr/Christandl, Handbuch italienisches Zivilrecht, Rn. 2/94). Die Zustellung war somit nach italienischem Recht ordnungsgemäß, weshalb das Beschwerdegericht davon ausgehen durfte, dass der Antragsgegner nunmehr die erforderlichen Maßnahmen zur Verteidigung seiner Interessen einleiten konnte; die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Antragsgegner hatte es ohne besondere Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Verteidigungsmöglichkeit nicht zu prüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juni 1981 - Rs. 166/80, Klomps/Michel, Slg. 1981, 1593 Rn. 19; Magnus/Mankowski/Francq, Brussels I Regulation, 2. Aufl., Art. 34 Rn. 48). Die von der Rechtsbeschwerde zitierte Entscheidung des XII. Zivilsenats unterscheidet sich vom Streitfall maßgeblich dadurch, dass es aufgrund der dortigen Umstände äußerst zweifelhaft war, dass der Antragsgegner zum Zustellungszeitpunkt noch an der Meldeanschrift - der ehemaligen Ehewohnung - wohnhaft war und somit das verfahrenseinleitende Schriftstück erhalten hatte (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, EuZW 2008, 251 Rn. 27 ff). Entsprechende außergewöhnliche Umstände hat der Antragsgegner vorliegend nicht dargetan.
- 4
- 3. Die Rechtsbeschwerde legt schließlich nicht hinreichend dar, dass die Verneinung eines Ordre public-Verstoßes gemäß Art. 34 Nr. 1 EuGVVO Rechtsfortbildungs- oder Einheitlichkeitssicherungsbedarf begründet. Der Hinweis auf eine vereinzelt gebliebene abweichende Entscheidung eines USBezirksgerichts rechtfertigt nicht den Schluss, dass die aufgeworfene Rechtsfrage im Inland streitig ist und somit Klärungsbedarf besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 54/09, ZIP 2010, 985 Rn. 3; Hk-ZPO/ Kayser/Koch, 5. Aufl., § 543 Rn. 9). Inwieweit die Annahme des Beschwerdegerichts , es bestünden keine technischen Möglichkeiten, den Immaterialgüterrechtsschutz bei Verletzung von markenrechtsverletzenden Domainnamen auf das italienische Territorium zu beschränken, das rechtliche Gehör des Antragsgegners verletzen könnte, wird nicht dargetan.
- 5
- 4. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 17 Abs. 2 AVAG, § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Pape Möhring
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 15.09.2010 - 24 O 14085/10 -
OLG München, Entscheidung vom 01.08.2011 - 25 W 2340/10 -
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(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.
(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.
(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Der Bundesgerichtshof kann nur überprüfen, ob der Beschluss auf einer Verletzung des Rechts der Europäischen Union, eines Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrags, sonstigen Bundesrechts oder einer anderen Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt. Er darf nicht prüfen, ob das Gericht seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
(2) Der Bundesgerichtshof kann über die Rechtsbeschwerde ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Auf das Verfahren über die Rechtsbeschwerde sind § 574 Absatz 4, § 576 Absatz 3 und § 577 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.
(3) Soweit die Zwangsvollstreckung aus dem Titel erstmals durch den Bundesgerichtshof zugelassen wird, erteilt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dieses Gerichts die Vollstreckungsklausel. § 8 Absatz 1 Satz 2 und 4, §§ 9 und 10 Absatz 1 und 3 Satz 1 gelten entsprechend. Ein Zusatz über die Beschränkung der Zwangsvollstreckung entfällt.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.